Funktioniert Marktwirtschaft ohne Wirtschaftswachstum? Ist langfristiges Wirtschaftswachstum mit endlichen Ressourcen und Umweltschutz vereinbar? Passen Marktwirtschaft und Umweltschutz zusammen? Die Beantwortung dieser Fragen hängt stark davon ab, was man unter den einzelnen Schlagwörtern Markt, Umwelt und Wirtschaftswachstum versteht. Eine immerwährende Ausweitung der Produktion physischer Güter für eine wachsende Weltbevölkerung dürfte auf Dauer mit Umweltschutz im Sinne von nachhaltigem Ressourceneinsatz nicht vereinbar sein. Umweltqualität wird im Laissez-faire-Marktgleichgewicht aufgrund negativer externer Effekte vernachlässigt. Und das langfristige Wirtschaftswachstum kommt in einer reinen Marktwirtschaft etwa aufgrund der positiven externen Effekte von Investitionen in Forschung und Bildung zu kurz. Richtig verstanden passen die drei Elemente jedoch sehr gut zusammen und es gibt keinen Grund, eines davon gegen ein anderes auszuspielen.
Wirtschaftswachstum und Umwelt
Häufig ist die Aussage anzutreffen, dass aufgrund der Endlichkeit des Systems Erde ein immerwährendes Wirtschaftswachstum nicht möglich sei. Die Grundüberlegung ist bereits bei Malthus (1798) zu finden: die Begrenztheit der Ressource Land stelle eine natürliche Grenze für den Produktionsfaktor Arbeit dar, weil sie die Ernährungsmöglichkeiten limitiert. Meadows et al. (1972) haben eine viel beachtete Simulation vorgelegt, in der die Lebensmittelproduktion im Laufe des 21. Jahrhunderts nicht mehr ausreicht, um die Weltbevölkerung zu ernähren, was zu einem massiven Bevölkerungsrückgang führt. Heute ist klar, dass diese Analysen die Innovations- und Anpassungsfähigkeit der Menschheit unterschätzt haben.
Endliche Ressourcen müssen Wirtschaftswachstum im Sinne eines ewigen Anstieges des Konsums je Einwohner nicht notwendigerweise verhindern, wie Stiglitz (1974) gezeigt hat. Denn durch technologischen Fortschritt, den Ersatz natürlicher Ressourcen durch Kapitalakkumulation oder durch steigende Skalenerträge lässt sich ein immer weiter zurückgehender Verbrauch natürlicher Ressourcen kompensieren. Wenn es z. B. gelingt, durch verbessertes Saatgut mit einer gegebenen Fläche Land mehr Lebensmittel zu erzeugen, dann kann der Flächenverbrauch reduziert werden. Oder wenn durch verbesserte Arbeitsprozesse eine bestimmte Menge an Lebensmitteln oder anderer Güter des täglichen Bedarfs mit weniger Arbeitseinsatz produziert werden kann, dann kann die gewonnene Zeit verwendet werden, um beispielsweise zusätzliche Unterhaltungsdienstleistungen bereitzustellen; dadurch steigen die Konsummöglichkeiten.
Ähnlich verhält es sich mit endlichen Energieträgern, wie Öl, Gas und Kohle als Produktionsfaktoren. In vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften gelingt es, die Güterproduktion zu steigern und gleichzeitig den Einsatz von fossilen Energieträgern zu reduzieren, indem die Energieeffizienz und der Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Energieverbrauch beständig erhöht werden. Auch in Bezug auf die Emission von Schadstoffen deuten empirische Untersuchungen daraufhin, dass bei Überschreiten einer bestimmten Einkommensschwelle ein negativer Zusammenhang zwischen dem Einkommen je Einwohner und dem Ausmaß der Umweltverschmutzung besteht (Grossman und Krueger, 1995). Zwar steigt die Umweltbelastung zunächst mit steigendem Einkommen; sobald ein gewisser materieller Wohlstand erreicht ist, scheinen Umweltziele gesellschaftlich jedoch an Bedeutung zu gewinnen – ein Zusammenhang der als Environmental Kuznets Curve bezeichnet wird. Die Robustheit dieses Zusammenhangs wird allerdings bezweifelt (Stern, 2004); es handelt sich schließlich nicht um eine zwingende theoretische Notwendigkeit, sondern um einen empirischen Zusammenhang, der zeitlich und örtlich durchaus unterschiedlich ausfallen kann. Aber es kann festgehalten werden, dass sich Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit in Bezug auf Ressourceneinsatz und Umweltverschmutzung zumindest theoretisch nicht ausschließen. Praktisch hängt viel davon ab, wie die Politik die Rahmenbedingungen für das Wirtschaften definiert.
Umwelt und Markt
Auch wenn immerwährendes Wirtschaftswachstum theoretisch möglich ist, so ist es dennoch nicht das Ziel des Wirtschaftens, die Produktion zu maximieren. Vielmehr geht es um die Befriedigung von Bedürfnissen mit knappen Ressourcen, also etwa um Konsummöglichkeiten, Gesundheit, Freizeit, Umweltqualität und nicht zuletzt Verteilungsgerechtigkeit. Zwar sind Güterproduktion, gemessen anhand des Bruttoinlandsprodukts, und Wohlfahrt, im Sinne von Bedürfnisbefriedigung, positiv miteinander korreliert – aber nicht vollständig (Jones und Klenow, 2016). Das wird z. B. am empirischen Zusammenhang zwischen der Lebenserwartung (Gesundheit) und dem Bruttoinlandsprodukt je Einwohner deutlich. Insgesamt sind beide stark positiv korreliert (Deaton, 2013), aber etwa in den USA haben die Menschen im Durchschnitt eine deutlich geringere Lebenserwartung als das Niveau des Bruttoinlandsprodukts je Einwohner aufgrund des internationalen empirischen Zusammenhangs erwarten ließe. Es kommt für die Wohlfahrtsbetrachtung also nicht nur auf den summierten Wert der produzierten Güter an, sondern auch darauf, welche Güter produziert und wie diese verteilt werden. In vielen Bereichen regelt der Markt über Angebot und Nachfrage diese Lenkungs- und Verteilungsfragen gut, indem er über Preissignale die knappen Ressourcen in die Verwendungsbereiche mit der höchsten Zahlungsbereitschaft kanalisiert. Dort, wo das aufgrund von einseitiger Marktmacht, externen Effekten, asymmetrischer Information oder anderer Marktunvollkommenheiten nicht gut funktioniert, kann sich die Politik den Markt durch die Setzung vernünftiger Anreize dennoch zunutze machen.
Die steigenden Gaspreise im vergangenen Jahr haben einmal mehr gezeigt, wie mächtig Preissignale sind, wenn es um die Lenkung der Nachfrage geht. Der drastische Preisanstieg nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hat dazu beigetragen, dass in Deutschland im Jahr 2022 wesentlich weniger Erdgas als in den Vorjahren verbraucht wurde (Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, 2023). Viele Umweltziele ließen sich effizient erreichen, wenn die negativen externen Effekte wirtschaftlichen Handelns nur hoch genug bepreist würden. Mit einem hinreichend hohen CO2-Preis wäre es möglich, die Emissionsreduktionsziele zu erreichen, ohne mit staatlichem Mikromanagement in private Konsum- und Investitionsentscheidungen eingreifen zu müssen. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung könnten verwendet werden, um soziale Härten auszugleichen.
Ein Widerspruch zwischen Markt und Umwelt besteht grundsätzlich nicht, wenn die Erkenntnisse der volkswirtschaftlichen Preis- und Markttheorie für die staatliche Gestaltung des Rahmens für das private Handeln genutzt werden. Greift die Politik hingegen vor allem auf das Ordnungsrecht zurück, um mit Verboten und Geboten die Umweltziele zu erreichen, so ist dies in der Regel unnötig teuer. So kommen etwa CO2-Einsparungen dann nicht dort zustande, wo dies zu den geringsten Kosten möglich ist; zusätzlich entsteht bürokratischer Aufwand bei der Einführung, Durchsetzung und Überwachung der Verbote und Gebote.
Markt und Wirtschaftswachstum
Die kapitalistische Marktwirtschaft ist das beste System, um nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu erreichen. Gute Wirtschaftspolitik basiert nicht auf einem vermeintlichen Widerspruch zwischen ökonomischer Effizienz (der Lenkungsfunktion von Preisen und der Allokationsfunktion des Marktes) und anderen Zielen wie etwa Umweltqualität oder Verteilungsgerechtigkeit. Gute Wirtschaftspolitik kann in vielen Fällen Ziele wie Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Verteilungsgerechtigkeit erreichen, ohne die Lenkungsfunktion von Preisen auszuschalten.
Der Schlüssel für das langfristige Wirtschaftswachstum liegt in der schöpferischen Zerstörung: „Der fundamentale Antrieb, der die kapitalistische Maschine in Bewegung setzt und hält, kommt von den neuen Konsumgütern, den neuen Produktions- und Transportmethoden, den neuen Märkten, den neuen Formen der industriellen Organisation, welche die kapitalistische Unternehmung schafft“ (Schumpeter, 1950/1993, 137). Wird jedoch aus sozialpolitischen Gründen der Fokus stärker auf den Erhalt bestehender Strukturen als auf Innovation gelegt, dann beeinträchtigt dies den Produktivitätsfortschritt. Die Produktivitätslücke zwischen den USA und Kontinentaleuropa geht mit darauf zurück, dass es hier einen langsameren Fortschritt bei Innovationen und einen geringeren Flexibilitätsgrad von Märkten gibt (van Ark et al., 2008) und dass die Unternehmenslandschaft in der EU weniger dynamisch ist als in den USA (Bravo-Biosca et al., 2016).
Märkte funktionieren allerdings nicht effizient ohne staatliche Rahmensetzung. Rechtsstaatlichkeit und verlässliche Institutionen sind wichtige Voraussetzungen für nachhaltigen Wohlstand (Aceomglu et al., 2005). Dabei kommt es sowohl darauf an, die Marktmacht einzelner Unternehmen zu beschränken als auch die Beeinträchtigung der Marktfunktionen durch zu viele oder zu unspezifische staatliche Eingriffe zu minimieren: „Gut funktionierende Märkte erfordern eine Regierung, aber nicht irgendeine Regierung. Es muss Institutionen geben, die den Staat daran hindern, den Markt auszubeuten, und die die notwendigen Voraussetzungen für die Bereitstellung öffentlicher Güter schaffen, die für eine gut funktionierende Wirtschaft unerlässlich sind, und gleichzeitig den Ermessensspielraum und die Autorität der Regierung und der einzelnen Akteure innerhalb der Regierung begrenzen“ (North, 2005, 86, eigene Übersetzung). Die Begrenzung des politischen Gestaltungsspielraums ist deshalb notwendig, weil die politischen Akteure in Demokratien Anreize haben, ihr Handeln nicht nur am langfristigen gesamtgesellschaftlichen Wohlstand auszurichten, sondern auch an kurzfristigen Wiederwahlwahrscheinlichkeiten (Nordhaus, 1975).
Im Marktgleichgewicht kommen Investitionen in Bildung und in Forschung und Entwicklung aufgrund der damit verbundenen positiven externen Effekte zu kurz (Romer, 1990). Der Staat kann mit Bildungspolitik und der Förderung von Forschung und Entwicklung die Voraussetzungen dafür verbessern, dass Innovationen zustande kommen und sich auf dem Markt durchsetzen. Die Förderung von Forschung und Entwicklung sollte allerdings nicht mit Subventionen an einzelne Unternehmen verwechselt werden. Damit geht nämlich die Gefahr einher, dass inferiore Projekte in wenig produktiven Firmen unterstützt werden (Bravo-Biosca et al., 2016), denn Interessenvertreter bestehender Unternehmen haben Anreize, die Politik zur Einschränkung des Wettbewerbs (Acemoglu et al., 2006) oder zur Subventionierung und Protektion von Arbeitsplätzen (Grossman und Helpman, 1994) zu bewegen. Unternehmen, die in der Lage sind, die politischen Akteure zu ihren Gunsten zu beeinflussen, sind zwar kurzfristig erfolgreicher, aber langfristig weniger innovativ als andere Unternehmen (Akcigit et al., 2023). Die besten Aussichten, den Wohlstand langfristig zu mehren, haben somit breit ausgerichtete investive staatliche Ausgaben für Bildung und Forschung und nicht die Förderung spezieller Technologien in einzelnen Unternehmen. Die Frage, welche Unternehmen mit welchen Technologien welche Güter produzieren, ist bei den privaten Kapitalgebern aufgrund ihrer eigenen Haftung in der Regel besser aufgehoben als beim Staat.
Die gesellschaftliche Akzeptanz für Innovation und schöpferische Zerstörung hängt vom Sozialsystem ab. Auch die Verlierer von Fortschritt und Strukturwandel müssen an den gesamtwirtschaftlichen Gewinnen des Produktivitätsfortschritts partizipieren, damit das System auf Dauer funktioniert. Die Soziale Marktwirtschaft ist daher kein Selbstzweck und Verteilungsgerechtigkeit nicht nur eine soziale Präferenz, sondern eine Voraussetzung für dynamische ökonomische Effizienz.
Fazit
Markt, Umwelt und Wirtschaftswachstum bilden kein Trilemma in dem Sinne, dass es theoretisch nicht möglich wäre, in einem marktwirtschaftlichen System Wirtschaftswachstum und Umweltschutz miteinander zu vereinbaren. Vielmehr weisen marktwirtschaftlich organisierte Länder ein höheres Bruttoinlandsprodukt je Einwohner und eine höhere Umweltqualität auf als andere (vgl. Abbildung 1).
Abbildung 1
Marktwirtschaft, Umweltqualität und Bruttoinlandsprodukt
3-stellige Länderabkürzungen gemäß ISO-3-Standard.
Quellen: Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner in kaufkraftbereinigten US-$ (in Preisen von 2017) im Jahr 2022: World Bank World Development Indicators; 2022 Index of Economic Freedom: Heritage Foundation; Environmental Performance Index 2022: Yale Center for Environmental Law and Policy.
Aber die menschengemachte Erderwärmung bringt neue Herausforderungen mit sich. Theoretisch ist es zwar möglich, Treibhausgasneutralität in Deutschland durch den Ausbau erneuerbarer Energien und eine schnellere Steigerung der Energieeffizienz zu erreichen, ohne die Produktion von Gütern zu reduzieren. Dazu wäre aber eine Verdopplung des energiesparenden technologischen Fortschritts notwendig (Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, 2023). Diese Verdopplung ließe sich nur mit mehr Investitionen in Bildung und Forschung erreichen, was kurzfristig gesamtwirtschaftlichen Konsumverzicht bedeutet, weil ein größerer Teil des Einkommens für Investitionen und damit ein kleinerer für Konsum ausgegeben werden müsste. Zudem ist der Austausch eines größeren Teils des volkswirtschaftlichen Kapitalstocks – z. B. im Zuge der energetischen Sanierung von Wohnhäusern – erforderlich, ohne dass dem Kapazitätserweiterungen gegenüberstehen. Wenn der damit einhergehende Konsumverzicht durch den Staat mit Geboten und Verboten kurzfristig durchgesetzt wird, dann sinkt das Vertrauen in verlässliche Institutionen und in den Schutz vor staatlicher Ausbeutung mit entsprechenden Auswirkungen auf das private Investitionsverhalten und den langfristigen Wohlstand. Gesamtwirtschaftlich günstiger lässt sich Treibhausgasneutralität durch das Setzen auf die Lenkungsfunktion von Preisen, sozialen Ausgleich und das Zusammenspiel von Markt, Umwelt und Wirtschaftswachstum erreichen.
Literatur
Aceomglu, D., S. Johnson und J. Robinson (2005), Institutions as the Fundamental Cause of Long-run Growth, in P. Aghion und S. Durlauf (Hrsg.), Handbook of Economic Growth, North Holland, 385-472.
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Bravo-Biosca, A., C. Criscuolo und C. Menon (2016), What Drives the Dynamics of Business Growth?, Economic Policy, 31(88), 703-742.
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