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Am 25. November 2022 fand in Wien die gemeinsame Konferenz von Wirtschaftsdienst und dem Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung Wien (WIFO) in Kooperation mit der Wirtschaftsuniversität Wien unter dem Titel „Ökonomische Konsequenzen des Krieges“ statt.1

Der Krieg in der Ukraine hatte im Jahr 2022 erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Zum einen haben die Sanktionen, die gegen Russland verhängt wurden, zu einem verstärkten Anstieg der Öl- und Gaspreise sowie der Nahrungsmittelpreise geführt. Zum anderen hat die beschleunigte Inflationsdynamik einen Anstieg der Zinsen nach sich gezogen. Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine sind vielfältig und betreffen sowohl einzelne Länder und Märkte als auch die gesamte Weltwirtschaft. Hierzu zählen insbesondere

  • der Handel, Sanktionen und geoökonomische Strategien;
  • die Inflation, insbesondere die Energieinflation, und die makroökonomische Politik in den Industrieländern;
  • die Nahrungsmittelpreise und die Verteilungskonflikte auf dem Weltmarkt.

Jedem dieser drei Themenbereiche widmete sich eine Session im Rahmen der Konferenz. Allen Themenkreisen gemein ist, dass sie die Wirtschaftspolitik vor nicht triviale Zielkonflikte stellt und in den genannten Gebieten eine erhebliche Herausforderung darstellen. Dabei lässt sich skizzieren, dass allen Bereichen ein gewisser sozialer Sprengstoff innewohnt, sollten die Konflikte nicht aufgelöst werden können.

Insbesondere die Energieinflation wird in Europa zunehmend als Verteilungskonflikt und als wirtschaftspolitische Herausforderung betrachtet. Dabei wirkt die Inflation sowohl auf die energieintensiven Industrien als auch auf die Verbraucher:innen insgesamt restriktiv. Industrien drohen wettbewerbsunfähig zu werden, während Verbraucher:innen versuchen werden, die inflationären Produkte zu meiden, und – wenn dies nicht möglich ist – aufgrund von Budgetbeschränkungen ihren Verbrauch insgesamt reduzieren. Die Schätzungen zu den Auswirkungen eines möglichen Gasembargos war eine der bedeutendsten wirtschaftspolitischen Diskussionen des Jahres 2022 in Deutschland. Dabei standen den Schätzungen, die eine dynamische Anpassung durch Preissignale ohne größere Schäden unterstellten (Bachmann et al., 2022) einem kritischen Ansatz gegenüber. Letzterer deutete insbesondere in der energieintensiven Chemieindustrie auf größére Produktionsausfälle (Krebs, 2022).

Die komplexen Fragen der Kompensation der Verlierer:innen sowie der Finanzierung der Kompensationsmaßnahmen haben die Wirtschafts- und Sozialpolitik vor vielfältige Herausforderungen gestellt. So wurde bereits im Frühjahr 2022 ein Gaspreisdeckel zur staatlichen Preissteuerung diskutiert (Dullien und Weber, 2022), um die inflationäre Dynamik zu bremsen. Ein Sondervermögen wurde erstellt, um die für die Stabilisierung der Energiepreise notwendigen Subventionen zu tätigen. Die inzwischen geschaffenen Strom- und Gaspreisbremsen haben Höchstpreise für Verbraucher:innen und Industrie definiert, deren Wirkung mit Hilfe von Subventionen durchgesetzt wird. Die Möglichkeiten der Koordination dieser Politikmaßnahmen in der Europäischen Union werden ebenfalls diskutiert. Ebenso wurde die Debatte zur zunehmenden Inflationsdynamik des Jahres 2022 und der Inflationsbekämpfung von einer geldpolitischen Diskussion begleitet (Bernoth und Fratzscher, 2022; Illing, 2022; Südekum, 2022). Schließlich nahm die Europäische Zentralbank die Inflationsdynamik des Jahres 2022 zum Anlass, um auf den restriktiveren Pfad der Federal Reserve in den USA einzuschwenken, und erhöhte die Zinsen massiv. Die Folgen unter anderem für die Bauwirtschaft werden seither diskutiert. (Hiller und Lerbs, 2022; Michelsen, 2023). Zudem bedeutet die Nahrungsmittelkrise ein erhebliches Konfliktpotenzial in den ärmsten Regionen der Welt, insbesondere der MENA (Middle East and Northern Africa) Region. Dortige Krisen können wiederum Rückwirkungen auf Europa haben, beispielsweise wenn die Krisen auch Migrationsbewegungen nach sich ziehen.

Die Veranstaltung wurde mit der Keynote von Gabriel Felbermayr mit dem Titel „Krieg mit anderen Mitteln“ eröffnet. Seit Staaten um Macht streiten, setzen sie neben militärischen auch wirtschaftliche Mittel ein. Diese handelspolitischen Maßnahmen für geopolitische Zwecke werden im Beitrag von G. Felbermayr diskutiert. Auf Grundlage von Russlands Angriffskrieg lassen sich für den Westen Eingriffe in den Freihandel begründen. Unternehmen internalisieren machtpolitische Auswirkungen nicht, sodass Staaten diese sicherheitspolitischen Externalitäten reduzieren sollten.

Die erste Session der Veranstaltung widmete sich der Sanktionspolitik. Eine der bedeutendsten wirtschaftspolitischen Konsequenzen des Krieges in der Ukraine war die Verhängung von weiteren Sanktionen gegen Russland. Diese Sanktionen wurden von einer Reihe von Ländern, darunter die USA und die EU, verhängt, um Russland für seine Rolle im Krieg in der Ukraine zu bestrafen. Diese Sanktionen haben zu einem Rückgang des Handels zwischen Russland und anderen Ländern geführt.

Erdal Yalcin sprach über die ökonomischen Effekte von Sanktionen – deren Schlagkraft, Zielerreichung und Nebeneffekte. Sanktionen stellen Zwangsmaßnahmen dar, die bei der Bewältigung politischer Spannungen zwischen Nationen eine lange und wiederkehrende Stellung einnehmen. Sie werden sowohl einseitig als auch in Staatenbündnissen verhängt und besonders nach dem Zweiten Weltkrieg mit zunehmender Häufigkeit eingesetzt. Während im letzten Jahrhundert, insbesondere vor dem Zweiten Weltkrieg, Handelsbeschränkungen und umfassende Wirtschaftsblockaden die vorherrschenden Sanktionsinstrumente darstellten, werden heute in einer stärker integrierten und globalisierten Welt Sanktionen in verschiedenen weiteren Formen verhängt, einschließlich internationaler Finanzbeschränkungen, Reiseverbote, Handelseinschränkungen für bestimmte Gütergruppen, Aufhebung militärischer Hilfen und spezifische Einschränkungen, wie beispielsweise Flugverbote und Hafensperrungen.

Ein weiteres Thema der Konferenz war der Anstieg der Öl- und Gaspreise aufgrund der Krise in der Ukraine. Russland ist ein wichtiger Lieferant von Öl und Gas für Europa, und der Konflikt hat eine Verknappung der Ressourcen bewirkt. Die Unsicherheit über die Versorgung hat zu einem Anstieg der Preise geführt, was Auswirkungen auf den globalen Energiemarkt hat. Der Anstieg der Energiepreise hat sowohl die Produzentenpreise als auch die Kosten für die Verbraucher:innen erhöht.

Katrin Kamin sprach über die Zeitenwende für die Außenwirtschaftspolitik – Autokratisierung, strategische Inputs und Abhängigkeiten. Sowohl der Aufstieg Chinas als auch der Angriff Russlands auf die Ukraine haben gezeigt, dass wirtschaftliche Offenheit auch Abhängigkeiten schaffen kann, die für geopolitische Ziele genutzt werden. Ein vermehrter Einsatz von Handelsbeschränkungen und Sanktionen kann beobachtet werden. Dabei stellt sich die Frage, warum Autokratien als Handelspartner schwierig sind und wie mit ihnen in Zukunft umgegangen werden soll.

Stefan P. Schleicher stellte die Frage, ob die multiple Krisensituation Defizite bei politischen und ökonomischen Konzepten enthüllt. Nach einem Jahr der multiplen Krisen wird eine erste Bilanz des Krisenmanagements und der noch zu erwartenden Risiken und Herausforderungen gezogen. Als Maßstab für die notwendigen strukturellen Veränderungen verweist S. P. Schleicher auf aktuell bestehende Perspektiven für nachhaltige Transformationen in Energie und Produktion. Ausgehend von diesen Fakten und Perspektiven untersucht er schließlich die bisherige Praxis der Krisenbewältigung und deren theoretische Fundierung. Es werden Defizite bei ökonomischen Konzepten, wirtschaftspolitischen Instrumenten und zielführenden Innovationen aufgezeigt.

Neben den Energiepreisen haben auch die Nahrungsmittelpreise aufgrund des Krieges in der Ukraine zugenommen. Die Ukraine ist ein wichtiger Produzent von Weizen und Mais, und der Konflikt hat zu einem Rückgang der Produktion und zu Transportproblemen geführt. Dies hat einen Anstieg der Nahrungsmittelpreise nach sich gezogen und Auswirkungen auf die globale Nahrungsmittelversorgung.

Sebastian Lakner referierte über die Auswirkungen des Ukrainekrieges auf die EU-Agrarpolitik. Der Ukrainekrieg hat gravierende Auswirkungen auf die internationalen Agrarmärkte, da sowohl die Ukraine als auch Russland auf dem Weltmarkt eine wichtige Rolle spielen. Schon vor Beginn des Angriffskrieges waren die Getreidepreise auf einem hohen Niveau, was auf eine bereits angespannte Angebotslage durch die Coronapandemie, Klimaextreme und bewaffnete Konflikte hindeutete. Die Europäische Union hat im Rahmen ihrer Agrarpolitik auf den Krieg reagiert, um die Situation zu entspannen. Insbesondere stellt sich nun die Frage, wie mit Brachflächen, der Beimischung von Biokraftstoffen und dem hohen Fleischkonsum umgegangen werden soll.

Franziska Schünemann betrachtete die Auswirkungen des Ukrainekrieges auf den globalen Agrar- und Ernährungssektor. Die Ukraine und Russland spielen als Exporteure von Agrar- und Ernährungsprodukten eine zentrale Rolle für die globale Ernährungssicherheit. Die Studie von Berndt et al. (2022) untersucht mit globalen Gleichgewichtsmodellen, wie sich der Krieg im Extremfall auf globale Agrarpreise auswirken könnte, und kommt zu dem Ergebnis, dass Exportbeschränkungen von Lebensmitteln aus der Ukraine und Russland zu erheblichen globalen Preissteigerungen für Getreide und Ölsaaten führen können. Erst mittelfristig können diese durch höhere Produktion und Exporte anderer Länder abgeschwächt werden, jedoch bleiben manche Preissteigerungen, insbesondere für Sonnenblumenöl, dauerhaft bestehen.

Linde Götz und Miranda Svanidze diskutieren in ihrem Artikel den Getreidehandel und Exportbeschränkungen während des Ukrainekrieges. Der Ukrainekrieg hat zu einem Rückgang der Weizenausfuhren aus Russland und der Ukraine nach Afrika geführt, die jedoch durch gesteigerte Exporte anderer Länder nahezu ausgeglichen wurden. Weltweite Beschränkungen der Weizenexporte sowie die Unsicherheit, dass Russland seine Getreideexporte als Waffe nutzt und die Schwarzmeer-Getreide-Initiative ausgesetzt wird, haben die Getreidepreise drastisch ansteigen lassen.

Bettina Rudloff referierte über den politischen Umgang mit Nahrungsrisiken: Herausforderungen, Optionen und Verbesserungsansätze. Die russische Aggression gegen die Ukraine hat in einer bereits kritischen Preis- und Hungersituation zu zusätzlichen globalen Versorgungsrisiken geführt. Diese zusätzliche Belastung wirkt als Krisenverstärker, der durch typische Krisenreaktionen großer Exportländer, d. h. durch Ausfuhrbeschränkungen, noch verstärkt wird. Um angemessen auf die aktuelle, durch den Krieg ausgelöste Krise zu reagieren, ist ein breites Bündel politischer Maßnahmen erforderlich, die in verschiedenen Politikbereichen (wie beispielsweise Handel, Verkehr, humanitäre Hilfe und Agrarpolitik) ansetzen sollten.

  • 1 Die Analogie zu dem berühmten Buch von John Maynard Keynes „Economic Consequences of the Peace“ ist bewusst gewählt. Im Wirtschaftsdienst sind zwischen 1920 und 1933 mehr als 50 Artikel von Keynes in deutscher Sprache erschienen. Noch geht es jedoch nicht um die Fragen der Friedensordnung nach dem Krieg und um die damit verbundenen Herausforderungen, die Keynes nach dem Vertrag von Versailles diskutierte, siehe beispielsweise Keynes (1921), sondern um die direkten Effekte der Kriegssituation.

Literatur

Bachmann, R., D. Baqaee, C. Bayer, M. Kuhn, A. Löschel, B. Moll, A. Peichl, K. Pittel und M. Schularick (2022), What if? The economic effects for Germany of a stop of energy imports from Russia, ECONtribute Policy Brief, 028, https://web.archive.org/web/20220307202925/https://www.econtribute.de/RePEc/ajk/ajkpbs/ECONtribute_PB_028_2022.pdf (29. März 2023).

Berndt, M., K. Boysen-Urban, S. Ehjeij, A. Espey, A. Feuerbacher, D. Flaig, T. Heimann, S. Hess, M. Kempen, F. Schünemann und C. Wieck (2022), Implications of Russia’s War in Ukraine for the Global Agri-Food Sector – An Ex-Ante Assessment using Different Simulation Models, German Journal of Agricultural Economics, 71(3), 134-149.

Bernoth, K. und M. Fratzscher (2022), Die EZB-Geldpolitik in der Zwickmühle, Wirtschaftsdienst, 102(6), 423-425, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2022/heft/6/beitrag/die-ezb-geldpolitik-in-der-zwickmuehle.html (28. März 2023).

Dullien, S. und I. M. Weber (2022), Mit einem Gaspreisdeckel die Inflation bremsen, Wirtschaftsdienst, 102(3), 154-155, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2022/heft/3/beitrag/mit-einem-gaspreisdeckel-die-inflation-bremsen.html (28. März 2023).

Grimm, V., A. Löschel, K. Pittel, T. Krebs, A. Fischer, M. Küper, T. Schaefer, M. Fischedick (2022), Zeitgespräch: Energiepreiskrise und Kriegssanktionen – die Energieversorgung von morgen, Wirtschaftsdienst, 102(4), 250-269, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2022/heft/4/beitrag/energiepreiskrise-und-kriegssanktionen-die-energieversorgung-von-morgen.html (28. März 2023).

Hiller, N. und O. Lerbs (2022), Wie stark reagiert der deutsche Wohnungsbau auf steigende Kapitalmarktzinsen?, Wirtschaftsdienst, 102(9), 716-723, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2022/heft/9/beitrag/wie-stark-reagiert-der-deutsche-wohnungsbau-auf-steigende-kapitalmarktzinsen-7165.html (28. März 2023).

Illing, G. (2022), Inflationsgefahr im Euroraum – wie gelingt eine sanfte Landung?, Wirtschaftsdienst, 102(6), 430-433, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2022/heft/6/beitrag/inflationsgefahr-im-euroraum-wie-gelingt-eine-sanfte-landung.html (28. März 2023).

Keynes, J. M. (1921), Die wirtschaftlichen Konsequenzen der Pariser Beschlüsse, Wirtschaftsdienst, 18. Februar, 7, 86-88, https://100jahre.wirtschaftsdienst.eu/files/downloads/wd-artikel/keynes-die-wirtschaftlichen-konsequenzen-der-pariser-beschluesse.pdf (29. März 2023).

Krebs, T. (2022), Wie man die Auswirkungen eines Gasembargos berechnen könnte, Wirtschaftsdienst, 102(4), 256-258, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2022/heft/4/beitrag/wie-man-die-auswirkungen-eines-gasembargos-berechnen-koennte.html (28. März 2023).

Michelsen, C. (2023), Steigende Zinsen ziehen der Baukonjunktur den Stecker Wirtschaftsdienst, 103(1), 16-19, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2023/heft/1/beitrag/steigende-zinsen-ziehen-der-baukonjunktur-den-stecker.html (28. März 2023).

Südekum, J. (2022), Was tun gegen die Inflation?, Wirtschaftsdienst, 102(6), 414-415, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2022/heft/6/beitrag/was-tun-gegen-die-inflation.html (28. März 2023).

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DOI: 10.2478/wd-2023-0059