Bis zur Coronakrise war das Niveau der von Kommunen getätigten Sachinvestitionen spürbar im Aufschwung. Drei Jahre nach Ausbruch der Pandemie und ein Jahr nach Beginn des Ukrainekrieges stellt sich die Frage, wie sich die kommunale Investitionstätigkeit im Zuge beider Krisen entwickelt hat. In nominaler Rechnung wachsen die Investitionsausgaben zwar weiterhin, der schöne Schein trügt jedoch: Preisbereinigt wird heute erkennbar weniger investiert als im Jahr 2020. Zugleich hat sich die Struktur der Investitionstätigkeit verändert.
Die Nachricht des Statistischen Bundesamts Anfang April ließ aufhorchen: Trotz der anhaltenden Auswirkungen von Pandemie und Krieg auf die Kommunalfinanzen erzielten die Gemeinden und Gemeindeverbände (ohne Stadtstaaten) im Jahr 2022 in den Kern- und Extrahaushalten einen Finanzierungsüberschuss von knapp 2,6 Mrd. Euro. Dies war bereits der dritte Finanzierungsüberschuss hintereinander seit Ausbruch der Pandemie. Als wäre dies nicht überraschend genug, stiegen im Gleichschritt mit der augenscheinlichen Entspannung der kommunalen Finanzlage auch die Investitionsausgaben deutlich: Bei den Sachinvestitionen wurde ein Wachstum um 7,1 % von 38,6 Mrd. Euro im Jahr 2021 auf nun 41,4 Mrd. Euro verzeichnet. Die Baumaßnahmen als besonders wichtiger Teil der Sachinvestitionen legten im Vergleich zum Vorjahr sogar um 7,4 % zu (Statistisches Bundesamt, 2023).
Investitionstätigkeit eigentlich krisenreagibel
Liefern diese Zahlen tatsächlich Anzeichen dafür, dass die kommunale Investitionstätigkeit der Zwillingskrise aus Pandemie und Ukrainekrieg zu trotzen vermag? Aus ökonomischer Sicht sind Zweifel gegen diese Schlussfolgerung angebracht. Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen Investitionstätigkeit, Verschuldungsgrenzen und Haushaltsausgleichsgebot müssen die Kommunen auf Krisen typischerweise mit einer Konsolidierung und Priorisierung ihrer Investitionsausgaben reagieren (Schwarting, 2019). Angesichts materieller Bedarfe und der Persistenz laufender Investitionsprogramme sind kurzfristigen Krisenreaktionen zwar Grenzen gesetzt, eine Fortführung des expansiven kommunalen Investitionsverhaltens der Vorkrisenzeit wäre dennoch bemerkenswert. So heißt es im jüngst erschienenen KfW Kommunalpanel 2023, dass die Kommunen womöglich „im Jahr 2022 real weniger investiert haben […], selbst wenn sie mehr Geld ausgegeben haben“ (Raffer und Scheller, 2023).
Schlüsselrolle kommunaler Investitionen
Verschiedene Autor:innen haben in der jüngeren Vergangenheit auf die Schlüsselrolle kommunaler Sachinvestitionen für eine ökologische und digitale Transformation der deutschen Wirtschaft und Infrastruktur hingewiesen. Krebs und Scheffel (2017) zeigen auf Basis eines mikroökonomisch fundierten Makrosimulationsmodells, dass zusätzliche Investitionen in Infrastruktur, Schulen und Kitas das langfristige gesamtwirtschaftliche Wachstum stärken und gleichzeitig die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen verbessern, wobei Investitionen in Schulen und Kitas die höchsten fiskalischen Effekte erzielen und zudem die Verteilungsgerechtigkeit fördern. Nach Rietzler (2022) ist ein wesentlicher Teil der öffentlichen Investitionsbedarfe bei Städten, Gemeinden und Landkreisen zu verorten, die mit etwa 60 % insbesondere die Hauptlast der staatlichen Bauinvestitionen bewältigen und insgesamt für etwa die Hälfte des öffentlichen Sachinvestitionsvolumens verantwortlich zeichnen. Und in den Jahren unmittelbar bis zum Ausbruch der Coronapandemie gab die Entwicklung der kommunalen Investitionstätigkeit tatsächlich Anlass zu Optimismus: Zwischen 2017 und 2020 weiteten die Kommunen ihre Bruttoinvestitionen preisbereinigt um ca. ein Drittel aus (Rietzler, 2022). Dennoch wurde durch die KfW in ihrem jährlich erscheinenden Kommunalpanel zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Pandemie ein kommunaler „Investitionsstau“ von etwa 150 Mrd. Euro angegeben (Raffer und Scheller, 2021). Insbesondere die Bereiche Schulen, Straßen, Verwaltungsgebäude und Kitas waren von Investitionsrückständen betroffen. Zugleich waren bereits vor Ausbruch der Pandemie große regionale Ungleichheiten in der kommunalen Investitionstätigkeit festzustellen (Geißler, 2020).
Einfluss der Pandemie
Zu Beginn der Coronakrise schien es, als ob die jahrelang andauernde Konsolidierung der Kommunalfinanzen jäh unterbrochen und ein Haushaltsausgleich für viele Städte und Gemeinden dauerhaft in weite Ferne rücken würde. Insbesondere starke Einbrüche bei der Gewerbesteuer und hohe Mehrausgaben im Rahmen der Pandemiebekämpfung setzten Städten, Gemeinden und Kreisen stark zu. Ohne entschlossenes Eingreifen der übergeordneten föderalen Ebenen hätte dies auf der kommunalen Ebene zu massiven Sparprogrammen, einschließlich flächendeckenden Verschiebungen oder Streichungen von Investitionsprojekten, geführt (Freier und Geißler, 2020).
Dieses Negativszenario trat jedoch nicht ein, da Bund und Länder im Rahmen massiver Hilfsprogramme die Kommunen finanziell unterstützten und im Jahr 2021 schließlich auch die kommunalen Steuereinnahmen wieder ansprangen (Junkernheinrich und Micosatt, 2022). Dementsprechend konnten die Kommunen zumindest in nominaler Rechnung ihre Investitionen in den Jahren 2020 und 2021 zunächst größtenteils wie geplant ausführen (Boettcher und Freier, 2022). Die Coronakrise und die mit ihr einhergehenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens sorgten jedoch zweifelsfrei für eine erhöhte Unsicherheit der künftigen Haushaltsentwicklung, was eine mittelbar negative Beeinflussung der kommunalen Investitionstätigkeit plausibel erscheinen ließ (Brand und Steinbrecher, 2021). Dies gilt auch, da die kommunale Investitionsplanung stets auf Mittelfristzeiträume von drei bis fünf Jahren angelegt ist und deshalb nur mit gewisser zeitlicher Verzögerung auf externe Schocks reagiert. Trotz der raschen Erholung der aggregierten Finanzlage blieb die Stimmung in vielen Kämmereien bis weit in die Pandemie hinein eingetrübt. Regionale Ungleichheiten in der Finanz- und Investitionskraft schienen infolge der Krise noch verschärft zu werden (Salzgeber und Brand, 2022).
Neben einer möglichen Beeinflussung des Investitionsniveaus kann von der Coronapandemie ein Einfluss auf die Zusammensetzung kommunaler Sachinvestitionen ausgegangen sein. Die kommunalen Sachinvestitionen setzen sich aus Bauinvestitionen, dem Erwerb von Grundstücken und Gebäuden sowie dem Erwerb immaterieller und beweglicher Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (wie z. B. Fahrzeuge und andere Ausrüstung) zusammen. Gerade zu Beginn der Pandemie benötigten Stadt-, Gemeinde- und Kreisverwaltungen zusätzliche Ausrüstung, wie unter anderem Filteranlagen, Plexiglasverkleidungen und Software zur Umsetzung von Homeoffice etc. Im Vergleich dazu wurden Grundstücks- und Gebäudekäufe sowie Bauvorhaben möglicherweise zunächst verstärkt zurückgestellt.
Einfluss von Ukrainekrieg, Inflation und Zinswende
Der im Februar 2022 ausgebrochene Ukrainekrieg und die mit ihm verbundenen ökonomischen Verwerfungen haben das Potenzial, mögliche Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die allgemeine Finanzsituation der Kommunen und damit auch ihre Investitionstätigkeit noch deutlich zu verstärken. Viele Kommunen müssen davon ausgehen, dass sie die finanziellen Folgen des Ukrainekrieges (insbesondere der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten) sowie der seitdem deutlich gestiegenen Inflation in den kommenden Jahren noch weiter spüren werden. Dies zeigt nicht zuletzt der Tarifabschluss mit Entgelterhöhungen für kommunale Beschäftigte um bis zu 17 %, auf den sich Gewerkschaften und kommunale Arbeitgeber Ende April 2023 geeinigt haben. Die im Zuge von Inflationsbekämpfung und erhöhten Inflationserwartungen eingetretene Zinswende gefährdet die kommunale Investitionstätigkeit mittelfristig zusätzlich (Brand und Salzgeber, 2023).
Reale Entwicklung kommunaler Sachinvestitionen
In realer Rechnung, d. h. unter Berücksichtigung der durch Pandemie und Krieg ausgelösten Preissteigerungen für öffentliche Investitionsgüter zeigt sich, dass die kommunalen Sachinvestitionen nach einer 2017 eintretenden Wachstumsphase im Jahr 2020 ihren Peak hatten. In den vergangenen zwei Jahren sind die kommunalen Sachinvestitionen dagegen insgesamt rückläufig gewesen (vgl. Abbildung 1). Der Rückgang betrifft besonders den Erwerb unbeweglicher Vermögenswerte (Grundstücke und Gebäude), welche hier hilfsweise mit dem Preisindex für Bauland deflationiert werden. Aber auch die weitaus wichtigeren Ausgaben für Baumaßnahmen, welche anhand des Deflators für öffentliche Bauinvestitionen gemäß VGR des Statistischen Bundesamts bereinigt werden, sind gesunken. Die Ausgaben für den Erwerb beweglicher Vermögenswerte werden durch den Deflator für öffentliche Ausrüstungsinvestitionen gemäß VGR um die Preisentwicklung für entsprechende Güter bereinigt. Diese Ausgaben sind zwar real angestiegen, konnten die Rückgänge in den beiden anderen Kategorien jedoch nicht kompensieren. Der bis zur Coronapandemie bestehende Wachstumspfad bei den Kommunalinvestitionen wurde demnach nicht etwa – wie Zahlen in laufenden Preisen es suggerieren – fortgeführt, sondern ist im Zuge von Pandemie und Ukrainekrieg in Wirklichkeit zum Erliegen gekommen.
Abbildung 1
Niveau der preisbereinigten kommunalen Sachinvestitionen (bundesweit)
* Wert für 2022 geschätzt.
Quelle: Destatis, vierteljährliche Kassenergebnisse der Gemeinden, eigene Berechnungen.
Zusammensetzung der kommunalen Investitionen
Neben der Entwicklung des Investitionsniveaus ist auch die Entwicklung der Struktur der realen Investitionsausgaben von Interesse. Hier bestätigt sich gemäß den Daten der vierteljährlichen Kassenstatistik ein erkennbarer Kriseneinfluss: Der Anteil unbeweglicher Vermögenswerte an den Gesamtinvestitionen ist seit 2020 spürbar zurückgegangen, der Anteil beweglicher Ausrüstungsgegenstände hingegen deutlich gestiegen. Der Anteil der Bauinvestitionen blieb dagegen weitestgehend unverändert (vgl. Abbildung 2). Dieser in den Jahren zuvor bereits erkennbare Trend wurde durch die Krisen deutlich beschleunigt. Dass der Anteil der Bauinvestitionen in realer Betrachtung seit 2020 konstant geblieben ist, lässt sich darauf zurückführen, dass neben den nominalen Ausgaben für Baumaßnahmen auch die Preise für öffentliche Bauleistungen massiv gestiegen sind: Die Kommunen investieren demnach geradezu gegen die Baupreisinflation an – zugespitzt formuliert, erhalten die Städte und Gemeinden für wesentlich höhere Ausgaben das gleiche Maß an Geschossfläche oder Straßenkilometern wie vor der Pandemie. Dass der Anteil des Erwerbs unbeweglicher Vermögenswerte seit Beginn der Krisen rückläufig ist, deutet darauf hin, dass die Kommunen Investitionsprojekte mit der Erforderlichkeit eines Grundstückserwerbs derzeit verstärkt aufschieben oder sogar ganz streichen. Stattdessen konzentrieren sie sich auf Maßnahmen an bestehenden Liegenschaften und Ausrüstungsinvestitionen.
Abbildung 2
Struktur der preisbereinigten kommunalen Sachinvestitionen (bundesweit)
* Wert für 2022 geschätzt.
Quelle: Destatis, vierteljährliche Kassenergebnisse der Gemeinden, eigene Berechnungen.
Disaggregierte Analyse für Gemeinden in NRW
Um einen genaueren Einblick in die Entwicklung des Niveaus und der Variation der realen Sachinvestitionen in den Kommunen seit Ausbruch von Coronakrise und Ukrainekrieg zu erhalten, werden im Folgenden disaggregierte Daten für die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen (NRW) betrachtet.1 Zwar liegt das Pro-Kopf-Investitionsniveau der Kommunen im bevölkerungsstärksten aller 16 Bundesländer seit längerem unter dem nationalen Durchschnitt, aber auch hier befanden sich die preisbereinigten kommunalen Investitionsausgaben bis zum Ausbruch der Pandemie auf einem erkennbaren Wachstumspfad.2 Die nordrhein-westfälische Wirtschaft und die Kommunalfinanzen zeigten sich sodann durch die Coronakrise in erheblicher Weise betroffen (Lerbs et al., 2022). Analog zur Entwicklung im Bund gingen die realen Sachinvestitionen seither zurück, von 5,77 Mrd. Euro im Jahr 2020 auf 5,25 Mrd. Euro im Jahr 2022. Zugleich stieg auch hier der Anteil der beweglichen Ausrüstungsgegenstände an den Gesamtinvestitionen zulasten der Investitionen in Gebäude und Grundstücke.
Ein Blick auf die realen Sachinvestitionen pro Einwohner:in zeigt, dass sowohl kreisfreie Städte als auch kreisangehörige Gemeinden von dieser grundsätzlichen Entwicklung betroffen sind (vgl. Abbildung 3).3 Pro Kopf leisteten die kreisangehörigen Gemeinden im gesamten Betrachtungszeitraum im Durchschnitt leicht höhere Sachinvestitionsausgaben als die kreisfreien Städte. In beiden Gruppen von Gebietskörperschaften ist jedoch der bis einschließlich 2020 anhaltende Aufschwung der realen Investitionsausgaben und ihr anschließendes Abfallen deutlich erkennbar. Dabei konnten die kreisangehörigen Gemeinden das durchschnittliche Niveau der Pro-Kopf-Investitionen im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr stabilisieren, wohingegen es in der Gruppe der kreisfreien Städte weiter zurückging. Im Jahr 2022 reichte die Spanne von 14 bis 1.747 Euro pro Kopf innerhalb der Gruppe der kreisangehörigen Gemeinden sowie von 84 bis 449 Euro pro Kopf innerhalb der Gruppe der kreisfreien Städte (jeweils in Preisen von 2015), was insbesondere bei den kreisangehörigen Gemeinden eine extrem hohe Bandbreite im Investitionsniveau offenbart.
Abbildung 3
Mittlere preisbereinigte Sachinvestitionen der Kommunen pro Einwohner:in (Nordrhein-Westfalen)
Quelle: IT NRW, vierteljährliche Kassenergebnisse der Gemeinden, eigene Berechnungen.
Während der Befund beim Niveau der Sachinvestitionen eindeutig ist, lassen die nordrhein-westfälischen Daten bislang nicht auf einen Einfluss der Krisenereignisse auf kommunale Disparitäten in der Investitionskraft schließen. Als statistische Kennzahl lässt sich zu diesem Zweck der Variationskoeffizient verwenden. Als Maß für die relative Streuung handelt es sich bei dieser Kennzahl um das Verhältnis zwischen Standardabweichung und arithmetischem Mittel der Pro-Kopf-Investitionsausgaben. Dies macht die Streuung der Ausgaben in verschiedenen Jahren besser vergleichbar als etwa die Varianz oder Standardabweichung. Wie Abbildung 4 verdeutlicht, entspricht die relative Streuung der Pro-Kopf-Investitionen den aktuellsten Daten für das Jahr 2022 zufolge in etwa dem Niveau von 2019, dem Jahr vor dem Ausbruch der Coronapandemie. Dies gilt gleichermaßen für kreisangehörige Gemeinden und kreisfreie Städte. In beiden Gruppen war für 2021 ein vorübergehender Rückgang der Ungleichheit im Niveau der Pro-Kopf-Investitionen erkennbar, der sich jedoch nicht ins Jahr 2022 fortsetzte. Die Hypothese, die Pandemie und der Ukrainekrieg würden zu einer Verstärkung kommunaler Disparitäten bei den Investitionen beitragen, wird demnach (zumindest für NRW) bislang nicht bekräftigt.
Abbildung 4
Relative Streuung der preisbereinigten kommunalen Sachinvestitionen (Nordrhein-Westfalen)
Quelle: IT NRW, vierteljährliche Kassenergebnisse der Gemeinden, eigene Berechnungen.
Fazit und wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen
Das im Koalitionsvertrag der Ampelregierung in Aussicht gestellte „Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen“ wird in hohem Maße durch das Investitionsverhalten der Kommunen und dessen Abhängigkeit von der Doppelkrise aus Coronapandemie und Ukrainekrieg geprägt sein. Die Kommunen verantworten etwa die Hälfte aller öffentlichen Sachinvestitionen. In laufenden Preisen haben die Investitionen der Städte, Gemeinden und Kreise trotz der akuten Krisen stetig und deutlich zugenommen. Der vor Ausbruch der Coronapandemie zu verzeichnende, ausgeprägte Wachstumspfad scheint damit auf den ersten Blick fortgesetzt zu werden. Die nominalen Anstiege täuschen jedoch über reale Rückgange der kommunalen Investitionsausgaben hinweg. Dies betrifft in erster Linie die Ausgaben für den Erwerb von Grundstücken und Gebäuden, aber (in geringerem Ausmaß) auch die Ausgaben für Baumaßnahmen, die mit ca. 70 % den Löwenanteil der kommunalen Sachinvestitionen ausmachen. Es wird erkennbar, dass die Kommunen insbesondere bei den Baumaßnahmen gegen die von den Krisen verursachten Preis- und Kostenzuwächse anzukämpfen versuchen. Nur durch erhebliche nominale Zusatzausgaben bei Bauvorhaben konnte deren Anteil an den realen Gesamtinvestitionen bisher konstant gehalten werden. Zugleich scheinen sich – zumindest in NRW – bestehende Disparitäten in der lokalen Investitionstätigkeit pro Kopf durch die Krisen bislang nicht weiter verstärkt zu haben.
Wie ist nunmehr mit der Situation umzugehen? Die Wirtschaftspolitik hat insbesondere in den ersten beiden Krisenjahren Großes für die Kommunen geleistet. Ohne finanzielle Rettungsprogramme von Bund und Ländern hätte es bei den Kommunalinvestitionen nach allem Ermessen kurzfristigere und wesentlich tiefere Bremsspuren gegeben. Dass dies verhindert werden konnte, ist ein Verdienst des beherzten finanzpolitischen Eingreifens von Bund und Ländern. Zugleich wird deutlich, dass für weitere Unterstützungsprogramme angesichts der angespannten öffentlichen Ausgaben- und Verschuldungssituation inzwischen finanzpolitische Spielräume fehlen. Damit die lokalen Gebietskörperschaften einen tatsächlichen Beitrag zu einem Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen leisten können, ist – jenseits der diskreten Hilfsprogramme der Krise(n) – eine strukturelle Stärkung der Finanzausstattung der Kommunen notwendig. Gleichzeitig müssen weiterhin Wege gefunden werden, die (auch preisbereinigt) stetig wachsende Belastung der Kommunen durch im Rahmen der Erfüllung pflichtiger Aufgaben zu leistende Sozialausgaben abzusenken, da diese lokale Investitionen zurückzudrängen drohen (Beznoska und Kauder, 2020).
- 1 Auch hier bilden die vierteljährlichen Kassenergebnisse der Gemeinden die statistische Grundlage der Analyse.
- 2 Seit 2019 profitieren die Kommunen in Nordrhein-Westfalen im Zuge des 2. NKF-Weiterentwicklungsgesetzes (NKFWG) von erweiterten Aktivierungsmöglichkeiten baulicher Instandhaltungsmaßnahmen. Diese Änderung in der Bilanzierungspraxis dürfte die Investitionsausgaben im Vergleich zum Zeitraum vor 2019 tendenziell zulasten von Instandhaltungsaufwendungen erhöht haben, das Gesetz war also bereits zum Zeitpunkt der Coronakrise in Kraft.
- 3 In einer separaten Betrachtung gilt dies auch für die vom Hochwasser 2021 betroffenen Kommunen.
Literatur
Beznoska, M. und B. Kauder (2020), Verschuldung und Investitionsschwäche der Kommunen. Dynamik der Kommunalfinanzen am Beispiel Nordrhein-Westfalens, Perspektiven der Wirtschaftspolitik, 21(4), 403-421.
Boettcher, F. und R. Freier (2022), Zwei Jahre im Krisenmodus – die kommunalen Finanzen bleiben trotzdem stabil, Wirtschaftsdienst, 102(8), 642-647, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2022/heft/8/beitrag/zwei-jahre-im-krisenmodus-die-kommunalen-finanzen-bleiben-trotzdem-stabil.html (6. Juli 2023).
Brand, S. und J. Salzgeber (2023): Kommunalfinanzen in Zeiten steigender Zinsen, Wirtschaftsdienst, 103(1), 55-61, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2023/heft/1/beitrag/kommunalfinanzen-in-zeiten-steigender-zinsen.html (6. Juli 2023)
Brand, S. und J. Steinbrecher (2021), Den Kommunalfinanzen droht „Long Covid“ – Ergebnisse aus dem KfW-Kommunalpanel 2021, Zeitschrift für Kommunalfinanzen, 8/2021, 169-173.
Freier, R. und R. Geißler (2020), Kommunale Finanzen in der Corona-Krise: Effekte und Reaktionen, Wirtschaftsdienst, 100(5), 356–363, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2020/heft/5/beitrag/kommunale-finanzen-in-der-corona-krise-effekte-und-reaktionen.html (6. Juli 2023).
Geißler, R. (2020), Kommunale Investitionen – Aktuelle Trends und Hintergründe, Immobilien & Finanzierung – Der langfristige Kredit, 1, 11-15.
Junkernheinrich, M. und G. Micosatt (2022), Kommunalfinanzen im Jahr 2021: Gut durch die Krise in die Krise, in M. Junkernheinrich, S. Korioth, T. Lenk, H. Scheller und M. Woisin (Hrsg.), Jahrbuch für öffentliche Finanzen, 1-2022, 267-300.
Krebs, T. und M. Scheffel (2017), Lohnende Investitionen, Perspektiven der Wirtschaftspolitik, 18(3), 245-262.
Lerbs, O., M. Peistrup und C. Pohl (2022), Die „Corona-Rezession“ und ihre Auswirkungen auf die Städte und Kreise in Nordrhein-Westfalen, in B. Frevel und T. Heinicke: Managing Corona – Eine verwaltungswissenschaftliche Zwischenbilanz, Schriften des Praxis- und Forschungsnetzwerks der Hochschulen für den öffentlichen Dienst, Bd. 7, 337-347.
Raffer, C. und H. Scheller (2021), KfW-Kommunalpanel 2021.
Raffer, C. und H. Scheller (2023), KfW-Kommunalpanel 2023.
Rietzler, K. (2022), Kommunen zentral für Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen, Wirtschaftsdienst, 102(1), 27-30, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2022/heft/1/beitrag/kommunen-zentral-fuer-jahrzehnt-der-zukunftsinvestitionen.html (6. Juli 2023).
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Statistisches Bundesamt (2023), Kommunen erzielen trotz deutlich höherer Ausgaben Überschuss von 2,6 Milliarden Euro im Jahr 2022, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/04/P D23_132_71137.html (26. Mai 2023).