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Die deutsche Wirtschaft wurde 2022 in besonderem Maße von Russlands Angriffskrieg in der Ukraine getroffen. Aufgrund ihrer starken Exportabhängigkeit fielen die hohen Energiepreise, die schwächelnde Weltkonjunktur und gestörte Lieferketten besonders stark ins Gewicht. Umso beeindruckender ist die Widerstandskraft der deutschen Volkswirtschaft. Doch die wirtschaftspolitischen Herausforderungen der erfolgsverwöhnten deutschen Wirtschaft reichen tiefer als die aktuellen Sorgen um Gaslieferungen und Energiepreise. Es stellt sich nicht nur die Frage, wie gut die deutsche Wirtschaft durch den Winter kommt, sondern auch mit welcher wirtschaftspolitischen Strategie Deutschland seinen Wohlstand in Zukunft sichern will.

Der deutsche Wachstumsmotor ist seit geraumer Zeit aus dem Tritt. Es sind vor allem drei Trends, die weitgehend gleichzeitig und teils seit etlichen Jahren belastend auf die deutsche Wirtschaft einwirken: Erstens der Umgang mit dem vom Menschen gemachten Klimawandel, zweitens das Ende alter geopolitischer Gewissheiten und drittens der weiter fortschreitende demografische Wandel. Diese drei fundamentalen Entwicklungen treffen Deutschland nicht allein, aber in besonderem Maße. Und sie erfordern umfassende wirtschaftspolitische Antworten. Die Mobilisierung des unausgeschöpften Integrationspotenzials der EU sollte dabei ein zentraler Baustein sein. Die Europäische Kommission formuliert regelmäßig wirtschaftspolitische Empfehlungen an ihre Mitgliedstaaten, auch an Deutschland (Europäische Kommission, 2022c). Dabei ist die europäische Dimension konsequent mitgedacht, nicht zuletzt im Interesse Deutschlands.

Umgang mit dem menschengemachten Klimawandel

Der Klimawandel und die mit der erforderlichen Dekarbonisierung verbundenen Herausforderungen sind nicht neu. Deutschland war lange Jahre Vorreiter, wenn es darum ging, umweltschonende Produkte oder Technik zur Erschließung alternativer Energiequellen zu entwickeln. Doch die Dynamik erlahmte. Es galt das Argument, dass Deutschland allein nur einen bescheidenen Beitrag zur Lösung eines globalen Problems leisten könne. Auch aus Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen energieintensiven Industrien wurde Klimaschutz auf die lange Bank geschoben. Doch spätestens seit dem Pariser Klimaschutzabkommen 2015 und den verstörenden Bildern von Jahrhundertüberschwemmungen, Waldbränden und sich jährlich steigernden Hitzerekorden ist der Handlungsdruck gewachsen. Mit der russischen Invasion in die Ukraine hat er sich nochmals dramatisch erhöht.

Ein verstärktes Zusammenwirken innerhalb der EU bietet Deutschland die Chance, die erforderliche Dynamik in der Dekarbonisierung zurückzugewinnen. Die von der Europäischen Kommission (2019) eingeleitete klimapolitische Ordnungspolitik (Europäischer Green Deal) setzt mit dem europäischen Klimagesetz und dem Fit-for-55-Programm klare Leitlinien und gibt Investoren langfristig Orientierung und Planungssicherheit. Außerdem garantiert die EU die Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen innerhalb des europäischen Binnenmarkts und setzt sich global für einen fairen Lastenausgleich mit Europas wichtigsten Handelspartnern ein. Ein solcher europaweiter Regulierungsrahmen ist für die Geschwindigkeit der Klimapolitik entscheidend.

Deutschland hat ehrgeizige Klimaziele1 und möchte ab 2045 klimaneutral wirtschaften. Die dazu notwendigen öffentlichen und privaten Investitionen haben oft eine lange Vorlaufzeit. Der beschleunigte Ausbau alternativer Energien, der Umstieg auf klimafreundliche Produktionsmethoden und die Modernisierung und Erweiterung des Schienennetzes müssen daher heute getätigt werden, um in 20 Jahren ihre klimafreundliche Wirkung voll entfalten zu können. Um die russischen Gaslieferungen durch erneuerbare Energien und Flüssiggasimporte ersetzen zu können, braucht es umfangreiche Investitionen. Der jüngste Aufbau neuer Gasterminals ist ein erster Schritt. Oberste Priorität muss außerdem dem Ausbau der Stromnetze und erneuerbarer Energien eingeräumt werden. Dafür gilt es, Investitionshemmnisse rasch abzubauen und Genehmigungsverfahren zu straffen.

Deutschland hat viel aufzuholen. Seit 2001 stagniert das Nettoanlagevermögen in der deutschen Stromerzeugung, während es etwa in Frankreich, den Niederlanden und Schweden um ca. 50 % gestiegen ist (Europäische Kommission, 2022a). Deutschland muss das Tempo bei Investitionen in die Dekarbonisierung deutlich erhöhen, um die selbst gesteckten Ziele erreichen und Energiesicherheit dauerhaft gewährleisten zu können. Eine konsequente Umsetzung der entsprechenden Reformen im Deutschen Aufbau- und Resilienzplan (DARP) im Einklang mit den Prioritäten des von der Kommission im Sommer vorgeschlagenen REPowerEU-Programms kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Neue geopolitische Realitäten

Deutschland hat wie kaum ein anderes EU-Mitglied von der Globalisierung der Weltwirtschaft profitiert. In den vergangenen drei Jahrzehnten haben der rasante Aufstieg Chinas und das dynamische Wirtschaftswachstum anderer Schwellenländer, die Einfuhr billiger Rohstoffe und Vorprodukte sowie den Absatz von Maschinen, Automobilen und Chemie- und Pharmaprodukten – alles zentrale Säulen der deutschen Industrie – beflügelt. Im Zuge der EU-Osterweiterung hat die deutsche Wirtschaft ihre industriellen Produktions- und Lieferketten weiter stark internationalisiert und dadurch hohe Effizienzgewinne eingefahren. Aufgrund dieser engen Verflechtung in die Weltwirtschaft konnte Deutschland die Folgen der Großen Finanzkrise rasch wieder abschütteln. Die realisierten Effizienzgewinne haben auch dazu beigetragen, dass Deutschland im internationalen Vergleich einen hohen Anteil an Industrieproduktion und einen relativ kleinen Dienstleistungssektor aufweist (Europäische Kommission, 2022a). Doch die geopolitischen Realitäten ordnen sich neu. Alte Gewissheiten gelten nicht mehr. Das ist nicht erst seit der Invasion Russlands in der Ukraine so. Die für die deutsche Wirtschaft so vorteilhaften Globalisierungsimpulse haben sich schon vor der COVID-19-Krise erkennbar abgeschwächt. Das rasante Wachstum aufholender Volkswirtschaften geht seit geraumer Zeit auf Normalmaß zurück. Zuletzt hat die Pandemie gezeigt, wie anfällig global aufgestellte Lieferketten gegenüber unerwarteten Störungen fernab der heimischen Produktionsstätten sein können. Hinzu kommen zunehmende Spannungen in den Handelsbeziehungen mit China, Trumps Frontalangriff auf die regelbasierte Welthandelsordnung und natürlich der Brexit. Schließlich bleibt abzuwarten, wie sich die durch den Krieg in der Ukraine verursachten Verwerfungen langfristig auf die internationalen Wirtschaftsbeziehungen und den Rohstoffzugang auswirken.

Vor dem Hintergrund der geopolitischen Neuordnung muss eine neue Wachstumsstrategie für Deutschland vor allem zwei Dinge miteinander verbinden: einerseits gilt es, die inländische Nachfrage strukturell zu stärken; andererseits muss es die Chancen des europäischen Binnenmarkts voll nutzen, einschließlich neuer europäischer Handelsinitiativen. Die Europäische Kommission weist seit Jahren auf das nicht voll ausgeschöpfte heimische Potenzial der deutschen Wirtschaft hin, etwa im Rahmen des makroökonomischen Ungleichgewichtsverfahrens (Europäische Kommission, 2022a), genauso wie der IWF und die OECD. Der hohen heimischen Ersparnisbildung stehen viele Jahre niedriger Investitionstätigkeit gegenüber. Das Ergebnis waren Jahr für Jahr neue Rekordüberschüsse in der Leistungsbilanz, die Defizite und erhöhte Auslandsverschuldung anderswo bedingen, und ein Wirtschaftswachstum, das unter den Möglichkeiten geblieben ist. Auch hier hat Deutschland viel aufzuholen.

Private und öffentliche Investitionen blieben in den vergangenen Jahren weit hinter dem zurück, was eine moderne und fortschrittliche Volkswirtschaft zukunftsfest macht. Nur 15,4 % der privaten Haushalte in Deutschland haben heute Zugang zu einem schnellen Glasfaser­anschluss. Das ist der zweitniedrigste Wert in der EU. In den fünf bestplatzierten EU-Ländern liegt der Wert bei 85 % und darüber. Für Unternehmen sieht das Bild kaum anders aus. Jahre der Unterinvestitionen, insbesondere auf kommunaler Ebene, haben die Qualität der öffentlichen Infrastruktur stark in Mitleidenschaft gezogen. Schätzungen des kumulierten öffentlichen Investitionsbedarfs in den Bereichen Dekarbonisierung, Digitalisierung, Bildung, Verkehr und Infrastruktur schwanken mittlerweile zwischen 1,3 % und 2,1 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) pro Jahr für das nächste Jahrzehnt und darüber hinaus (Bardt et al., 2020; Krebs, 2020; Krebs und Steitz, 2021; Raffer und Scheller, 2021). Deutschland benötigt schlichtweg mehr Tempo, um den Investitionsstau aufzulösen und nötige Investitionen in die digitale und grüne Transformation zeitnah umsetzen.

Eine höhere Investitions- und Reformdynamik würde daher vor allem Deutschland nutzen und käme auch der europäischen Wirtschaft zugute. Umgekehrt profitiert die deutsche Wirtschaft schon heute von den durch den Europäischen Aufbaufonds ausgelösten Wachstums-
impulsen. Analysen der Kommission zeigen, dass die gleichzeitige Umsetzung der ambitionierten nationalen Reform- und Investitionspläne der europäischen Partnerländer in den kommenden Jahren spürbare positive Nachfrage- und Wachstumseffekte in Deutschland auslösen, die jene des mit rund 26 Mrd. Euro im Vergleich zur Wirtschaftsleistung kleinen nationalen Plans deutlich übersteigen (Pfeiffer et al., 2022). Eine adäquate Infrastruktur wird vor allem dann zum Wachstumsmotor, wenn gleichzeitig auch die Wettbewerbskräfte gestärkt werden. Daher kann und muss Deutschland im eigenen Interesse mehr tun, um den Binnenmarkt in Europa zu beleben. Deutschland hat in den vergangenen Jahren nur sehr verhaltene Schritte unternommen, um seinen Markt stärker gegenüber anderen europäischen Ländern zu öffnen. Gemessen an seinem BIP hat Deutschland den zweitniedrigsten Anteil an europaweiten Ausschreibungen (Europäische Kommission, 2022b). Zudem machen es 16 unterschiedliche Bauordnungen in den Bundesländern und häufig noch papierbasierte Bauanträge europäischen Firmen schwer, in Deutschland Projekte durchzuführen. Reformen in diesem Bereich könnten dabei helfen, den Bau- und Sanierungsstau in Deutschland zu reduzieren und Kosten zu senken. Auch auf dem Markt für unternehmensnahe Dienstleistungen verhindern restriktive Zugangsbeschränkungen eine freie Entfaltung der Wettbewerbskräfte zum Nachteil von Effizienz, Innovation und Produktivität und führen letztlich zu höheren Kosten für die deutsche Wirtschaft.

Schließlich sollte sich Deutschland für eine wachstumsorientierte und nachhaltige europäische Handelspolitik stark machen. Mit seinen 450 Mio. Konsumenten ist der europäische Binnenmarkt nicht nur der wichtigste Absatzmarkt für deutsche Produkte und Dienstleistungen, die EU ist auch weltweit ein gewichtiger und attraktiver Handelspartner. Die berechtigten Sorgen um Lieferengpässe, Zugang zu Ressourcen und geopolitische Spannungen in der Weltwirtschaft dürfen nicht zu Protektionismus und Fragmentierung führen. Der weitere wettbewerbskonforme Ausbau europäischer Handelsbeziehungen sollte vielmehr dazu beitragen, Bezugs- und Absatzmärke breiter aufzustellen, Abhängigkeiten zu reduzieren und neue Innovationsimpulse und Effizienzgewinne zu erschließen. Die Wiederherstellung und Stärkung der multilateralen regelgebundenen Handelsbeziehungen sollten dabei weiterhin das Leitmotiv sein.

Demografischer Wandel

Deutschland gehört zu den Ländern, die am stärksten von der Alterung der Gesellschaft betroffen sein werden. Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird in den 2020er Jahren voraussichtlich um 3,7 Mio. abnehmen.2 Die Auswirkungen sind schon heute auf dem Arbeitsmarkt sichtbar. Gleichzeitig zeichnen sich zukünftige alterungsbedingte Mehrbelastungen für die öffentlichen Haushalte immer deutlicher ab. Ohne konsequente Reform wird sich der Finanzierungsbedarf der gesetzlichen Rentenversicherung in den kommenden Jahren deutlich erhöhen und die Tragfähigkeit des Rentensystems zunehmend gefährden (Stellungnahmen des Sachverständigenrates, 2020; der Gemeinschaftsdiagnose, 2021; der Deutschen Bundesbank, 2022; oder des wissenschaftlichen Beirats des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, 2021). In den vergangenen Jahren hat die Ausweitung der Rentenleistungen (wie die Altersrente für langjährige Versicherte, die zusätzliche Anerkennung von Kindererziehungszeiten, sowie die Grundrente) die Situation weiter verschärft. Werden die steigenden Kosten weiter auf den Bundeshaushalt abgewälzt, würde dies die Möglichkeiten für wachstumsfördernde öffentliche Investitionen einschränken.

In der vergangenen Dekade konnte die zunehmende Alterung durch Zuwanderung, vor allem aus Osteuropa, durch die gelungene Arbeitsmarktintegration von Frauen und Älteren kompensiert werden. Entgegen anfänglicher Befürchtungen einer Armutszuwanderung hatte sich die Einführung der allgemeinen Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bürger:innen aus den neuen EU-Mitgliedstaaten 2011 für Deutschland als echter Glücksgriff erwiesen und dabei geholfen den hohen Arbeitskräftebedarf in Deutschland zu decken (Hammer und Hertweck, 2022). Mit dem Renteneintritt der Babyboomer in den 2020ern wird dies allerdings zunehmend schwierig.

Durch die Pandemie hat sich die angespannte Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt weiter verschärft. Viele Bereiche der Wirtschaft leiden nicht nur an einem ausgeprägten strukturellen Fachkräftemangel, sondern auch an einem allgemeinen Arbeitskräftemangel. Dies lässt sich auch auf eine geringere Zuwanderung aus Osteuropa zurückführen. Zwar sind mit den Vertriebenen aus der Ukraine die Zuwanderungszahlen vorübergehend gestiegen. Doch aufgrund der aufholenden Wirtschaftsentwicklung und der auch dort rasch alternden Bevölkerung wird künftig mit rückläufigen Zuwanderungszahlen zu rechnen sein (Europäische Kommission, 2021). Eine gemeinsame Europäische Migrationspolitik kann dem zumindest entgegenwirken. Um auch weiterhin für Zugewanderte attraktiv zu sein, wird Deutschland agiler und flexibler bei der Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse sein und seiner Produktivität und wirtschaftlichen Kraft angemessene Löhne zahlen müssen.

Neben der Zuwanderung tut Deutschland gut daran, die verbleibenden Potenziale des inländischen Arbeitsmarkts zu heben. Die deutschen Beschäftigungsquoten gehören mittlerweile zu den höchsten in der EU, auch dank der arbeitsmarkt- und familienpolitischen Reformen in der Vergangenheit. Doch es bestehen weiterhin Spielräume, das Arbeitsangebot und die geleisteten Arbeitsstunden zu erhöhen. Dazu wäre es notwendig, die im EU-Vergleich an der Spitze liegenden Steuer- und Abgabenbelastungen des Faktors Arbeit zu senken. Die Kommission empfiehlt insbesondere für Beziehende niedriger und mittlerer Einkommen sowie Zweitverdiener:innen die Anreize zu erhöhen, die Arbeitszeit auszuweiten.

Ein starkes Europa für eine zukunftsfeste deutsche Wirtschaft

Die deutsche Wirtschaft ist in schwierigem Fahrwasser. Der Angriff Russlands auf die Ukraine und die Wucht der damit einhergehenden Energiekrise erschüttern das deutsche Wirtschaftsmodell. Eine strategische Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik bietet Chancen – für Deutschland und Europa. Deutschland muss seine inländische Nachfrage strukturell stärken und sich stärker auf Europa besinnen. Dazu gehören durchgreifende Reformen und nachhaltig höhere Investitionen zu Hause ebenso wie eine engere Zusammenarbeit in Europa. Der politische Mehrwert, der aus koordiniertem Handeln entsteht, ist größer als die Summe einzelner nationaler Maßnahmen: sei es bei der Sicherstellung der Energieversorgung, der dringend erforderlichen Dekarbonisierung der Volkswirtschaft oder um langfristig eine Technologieführerschaft in strategisch wichtigen Bereichen zu erlangen. Politikkoordination auf europäischer Ebene mit dem gemeinsamen Binnenmarkt als Grundstein ist der Schlüssel zum Erfolg für alle der EU zugehörigen Volkswirtschaften. Mit den Aufbau- und Resilienzplänen haben die Mitgliedstaaten die Gelegenheit, ihre wirtschaftspolitischen Herausforderungen anzugehen und dabei den grünen und digitalen Wandel zu beschleunigen, den Europa dringend braucht. Die Arbeiten dazu sind in den meisten Mitgliedstaaten voll im Gange.

Die Ausschöpfung des vollen Potenzials der europäischen Integration und Deutschlands Aufbruch in ein neues Wachstumsmodell sind eng miteinander verbunden. Ein neues Wirtschaftsmodell, in dem Wachstumschancen im Inland und im europäischen Binnenmarkt realisiert werden, rüstet die deutsche Wirtschaft gegen Krisen und geopolitische Verwerfungen und bringt Europa voran. Um das Potenzial des Binnenmarktes voll auszuschöpfen, ist ein stärkeres deutsches Engagement in Europa erforderlich. Deutschland sollte sich für eine tiefere Integration Europas stark machen, sei es bei der Neuformulierung der europäischen Haushaltsregeln, um Stabilität, Wachstum und Vertrauen zu stärken, der Kapitalmarkt- und Bankenunion, um den Zugang zu privater innovativer Finanzierungen europaweit zu erleichtern, dem Digitalen Binnenmarkt, um Europas Innovationskraft zu stärken, oder einer gemeinsamen Europäischen Handels- und Migrationspolitik, um im globalen Wettbewerb um Märkte und Talente besser bestehen zu können. Die ungenutzten Potenziale der europäischen Integration können Deutschland dabei helfen, auch in der Zukunft der Wachstumsmotor Europas zu bleiben. Dafür braucht Deutschland aber den frischen Wind einer Wirtschaftspolitik, bei der deutsche und europäische Ziele übereinstimmend gedacht werden und nicht auseinanderfallen. Der europäische Green Deal gibt hierfür den strategischen Rahmen.

Die hier geäußerten Ansichten in diesem Beitrag sind ausschließlich die der Autoren und geben nicht unbedingt die offiziellen Ansichten der Europäischen Kommission oder der Regierung der Bundesrepublik Deutschland wieder.

    • 1 Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung soll von derzeit knapp über 40 % bis 2030 auf 80 % und bis 2035 auf fast 100 % steigen. Das Ziel der Verringerung der Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 wurde auf 65 % verschärft.
    • 2 Der Altersabhängigkeitsquotient wird 2030 um mehr als 12 Prozentpunkte auf 46,4 % steigen und sich bis 2060 weiter auf 54,3 % beschleunigen. Der Quotient gibt das Verhältnis zwischen der Zahl der Menschen im Alter von 65+ sowie zwischen 20 und 64 Jahren an (Europäische Kommission, 2021).

Literatur

Bardt, H., S. Dullien, M. Hüther und K. Rietzler (2020), For a sound fiscal policy. Enabling public investment, IW-Policy Paper, 6.

Deutsche Bundesbank (2022), Rentenversicherung: Langfristszenarien und Reformoptionen, Deutsche Bundesbank Monatsbericht, 74(6), 49-64.

Europäische Kommission (2019), Der Europäische Grüne Deal. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, COM/2019/640 final.

Europäische Kommission (2021), The 2021 Ageing Report: Economic and Budgetary Projections for the EU Member States (2019-2070), European Economy Institutional Papers, 148.

Europäische Kommission (2022a), Macroeconomic Imbalance Procedure: In-depth review for Germany, SWD/2022/629 final.

Europäische Kommission (2022b), Single Market Scoreboard. Access to public procurement 2021.

Europäische Kommission (2022c), Länderbericht Deutschland 2022, SWD/2022/606 final.

Gemeischaftsdiagnose (2021), Krise wird allmählich überwunden – Handeln an geringerem Wachstum ausrichten.

Hammer, L. und S. Hertweck (2022), The impact of EU immigration on labour market outcomes in Germany over the past decade, Deutsche Bundesbank Research Brief, 45.

Krebs, T. (2020), Öffentliche Investitionen: Bedarfe und Finanzierung. Schriftliche Stellungnahme für die Anhörung im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages zum Thema Schuldenbremse und Investitionen.

Krebs, T. und J. Steitz (2021), Öffentliche Finanzbedarfe für Klimainvestitionen im Zeitraum 2021-2030, Agora Energiewende: Forum for a New Economy Working Paper, 3.

Raffer, C. und H. Scheller (2021), KfW-Kommunalpanel 2021, Kreditanstalt für Wiederaufbau.

Pfeiffer, P., J. Varga, und J. In ’t Veld (2022), Quantifying spillovers of coordinated investment stimulus in the EU, Macroeconomic Dynamics, 1-23.

Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2020), Jahresgutachten 2020/21, Kapitel 6: Demografischer Wandel: Nachhaltige Alterssicherung.

Wissenschaftlicher Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (2021), Vorschläge für eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung.

Title:The Key to a Future-Proof German Economy Lies in Europe

Abstract:The German economy has been hit hard by Russia’s war of aggression against Ukraine. Higher energy prices, weaker global trade and supply chain disruptions have had a profound impact. In addition to this new geopolitical reality, Germany faces rapid demographic changes and the need to manage its transition to a carbon-neutral economy. With the world’s largest integrated single market, a common currency and the European Green Deal, the EU provides a powerful framework for Germany to maintain and renew its prosperity. Deeper integration of the German economy in the EU Single Market, close cooperation with European partners and a strong domestic reform and investment agenda would benefit both Germany and the EU.

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© Der/die Autor:in 2023

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DOI: 10.2478/wd-2023-0101