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Um Präferenzen für Maßnahmen zur Stärkung von Sicherheit und Verteidigung als öffentlichem Gut zu bestimmen, bieten sich repräsentativ durchgeführte diskrete Entscheidungsexperimente an. Ein solches umfragegestütztes Experiment offenbart für Deutschland eine große Wertschätzung für die Installation eines europäischen Schutzschirms gegen Luftangriffe, aber auch für die Vergrößerung der Bundeswehr um 25 % sowie die Gründung einer europäischen Armee. Für diese Veränderungen besteht eine aggregierte Zahlungsbereitschaft von jährlich ca. 11,5 Mrd. Euro. Zustimmung und Zahlungsbereitschaft schwanken nach Parteipräferenz. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht wird jedoch überwiegend abgelehnt.

Während die Verteidigungsausgaben in Zeiten des Kalten Krieges den größten Posten des Bundesetats ausmachten, sind sie seit Beginn der 1990er Jahre deutlich gesunken. Mit dem Ende des Kalten Krieges gehörte die unmittelbare Bedrohung der Sicherheit Westeuropas nach Überzeugung vieler der Vergangenheit an und das Hauptmotiv für die enormen Ausgaben entfiel. Deutschland, wie auch andere europäische Staaten, verkleinerte seine Streitkräfte drastisch (Dorn et al., 2022a). Zudem galt es, die enormen finanziellen Herausforderungen der Wiedervereinigung zu bewältigen, sodass eine neue Priorisierung staatlicher Ausgaben auch aus diesem Grund geboten erschien. Schließlich stand (und steht) die Frage nach dem gesellschaftlichen Mehrwert von Verteidigungsausgaben im Raum, insbesondere angesichts der Ausgabenkonkurrenz zu anderen Bereichen wie Bildung oder sozialer Sicherung. Zwar hatte sich auch Deutschland 2014 zur Erreichung des 2 %-Ziels der NATO binnen einer Dekade bekannt, aber seit Mitte der 1990er Jahre doch nur zwischen 1,1 % und 1,5 % seines BIP für Verteidigung ausgegeben (SIPRI, 2023). Auch wenn das jährlich qua Umfrage erhobene fundierte sicherheits- und verteidigungspolitische Meinungsbild (z. B. Steinbrecher et al., 2021) eine seit zwei Jahrzehnten mehrheitlich wohlwollende Haltung der Bevölkerung zu den deutschen Streitkräften belegt (Graf et al., 2022, 129), schien die Bundeswehr weder budgetär, noch politisch für die Bewahrung von Frieden und Sicherheit in Europa sonderlich bedeutsam zu sein – bis zum Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022.

Mit seiner Rede zur Zeitenwende hat Bundeskanzler Olaf Scholz bereits kurz nach Kriegsbeginn angekündigt, der Bundeswehr im Rahmen eines Sondervermögens 100 Mrd. Euro an zusätzlichen Mitteln zur Verfügung zu stellen. Dennoch belaufen sich die Verteidigungsausgaben 2023 mit 1,4 % des zu erwartenden BIP (50,1 Mrd. Euro aus dem Einzelplan 14 des Bundeshaushaltsplans sowie 8,4 Mrd. Euro aus dem Sondervermögen) auf dem Niveau früherer Jahre (BMF, 2023, 29; BMVG, 2023). Weitere Ausgabensteigerungen erscheinen daher sowohl im Hinblick auf das 2 %-Ziel der NATO als auch im Hinblick auf die Zeitenwende wahrscheinlich (Dorn et al., 2022b, Bundesregierung, 2023), zumal Deutschland seine über lange Zeit beinahe äquidistante Politik zwischen westlichen Wirtschafts- und Verteidigungspartnern und östlichen (sprich russischen) Energie- und Rohstofflieferanten in der bisherigen Form nicht fortführen kann (Bunde, 2022).

Neben Ausgabenkonkurrenz und der einzuhaltenden Schuldenbremse gibt es jedoch ein weiteres wesentliches Pro­blem: Politische Entscheider:innen besitzen kaum Kenntnisse über die konkreten gesellschaftlichen Präferenzen für Sicherheit und Verteidigung. Wie viel mehr an Sicherheit und Verteidigung möchte die Bevölkerung? Welche Maßnahmen werden favorisiert? Was ist der oder die Einzelne bereit, dafür zu bezahlen und welche Akzeptanz für höhere Steuerbelastungen gibt es? Antworten auf diese Fragen dürften erheblich von den politischen Einstellungen der jeweiligen Person abhängen. Ein Beispiel hierfür lieferte die Schweiz im Mai 2014: Beim (letztlich abgelehnten) Referendum über die Beschaffung des Kampfflugzeugs Gripen stieg die Zustimmung kontinuierlich von linksaußen (13 %) über die politische Mitte (50 %) bis rechtsaußen (74 %) an (Bürgisser et al., 2014, 40). Besonders gering war sie bei Personen, die angaben, sich den schweizerischen Grünen verbunden zu fühlen (5 %), während Unterstützer:innen der Schweizerischen Volkspartei zu 81 % für die Beschaffung votierten.

Präferenzmessungen durch diskrete Entscheidungsexperimente

Fragen zur Messung von Präferenzen für öffentliche Güter, also nicht marktfähiger Güter, von deren Nutzung niemand ausgeschlossen werden kann, für die aber auch keine Rivalität im Konsum besteht, blieben für den Themenkomplex Sicherheit und Verteidigung bisher unbeantwortet (Keupp, 2019). In anderen Bereichen wie dem Verkehrswesen, dem Marketing oder der Gesundheits- und Umweltökonomie hingegen werden ähnlich gelagerte Probleme seit Jahren mithilfe von diskreten Entscheidungsexperimenten adressiert (Louviere et al., 2000). Dabei werden innerhalb einer Befragung repräsentativ ausgewählten Personen Alternativen präsentiert, die sich gegenseitig ausschließen. Sie werden über mehrere Attribute und deren Ausprägungen definiert. Die Alternativen können auch durch politische Maßnahmen beschrieben werden, sofern diese unmittelbar zur Bereitstellung des eigentlich zu bewertenden öffentlichen Guts beitragen. Ferner unterscheiden sich die Alternativen sowohl in den Ausprägungen der einzelnen Maßnahmen als auch in den dafür anfallenden Kosten, welche die Teilnehmenden potenziell als von ihnen selbst zu tragen ansehen. Die teilnehmenden Personen werden in diesen Experimenten dazu aufgefordert, Abwägungsentscheidungen zwischen den Alternativen zu treffen. Statistische Analysen ermöglichen das Ermitteln von Präferenzen und daraus dann abgeleitet Zahlungsbereitschaften.

Die Anwendung diskreter Entscheidungsexperimente zur Ermittlung des Werts von Sicherheit und nationaler Verteidigung ist daher zum einen ökonomisch aufschlussreich. Zum anderen können Entscheidungsträger:innen durch sie diejenigen politischen Maßnahmen identifizieren, welche eine möglichst hohe öffentliche Akzeptanz genießen. Die im Rahmen diskreter Entscheidungsmodelle angegebenen Präferenzen gestatten ferner auch eine Priorisierung von Maßnahmen und somit eine effizientere Mittelverwendung.

Ein diskretes Entscheidungsexperiment zu Sicherheit und Verteidigung

Für Deutschland liegen nun Ergebnisse aus der Durchführung eines diskreten Entscheidungsexperimentes zur gesellschaftlichen Bewertung von Sicherheit und nationaler Verteidigung vor (Qari et al., 2023). An der Umfrage nahmen rund 1.800 Personen teil, die im Hinblick auf Alter, Geschlecht und Wohnregion bevölkerungsrepräsentativ ausgewählt wurden. Ausgehend vom materiellen und finanziellen Status quo der Bundeswehr (inkl. des Sondervermögens) wurden den Teilnehmenden vier Politikmaßnahmen zur Steigerung von Sicherheit und Verteidigungsbereitschaft vorgestellt (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Mögliche Politikmaßnamen im Entscheidungsexperiment
Mögliche Politikmaßnamen im Entscheidungs-experiment

Quelle: eigene Darstellung.

Die erste Maßnahme bezieht sich auf die Truppenstärke der Bundeswehr (samt einsatzbereiter Ausrüstung). Diese ist sicherlich ein wesentlicher Indikator für die Verteidigungsbereitschaft Deutschlands; beides korreliert positiv. Während die Truppenstärke in den 1970er und 1980er Jahren bei knapp 0,5 Mio. Soldat:innen lag, beträgt sie aktuell rund 185.000 (Deutscher Bundestag, 2023, 146 f). Ob die Bundeswehr momentan zur sogenannten Bündnis- und Landesverteidigung in der Lage wäre, ist nicht gesichert. Neben der Beibehaltung dieses Status quo („Keine Änderung“) wurde den Befragten eine Aufstockung der Bundeswehr um ein Viertel oder die Hälfte auf rund 230.000 bzw. knapp 280.000 Soldat:innen vorgeschlagen, wodurch Sicherheit und Verteidigungsbereitschaft erhöht werden könnten.

Der Aufbau einer gemeinsamen europäischen Armee stellt eine zweite Politikmaßnahme dar. Eine gemeinschaftliche Verteidigung Deutschlands würde aktuell wohl vor allem im Rahmen der NATO geschehen. Von deren 3,3 Mio. Soldat:innen aus 31 Mitgliedsländern entfallen allein 1,35 Mio. auf die USA, welche zudem im Hinblick auf Ausrüstung und Einsatzbereitschaft auch die mit Abstand wichtigsten NATO-Streitkräfte stellen (NATO, 2022, 12). Vor allem von französischer Seite gibt es seit geraumer Zeit Vorschläge, „…Europa, ergänzend zur NATO, selbständig handlungsfähig…“ zu machen, so Staatspräsident Macron in seiner Sorbonner Rede (Macron, 2017, 4). Dies könnte dadurch erreicht werden, dass aus den bestehenden nationalen Streitkräften Teile in eine neue europäische Armee überführt würden. Die verbleibenden nationalen Armeen wären dann entsprechend kleiner.

Als dritte Maßnahme wurde den Befragten die Wiedereinführung der Wehrpflicht präsentiert, z. B. als Teil eines für alle Geschlechter geltenden gesellschaftlichen Pflichtdienstes, wie es jüngst auch Verteidigungsminister Pistorius angeregt hat (ZDF, 2023). Seit Mitte 2011 ist die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt und damit de facto abgeschafft. Die Bundeswehr besteht seitdem hauptsächlich aus Zeit- und Berufssoldat:innen.

Die vierte Maßnahme betrifft den von Bundeskanzler Scholz im Rahmen seiner Prager Rede konstatierten „erheblichen Nachholbedarf … bei der Verteidigung gegen Bedrohungen aus der Luft und aus dem Weltraum“ (Scholz, 2022, 42). Traditionell konzentriert sich die Flugraumüberwachung auf eindringende Flugzeuge. Der heute bestehende Schutz könnte insofern verbessert werden, wohl wissend, dass kein hundertprozentiger Schutz erreichbar ist (Popkin, 2019). Die Befragten konnten ihre Präferenz angeben, ob der gegenwärtige Schutz gegen Bedrohungen aus der Luft erweitert werden soll, und wenn ja, ob dies vor allem für Deutschland oder für Europa angestrebt werden soll.

Im diskreten Entscheidungsexperiment wurde den Teilnehmenden im Hinblick auf die vier Maßnahmen jeweils der Status quo und zwei Alternativen mit unterschiedlichen Ausprägungen der Maßnahmen vorgestellt. Die Kombination der Ausprägungen der Attribute zu den Alternativen erfolgte über ein experimentelles statistisches Design, das die spätere Auswertung mit ökonometrischen Verfahren ermöglicht. Während der Status quo mit keinen weiteren Kosten verbunden wäre, würden die beiden alternativen Maßnahmenbündel die Teilnehmenden jährlich zwischen 24 Euro und 396 Euro an zusätzlichen Steuern und Abgaben kosten. Auf dieser Grundlage konnten die Teilnehmenden dann den Status quo oder eine der mit Kosten verbundenen Alternativen für sich und ihren Haushalt wählen (z. B. derzeitiger Zustand zu Kosten von Null versus Truppenaufstockung um 50 %, keine europäische Armee, keine Wiedereinführung der Wehrpflicht und europäischer Schutzschirm zu Kosten von 144 Euro pro Jahr versus 25 %ige Truppenaufstockung, europäische Armee, Wiedereinführung der Wehrpflicht und deutscher Schutzschirm zu Kosten von 240 Euro, vgl. Abbildung 2). Solche Auswahlentscheidungen traf jede(r) Teilnehmende achtmal. Die Sets mit den Auswahloptionen wurden in zufälliger Reihenfolge präsentiert. Zusätzlich wurden auch diverse sozioökonomische Charakteristika sowie die politische Orientierung erfasst.

Abbildung 2
Beispielfrage im Entscheidungsexperiment
Beispielfrage im Entscheidungsexperiment

Quelle: eigene Darstellung.

Zahlungsbereitschaften im Überblick

Die erhobenen Auswahlentscheidungen werden mittels eines logistischen Modells mit zufälligen Effekten analysiert (Train und Weeks, 2005) und erlauben die Bestimmung von jährlichen Grenzzahlungsbereitschaften je Haushalt. Tabelle 1 gibt einen ersten Überblick über die jährlichen Zahlungsbereitschaften. Im Hinblick auf eine mögliche Erhöhung der Truppenstärke sind die Zahlungsbereitschaften für eine Steigerung um die Hälfte (74 Euro) und um nur ein Viertel (83 Euro) praktisch gleich, was darauf hindeutet, dass letzteres als ausreichend angesehen wird. Eine umfangreichere Aufstockung wird nicht präferiert. Mit 66 Euro bewegt sich die Zahlungsbereitschaft für eine europäische Armee auf ähnlichem Niveau, während der Wert eines Schutzschirms gegen Angriffe aus der Luft als rund doppelt so hoch eingeschätzt wird. Für die umfassendere europäische Variante liegt die Zahlungsbereitschaft mit 131 Euro noch einmal oberhalb derjenigen für eine rein deutsche Lösung mit 120 Euro. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht ist hingegen mit einer negativen Zahlungsbereitschaft assoziiert und wird von einer Mehrheit der Befragten folglich nicht unterstützt.

Tabelle 1
Grenzzahlungsbereitschaften je Haushalt

in Euro

    Durchschnitt 95%-Konfidenzintervall
Truppenstärke 25 % 83,4 [69,3 – 98,0]
50 % 74,3 [58,2 – 90,8]
Europäische Armee   66,0 [49,2 – 82,3]
Wehrpflicht   -42,3 [-57,8 – -27,3]
Schutzschirm Deutschland 120,3 [98,6 – 141,2]
Europa 131,1 [116,2 – 145,7]

Quelle: eigene Darstellung.

Tabelle 2 zeigt die aggregierten jährlichen Zahlungsbereitschaften für ausgewählte Politikprogramme. Bei etwa 41 Mio. Haushalten in Deutschland (Statistisches Bundesamt, 2023) ergibt sich für Programm II, bestehend aus einer Aufstockung der Truppenstärke um 25 %, der Gründung einer europäischen Armee, der Beibehaltung des Status quo bei der (de facto abgeschafften) Wehrpflicht und dem Aufbau eines europäischen Schutzschirms gegen Luftangriffe eine jährliche aggregierte Zahlungsbereitschaft von rund 11,5 Mrd. Euro. Dies entspräche einer Steigerung des Wehretats um 23 %. Mit Programm V zeigt sich, dass alleine für den europäischen Schutzschirm eine Zahlungsbereitschaft von 5,4 Mrd. Euro besteht.

Tabelle 2
Aggregierte Zahlungsbereitschaften für aus-gewählte Programme

in Mrd. Euro

    I II III IV V
Truppenstärke 25 %      
50 %        
Europäische Armee    
Wehrpflicht            
Schutzschirm Deutschland      
Europa    
Aggregierte Zahlungsbereitschaft   11,1 11,5 10,7 8,1 5,4

Quelle: eigene Darstellung.

Zahlungsbereitschaften nach Parteipräferenzen

Die Teilnehmenden der Umfrage wurden zudem nach ihrer Wahlintention der im Bundestag vertretenen Parteien befragt. Die resultierenden Anteile entsprachen in etwa den Stimmanteilen einer zeitgleich stattfindenden allgemeinen Wahlumfrage, sodass unsere Ergebnisse als repräsentativ angesehen werden können. Dies ermöglicht es, die bisher diskutierten Zahlungsbereitschaften nach Parteipräferenzen aufzuschlüsseln. Abbildung 3 zeigt die jährlichen Grenzzahlungsbereitschaften für die Erhöhung der Truppenstärke nach Parteipräferenzen.

Abbildung 3
Grenzzahlungsbereitschaften für Erhöhung der Truppenstärke um 25 % (links) und 50 % (rechts) nach Parteipräferenzen
in Euro
Grenzzahlungsbereitschaften für Erhöhung der Truppenstärke um 25 % (links) und 50 % (rechts) nach Parteipräferenzen

Quelle: eigene Darstellung.

In der politischen Mitte besteht zwischen den Anhänger:innen von Grünen, SPD, FDP und CDU/CSU ein gewisser Konsens über die Aufstockung der Bundeswehr. Die beiden Erstgenannten präferieren jedoch eher eine moderate Aufstockung um 25 %, wohingegen FDP-affine Personen eine Anhebung der Truppenstärke um 50 % höher bewerten. Teilnehmende, die sich mit den politischen Rändern identifizieren, haben eine sehr geringe Zahlungsbereitschaft und damit eine schwache Präferenz für eine Vergrößerung der Bundeswehr. Im Falle der Linkspartei wird die hälftige Truppenvergrößerung mit einer negativen Zahlungsbereitschaft sogar abgelehnt. Zwischen Unterstützer:innen der Linkspartei einerseits und der Grünen andererseits offenbaren sich hier wesentliche strukturelle Unterschiede. Diese Differenzen treten auch bei einer Analyse der zweiten möglichen Politikmaßnahme zutage, der Schaffung einer europäischen Armee (vgl. Abbildung 4).

Abbildung 4
Grenzzahlungsbereitschaften für europäische Armee nach Parteipräferenzen

in Euro

Grenzzahlungsbereitschaften für europäische Armee nach Parteipräferenzen

Quelle: eigene Darstellung.

AfD-affine Personen lehnen ein solches Vorhaben ab. Alle übrigen befragten Personen bewerten eine solche Maßnahme hingegen positiv, wobei die Anhängerschaft der Linkspartei die größte Heterogenität aufweist. Besonders interessant ist auch hier die Bewertung durch die Unterstützer:innen der Grünen. Sie weisen die höchste Zahlungsbereitschaft für eine solche Teileuropäisierung auf, was an der simultanen Reduktion nationaler Armeen liegen mag.

Die auffallendste Heterogenität zeigt sich bei der Zahlungsbereitschaft für die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland (vgl. Abbildung 5). Diese ist signifikant positiv für AfD- (12,8 Euro) und FDP-Wähler:innen (15,5 Euro). Anhänger:innen der Grünen, der Linken und der SPD haben hingegen negative Zahlungsbereitschaften und die Zahlungsbereitschaft von Personen mit Affinität zur CDU ist praktisch null. Politisch dürfte ein solches Vorhaben damit schwierig zu vermitteln sein, findet es in der Breite der Bevölkerung doch kaum Zuspruch, dafür aber viel Ablehnung.

Im Hinblick auf die Präferenzen für die beiden Formen eines Schutzschirms gegen Angriffe aus der Luft (vgl. Abbildung 6) haben sowohl FDP- als auch SPD-Wähler:innen für einen deutschen und einen europäischen Schirm nahezu identische Zahlungsbereitschaften. Unterstützer:innen der Grünen und auch der Linken wollen für eine europäische Lösung eindeutig mehr zahlen als für eine rein deutsche Lösung, für welche bei Linken gar keine Zahlungsbereitschaft besteht.

Abbildung 5
Grenzzahlungsbereitschaften für Wiedereinführung der Wehrpflicht nach Parteipräferenzen

in Euro

Grenzzahlungsbereitschaften für Wiedereinführung der Wehrpflicht nach Parteipräferenzen

Quelle: eigene Darstellung.

Abbildung 6
Grenzzahlungsbereitschaften für Schutzschirme für Deutschland (links) und Europa (rechts) nach Parteipräferenzen
in Euro
Grenzzahlungsbereitschaften für Schutzschirme für Deutschland (links) und Europa (rechts) nach Parteipräferenzen

Quelle: eigene Darstellung.

Letzteres trifft auch auf erklärte Wähler:innen der AfD zu. Auffallend ist, dass die höchste Präferenz für einen Schutzschirm unter den Anhänger:innen der Grünen besteht, im Falle eines europäischen sogar mit signifikantem Abstand zu allen übrigen Parteien.


Fazit

Während Budgets und Streitkräfte gemessen und militärische Fähigkeiten geschätzt werden können, ist die Bewertung von Sicherheit als öffentliches Gut aufgrund fehlender Greifbarkeit ungleich schwieriger. Diskrete Entscheidungsexperimente zeigen einen Weg auf, dieses Problem zu adressieren. Mit ihrer Hilfe können die Präferenzen der Bürger:innen erhoben und ihre Zahlungsbereitschaften für verschiedene Maßnahmen an Sicherheit daraus abgeleitet werden. Die aggregierten Zahlungsbereitschaften haben offenbart, dass weite Teile der Bevölkerung einer Anhebung von Steuern und Abgaben zur Finanzierung weiterer Maßnahmen zur Steigerung von Sicherheit und Verteidigung aufgeschlossen gegenüberstehen. Für eine Anhebung der Truppenstärke, die Gründung einer europäischen Armee und die Installation eines europäischen Schutzschirms könnten jährlich zusätzlich mehr als 11 Mrd. Euro verausgabt werden – den Präferenzen der Bevölkerung entsprechend. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht würde jedoch keine mehrheitliche Unterstützung durch die Bevölkerung erfahren.

Die hier vorgelegten Umfrageergebnisse gewähren nur einen ersten Blick auf die Präferenzen der Bevölkerung für Sicherheit und nationale Verteidigung. Ein regelmäßiges Monitoring wäre in Zukunft wünschenswert, um Veränderungen im Zeitablauf aufdecken zu können.

Literatur

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Title:The Value of Security and National Defense

Abstract:To assess preferences for measures that strengthen security and defense as a public good, discrete choice experiments are a promising approach. For Germany, such a survey-based experiment reveals a strong preference for the installation of a European air defense system, but also for an increase in the troop size of the German military by 25% as well as the creation of a European army. For these changes, there is an aggregate willingness to pay of approximately 11.5 billion euros. Approval and willingness to pay vary by party preference. However, the reintroduction of compulsory military service is overwhelmingly rejected.

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© Der/die Autor:in 2023

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DOI: 10.2478/wd-2023-0116