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Im politischen „Sommerloch“ in Berlin ist ein Dauerbrenner der Steuerpolitik wieder aufgetaucht: SPD-Chef Klingbeil und die Grünen-Spitze schlagen zum x-ten Mal vor, das Ehegattensplitting in der Einkommensteuer abzuschaffen, weil es angeblich die antiquierte Einverdienerehe fördert. Hinzu kommt ein neuer Vorschlag der Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer, für neu geschlossene Ehen ein verpflichtendes „Renten-Splitting“ einzuführen, also eine hälftige Aufteilung der während der Ehe erworbenen Rentenpunkte – wie sie derzeit schon bei Ehescheidungen als „Versorgungsausgleich“ praktiziert wird –, und dafür die Witwen- und Witwerrente für diese Ehepaare abzuschaffen. Auch damit sollen – neben einer Entlastung öffentlicher Kassen – die Arbeitsanreize für sogenannte Zweitverdiener in der Ehe gestärkt werden. Schließlich haben Matthias Huebener und Katharina Spieß in der Juli-Ausgabe des Wirtschaftsdienst die beitragsfreie Mitversicherung des Ehepartners in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (GKV/SPV) infrage gestellt.

Alle drei Themen betreffen die Frage, wie Ehepartner im Steuer- und Sozialabgabenrecht behandelt werden sollen, und sie machen auf eine Inkonsistenz des deutschen Rechts aufmerksam: Paarhaushalte werden bei der Einkommensteuer als Einheit angesehen, bei den Kassenbeiträgen jedoch als zwei Einzelpersonen. Die Rentenversicherung liegt irgendwo zwischen diesen Polen, denn bei der Beitragserhebung gelten die Eheleute als Individuen, bei der Leistung „Witwen- und Witwerrente“ jedoch als Gemeinschaft. Diesen Wirrwarr könnte der Gesetzgeber auflösen, indem er konsequent auf das Haushaltsprinzip und damit auf die Splitting-Lösung setzt. Bei dieser wird bekanntlich unterstellt, dass alle Einkünfte zwischen den Partnern hälftig geteilt und erst danach den gesetzlichen Abgaben unterworfen werden. Insofern geht – im Gegensatz zu den von Kritikern des Ehegattensplittings vorgebrachten Argumenten – gerade das Splitting-Modell von einer partnerschaftlichen Ehe zweier gleichberechtigter Personen aus.

Zur Begründung seien zunächst die altbekannten Argumente für das Ehegattensplitting in der Einkommensteuer kurz rekapituliert: Erstens sorgt es dafür, dass die Steuerlast eines Ehepaars nur von seinem Gesamteinkommen abhängt, aber nicht von der Aufteilung, sodass Paare mit gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch besteuert werden (horizontale Gerechtigkeit). Zweitens ist der Grenzsteuersatz für beide Partner gleich hoch, sodass die Entscheidung, welcher Partner wie viel arbeiten soll, entgegen anderslautenden Behauptungen gerade nicht durchs Steuersystem verzerrt wird. Drittens ist das Ehegattensplitting neutral bezüglich der Einkommensart, während sich bei individueller Besteuerung Haushalte mit einem Unternehmer durch Verschiebung von Einkommensteilen an den Partner mittels Arbeitsvertrag leichter der Progression im Tarif entziehen können als zwei Arbeitnehmer. Schließlich wird zwar ein Ehepaar mit zwei ungleich hohen Einkommen weniger stark besteuert als ein entsprechendes unverheiratetes Paar, aber das ist keine Ungerechtigkeit: Zum einen steht es jedem (auch gleichgeschlechtlichen) Paar frei, zu heiraten; zum anderen übernimmt mit der Heirat jeder Partner Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem anderen und entlastet damit den Sozialstaat.

In der Rentenversicherung gilt dagegen das Äquivalenzprinzip, nach dem jeder Beitrags-Euro den gleichen Rentenanspruch nach sich ziehen sollte – eine spezielle Form horizontaler Gerechtigkeit. Dieses Prinzip wird von der Witwen- und Witwerrente verletzt, denn eine verheiratete Person erwirbt mit ihrem Beitrags-Euro einen höheren Rentenanspruch als eine unverheiratete, d. h. zum einen ihre eigene Rente in voller Höhe bis zum Tod und dann noch bis zu 55 % davon für ihren sie überlebenden Ehepartner, sofern dessen sonstiges Einkommen bestimmte Grenzen nicht überschreitet. Beim Renten-Splitting werden die mit der Beitragszahlung erworbenen Entgeltpunkte dagegen auf beide Partner aufgeteilt, sodass eine mehrfache Auszahlung entfällt.

Eine Verzerrung der Arbeitsanreize für „Zweitverdiener“, eine ungerechtfertigte Subventionierung der Ehe und ein Verstoß gegen horizontale Gerechtigkeit besteht demgegenüber in der Beitragserhebung in der GKV/SPV, denn hier wird jeder Arbeitnehmer getrennt herangezogen und es gilt eine Beitragsbemessungsgrenze (BBG) von derzeit monatlich knapp 5.000 Euro. Verdient ein Ehepartner mehr als diesen Betrag und der andere weniger, so lohnt es sich für den Haushalt eher, dass ersterer mehr arbeitet, als dass es letzterer tut. Würden die beiden Arbeitseinkommen addiert und das Zweifache der BBG darauf angewendet, so wäre diese offensichtliche Verzerrung beseitigt. Im Übrigen gäbe es dann zumindest oberhalb der BBG auch keine „beitragsfreie Mitversicherung“ mehr. Administrativ müssten dazu einige Fragen geklärt werden (Verfahren bei verschiedenen Kassen mit unterschiedlichen Beitragssätzen, Berechnung des Arbeitgeberanteils), aber diese sollten lösbar sein.

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© Der/die Autor:in 2023

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2023-0146

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