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Nach einem Jahr der multiplen Krisensituation wird eine erste Bilanz des Krisenmanagements und der noch zu erwartenden Risiken und Herausforderungen gezogen. Als Maßstab für die notwendigen strukturellen Veränderungen wird auf aktuell bestehende Perspektiven für nachhaltige Transformationen in Energie und Produktion verwiesen. Ausgehend von diesen Fakten und Perspektiven werden schließlich die bisherige Praxis der Krisenbewältigung und deren theoretische Fundierung untersucht. Es werden Defizite bei ökonomischen Konzepten, wirtschaftspolitischen Instrumenten und zielführenden Innovationen aufgezeigt.

Zwei Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion beschäftigte sich 1991 eine Konferenz in Moskau mit der erwarteten Friedensdividende. Organisiert wurde diese Konferenz von Project LINK, einem von Nobelpreisträger Lawrence R. Klein initiierten Forschungsprojekt zur Analyse globaler Wirtschaftsprobleme mit einem globalen Wirtschaftsmodell von rund 70 verbundenen nationalen und regionalen Makromodellen (Klein and Hickman, 1998). Damals erschien es undenkbar, dass sich in Europa jemals wieder militärische Krisen oder gar Kriege ereignen könnten. Spätestens mit dem Beginn des Angriffskriegs von Russland auf die Ukraine am 24. Februar 2022 ist diese Erwartung zerbrochen.

Die EU ist durch diesen Krieg vielfältig getroffen, vor allem bei der Versorgung mit Energie. Ihre Reaktionen auf diese extreme Ausnahmesituation reichen von Sanktionen gegen Russland (European Council, 2022a) bis zu Maßnahmen, die die Preise und Versorgungsicherheit von Energie betreffen (European Council, 2022b).

Folgen des russischen Angriffskriegs für Gas und Elektrizität

Als Folge des russischen Angriffskriegs wurde 2022 in der EU ein bis dahin unvorstellbarer struktureller Wandel des Energiesystems gestartet. Innerhalb weniger Monate gelang es der EU sich von Russland als dem größten Lieferanten von fossiler Energie zu lösen. Mit RePowerEU hat die EU-Kommission dafür ein umfangreiches Aktionsprogramm geliefert (European Commission, 2022).

Besonders erfolgreich war bisher die Diversifizierung der Gasimporte. Kamen Anfang 2022 noch rund 40 % aus Russland, so waren es zum Jahresende nur rund 8 %. Das gelang mit neuen Lieferländern und der Substitution mit Liquified Natural Gas (LNG) vor allem aus den USA. Der Versuch Russlands, Erdgas als wirtschaftliche Waffe einzusetzen, realisierte sich nicht, da zum Ende des Jahres 2022 die Gaspreise unter dem Niveau des Vorjahres lagen.

Sequenz der Ereignisse 2022

Eine Sequenz von völlig unerwarteten Ereignissen erschütterte 2022 die Märkte für Gas und Elektrizität. Russland intensivierte die schon 2021 begonnene Reduzierung der Gaslieferungen nach Europa, um damit die Füllung der Gasspeicher zu beeinträchtigen. Als Antwort auf den im Februar gestarteten russischen Angriffskrieg in der Ukraine verhängte die EU darauf Blockaden bei den Importen von fossiler Energie aus Russland. Eine zusätzliche Stresssituation entwickelte sich im Sommer 2022, als rund die Hälfte der Atomreaktoren in Frankreich nicht verfügbar war und witterungsbedingt die Elektrizität aus Wasserkraft einbrach. Bis zum Herbst gelang der EU die Diversifizierung der Versorgung mit Erdgas. Gegen Jahresende verschob sich die Aufmerksamkeit von der Abwehr einer Versorgungsknappheit bei Energie zu den Kosteneffekten aufgrund der bis dahin ebenfalls unvorstellbaren Vervielfachung der Preise von Gas und Elektrizität bei Haushalten und Unternehmen. In der Folge starteten die Mitgliedstaaten großzügige temporäre Subventionen vor allem für Elektrizität und Gas. Im Dezember beschloss die EU einen Preisdeckel für Gas, dessen Effektivität allerdings umstritten ist.

Reaktion der Märkte für Erdgas, Emissionszertifikate und Elektrizität

Welche dramatischen Ereignisse sich 2022 auf den Märkten für Erdgas und Elektrizität samt dem damit verbundenen Markt für Emissionszertifikate ereigneten, kann anhand von drei Abbildungen visualisiert werden. Jede dieser Abbildungen reflektiert die extreme Dynamik der Marktpreise vom 1. Januar 2019 bis zum 3. Januar 2022.

Abbildung 1 zeigt die aus heutiger Sicht bis Mitte 2021 unglaublich niedrigen Preise für Gas, die sich bis dahin im Bereich von 20 bis 30 Euro/MWh bewegten. Schon vor der Invasion Russlands in der Ukraine kam es zu Preisausschlägen, die schließlich im August 2022 fast 350 Euro/MWh erreichten. Bemerkenswert ist der zu Jahresbeginn 2023 beobachtbare Abfall auf unter 70 Euro/MWh, was vor allem auf den witterungsbedingten Nachfragerückgang, der zusätzlichen Elektrizität aus Wind aber auch auf den hohen Füllstand der Gasspeicher von rund 83 % gegenüber dem fünfjährigen Mittel von 70 % zurückzuführen ist. Die EU einigte sich auf eine Begrenzung der Preise für Erdgas, wenn die Preise der niederländischen TTF-Kontrakte für drei Tage lang 180 Euro/MWh überschreiten und wenn der LNG-Preis über 35 Euro/MWh liegt.

Abbildung 1
Preise für Erdgas

Euro/MWh

Preise für Erdgas

Quelle: Trading Economics.

Die extreme Volatilität auf den Märkten für Elektrizität wird in Abbildung 2 sichtbar. Grundsätzlich folgen die Preise für Elektrizität im Großhandel eng den Preisen für Gas, weil das auf diesem Markt geltende Merit-Order-Prinzip den Preis für alle Marktteilnehmer durch den teuersten Anbieter bestimmt, der meist ein Gaskraftwerk ist, dessen Preis sehr gut durch eine simple Formel angenähert werden kann: die Kosten für eine Einheit Elektrizität ergeben sich aus den dafür notwendigen zwei Einheiten von Erdgas plus den Kosten für die Emissionszertifikate, die in der Regel die Hälfte des Preises eines Zertifikats ausmachen. Die Volatilität wird maßgeblich durch temperaturbedingte Nachfrageschwankungen, der Verfügbarkeit von Atomkraftanlagen, aber auch durch die aktuelle Situation bei Wind und Sonne bestimmt.

Abbildung 2
Spotpreise für Elektrizität in Deutschland

Euro/MWh

Spotpreise für Elektrizität in Deutschland

Quelle: Trading Economics.

Fast alle Mitgliedstaaten subventionieren temporär die Kosten für Elektrizität. In Deutschland gilt z. B. für Haushalte ein Preisdeckel von 40 Cents/kWh für 80 % des aktuellen Verbrauchs, für die Industrie werden die Preise für 70 % des Vorjahrsverbrauchs mit 13 Cent/kWh limitiert.

Der Markt für Emissionszertifikate ist gleichsam eine Brücke zwischen den Märkten für Erdgas und für Elektrizität, weil die Spitzenlast für Elektrizität meist aus Erdgas bereitgestellt wird und damit zusätzlich Kosten für den Erwerb von Emissionszertifikaten anfallen. Der Markt für diese Emissionszertifikate reflektiert auch die Erwartungen über die nächste Reform des EU-Emissions-Trading-System (EU-ETS), die tendenziell zu einer Verknappung von Emissionsrechten führen wird. Die Dynamik der Preise für Emissionszertifikate ist Abbildung 3 zu entnehmen. Der dort sichtbare Preisanstieg von rund 30 Euro/t CO2-Äquilvalenten bis zu einer Spitze von fast 100 Euro im August 2022 reflektiert einerseits die erwartete Verknappung von Emissionszertifikaten im Zusammenhang mit den ambitionierteren Emissionszielen der EU bis 2030 und 2050 und andererseits die Rolle von Gas bei Elektrizität. Beschlossen hat die EU bereits eine Finanzierung von 20 Mrd. Euro für das Politikpaket RePowerEU, wofür 40 % aus vorgezogenen Auktionen von Zertifikaten und der Rest aus dem über Zertifikate dotierten Innovation Fund des EU-ETS stammen sollen.

Abbildung 3
Preise für Emissionszertifikate in der EU

Euro

Preise für Emissionszertifikate in der EU

Quelle: Trading Economics.

Folgen für zukunftsfähige Transformationen

Bei den Reaktionen der EU und der Mitgliedstaaten auf die dramatischen Vorgänge bei Energie im Jahr 2022 als Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine kristallisierten sich zwei Schwerpunkte heraus: Einerseits die Sicherung des Energieangebots, vor allem bei Erdgas durch Differenzierung der Lieferanten, und andererseits durch großzügige Subventionierungen der Energiekosten für die Bewältigung der extremen Preissprünge bei Erdgas und Elektrizität. Mit unterschiedlicher Intensität in den Mitgliedstaaten wurden bisher eher nachrangig Anreize zu einer effizienteren Verwendung von Energie gesetzt. Es könnte sich sogar herausstellen, dass die Subventionierung der Energiekosten kontraproduktive Effekte bei der Energieeffizienz auslöste.

Um die Folgen der extremen Erfahrungen des Jahres 2022 besser abschätzen zu können, werden gleichsam als Benchmark jene Transformationen des Energiesystems skizziert, die sich nach derzeitigem Wissen als tragende Fundamente erweisen könnten. Diese sind grundsätzlich systemisch auf das gesamte Energiesystem orientiert, im Gegensatz zu den meist sehr fragmentierten Strategien wie die Substitution von fossiler Energie durch erneuerbare Energien oder die Verbesserung der Energieeffizienz (Köppl und Schleicher, 2018). Zwei Innovationen sind dabei essenziell: die Strukturierung zu Energie-Clustern und zu Produktions-Clustern.

Innovationen durch Energie-Cluster

Energie-Cluster propagieren eine Lokalisierung des Energiesystems in hoch-integrieren Cluster-Strukturen. Wie in Abbildung 4 visualisiert, werden dabei grundsätzlich alle Komponenten der energetischen Wertschöpfungskette von der Primärenergie, deren Transformation über Speicherung und Verteilung bis zu den wohlstandsrelevanten Funktionalitäten der thermischen, mechanischen sowie spezifisch elektrischen Energiedienstleistungen integriert. Vier bilateral betriebene Netze verbinden die einzelnen Komponenten:

Abbildung 4
Struktur eines Energie-Clusters
Struktur eines Energie-Clusters

Quelle: EMPA Energy Hubs.

  • das Netz für Elektrizität;
  • das Netz für Wärme und Kühlung, das die Qualität eines Energie-Netzes hat, mit der Möglichkeit, Wärme zu rezyklieren und lokale Geothermie zu nutzen;
  • weiterhin ein Netz für Gas, das später auch für Wasserstoff verwendet werden könnte;
  • schließlich über alle Netze und Komponenten ein verbindendes IT-Netz zur Messung, Kontrolle und optimierenden Steuerung.

Herausragende Beispiele für die Realisierung solcher Energie-Cluster sind die neuen Stadtentwicklungen in der Schweiz auf der Basis von Quartiers-Konzepten, wie das Areal Suurstoffi in Risch Rotkreuz (Suurstoffi, o. J.) und das Quartier Papieri in Cham (Papieri, o. J.). Diese Projekte zeigen, wie auf lokalen Skalen ein sehr hoher Selbstversorgungsgrad mit Energie möglich wird.

Innovationen durch Produktions-Cluster

Warum innovative Cluster-Strukturen bei der Produktion, vor allem in der energie- und emissionsintensiven Industrie, eine Voraussetzung für die Ziele Klimaneutralität und Circular Economy sein werden, zeigt das Projekt Carbon To Product Austria (C2PAT), das von den österreichischen Unternehmen Lafarge Zementwerke von der LafargeHolcim Gruppe, OMV, VERBUND und Borealis konzipiert wurde. Damit soll demonstriert werden, wie das bei der Zementherstellung abgeschiedene CO2 in einen nahezu geschlossenen Kreislauf gebracht werden kann. Mithilfe von über Elektrolyse mit erneuerbarer Elektrizität erzeugtem Wasserstoff wird in weiteren Produktionsschritten das CO2 zu einer Ressource für Kraftstoffe und hochwertige Kunststoffe. Abbildung 5 zeigt die sektorübergreifende Wertschöpfungskette dieses Produktions-Clusters.

Abbildung 5
Der Produktions-Cluster des C2PAT-Projektes
Der Produktions-Cluster des C2PAT-Projektes

Quelle: C2PAT Consortium.

Von fragmentierten zu funktionellen Zielen und Strategien

Die vorgestellten Cluster-Konzepte für die Strukturierung des Energie- und Produktionssystems reflektieren eine Evolution der Ziele und Strategien für die Energie- und Klimapolitik. Im Gegensatz zu den derzeit in den politischen Entscheidungsprozessen dominierenden fragmentierten Zielsetzungen – etwa die EU-Ziele für Emissionsmengen, Anteile für erneuerbare Energien oder Effizienz-Indikatoren – betonen die Cluster-Konzepte funktionelle Ziele, weil sie mit den zu erfüllenden Aufgaben für zielorientierte Transformationen verbunden sind.

Aus den in intensiven Forschungsaktivitäten ermittelten Cluster-Strukturen folgt dann der Bedarf an Primärenergie, der in zunehmendem Maß lokal abdeckbar wird, wie die angesprochenen Schweizer Projekte zeigen. Auch der Bedarf an Infrastruktur für Mobilität ist dann eine Folge der gewählten Cluster, weil deren Struktur die Wege für die Bewegung von Personen und Gütern bestimmt. Eine solche Strategie ist somit eine Umkehrung der beobachtbaren politischen Praxis, weil prioritär nach zielkonformen Strukturen statt nur nach unfundierten Zielindikatoren gesucht wird.

Folgen für die Beseitigung von Defiziten in der Wirtschaftspolitik und Wirtschaft

Nach dem Jahr eins einer in vielen Dimensionen sich entfaltenden massiven Krisensituation kann eine vorsichtige Bilanz gezogen werden. Erstens sind die denkbaren massiven Störungen des Energiesystems ausgeblieben, da es gelang, ohne größere Verwerfungen die Versorgung mit Gas zumindest in diesem Winter zu sichern. Zweitens konnte die Kostenexplosion bei Energie, mit dem Potenzial eines sozialpolitischen Sprengstoffs, zumindest temporär entschärft werden. Drittens beginnt sich Nachdenklichkeit auszubreiten, ob die Krisensituation nicht besser für radikale Innovationen und Restrukturierungen nutzbar wäre, nicht wegen der aktuellen Konfliktsituation. Beispiele dafür wäre eine Vorbereitung auf mehr Resilienz gegenüber anderen potenziellen Bedrohungen, die vom Lieferausfall bei Grundstoffen für die Pharmaindustrie bis zu Cyber-Attacken auf die Netze für Elektrizität und Wasser reichen können. Dazu beginnen sich Diskussionen zu entwickeln, die auf Defizite in der Wirtschaftspolitik und deren akademische Fundierung verweisen.

Defizite in den ökonomischen Konzepten

Joseph Stiglitz (2022) macht darauf aufmerksam, dass Krisen enthüllen, wie fragil viele ökonomische Konzepte sind, weil sie beispielsweise propagieren, wie Märkte funktionieren sollen, statt zu untersuchen, wie Märkte tatsächlich funktionieren. Die Lektion dazu lieferte im vergangenen Jahr der Großhandelsmarkt für Elektrizität, der aufgrund des dort etablierten Merit-Order-Prinzips die Preisschocks bei Gas voll auf die Preise für die gesamten auf diesem Markt gehandelten Mengen an Elektrizität mit gravierenden Verteilungseffekten durchschlagen ließ. Den fantastischen Zufallsgewinnen bei den inframarginalen Anbietern, vor allem von erneuerbarer Energie, stehen nun exorbitante Preiserhöhungen bei den Endkunden gegenüber.

Diese offensichtlich unerwünschten Vorgänge auf den Märkten für Elektrizität zeigen auch, dass das zugrunde liegende ökonomische Paradigma eines kaum regulierten Marktes einfach obsolet geworden ist. Ein Grund dafür sind die zunehmend wirksamen Mengen von billiger Elektrizität aus erneuerbaren Quellen, ein weiterer die Störanfälligkeit gegenüber externen Schocks, wie bei den Gaspreisen im Jahr 2022. Ein Versuch zur Reparatur dieses Zustands wäre die Auftrennung in Teilmärkte entweder nach Erzeugungstechnologien oder geografischen Regionen in einer hierarchischen Ordnung nach dem Beispiel der Schweiz. Dafür sind allerdings entsprechende Regulierungen erforderlich, die derzeit noch schwer politisch konsensfähig sind.

Defizite in den wirtschaftspolitischen Instrumenten

Seit Herbst 2021 haben die Mitgliedstaaten der EU rund 700 Mrd. Euro für die Subventionierung von Energie mobilisiert (Goldthau und Tagliapietra, 2022). Dieses Volumen entspricht ungefähr dem gesamten Finanzierungsrahmen bis 2026 für Next Generation EU, dem European Union Recovery Instrument. Für Deutschland erreichen diese Subventionen der Energiekosten gut 7 % des Bruttoinlandsprodukts eines Jahres. Dieser politische Reflex von großzügigen Transfers ist eine Fortsetzung ähnlicher Aktionen als Folge der COVID-Krise. Es mehren sich aber die Bedenken, ob diese gravierenden Lasten für die öffentlichen Budgets wirksam und vor allem treffsicher waren.

Es sollte daran erinnert werden, dass für eine Entlastung der Krisensituation bei Energie eine radikale Reduzierung des Energieverbrauchs erforderlich wäre, etwa von einem Viertel bis 2030, um die bestehenden Ziele der EU für die Energie- und Klimapolitik zu erreichen. Dafür wären aber ganz andere wirtschaftspolitische Instrumente zu aktivieren, vor allem solche, die Verhaltensänderungen bei der Verwendung von Energie motivieren. Ein sehr wirksames Instrument wären beispielsweise Rewards für nachgewiesene Energiereduktionen. Bei leitungsgebundenen Energien, wie Elektrizität, Gas und Wärme, könnte beispielsweise die an den Zählern ablesbare Verbrauchsreduktion mit einem Bonus belohnt werden, dessen Höhe sich an den vermiedenen Kosten bei den Lieferanten orientieren könnte. Bei Elektrizität wären Anreize zur Reduktion der besonders kostenintensiven Spitzenlast zu setzen, beispielsweise durch Time-of-Use-Tarife, die sich an der aktuellen Netzauslastung orientieren.

Defizite in den zielorientierten Innovationen

Die weiterhin erwarteten hohen Kosten von Energie und deren mögliche begrenzte Verfügbarkeit lösen Pläne für eine Abwanderung von der Industrie für Aluminium, Grundstoffchemie und Stahl aus Europa aus. Der durch seine Bezeichnung in den Folgen für Europa nicht sofort erkennbare Inflation Reduction Act der USA könnte der Beginn eines neuen globalen Subventionswettlaufs sein, der die Gefahr einer Deindustrialisierung Europas verstärkt.

Dieser Befund macht auf die fragile Situation eines Großteils der europäischen Industrie aufmerksam. Orientierungen dazu liefern die Analysen von Mariana Mazzucato (2021) und von Philippe Aghion (Aghion et al., 2021). Gemeinsam ist diesen Analysen die Botschaft, dass sich der Staat als ein Enabler für radikale Transformationen neu verstehen muss, wozu mehr als nur Finanzierungen zur Verfügung zu stellen sind. Aufzusetzen wären Programme für Targeted Innovations. Beispiele dafür liefern die angesprochenen Innovationen für Clusterstrukturen bei Energie und Produktion. Im bisherigen Krisenmanagement ist diese Herausforderung allerdings noch kaum wahrnehmbar.

Literatur

Aghion, P., C. Antonin und S. Bunel (2021), The Power of Creative Destruction: Economic Upheaval and the Wealth of Nations, Translated by Jodie Cohen-Tanugi, Harvard University Press.

European Commission (2022), REPowerEU: Affordable, Secure and Sustainable Energy for Europe, https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/priorities-2019-2024/european-green-deal/repowereu-affordable-secure-and-sustainable-energy-europe_en (5. Januar 2023).

European Council (2022a), EU Response to Russia’s Invasion of Ukraine, 16. December, https://www.consilium.europa.eu/en/policies/eu-response-ukraine-invasion/ (5. Januar 2023).

European Council (2022b), Energy Prices and Security of Supply, 19. Dezember, https://www.consilium.europa.eu/en/policies/energy-prices-and-security-of-supply/ (5. Januar 2023).

Goldthau, A. und S. Tagliapietra (2022), Energy Crisis: Five Questions That Must Be Answered in 2023, Nature, 612(7941), 627-630.

Klein, L. R. und B. G. Hickman (1998), Link Proceedings 1991, 1992: Selected Papers From Meetings In Moscow, 1991 And Ankara, 1992, World Scientific.

Köppl, A. und S. P. Schleicher (2018), What Will Make Energy Systems Sustainable?, Sustainability, 10(7), 2537.

Mazzucato, M. (2021), Public Purpose: Industrial Policy’s Comeback and Government’s Role in Shared Prosperity, Boston Review.

Papieri – Cham (o. J.), Vom Papier zum Quartier, https://www.papieri-cham.ch/ (5. Januar 2023).

Stiglitz, J. E. (2022), Wars Aren’t Won with Peacetime Economies, Project Syndicate, 17. Oktober, https://www.project-syndicate.org/commentary/west-needs-war-economics-energy-food-supply-shortages-by-joseph-e-stiglitz-2022-10 (5. Januar 2023).

Suurstoffi (o. J.), Suurstoffi Aeal in Risch Rotkreuz, https://www.suurstoffi.ch/areal (5. Januar 2023).

Title:Do Multiple Crisis Situations Also Reveal Deficits in Political and Economic Concepts?

Abstract:After a year of multiple crises, an initial assessment is made of the crisis management and the risks and challenges that are still to be expected. Evidence of this is provided by the Russian war’s effects on gas and electricity. As a benchmark for the necessary structural changes, reference is made to the current perspectives on sustainable transformations in energy and production. Finally, the previous practice of crisis management and its theoretical foundation are examined. Deficits in economic concepts, economic policy instruments and goal-oriented innovations are identified.

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© Der/die Autor:in 2023

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2023-0063