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Dieser Beitrag ist Teil von Eine neue China-Strategie?

Chinas1 Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs 2022 real um 3 % (IMF, 2023; Schätzung). Dieser Wert läge erstmals seit mehr als 40 Jahren unter dem weltweiten Durchschnitt und sei der Null-COVID-Politik geschuldet, so der Internationale Währungsfonds weiter. 2023 rechnet er mit 5,2 % Wachstum, 2024 mit 4,3 %. Risiken bestünden darin, wie sich in China die Pandemie, der Immobilien- und damit der gesamte Finanzmarkt entwickeln werden; ganz zu schweigen von den Gefahren eines weiter eskalierenden Ukrainekriegs, steigender US-chinesischer Spannungen, dauerhafter Inflation, Überschuldung oder weltweiter Finanzmarktturbulenzen.

Wie stark sollte die deutsche Wirtschaft bei so viel Negativem noch auf Beschaffung, Produktion und Absatz in China setzen? Drei Themenkomplexe seien vertieft, die hierfür eine maßgebliche Rolle spielen: Erstens die demografische Entwicklung der Volkrepublik China, zweitens Taiwan und die globale Chip-Industrie, drittens Chinas Antworten auf US-Dollar und SWIFT.

Chinas demografische Entwicklung

In der Volksrepublik China vollzieht sich der demografische Wandel besonders schnell. Wie in anderen entwickelten Volkswirtschaften steigen das Durchschnittsalter und der Anteil der Rentner, während das Arbeitskräftepotenzial zurückgeht. Jahrzehntelange politische Restriktionen bei der Familienplanung beschleunigten diesen Trend (Kuhn und Neusius, 2022). Chinas Bevölkerung dürfte 2022 mit über 1,4 Mrd. ihr Maximum erreicht haben und bis 2100 unter 800 Mio. sinken, im Extremfall sogar unter 500 Mio. (UN, 2022 und Abbildung 1). Der daraus folgende Mangel an Menschen im erwerbsfähigen Alter wird die chinesische Wirtschaftskraft maßgeblich beeinträchtigen: Wang und Conesa (2022) prognostizieren z. B. ein abnehmendes Output-Wachstum in den 2020er Jahren und negative Wachstumsraten nach 2030.

Abbildung 1
Chinas Bevölkerungsentwicklung

in Mrd.

Chinas Bevölkerungsentwicklung

Quelle: UN (2022).

Chinas Regierung hat zwar reagiert – seit 2016 sind generell zwei Kinder erlaubt, seit 2021 sogar drei –, dennoch sank die Fertilitätsrate2 zwischen 2016 und 2021 von 1,77 auf 1,16. Auch in den familienpolitisch liberaleren Nachbarländern Südkorea und Japan lag sie 2021 nur noch bei 0,88 bzw. 1,3 und wird selbst im geburtenstärksten Szenario bis 2100 in allen drei Ländern deutlich unter 2,0 bleiben (UN, 2022). In China dürften sozioökonomische Entwicklungen und Rückkopplungseffekte die Geburtenziffer zusätzlich bremsen. Dazu gehören, neben dem gestiegenen Bildungsniveau junger Frauen, Chinas Männerüberschuss als Folge der jahrzehntelangen Ein-Kind-Politik und fehlende Betreuungsmöglichkeiten durch Großeltern. Diese müssen künftig eventuell später als zwischen 50 und 60 Jahren (Jin, 2019) in den Ruhestand gehen, ziehen aber derzeit noch oft Enkel groß, darunter die Kinder von – konservativ geschätzt – 174 Mio. Wanderarbeitskräften (Spakowski, 2022). Selbst im optimistischen Fall eines Renteneintritts mit 65 Jahren kommen erhebliche Versorgungslasten auf Chinas Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zu: So schätzen Kuhn und Neusius (2022), dass bei einer vorhersehbar weiter steigenden Lebenserwartung und einer Fertilität von 1,0 bis 2100 jeweils 100 Menschen zwischen 15 und 64 Jahren mehr als 80 Über-64-Jährige (Altenquotient) und etwa 95 Über-64-Jährige und Unter-15-Jährige (Abhängigenquotient) mitfinanzieren müssen.

Einwanderung zur Abfederung der demografisch bedingten Verluste in Produktion und Konsum ist im politischen China bisher kaum ein Thema, soweit es nicht um die Anwerbung Hochqualifizierter geht (Economy, 2022). Vielmehr zeichnet sich China durch eine leichte Nettoauswanderung aus, die 2021 bei 200.000 Menschen lag (UN, 2022). Chen et al. (2021) unterstreichen, wie wichtig Immigration sei. Eine liberale Familienpolitik, Bildung, technischer Fortschritt und ein wesentlich späterer Renteneintritt allein seien nicht in der Lage, die negativen Wachstumsfolgen der chinesischen Alterung auszugleichen.

Das bedeutet für die deutsche Wirtschaft: Die Volksrepublik dürfte für Beschaffung, Produktion und Absatz von Jahr zu Jahr unattraktiver werden. Steigende Lohnkosten angesichts fehlender Arbeitskräfte werden Vorleistungen verteuern, zunehmende Versorgungslasten bei sinkender Wirtschaftskraft die Konsumspielräume einengen. Jüngere Wachstumsregionen wie Indien gewinnen dagegen an Relevanz und Handelsbeziehungen sollten mit diesen Regionen ausgebaut werden.

Taiwan ...

Taiwan gehörte seit 1683 zum chinesischen Reich der Qing. 1895 erlitt diese Dynastie im Krieg gegen Japan eine vernichtende Niederlage und musste die Insel abtreten. Bis 1945 war sie japanische Kolonie und die Bevölkerung wurde umfassend japonisiert. 1945 übergaben die Alliierten Taiwan ihrem Verbündeten Chiang Kai-shek. Er kämpfte noch bis 1949 gegen Mao Zedong um die Vorherrschaft über ganz China, floh im selben Jahr mit seinen Gefolgsleuten nach Taiwan und gründete die Republik China, die auch das (zurückzuerobernde) Festland umfasste. Das kommunistische China betrachtete Taiwan umgekehrt als chinesische Provinz. Beide Machthaber waren sich also einig, dass es nur ein China gäbe (Vogelsang, 2020; Naß, 2021).

In der Volksrepublik hat sich an dieser Haltung seit 1949 nichts geändert, in Taiwan schon eher. Mit Beginn des Kalten Krieges und bis Anfang der 1970er Jahre unterstützten die USA Chiang Kai-shek. In einem Verteidigungsbündnis verpflichteten sie sich z. B. von 1954 bis 1979, Taiwan militärisch zu unterstützen. Dies fügte sich in eine Reihe ähnlicher Bündnisse mit Japan, Südkorea, den Philippinen und Australien, die den Kommunismus in Asien eindämmen sollten. Anfang der 1970er Jahre änderten die USA ihre Außenpolitik jedoch fundamental: Die Volksrepublik war wirtschaftlich erstarkt und spielte im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion eine zentrale Rolle. 1971 erhielt Maos Regierung Taiwans Sitz bei den Vereinten Nationen. 1979 nahmen die USA diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik anstelle Taiwans auf und bauten die bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen zu Beijing zügig aus. Ebenfalls 1979 erließ der US-Kongress aber auch den Taiwan Relations Act, ein neues Verteidigungsbündnis. Darin unterstützen die USA eher uneindeutig Taiwans Fähigkeit zur Selbstverteidigung. Die inoffiziellen politischen Beziehungen beider Länder blieben eng. In den folgenden Jahrzehnten kam es immer wieder zu Krisen zwischen der Volksrepublik China und den USA – nicht nur um Taiwan, sondern auch um Hongkong, Tibet, Xingjiang oder den Wechselkurs beider Landeswährungen. Über Jahrzehnte gelang jedoch der Drahtseilakt einer offiziellen Ein-China-Politik, die faktisch zwei Systeme zulässt (Spakowski, 2022).

Zunehmend unter Druck kam der Kompromiss nicht erst unter Xi Jinping und Donald Trump. Bereits 1996 etwa demonstrierten die USA in der Straße von Taiwan militärische Stärke, als die Volksrepublik mobil machte. 2005 erließ seinerseits Beijing ein Gesetz, das Taiwan bei einer förmlichen Abspaltung Gewalt androht (Noesselt, 2021). Der Volksrepublik war Taiwans Übergang von einer Diktatur zu einer pluralistischen Demokratie ab 1987 ein Dorn im Auge. Sie brachte ein Mehrparteiensystem hervor, dessen Demokratische Fortschrittspartei (DPP) deutlich chinakritischer agiert als die traditionelle Kuomintang (KMT), die bis heute am wiedervereinten China festhält (Naß, 2021). Immer größere Bevölkerungsteile entfremden sich vom kommunistischen Nachbarn und befürworten die Unabhängigkeit statt einer Vereinigung (NCCU, 2023 und Tabelle 1).

Tabelle 1
Befragungsergebnisse in Taiwan hinsichtlich der künftigen Beziehung zu China
Befürwortung in % 2002 2012 2022
1.  Vereinigung so schnell wie möglich erreichen 2,5 1,7 1,2
2.  Status quo erhalten und in Richtung Vereinigung gehen 15,7 8,7 6,0
3.  Status quo erhalten und später entscheiden 36,2 33,9 28,7
4.  Status quo ewig erhalten 15,0 27,7 28,5
5.  Status quo erhalten und in Richtung Unabhängig- keit gehen 13,8 15,1 25,4
6.  Unabhängigkeit so schnell wie möglich erreichen 4,3 4,8 4,6
7.  Keine Antwort 12,4 8,1 5,6

Quelle: eigene Darstellung nach NCCU (2023).

… und die globale Chipindustrie

Aus wirtschaftlich-rationaler Perspektive könnte Taiwans Chipindustrie die Volksrepublik noch einige Jahre davon abhalten, die Insel militärisch einzunehmen: 2019 entstanden dort laut Varas et al. (2021) 92 % aller modernen Chips weltweit unterhalb von 10 Nanometern (nm). Die restlichen 8 % lieferte Südkorea. In der nächsten Größenklasse von 10 nm bis 22 nm kamen die USA auf 43 % und China auf 3 % Marktanteil. Die Volksrepublik spielte erst im technisch älteren Bereich ab 28 nm eine größere Rolle. Zwar holt sie auf, jedoch schätzt IC Insights (2021), dass sie bis 2025 nur 19,4 % ihres Chipbedarfs heimisch decken wird. 2020 habe die Inlandsproduktion 15,9 % betragen, chinesische Hersteller hätten aber nur 5,9 % der Inlandsnachfrage bedient. Den großen Rest fertigten demnach TSMC, Samsung und weitere ausländische Anbieter in ihren chinesischen Werken. Alle sind auf Zulieferer angewiesen, die unter anderem aus den USA, den Niederlanden oder Japan stammen. Sicherheitspolitische Exportbeschränkungen dürften Chinas Zugriff auf deren Vorleistungen zunehmend einschränken (Alper und Shepardson, 2023). Noch aber hängt jeder von jedem ab.

Das bedeutet für die deutsche Wirtschaft: Es liegt zwar noch jahrelang im größten ökonomischen Interesse der USA, Chinas und Taiwans, den Modus Vivendi aus offizieller Ein-China-Politik und faktischer Zwei-Staaten-Lösung beizubehalten. Unternehmen sollten jedoch auf einen Taiwan-Überfall vorbereitet sein. Härteste Wirtschaftssanktionen der USA, denen sich Deutschland kaum entziehen könnte, würden Beschaffung aus bzw. Produktion und Absatz in China massiv einschränken. Nur deutsche Großkonzerne hätten eine realistische Chance, von der Bundesregierung als „too big to fail“ gerettet zu werden.3

Chinas Antworten auf US-Dollar und SWIFT

Chinas Währung spielte bisher international eine völlig untergeordnete Rolle – ganz im Gegensatz zum US-Dollar und sogar relativ zum Euro (ECB, 2022 und Abbildung 2). Bisher schränkte die Volksrepublik den Kapitalverkehr stark ein, um die Finanzströme besser kontrollieren und stabilisieren zu können. Dieser Zielkonflikt dürfte sich künftig wegen des E-Yuans4 und Beijings Zahlungsverkehrsinitiativen abschwächen.

An digitalem Zentralbankgeld, kurz CBDC, arbeitet Chinas Zentralbank seit 2014. Anders als die Europäische Zentralbank und die US-Notenbank hat sie sich längst dafür entschieden. Schritt für Schritt baute sie Test-Szenarien aus. Offiziell will sie das Retail Payment im digitalen Zeitalter bequem, sicher, preiswert, inklusiv und datenschutzfreundlich gestalten. Daneben strebt sie nach eigener Aussage an, die Stabilität der Finanzmärkte und der Gesellschaft angesichts riskanter Kryptowährungen zu sichern. Auch grenzüberschreitend soll CBDC vorangetrieben werden. Dies sei aber ein nachrangiges Ziel (PBOC, 2021). Tatsächlich strebt Chinas Staatsführung wohl vor allem nach Kontrolle: Der E-Yuan trägt dazu bei, die inländische Bedeutung privater Kryptowährungen und Zahlungsdienstleister einzudämmen. Seine organisatorisch-technische Ausgestaltung erlaubt es, sämtliche Finanzdaten der Nutzer zu sammeln und auszuwerten, was bei Bargeld unmöglich ist (Kuhn, 2022a). Im Zuge der Belt and Road Initiative dürfte der E-Yuan daneben die internationale Rolle der chinesischen Währung stärken: Zunächst im Retail-Bereich für touristische Zwecke und als Ersatz für private Kryptowährungen. Schon jetzt fördern einige Pilotprovinzen den grenzüberschreitenden Einsatz des digitalen Renminbis (Murray, 2022).

Abbildung 2
Die internationale Bedeutung des Renminbis
Die internationale Bedeutung des Renminbis

Quelle: ECB (2022).

Im Wholesale-Bereich kooperiert Chinas Notenbank über das Cross-Border Interbank Payment System (CIPS) und das Multiple Central Bank Digital Currency Bridge Project (mCBDC) vor allem mit Partnerländern der Neuen Seidenstraße.

  • CIPS wickelt grenzüberschreitende Renminbi-Zahlungen von Shanghai aus ab. Das System wurde ab 2012 entwickelt und seit 2015 schrittweise eingeführt. Auch westliche Finanzinstitute nehmen daran teil. Es ist technisch mit SWIFT vereinbart, bietet aber mehr Entwicklungsmöglichkeiten. CIPS soll nicht nur die weltweite Nutzung der chinesischen Währung erleichtern, sondern auch Shanghai als internationales Finanzzentrum weiterentwickeln und die Finanzierung der Belt and Road Initiative unterstützen. Die Zahl der täglichen CIPS-Meldungen wuchs schnell auf inzwischen über 22.000 (CIPS, 2023). Das ist zwar noch wenig im Vergleich zu SWIFT mit rund 45 Mio. täglichen Mitteilungen im Dezember 2022 (Swift, 2022), aber die monopolartige Stellung dieses 50 Jahre alten, standardisierten Mitteilungsformats für Auslandsüberweisungen bröckelt: Technologisch gilt es zunehmend als teuer, langsam, umständlich, intransparent und unsicher. SWIFT kümmert sich im Gegensatz zu CIPS auch nicht selbst um die Zahlungsabrechnung und -abwicklung. Politisch schadet dem belgischen System, dass die USA und ihre Verbündeten es verstärkt als Sanktionsmittel nutzen. Die von SWIFT ausgeschlossenen Länder, Personen und weitere Staaten entwickeln deshalb mit Hochdruck Alternativen – neben der Volksrepublik z. B. Russland und Indien. Die besten Chancen auf ein Duopol hat dabei CIPS (Kuhn, 2022b; Wong und Nelson, 2021; Work, 2021).
  • Bei mCBDC experimentieren China, Hongkong, Thailand und die Vereinigten Arabischen Emirate, wie sich große Mengen digitalen Zentralbankgeldes per Blockchain zwischen Finanzdienstleistern transferieren lassen. Langfristig sollen alle G20-Staaten mitmachen (BIS, 2021). Die Volksrepublik wäre dann gegenüber den westlichen Demokratien im Vorteil, da die technischen Standards maßgeblich unter ihrer Führung entstehen.

Das bedeutet für die deutsche Wirtschaft: Die technisch-organisatorischen Standards bei digitalem Zentralbankgeld und im internationalen Zahlungsverkehr dürfte zunehmend China bestimmen. Beijing könnte einen wachsenden Teil der globalen Finanzströme lückenlos überwachen und mächtige Sanktionswerkzeuge gegen den Westen entwickeln.

Weniger Abhängigkeit durch Diversifizierung

Leidet die deutsche Wirtschaft insgesamt unter einem China-Klumpenrisiko? Nach Busch et al. (2023) hing das verarbeitende Gewerbe in Deutschland 2020 mit durchschnittlich 2,2 % aller in- und ausländischen Vorleistungen von der Volksrepublik ab. Die USA und Japan kamen auf 0,6 % bzw. 2,7 %. Nur bezogen auf die ausländischen Zulieferungen lag Deutschlands China-Anteil bei 6,6 % gegenüber 13,9 % in den USA bzw. 19,8 % in Japan. Die deutsche Auto- und Chemieindustrie kam auf 6,0 % bzw. 4,1 %. Eine zu hohe Abhängigkeit sieht die Studie in Deutschlands Elektroindustrie. Sie solle ihre Lieferanten und Abnehmer in andere Länder diversifizieren, was durch politische Maßnahmen, wie Freihandelsabkommen, Investitions- und Exportkreditgarantien, flankiert werden könne.

Auch Baur und Flach (2022) schlussfolgern, dass China für die deutsche Wirtschaft ein wichtiger, aber kein dominanter Zulieferer sei. Sie untersuchen daneben den China-Anteil deutscher Wertschöpfungsexporte. Er habe 2018 bei 9 % gelegen, gegenüber 39 % bzw. 12 % in Deutschlands Zielmärkten EU und USA. Der chinesische Absatzmarkt sei jedoch für Deutschland wichtiger als für die anderen europäischen G20-Länder, da 2,7 % der deutschen Wertschöpfung von ihm abhinge. Problematisiert wird daneben, wie stark Deutschland auf chinesische Rohstoffe angewiesen sei. Dies thematisieren ebenfalls Sandkamp et al. (2023). Sie analysieren unter anderem indirekte Verflechtungen zwischen beiden Volkswirtschaften und kommen bei Deutschlands Produktion auf einen chinesischen Wertschöpfungsanteil von 1,5 % gegenüber 2,7 % im Konsum. Ein Rückgang des bilateralen Handels würde die deutsche Wirtschaftsleistung dauerhaft um jährlich 36 Mrd. Euro (bzw. 1 % der Wirtschaftsleistung des Jahres 2021) senken, kurzfristig um mehr. Auch diese Studie hebt die besondere Abhängigkeit von chinesischen Importen in ausgewählten Warengruppen wie Laptops und Mobiltelefonen hervor, rät zur Diversifizierung und zusätzlichen Freihandelsabkommen. Drei empirische Studien – eine grundsätzlich ähnliche Botschaft: China sei kein überragend wichtiger Partner, sein Gewicht solle aber in einzelnen Bereichen zugunsten anderer Märkte abnehmen.

Schon lange analysieren US-Autoren wie Economy (2022) Chinas Aufstieg eher als Gefahr denn als Chance. Deutschland konzentrierte sich bis 2020 vor allem auf die Chancen. Die Coronapandemie und Ukraine-Invasion haben nun auch hierzulande das Risikobewusstsein gegenüber Xi Jinpings Regierung geschärft. Brunnermeier (2021) empfiehlt ganz grundsätzlich, nicht nur Beschaffungs- und Absatzmärkte zu diversifizieren, sondern daneben Redundanzen aufzubauen, um Schocks abfedern zu können. Angelehnt an eine Fabel Jean de La Fontaines fordert er hierfür Resilienz: Wie das Schilf im Sturm sollen wir nicht brechen, sondern uns nur biegen, bis der Sturm vorüber ist.

  • 1 Volksrepublik China, Festlandchina und China dienen in diesem Beitrag als Synonyme. Hongkong, Macao und Taiwan sind nicht enthalten.
  • 2 Fertilitätsrate, Fertilität, Geburtenziffer oder Kinder pro Frau dienen in diesem Beitrag als Synonyme für die Total Fertility Rate (TFR). Sie gibt an, wie viele Kinder eine Frau im gebärfähigen Alter durchschnittlich im Leben bekäme.
  • 3 Auf die Sozialisierung ihrer China-Risiken scheinen einige Konzerne längst zu setzen: Zwischen 2018 und 2021 tätigten allein VW, BMW, Daimler (vor Aufspaltung) und BASF 34 % aller europäischen Direktinvestitionen in der Volksrepublik (Kratz et al., 2022). Die 40 Dax-Konzerne erwirtschafteten 2022 durchschnittlich 15 % ihres Umsatzes in China (Olk und Sommer, 2023).
  • 4 E-Yuan, Digitaler Renminbi, e-CNY, e-RMB, digitaler Yuan, Chinas digitales Zentralbankgeld und Chinas CBDC dienen in diesem Beitrag als Synonyme.

Literatur

Alper, A. und D. Shepardson (2023), U.S. official acknowledges Japan, Netherlands deal to curb chipmaking exports to China, Reuters, https://www.reuters.com/technology/us-official-acknowledges-japan-netherlands-deal-curb-chipmaking-exports-china-2023-02-01/ (24. Februar 2023).

Baur, A. und L. Flach (2022), Deutsch-chinesische Handelsbeziehungen: Wie abhängig ist Deutschland vom Reich der Mitte?, ifo Schnelldienst, 75(4), 56-65.

BIS Innovation Hub (2021), Inthanon-LionRock to mBridge. Building a multi CBDC platform for international payments, September.

Brunnermeier, M. K. (2021), Die resiliente Gesellschaft, Aufbau.

Busch, B., J. Matthes und S. Sultan (2023), Zur Abhängigkeit einzelner Industriezweige von China: Eine empirische Bestandsaufnahme, IW-Report, 5.

Chen, H., R. Xu, T. Tang und H. Gao (2021), Understanding and Responses to China‘s Demographic Transition, People‘s Bank of China, PBC Working Paper, 2.

CIPS (2023), About us, About CIPS, https://www.cips.com.cn/en/about_us/about_cips/introduction/index.html; Wherever There Is RMB There Is CIPS Service, https://www.cips.com.cn/en/index/index.html (beide 21. Februar 2023).

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Murray, R. (2022), The U.S. Is Facing a Sputnik Moment in the International Economy, 11. Februar, https://policycommons.net/artifacts/2256743/the-us/3015428/ (24. Februar 2023).

Naß, M. (2021), Drachentanz, C. H. Beck.

NCCU (2023), Changes in the Unification - Independence Stances of Taiwanese as Tracked in Surveys by Election Study Center, NCCU (1994-2022), National Chengchi University, https://esc.nccu.edu.tw/upload/44/doc/6963/Tondu202212.jpg (22. Februar 2023).

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Vogelsang, K. (2020), China und Japan, Kröner Verlag.

Wang, Y. und J. C. Conesa (2022), The role of demographics and migration for the future of economic growth in China, European Economic Review, 144(4), 1-18.

Wong, L. und R. Nelson (2021), International Financial Messaging Systems, CRS Report, R46843, 19. Juli.

Work, A. (2021), Der Aufstieg des e-RMB: Innenpolitische Kontrolle, Globaler Einfluss, Global Innovation Hub, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, November.

Title:Pay More Attention to China Risks

Abstract:Germany should pay more attention to risks in procurement, manufacturing and sales in China. First, China’s population has been shrinking since 2022 and is rapidly ageing; this will cause its economic strength as well as production and consumption opportunities to decrease. Secondly, the threat of a Taiwan invasion is rising and only mitigated by the globally integrated chip industry. Thirdly, China will increasingly shape standards in international payments and Central Bank Digital Currencies. This will raise its power for sanctioning other countries financially. Overall, while Germany should focus on further diversifying its economy, its exposure with regard to China is lower than commonly thought.

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© Der/die Autor:in 2023

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DOI: 10.2478/wd-2023-0047