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Die US-Konjunktur zeigte sich trotz der ausgeprägten Straffung der Geldpolitik bis zuletzt robust. Obwohl die Notenbank ihre Zinsen in ungewöhnlich scharfem Tempo erhöht hat – zwischen März 2022 und Mai 2023 wurde die das Zielband für die Federal Funds Rate von 0 % bis 0,25 % auf 5 % bis 5,25 % angehoben –, legten Wirtschaftsleistung und Beschäftigung weiter deutlich zu. Maßgeblich für die fortgesetzte wirtschaftliche Expansion war der bis Anfang 2023 anhaltende deutliche Anstieg des privaten Konsums, während bei den Investitionen die Bremswirkung der verschlechterten Finanzierungsbedingungen inzwischen deutlich sichtbar ist – insbesondere der Wohnungsbau ist auf einer ausgeprägten Talfahrt.

Im ersten Quartal 2023 gewann der private Konsum sogar deutlich an Schwung; ausweislich der ersten Schnellschätzung erhöhte er sich gegenüber dem Vorquartal um 0,9 %, nach durchschnittlich rund 0,5 % in den Quartalen zuvor. Dies war zwar wohl vor allem auf einen Einmaleffekt zurückzuführen, nämlich darauf, dass die verfügbaren Einkommen aufgrund von Einkommensteuersenkungen am Jahresanfang sehr deutlich stiegen. Geringere Abgaben waren für 1,4 Prozentpunkte des im Januar verzeichneten Anstiegs der verfügbaren Einkommen von 2,1 % verantwortlich. Nach wie vor wirken aber auch noch Faktoren, die den Konsum seit längerer Zeit stützen. Zum einen begünstigte der robuste US-amerikanische Arbeitsmarkt die Arbeitseinkommen, zum anderen ermöglichte es der Rückgriff auf die in der Pandemie akkumulierten Extra-Ersparnisse vielen Konsumenten trotz der hohen Inflation, ihre Ausgaben aufrechtzuerhalten. Die Aussichten für die Entwicklung dieser Rahmenbedingungen sind wesentlich für den Ausblick auf den privaten Konsum.

Die Lage am Arbeitsmarkt blieb bis zuletzt günstig. Nach einem sehr kräftigen Anstieg zu Jahresbeginn schwächte sich die Zunahme der Zahl der Beschäftigten im Februar und März zwar deutlich ab, wieder stärkere Zahlen im April zeigen aber, dass eine Trendwende offenbar noch nicht eingesetzt hat. Die Arbeitslosenquote verharrt seit geraumer Zeit auf einem historisch niedrigen Niveau. Ein Faktor, der zu der Anspannung am Arbeitsmarkt beiträgt, ist der Verlust einer beträchtlichen Zahl von älteren Arbeitnehmern, die während der Coronakrise in den vorzeitigen Ruhestand gegangen sind und voraussichtlich nicht wieder auf den Arbeitsmarkt zurückkehren werden. Die Partizipationsquote, die nach Ausbruch der Pandemie eingebrochen war, hat sich zuletzt zwar weiter dem Vorkrisenniveau angenähert, liegt aber immer noch um 0,7 Prozentpunkte darunter. Dies entspricht fast 2 Mio. Arbeitskräften, die im Vergleich zur Vorkrisenzeit auf dem Arbeitsmarkt fehlen. Betrachtet man die Partizipationsquoten verschiedener Altersgruppen, zeigt sich, dass der Schwund auf die Altersgruppe der über 55-jährigen konzentriert ist. Die Altersgruppe über 55 Jahren macht rund 37 % der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter aus und hat damit ein erhebliches Gewicht am Arbeitsmarkt. Die Menschen dieser Altersgruppe, die den Arbeitsmarkt während der Pandemie verlassen haben, sind überwiegend in den vorzeitigen Ruhestand gegangen. Es ist nicht damit zu rechnen, dass sie in großer Zahl wieder auf den Arbeitsmarkt zurückkehren und so die derzeitige Knappheit an Arbeitskräften kurzfristig mindern werden.

Vor diesem Hintergrund hat sich der bis zur Mitte des vergangenen Jahres sehr kräftige Lohnauftrieb nur leicht verlangsamt; im Vorjahresvergleich war der Anstieg der durchschnittlichen Stundenlöhne zuletzt mit rund 4,5 % weiterhin deutlich höher als in den Jahren vor der Krise. Angesichts einer allmählich wieder rückläufigen Inflation sind die real verfügbaren Einkommen seit Juli 2022 wieder aufwärtsgerichtet. Zuvor waren sie über mehr als ein Jahr hinweg fast durchgehend gesunken, sodass zuletzt im Vergleich zum Vorkrisentrend immer noch eine Lücke von reichlich 5 % zu verzeichnen ist (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Real verfügbare Einkommen in den USA

in Mrd. US-$

Real verfügbare Einkommen in den USA

Quellen: Federal Reserve Bank of St Louis; Berechnungen des IfW Kiel.

Der private Konsum liegt hingegen derzeit etwa auf dem Niveau, das bei Fortschreibung des Vorkrisentrends zu erwarten gewesen wäre, während das Bruttoinlandsprodukt um 2 % unter seinem Trendwert liegt. Massive Einkommenstransfers durch den Staat während der Coronakrise haben die kräftige Konsumentwicklung ermöglicht. Dabei hat sich die Struktur der Konsumausgaben in der Pandemiezeit erheblich verändert. Die Nachfrage nach Waren stieg stark, während der Konsum von Dienstleistungen infolge von Kontaktbeschränkungen und Verhaltensänderungen zur Vermeidung von Infektionen deutlich zurückging. Zwar hat sich die Ausgabenstruktur 2022 ein Stück weit normalisiert, der Konsum von Dienstleistungen lag zuletzt aber immer noch rund 2 % unter dem Vorkrisentrend, während die Nachfrage nach Waren, und hier insbesondere die nach langlebigen Konsumgütern, immer noch deutlich über dem Vorkrisentrend liegt (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2
Struktur der Konsumausgaben in den USA

Index (Dezember 2019 = 100)

Struktur der Konsumausgaben in den USA

Quartalsdaten, preis-, kalender- und saisonbereinigt, Veränderung gegenüber dem Vorquartal. Der Vorkrisentrend wurde unter Annahme der durchschnittlichen Zuwachsraten zwischen 2015 bis 2019 extrapoliert.

Quelle: Bureau of Economic Analysis; Berechnungen des IfW Kiel.

Finanziert wurde der im Vergleich zur Einkommensentwicklung starke Konsum durch den Abbau von Ersparnissen, die während der Krise gebildet wurden, als die Unterstützungspakete der Regierungen Trump (Frühjahr 2020) und Biden (Anfang 2021) die Einkommen deutlich erhöhten, während die Konsummöglichkeiten pandemiebedingt beschränkt waren. In der Spitze wurden so zusätzliche Ersparnisse in Höhe von rund 2,4 Billionen US-$ angehäuft (vgl. Abbildung 3). Bereits seit Ende 2021 werden diese Ersparnisse genutzt, um den Konsum trotz der inflationsbedingt gesunkenen Realeinkommen aufrechtzuerhalten, was gesamtwirtschaftlich zu einer ungewöhnlich niedrigen Sparquote führt. Bis März 2023 wurde bereits rund die Hälfte dieser Ersparnisse aufgebraucht. Zwar stehen so nach wie vor Zusatzersparnisse zur Verfügung, die den Konsum auch 2023 und 2024 stützen könnten, doch ist zu erwarten, dass die Geschwindigkeit, in der die Ersparnisse abschmelzen, abnehmen wird. Zum einen dürfte ein Teil der Ersparnisse langfristig angelegt oder zur Rückzahlung von offenen Verbindlichkeiten verwendet worden sein. Zum anderen ist die noch verfügbare Zusatzersparnis nicht gleichmäßig auf alle Einkommensgruppen verteilt. Insbesondere die unteren Einkommensgruppen haben wohl bereits den größeren Teil der über das Normalmaß hinausgehenden Ersparnisse zur Befriedigung der in der Pandemie aufgestauten Nachfrage oder für die Finanzierung der stark gestiegenen Lebenserhaltungskosten verwendet (Alagangady et al., 2022). Die verbleibende angesparte Kaufkraft wird daher nun überwiegend von den oberen Einkommensgruppen gehalten, die typischerweise einen geringeren Anteil ihres verfügbaren Einkommens für den Konsum aufwenden.

Abbildung 3
Sparquote und aufgestaute Ersparnisse in den USA
Sparquote und aufgestaute Ersparnisse in den USA

Aufgestaute Ersparnisse berechnet in Anlehnung an Alagandady et al. (2023) als kummulierte Abweichungen der Ersparnis von ihrem Trendwert. Der Trend wurde anhand der durchschnittlichen monatlichen Veränderungsraten des verfügbaren Einkommens, der Konsumausgaben und sonstiger Ausgaben der Haushalte zwischen 2015 und 2019 bestimmt.

Quellen: Federal Reserve Bank of St Louis; Berechnungen des IfW Kiel.

Vor diesem Hintergrund dürfte der private Konsum in den USA in den kommenden Monaten von verschiedenen Seiten unter Druck geraten. Zum einen wirkt ein weiterer allmählicher Anstieg der Sparquote bremsend, zum anderen wird die Einkommensentwicklung infolge einer schwächeren Produktionsentwicklung als Folge der geldpolitischen Straffung an Schwung verlieren. Die konjunkturelle Verlangsamung dürfte sich nach und nach auch am Arbeitsmarkt zeigen und zu allmählich nachlassenden Lohnanstiegen führen. Im Ergebnis dürfte es so zu einer Konsolidierung der in mittelfristiger Sicht immer noch überhöhten Konsum­ausgaben kommen. Damit würde die derzeit wichtigste Stütze der US-Konjunktur deutlich an Tragkraft verlieren und die Wahrscheinlichkeit steigen, dass die Wirtschaft der USA in der nächsten Zeit in eine Rezession rutscht.

Literatur

Aladangady, A., D. Cho, L. Feiveson und E. Pinto (2022), Excess Savings during the COVID-19 Pandemic, FEDS Notes. Board of Governors of the Federal Reserve System, 21. Oktober.

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© Der/die Autor:in 2023

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2023-0104

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