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Die neue Agrarkrisenreserve der EU, die 2023 eingeführt wurde, soll den Agrarsektor in Krisen unterstützen. Anders als zuvor wird diese Reserve direkt aus dem EU-Haushalt finanziert, damit die Direktzahlungen an die Landwirte nicht gekürzt werden müssen. Diese Änderung hat jedoch einen Anreiz für die Mitgliedstaaten geschaffen, die Reserve häufiger in Anspruch zu nehmen, sodass ihre Mittel schnell erschöpft sind. Es wird untersucht, wie diese Änderung zu einem Tragik-der-Allmende-Szenario geführt hat, bei dem die Mitgliedstaaten individuelle Vorteile auf Kosten des kollektiven Interesses ausnutzen.

Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union gibt es seit 2014 einen Fonds zur Bewältigung von „größeren Krisen, die sich auf Erzeugung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse auswirken“ (EU-Verordnung, 2013, Art. 25). Nach dem Ende des letzten mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) und einer Übergangszeit von zwei Jahren gelten seit Anfang 2023 neue Regeln für die Finanzierung und den Aktivierungsmechanismus dieses Fonds. Während die Mittel für die Krisenhilfe ursprünglich durch Kürzungen bei anderen Ausgaben im Agrarbereich aufgebracht werden mussten, gibt es nun eine eigene Haushaltslinie für Krisenfälle im EU-Haushalt. Die Mittel der Agrarreserve können damit im Krisenfall genutzt werden, ohne dass es zu Kürzungen an anderer Stelle kommt. Diese Neuregelung und die Politik der EU-Kommission in diesem Bereich schaffen einen Anreiz für die EU-Mitgliedstaaten, sich individuelle Vorteile zu verschaffen und gleichzeitig die dadurch entstehenden Kosten zu vergemeinschaften. Das Kriseninstrument wird nicht mehr nur im Krisenfall genutzt, sondern Krisen werden „gesucht und gefunden“. Bereits 2023, dem ersten Jahr der Geltung der Neuregelung, ist diese Entwicklung zu beobachten: Während die frühere Krisenreserve nie genutzt wurde, wurde die neue Agrarreserve bereits nach wenigen Monaten des Jahres 2023 nicht nur mehrfach eingesetzt, sondern ist bereits ausgeschöpft.

Die frühere Krisenreserve

Die europäische Agrarpolitik ist immer noch eine der größten Ausgabepositionen im EU-Haushalt. Im letzten MFR (2013 bis 2020) wurden insgesamt 312,7 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt. Mehr als die Hälfte dieser Mittel erhielten die europäischen Landwirte über Direktzahlungen, deren Höhe sich an bewirtschafteten Flächen orientiert. Aus den Direktzahlungen wurde jedes Jahr für die Krisenreserve ein Betrag in Höhe von jährlich 400 Mio. Euro pro Jahr (In konstanten Preisen von 2011) reserviert (EU-Verordnung, 2013, Art. 25). Die Krisenreserve sollte der Unterstützung des Agrarsektors im Krisenfall dienen. Wurde die Reserve nicht in Anspruch genommen, wurden die einbehaltenen Direktzahlungen im Folgejahr an die Landwirte zusätzlich ausgezahlt (EU-Verordnung, 2013, Art. 26 Abs. 7). Zur Aktivierung der Krisenreserve bedurfte es eines Vorschlags der EU-Kommission, der die Zustimmung des Europäischen Parlaments und des Ministerrates zur Übertragung der Mittel in den Haushalt erhalten musste. Einschränkend für die Nutzung der Reserve war zudem die Regelung, dass, solange noch andere, konkretere Interventionsmaßnahmen zur Verfügung standen, diese vorrangig zu aktivieren waren (Interinstitutionelle Vereinbarung, 2013, Rn. 22).

Die rechtlichen Möglichkeiten zur Auslösung der Krisenreserve waren damit streng und die Inanspruchnahme für die Mitgliedstaaten unattraktiv, da keine zusätzlichen Mittel im Krisenfall zur Verfügung standen. Jeder Einsatz der Krisenreserve hätte geringere Direktzahlungen für alle Mitgliedstaaten zur Folge gehabt. Eine vergleichende Betrachtung der Inanspruchnahme der neuen Agrarreserve legt die Vermutung nahe, dass die Krisenreserve aus diesen Gründen in den Jahren 2014 bis 2022 kein einziges Mal aktiviert wurde. Um die Krisenreaktionsfähigkeit zu verbessern, wurde für den MFR der Jahre 2021 bis 2027 eine Neuregelung angestrebt, aus der dann die Agrarreserve entstanden ist.

Die neue Agrarreserve

Im Rahmen der Neuverhandlungen des MFR für den Zeitraum 2021 bis 2027 wurde die bisherige Krisenreserve durch die neue Agrarreserve ersetzt. Nach einer Übergangsphase von zwei Jahren wurde zum 1.1.2023 die Krisenreserve durch die Agrarreserve abgelöst. Ähnlich wie ihre Vorgängerin soll die Agrarreserve „den Agrarsektor im Falle von Marktentwicklungen oder Krisen, die sich auf die landwirtschaftliche Erzeugung oder den Vertrieb landwirtschaftlicher Erzeugnisse auswirken, […] stützen“ (EU-Verordnung, 2021, Rn. 16). Ein wesentlicher Unterschied zur Krisenreserve besteht darin, dass der Einsatz der Agrarreserve nicht mehr mit einer Kürzung der Direktzahlungen verbunden ist. Stattdessen werden die Mittel direkt in dem jährlichen Agrarhaushalt der EU bereitgestellt und damit wie alle Ausgaben des EU-Haushalts durch EU-Eigenmittel finanziert (EU-Verordnung, 2021, Art. 16 Abs. 1). Auch die Regelungen über den Einsatz des Instruments wurden reformiert. Die Agrarreserve wird durch die Kommission mittels eines Durchführungsrechtsaktes aktiviert. Das heißt: Im Kontrast zur Krisenreserve ist keine Zustimmung durch das EU-Parlament oder den Ministerrat für die Aktivierung der Reserve mehr nötig. Zwar ist auch bei der Agrarreserve eine Anhörung der Mitgliedstaaten vorgesehen, eine Ablehnung des Vorschlags der EU-Kommission ist den Mitgliedstaaten jedoch nur bei Einstimmigkeit möglich.

In der finanziellen Ausstattung ist die Agrarreserve mit der früheren Krisenreserve vergleichbar. Das geplante Volumen der Agrarreserve beträgt für die Jahre 2023 bis 2027 jährlich 450 Mio. Euro in jeweiligen Preisen. Darüber hinaus hat die Kommission die Möglichkeit, diesen Betrag anzupassen (EU-Verordnung, 2021, Art. 16 Abs. 2). Nicht gebundene Mittel aus der Reserve des laufenden Jahres werden zur Finanzierung der Reserve im folgenden Haushaltsjahr übertragen (EU-Verordnung, 2021, Art. 16 Abs. 2).

Die Folgen der Neuregelung

Im Gegensatz zur Krisenreserve, die während ihres neunjährigen Bestehens nie genutzt wurde, ist die Agrarreserve 2023, im ersten Jahr ihres Bestehens, bereits mehrfach aktiviert worden. Zunächst flossen 44 Mio. Euro an Landwirte in Italien und Polen, die von einem Vogelgrippeausbruch betroffen waren (EU-Durchführungs­verordnung, 2022; 2023b). Der zweite Einsatz der Agrarreserve erfolgte im Zusammenhang mit den Kriegsfolgen in der Ukraine. Große Mengen von Getreide und Ölsaaten aus der Ukraine wurden auf den Märkten der ukrainischen Nachbarländer angeboten. Dieses zusätzliche Angebot führte zu wirtschaftlichen Einbußen bei Landwirten der Nachbarländer vor allem in der EU. Um die Folgen abzumildern, wurden Hilfszahlungen aus der Agrarreserve in Höhe von insgesamt rund 56,3 Mio. Euro an Polen (29,5 Mio. Euro), Bulgarien (16,75 Mio. Euro) und Rumänien (10,05 Mio. Euro) vorgeschlagen und freigegeben (EU-Durchführungsverordnung, 2023a). Die Notwendigkeit dieser Zahlungen war nicht unumstritten, denn die ukrainischen Mehrimporte glichen in einigen Ländern überwiegend die geringere inländische Produktion aus und im Falle Rumäniens konnte gar kein Überangebot durch die Importe aus der Ukraine festgestellt werden (Euractiv, 2023a).

Ebenfalls aufgrund der zusätzlichen Lieferungen aus der Ukraine wurden weitere, noch umfangreichere Zahlungen aus der Agrarreserve vorgeschlagen: 9,77 Mio. Euro an Bulgarien, 15,93 Mio. Euro an Ungarn, 39,33 Mio. Euro an Polen, 29,73 Mio. Euro an Rumänien und 5,24 Mio. Euro an die Slowakei, insgesamt also 100 Mio. Euro (EU-Durchführungsverordnung, 2023c). Im zeitlichen Zusammenhang mit den Zahlungen aus der Agrarreserve hatten sich einige Staaten verpflichtet, ihre zwischenzeitlich eingeführten Maßnahmen gegen Importe aus der Ukraine zurückzunehmen (O. V., 2023a). Dieses Vorgehen nahmen andere Mitgliedstaaten zum Anlass, die Zahlungen als eine Art Belohnung für diese einseitigen Maßnahmen zu kritisieren (Euractiv, 2023b). Möglicherweise als Reaktion auf diese Kritik schlug die Kommission eine weitere Aktivierung der Agrarreserve vor: Der verbleibende Rest der Agrarreserve für 2023, noch rund 250 Mio. Euro, sollte an alle Mitgliedstaaten verteilt werden, die bisher noch nicht von der Agrarreserve profitiert hatten, aber, so EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski, „von verschiedenen Arten von Krisen betroffen sind“ (Euractiv, 2023c). Vermutlich, weil diese verbleibenden Mittel nicht ausreichten, um die Kritik der anderen Mitgliedstaaten am geplanten 100-Millionen-Paket zu zerstreuen, plante der Agrarkommissar eine zusätzliche Aufstockung der Agrarreserve um weitere 80 Mio. Euro (O. V., 2023b), um die endgültige Auszahlung auf dann 330 Mio. Euro zu erhöhen. Nachdem Ungarn nach langem Zögern doch seine Importbeschränkungen aufgehoben hatte, konnte Ende Juni das 100-Millionen-Paket verabschiedet werden (EU-Durchführungsverordnung, 2023), lediglich Belgien und Luxemburg enthielten sich der Stimme (O. V., 2023c). Infolgedessen wurden letztlich auch die verbliebenen Mittel an alle bisher noch nicht mit Auszahlungen bedachten Mitgliedstaaten gezahlt (EU-Durchführungsverordnung, 2023d).

Im Laufe des Jahres wurde zudem Kritik an der angeblich unzureichenden Mittelausstattung der neuen Agrarreserve (Euractiv, 2023d; 2023e; O. V., 2023d) und der unzureichenden Höhe der Auszahlungen laut (Euractiv, 2023b; 2023f) – wenngleich das finanzielle Volumen der Agrarreserve sogar um 50 Mio. Euro über dem der früheren Krisenreserve liegt. Zusätzlich zu den bereits erfolgten Aktivierungen gab es zahlreiche weitere, (bisher) nicht erfolgreiche Forderungen nach Auszahlungen (O. V., 2023b; Euractiv, 2023c).

Ökonomische Erklärungsversuche

Diese aktuellen Entwicklungen rund um die Aktivierungen der Agrarreserve legen folgenden Schluss nahe: Die Neuregelung der Krisenreserve hat bei den Mitgliedstaaten eine Verhaltensänderung angestoßen, die eine stärkere Nutzung der durch alle Mitgliedstaaten finanzierten Reserve zur Folge hat. Dieses Verhalten kann mit dem in der Ökonomie und den Sozialwissenschaften als Tragik der Allmende bezeichneten Modell erklärt werden: Es beschreibt die Problematik und Herausforderung der gemeinschaftlichen Nutzung sogenannter Allmendegüter, also Gütern, bei denen eine Rivalität um die Nutzung besteht, jedoch kein Ausschluss von der Nutzung möglich ist. Bei solchen als Common-Pool Resources bezeichneten Gütern besteht für die einzelnen Nutzer der Anreiz, ihre eigenen Interessen über die der Gemeinschaft zu stellen und das Allmendegut zu stark zu beanspruchen (Hardin, 1968). Dieses Verhalten führt letztlich potenziell zum Verfall der Ressourcen. Der US-Amerikanerin Elinor Ostrom wurde für ihre Veröffentlichung zur Lösung dieser Problematik im Jahr 2009 der Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen. Ihren Studien zufolge liegt die Lösung des Problems in der Gründung von Institutionen, die von Selbstverpflichtungen der Akteure und Kontrollmöglichkeiten seitens der Institution unterstützt werden (Ostrom, 1999).

Mit der Agrarreserve wurde nun eine solche Common-Pool Resource geschaffen: Die Mittel stehen im Krisenfall den begünstigten Ländern zur Verfügung, ohne dass es im Agrarbereich zu Kürzungen kommt. Für eine eingehende Prüfung des tatsächlichen Bedarfs bestehen somit nur noch geringe Anreize. Für die EU-Kommission, deren Befugnisse bei der Aktivierung durch die Neuregelung deutlich erweitert wurden, steht mit der Agrarreserve ein Instrument zur Verfügung, dass sie als Verhandlungsmasse einsetzen kann, um Konflikte mit den Mitgliedstaaten zu lösen. Die von Ostrom als Lösung der Problematik vorgeschlagenen Institutionen sind also im Falle der Agrarreserve derzeit zumindest unvollständig vorhanden. Die Verfügbarkeit der zusätzlichen Mittel der Agrarreserve und die Notwendigkeit, die Mittel möglichst frühzeitig zu fordern, um bedacht zu werden, ist bei den Mitgliedstaaten zu beobachten. Es gab einen regelrechten Ansturm auf die Mittel und es kam zu zahlreichen Aktivierungen der Reserve. Bereits mehrere Monate vor dem Ende des Haushaltsjahres sind die Mittel völlig ausgeschöpft und müssen aufgestockt werden. Die neu geschaffene Agrarreserve bietet somit einen Anreiz für ökonomisches Fehlverhalten, da sie den einzelnen Mitgliedstaaten ermöglicht, ihren individuellen Nutzen auf Kosten der anderen Mitgliedstaaten zu erhöhen.

Da die nötige Aufstockung mit den Mitteln der Agrarreserve für 2024 finanziert wird (Euractiv, 2023f) und somit die Mittel der Agrarreserve für das kommende Jahr schmälert, kommt hinzu, dass die Überziehung der Mittel potenziell eine weitere Verschärfung der Tragik der Allmende mit sich bringt: Verhalten sich die Mitgliedstaaten im nächsten Jahr ähnlich wie 2023, wäre der Andrang auf die knapperen Mittel umso größer. Definitiv stehen im Falle tatsächlich dringender Krisen für das kommende Jahr weniger Mittel im Rahmen der Reserve zur Verfügung. Es droht eine Negativkaskade, denn für (noch) finanziell verantwortungsvoll handelnde Staaten wäre es bald irrational, nicht auch Gebrauch von der Agrarreserve zu machen, um die eigenen Mittel aufzustocken. Eine solche immer weiter um sich greifende Inanspruchnahme würde folglich bald größere Summen für die Agrarreserve unausweichlich machen und damit die Agrarreserve immer weiter aufblähen. Das würde wiederum Forderungen nach einer Aufstockung der Agrarmittel nach sich ziehen.

Der gegenwärtig zu beobachtende politische Charakter der Prüfungen der Kommission, die sich nicht am tatsächlichen Bedarf orientieren, birgt zudem ein weiteres Risiko, hier in der Form von ex post Moral Hazard. Der Grund für Moral Hazard sind Informationsasymmetrien, die im Falle einer bestehenden Versicherung zu Verhaltensänderungen der Versicherten aufgrund der Versicherung selbst führen (Arrow, 1963). Da die Agrarreserve das Ausgabeverhalten der Mitgliedstaaten bei den Agrarmitteln nicht verändert, verursacht die Agrarreserve keinen ex ante, jedoch einen ex post Moral Hazard (Wigger, 2006). Das moralische Risiko entsteht hierbei aufgrund asymmetrischer Informationen über den tatsächlichen Finanzbedarf im Krisenfall, den die Kommission nur schwer überprüfen kann. Zudem ist der Umfang der Agrarreserve und damit die prinzipiell zur Verfügung stehenden Mittel bekannt. Dadurch besteht für die Mitgliedstaaten der Anreiz, die Forderungen höher anzusetzen als notwendig und sich bei der Krisenbewältigung nicht kostenbewusst zu verhalten.

Ausblick

Die grundsätzliche Problematik der Ausgestaltung der Agrarreserve wurde auch innerhalb der Bundesregierung erkannt. So verspricht Ophelia Nick, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundeslandwirtschaftsministerium, eine sorgfältige Prüfung der Auszahlungsvorhaben, um „[…] den Griff nach der Agrarreserve nicht leicht [zu] machen“ (Euractiv, 2023g). Auch in anderen Mitgliedstaaten stoßen die Neuregelungen auf Kritik. In einem gemeinsamen Schreiben an die EU-Kommission kritisierten die Agrarminister:innen von 13 Mitgliedstaaten, dass sie nicht ausreichend in die Entscheidung über die Auszahlungen einbezogen worden seien und die Zahlungen zu einer Ungleichbehandlung innerhalb des Binnenmarktes führten (Euractiv, 2023c). Zudem sollten die Entscheidungen über die Zahlungen und deren Höhe transparent und ausreichend datenbasiert sein (Euractiv, 2023c).

Der Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten zur Eindämmung der Inanspruchnahme der Agrarreserve und damit der auftretenden Tragik der Allmende erscheint vor dem Hintergrund der rechtlichen Ausgestaltung der Reserve und der damit verbundenen Machtfülle der Kommission begrenzt. Dennoch sollte die Bundesregierung auf europäischer und nationaler Ebene das öffentliche Bewusstsein für die hier beschriebene Problematik schärfen. Kurzfristig könnte es helfen, den Druck in den beteiligten Gremien zu erhöhen und weiter auf Transparenz bei der Begründung der Zahlungen sowie auf eine datengestützte Methodik zu drängen. Mittel- und langfristig sollten die Mitgliedstaaten, die Wert auf fiskalische Solidität legen, eine Überprüfung der Agrarreserve initiieren. Bei der jetzigen Regelung ist die Versuchung zu groß geworden, die Agrarreserve für den nationalen Vorteil zu nutzen, indem vermeintliche Krisen als Anlass zur Aktivierung gesucht und gefunden werden, ohne dass die Kosten für den europäischen Steuerzahlenden berücksichtigt werden.

Der Beitrag gibt die persönliche Meinung der Autoren wieder und entspricht nicht notwendigerweise der Position des Bundesministeriums der Finanzen.

Literatur

Arrow, K. (1963), Uncertainty and the Welfare Economics of Medical Care, The American Economic Review, 53(5), 941-973.

EU-Durchführungsverordnung (2022), Durchführungsverordnung (EU) 2022/2406 der Kommission vom 8. Dezember 2022 mit außergewöhnlichen Marktstützungsmaßnahmen für den Eier- und Geflügelfleischsektor in Polen, Amtsblatt L 317, 56 ff., 9. Dezember 2022.

EU-Durchführungsverordnung (2023a), Durchführungsverordnung (EU) 2023/739 der Kommission vom 4. April 2023 über eine Notfallmaßnahme zur Unterstützung des Getreide- und des Ölsaatensektors in Bulgarien, Polen und Rumänien, Amtsblatt L 96, 80 ff., 5. April 2023.

EU-Durchführungsverordnung (2023b), Durchführungsverordnung (EU) 2023/834 der Kommission vom 18. April 2023 mit außergewöhnlichen Marktstützungsmaßnahmen für den Eier- und Geflügelfleischsektor in Italien, Amtsblatt L 105, 2 ff., 20. April 2023.

EU-Durchführungsverordnung (2023c), Durchführungsverordnung (EU) 2023/1343 der Kommission vom 30. Juni 2023 über eine Notfallmaßnahme zur Unterstützung des Getreide- und des Ölsaatensektors in Bulgarien, Ungarn, Polen, Rumänien und der Slowakei, Amtsblatt L 168, 22 ff., 3. Juli 2023.

EU-Durchführungsverordnung (2023d), Durchführungsverordnung (EU) 2023/1465 der Kommission vom 14. Juli 2023 über eine finanzielle Soforthilfe für die Sektoren in der Landwirtschaft, die von spezifischen Problemen betroffen sind, die sich auf die wirtschaftliche Tragfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe auswirken, Amtsblatt L 180, 21 ff., 17. Juli 2023.

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Euractiv (2023b), Hilfsgelder fürs Heimatland: Polnischer EU-Kommissar unter Beschuss, https://www.euractiv.de/section/gap-reform/news/hilfsgelder-fuers-heimatland-polnischer-eu-kommissar-unter-beschuss/ (15. August 2023).

Euractiv (2023c), EU-Kommission sagt drittes Krisenpaket für Landwirtschaft zu, https://www.euractiv.de/section/landwirtschaft-und-ernahrung/news/eu-kommission-sagt-drittes-krisenpaket-fuer-landwirtschaft-zu/ (15. August 2023).

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Euractiv (2023e), Özdemir kritisiert „intransparentes“ €430 Millionen schweres EU-Paket für Landwirte, https://www.euractiv.de/section/gap-reform/news/oezdemir-kritisiert-intransparentes-e430-millionen-schweres-eu-paket-fuer-landwirte/ (15. August 2023).

Euractiv (2023f), Ukrainisches Getreide: Slowakei nennt EU-Hilfe „lächerlich“, https://www.euractiv.de/section/europa-kompakt/news/ukrainisches-getreide-slowakei-nennt-eu-hilfe-laecherlich/ (15. August 2023).

Euractiv (2023g), EU-Krisengelder für Landwirtschaft sollten „genau überlegt“ sein, https://www.euractiv.de/section/gap-reform/interview/eu-krisengelder-fuer-landwirtschaft-sollten-genau-ueberlegt-sein/ (15. August 2023).

EU-Verordnung (2013), Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates, Amtsblatt L 347, 549 ff., 20. Dezember 2013.

EU-Verordnung (2021), Verordnung (EU) Nr. 2021/2116 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 2. Dezember 2021 über die Finanzierung, Verwaltung und Überwachung der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013, Amtsblatt L 435, 187 ff., 6. Dezember 2021. Hardin, G. (1968), The Tragedy of the Commons, Science, 162(3859), 1243-1248.

Interinstitutionelle Vereinbarung (2013), Interinstitutionelle Vereinbarung vom 2. Dezember 2013 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission über die Haushaltsdisziplin, die Zusammenarbeit im Haushaltsbereich und die wirtschaftliche Haushaltsführung, Amtsblatt C 373, 1 ff., 6. Dezember 2021.

Ostrom, E. (1999), Die Verfassung der Allmende. Jenseits von Staat und Markt, Mohr Siebeck.

O. V. (2023a), EU-Hilfsgelder nur bei Stopp der unilateralen Handelsres­triktionen, Agra-Europe (AgE), 64(18), 8.

O. V. (2023b), Wojciechowski will Mittel um rund 80 Millionen Euro aufstocken, Agra-Europe (AgE), 64(25), 10-11.

O. V. (2023c), EU-Kommission öffnet die Taschen, Agra-Europe (AgE), 64(27), 5.

O. V. (2023d), COPA und COGECA pochen auf Mittel aus Sondertopf, Agra-Europe (AgE), 64(19), 5.

Wigger, B. U. (2006), Grundzüge der Finanzwissenschaft, Springer.

Title:The New EU Agricultural Crisis Reserve: Unintended Consequences

Abstract:The European Union’s new Agricultural Crisis Reserve, introduced in 2023, aims at enhancing support for the agricultural sector during market crises. Unlike its predecessor, this reserve is funded directly from the EU budget, eliminating the need to cut direct payments to farmers. However, this change has unintentionally created an incentive for member states to trigger the reserve more frequently, depleting its resources rapidly. This article explores how this shift has led to a “Tragedy of the Commons” scenario, where member states seek individual advantages at the expense of the collective interest.

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© Der/die Autor:in 2023

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DOI: 10.2478/wd-2023-0229