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Die hohen Inflationsraten als Konsequenz der Energiepreiskrise, die mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen hat, waren nicht nur für private Verbraucher, sondern auch für Unternehmen deutlich spürbar. Für das Hochkostenland Deutschland sind weitere Kostensteigerungen im internationalen Wettbewerb problematisch. Im Rahmen der IW-Konjunkturumfrage wurde die Belastung verschiedener Kostenkategorien vermessen. Gerade die Steigerung der Lohnkosten wird von fast 40 % der befragten Unternehmen als zumindest starke Mehrbelastung empfunden, die von praktisch allen Firmen als dauerhaft angesehen wird. Energie-, Rohstoff- und Materialkosten, die das vergangene Jahr stark geprägt haben, betrachten zwei Drittel der Unternehmen als dauerhafte Belastung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Gemeinsam mit weiter gestiegenen dauerhaften Regulierungslasten sind bleibende Standortverschlechterungen für die Produktion in Deutschland zu befürchten.

Die Coronapandemie ging mit einer Vielzahl ökonomischer Schocks und einer anhaltend fragilen Wirtschaftslage einher, auf die seit Februar 2022 der Krieg in der Ukraine einwirkt. Im Gegensatz zu vorhergehenden Konjunkturkrisen, die meistens durch einen spezifischen Schock, wie etwa einen starken Anstieg der Ölpreise oder eine Finanzmarktkrise, ausgelöst wurden, entfaltete sich die Pandemie schnell als eine Kombination von multiplen Angebots- und Nachfrageschocks. Die Lockdown-Maßnahmen legten die Nachfrageseite der Volkswirtschaft teilweise lahm. Eine Reihe von Konsummöglichkeiten konnte infolgedessen schlichtweg nicht genutzt werden. Zudem gingen die für die Modernisierung der Volkswirtschaft wichtigen Ausrüstungsinvestitionen stark zurück.

Die Erkrankungen und die gesundheitspolitisch begründeten Einschränkungen beeinträchtigten insbesondere die volkwirtschaftlichen Produktionsprozesse. Mitarbeiter fehlten, Vorleistungslieferungen blieben produktions- und transportbedingt aus und damit wurden zeitlich eng getaktete Produktionsnetzwerke gestört. Schließlich kam auch die Investitionstätigkeit nicht wieder auf ihr Vorkrisenniveau zurück – weil etwa die Hersteller von Investitionsgütern nicht störungsfrei produzieren konnten. Produktion und Logistik werden auch zur Jahresmitte 2023 noch immer durch die Nachwirkungen der Pandemie beeinträchtigt. Wenngleich sich die Belastungen beträchtlich zurückgebildet haben, berichteten im Juni 2023 noch fast 32 % der deutschen Industriefirmen von Materialengpässen (ifo, 2023).

Auf dieses noch nicht im Normalmodus laufende Wirtschaftsleben setzen ab Februar 2022 die mit der russischen Invasion in der Ukraine einhergehenden Schocks und Verunsicherungen auf (Bardt und Grömling, 2023). Zu den pandemiebedingten Liefer- und Produktionsproblemen kommen seitdem erhebliche Verunsicherungen hinsichtlich einer ausreichenden Energieversorgung in einer Reihe europäischer Länder hinzu. Das jeweilige Belastungsniveau hängt vom nationalen Energiemix und von der eigenen Ressourcenausstattung ab. Bislang konnten hierzulande Substitutionsmöglichkeiten (wie etwa LNG-Terminals) entwickelt und eingesetzt werden, die Energieversorgung besonders für energieintensive Unternehmen ist unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen jedoch weiterhin nicht vollständig abgesichert. Störungen bei kritischen Infrastrukturen können diese Versorgungs- und Produktionsnotlagen verschärfen. All das betrifft nicht nur die einzelnen Unternehmen, sondern komplexe Zuliefergeflechte im branchenübergreifenden Verbund von Industrie und Dienstleistern.

Im Kontext dieser multiplen Angebotsprobleme entstanden bereits 2021 hohe Kostenanstiege für Vorleistungen und Rohstoffe. Darüber hinaus haben zwischenzeitig die vor allem kriegsbedingten Versorgungsrisiken mit Energie und Rohstoffen in vielen europäischen Volkswirtschaften bislang ungekannte Kostenschocks verursacht. So lagen etwa die Erzeugerpreise der gewerblichen Wirtschaft in Deutschland im Herbst 2022 um gut 45 % über dem Vorjahresniveau (vgl. Abbildung 1) – im Gesamtjahr 2022 waren es fast 33 %. Zum Vergleich: Während der beiden Ölpreisschocks Mitte der 1970er Jahre und Anfang der 1980er Jahre beliefen sich die jahresdurchschnittlichen Teuerungen auf der Produktionsebene auf 13,5 % (1974) und 7,9 % (1981). Die aktuelle Lage ist insofern historisch einmalig und sorgte in den Unternehmen für Verunsicherungen. Zusätzliche Transaktionskosten verändern kurzfristig auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Steigende Arbeitskosten – mit dem nachvollziehbaren Ziel, die Kaufkraftverluste der privaten Haushalte zu begrenzen, – können die Konkurrenzfähigkeit der Firmen und deren Absatzchancen obendrein verschlechtern. In Teilen ist eine Weitergabe dieser insgesamt stark ansteigenden Kosten an die Kunden nicht möglich, sodass Ertragsrückgänge mit negativen Auswirkungen auf die Investitionstätigkeit und das kapitalgebundene Produktions­potenzial drohen. Diesbezüglich lieferte die Konjunkturumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft vom Sommer 2022 bereits eine erste empirische Grundlage für den Einfluss des Kriegs in der Ukraine auf die Investitionstätigkeit in Deutschland (Grömling und Bardt, 2022). Demnach stellen die stark angestiegenen Energiekosten, Unsicherheiten hinsichtlich der Energieversorgung, globale Verunsicherungen und Störungen in den internationalen Lieferketten aus Sicht der befragten Unternehmen eine nochmals höhere Investitionsbarriere dar.

Abbildung 1
Erzeugerpreise in Deutschland
Index der saisonbereinigten Erzeugerpreise gewerblicher Produkte (Januar 2020 = 100) und Veränderung gegenüber Vorjahresmonat in %
Abbildung 1

Quellen: Deutsche Bundesbank; Institut der deutschen Wirtschaft.

Abbildung 1 veranschaulicht, dass sich der seit Frühjahr 2021 sichtbare Anstieg der Erzeugerpreise in Deutschland ab Herbst 2022 nicht weiter fortgesetzt hat und der Index seitdem um gut 20 Punkte nachgegeben hat. Das ist im Zusammenhang mit den wieder stark zurückgegangenen Energiepreisen zu erklären. So lagen etwa die Gaspreise in Europa im August 2022 bei rund 70 US-$ per Mio. BTU, im Mai 2023 waren es nur noch 10 US-$. Somit befanden sich die Erzeugerpreise für gewerbliche Produkte (einschließlich Energiegüter) zur Jahresmitte 2023 nahezu auf dem Vorjahresniveau und entsprechend belief sich die Veränderungsrate (gegenüber dem Vorjahr) auf nur noch 1 %. Im Monatsvergleich waren sie zuletzt deutlich negativ. Dies betrifft aber nur die Energie, bei der sich die Preisspitzen des Vorjahres zurückbilden. Die anderen Preisbestandteile liegen auf dem Niveau des Vorjahres und begründen eine dauerhafte Niveauverschiebung. In Summe wird sichtbar, dass gemessen am Vorkrisenniveau (hier Januar 2020) ein erheblicher Kostenanstieg von rund 40 % aufseiten der Unternehmen verblieben ist. Dieses Kostenniveau hat sich in den vergangenen Monaten kaum noch verändert. Dabei gilt es auch zu berücksichtigen, dass sich das Erzeugerpreisniveau ohne Energiegüter seit Herbst 2022 nicht zurückgebildet hat und auf einem Niveau von 25 % über dem Ausgangswert von Januar 2020 verharrt. Die Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben somit das Kostenniveau gewerblicher Erzeugnisse (ohne Energiegüter) in Deutschland um ein Viertel angehoben. Das entspricht in etwa der gesamten Veränderung in den vorhergehenden beiden Dekaden.

Damit stellt sich die Frage, welche Folgen die genannten Angebots- und Kostenschocks für die Wettbewerbsfähigkeit der in Deutschland produzierenden Unternehmen haben können. Es versteht sich, dass neben den Kostenfaktoren eine Reihe von anderen Determinanten, wie etwa die Innovationstätigkeit oder Wechselkursveränderungen, für die Wettbewerbsfähigkeit relevant ist (Institut der deutschen Wirtschaft, 2013). Hier geht es einschränkend um die Kosteneffekte infolge der beiden Krisen (Pandemie und Ukrainekrieg) auf die Wettbewerbsfähigkeit der Firmen in Deutschland. Die Kostenlage von Unternehmen im internationalen Vergleich und ihre Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der jeweiligen Standorte wird von einer Reihe von Erhebungen regelmäßig dokumentiert (für einen Überblick Institut der deutschen Wirtschaft, 2013, 61 ff.; European Commission, 2023; IMD, 2022; Schröder, 2022). Für die vorliegende Untersuchung werden explizit die folgenden beiden Fragen adressiert:

  • Wie haben bestimmte Kostenfaktoren im Gefolge der Pandemie und der russischen Invasion in der Ukraine die Wettbewerbsfähigkeit des befragten Unternehmens verändert? Dazu wird gefragt, ob diese Kosteneffekte in den befragten Unternehmen im Vergleich mit der Situation vor den beiden Krisen schwächer wurden, gleich blieben oder zunahmen.
  • Wie dauerhaft werden die Kosteneffekte auf ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit von den Unternehmen eingeschätzt? Dazu wurden nur die Unternehmen ausgewertet, die bei Frage 1 von einer zunehmenden Belastung ausgingen. Dies soll Aufschluss darüber geben, ob eine bleibende Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit infolge der genannten Kostenschocks zu erwarten ist. Dies wiederum ist relevant für die Abschätzung von langfristig wirksamen strukturellen Anpassungen am Wirtschaftsstandort Deutschland.

IW-Konjunkturumfrage als Datenbasis

Die empirische Basis für diese Kosten- und Wettbewerbsanalyse bietet die IW-Konjunkturumfrage vom Sommer 2023, an der nahezu 2.100 Unternehmen teilgenommen haben. Mit der IW-Konjunkturbefragung (ausführlich Grömling, 2018) werden seit 1992 regelmäßig ostdeutsche Unternehmen und seit 2002 zudem westdeutsche Firmen kontaktiert. Die Befragung wird im Auftrag des IW im Frühjahr, im Herbst und seit 2021 auch im Sommer durch das amsa-Institut durchgeführt. Es handelt sich bei der IW-Konjunkturumfrage nicht um eine Panelbefragung mit einem konstanten Teilnehmerkreis. Die Gruppe der regelmäßig teilnehmenden Betriebe ist jedoch dominierend und weitgehend stabil. Die befragten Unternehmen verteilen sich auf die Industrie (mit drei Teilbereichen), das Baugewerbe und den Dienstleistungssektor (mit vier Gruppen). Die Bereiche Banken/Versicherungen sowie der öffentliche Sektor sind nicht enthalten. Die Ergebnisse liegen in einer ungewichteten Version und in einer nach Betrieben, Beschäftigten und Regionen gewichteten Darstellung vor. Die regelmäßige Umfrage zu konjunkturellen Kenngrößen wird jeweils um eine Zusatzfrage ergänzt, mit der auf besondere konjunkturelle Entwicklungen und Ereignisse – wie im vorliegenden Fall auf die Kostenentwicklung in der deutschen Wirtschaft – eingegangen wird.

Um das Ausmaß der Kosteneffekte infolge der beiden Krisen zu messen, wurde den Unternehmen konkret die folgende Frage gestellt: Welche Kostenfaktoren belasten derzeit die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens? Dazu sollten die Veränderung der jeweiligen Kostenfaktoren im Vergleich mit der Zeit vor der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine auf Basis von vier Abgrenzungen bewertet werden: geringere, unveränderte, stärkere oder deutlich stärkere Kosteneffekte auf die Wettbewerbsfähigkeit. Den Unternehmen wurden insgesamt elf Antwortoptionen vorgegeben. Diese bezogen sich auf die folgenden Kostenbereiche: Kosten des Faktors Arbeit (Lohnkosten und die Belastungen durch Arbeitsmarktregulierungen), staatliche Kosten (Steuern und Abgaben, Bürokratiekosten und Belastungen durch Umweltauflagen), Energiekosten (Strom, Gas und andere Energiekosten wie etwa Öl), Material- und Rohstoffkosten sowie Finanzierungskosten (Kreditzinsen). Abbildung 2 liefert die entsprechenden Befragungsergebnisse.

Abbildung 2
Kostenbelastungen der Unternehmen in Deutschland
Anteil von Unternehmen nach dem Ausmaß der entsprechenden Kosteneffekte auf ihre Wettbewerbsfähigkeit1 in %
Abbildung 2

1 Zugrunde liegende Frage: Welche Kostenfaktoren belasten derzeit die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens? Veränderung im Vergleich mit der Zeit vor der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine. Anteile auf Basis gewichteter Ergebnisse der IW-Konjunkturbefragung im Juni 2023 unter 2.086 Unternehmen.

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft.

Richtet sich der Fokus auf die deutlich stärkeren Belastungen der Wettbewerbsfähigkeit, dann ragen die Veränderungen der Lohnkosten deutlich heraus. In der Tat haben sich bereits im vergangenen Jahr die nominalen Arbeitskosten (Bruttolöhne und Bruttogehälter je geleisteter Arbeitsstunde) auf gesamtwirtschaftlicher Basis um 4,2 % gegenüber dem Vorjahr erhöht. Aufgrund des schwachen Produktivitätsanstiegs von 0,5 % stiegen die Lohnstückkosten entsprechend um 3,3 % an. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, dass 37 % der befragten Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit durch höhere Lohnkosten deutlich stärker belastet sehen. Weitere 46 % stimmen dem in weniger deutlichem Ausmaß zu. Von einer Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit infolge höherer Lohnkosten sprechen somit vier von fünf Unternehmen. Arbeitskosten sind in vielen Unternehmen der bedeutsamste Kostenblock.

Für ein Drittel der Unternehmen erwachsen aus den höheren Stromkosten deutlich stärkere Wettbewerbsnachteile. Das gilt mit Blick auf die Gaskosten für 28 %. Dabei ist zu bedenken, dass zum Befragungszeitraum im Juni 2023 eine erheblich entspanntere Lage bei diesen beiden Kostenkomponenten zu verzeichnen war als etwa im Herbst 2022. Insgesamt sprechen mit Blick auf Stromkosten rund drei Viertel und bei den Gaspreisen rund zwei Drittel der Firmen von einem stärkeren Wettbewerbshandicap. Die weiterhin bestehenden Materialengpässe und die damit verbundenen Kosteneffekte stellen ebenfalls für drei von vier Unternehmen eine Beeinträchtigung dar. Ähnlich verhält es sich mit den Rohstoffkosten, wenngleich hier nur ein Fünftel von einer deutlich stärkeren Wettbewerbsverschlechterung spricht.

Veränderungen im Steuer- und Abgabensystem werden mit Blick auf 2019 bis 2022 von den Unternehmen mehrheitlich nicht als ein Grund für eine schlechtere Wettbewerbsfähigkeit gesehen. Dabei gilt gleichwohl zu bedenken, dass die Steuerlast der Unternehmen im internationalen Vergleich bereits hoch ist (Hentze und Kauder, 2023). In der vorliegenden Untersuchung wurde nach den Effekten von Veränderungen gefragt. Dabei monieren die Unternehmen die Kosteneffekte durch Bürokratie und Umweltauflagen.

In Abbildung 3 wird gezeigt, dass sich mit Blick auf die in der IW-Konjunkturumfrage erfassten und abgegrenzten Wirtschaftsbereiche unterschiedliche Bewertungen der einzelnen Kosteneffekte erkennen lassen. Dabei werden nur die Anteile derjenigen Firmen berücksichtigt, die von jeweils deutlich stärkeren Kosteneffekten auf ihre Wettbewerbsfähigkeit sprechen (das entspricht jeweils dem ersten Abschnitt in den Zeilen von Abbildung 2).

Abbildung 3
Kostenbelastungen der Unternehmen in Deutschland
Anteil von Unternehmen mit deutlich stärkeren Kostenbelastungen für ihre Wettbewerbsfähigkeit1 in %
Abbildung 3

1 Zugrunde liegende Frage: Welche Kostenfaktoren belasten derzeit die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens? Veränderung im Vergleich mit der Zeit vor der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine. Rest zu 100: Unternehmen mit geringeren, unveränderten und stärkeren Belastungen. Anteile auf Basis gewichteter Ergebnisse der IW-Konjunkturbefragung im Juni 2023 unter 2.086 Unternehmen.

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft.

  • In der Industrie wird im Vergleich mit der Situation vor den beiden Krisen die stärkste Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit durch die höheren Strompreise gesehen. 42 % der Industriefirmen geben an, dass die Veränderung der Stromkosten ihre Wettbewerbsfähigkeit in einem deutlich stärkeren Ausmaß belastet. Für rund ein Drittel der Betriebe gilt dies auch infolge der Entwicklung der Gaspreise und der Lohnkosten. Höhere Materialkosten werden in der Industrie weiterhin als Problem für die Wettbewerbsfähigkeit angeführt.
  • Im Baugewerbe stellen die Materialkosten eine vordringliche Herausforderung für die Wettbewerbsfähigkeit dar. Des Weiteren werden hier die steigenden Lohn- und Bürokratiekosten als Problem angeführt. Die direkten Energiekosten scheinen zumindest im Vergleich mit der Industrie weniger vordringlich für die Wettbewerbsfähigkeit zu sein. Der Anteil der Baufirmen, die einen deutlich stärkeren Effekt der Umweltauflagen für ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit erkennen, ist mit 27 % der befragten Unternehmen höher als in den anderen beiden Branchen.
  • Bei den Dienstleistungsunternehmen wird eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit vor allem infolge der Lohnkostenentwicklung diagnostiziert. In diesem Sektor finden sich verhältnismäßig häufig personalintensive Unternehmen. Des Weiteren waren hier zuletzt auch deutlich ansteigende Lohnstückkosten zu verzeichnen. Aber auch die Energiepreisentwicklung sowie die Bürokratiekosten werden im Servicebereich als eine Belastung für die Wettbewerbsfähigkeit vorgebracht.

Für alle Branchen gilt gleichermaßen, dass vonseiten der Steuern und Abgaben die Wettbewerbsfähigkeit zuletzt nicht in herausragender Weise belastet wurde. Höhere Finanzierungskosten, etwa im Gefolge der zuletzt deutlich angestiegenen Kreditzinsen, werden über alle Branchen hinweg von jeweils rund einem Fünftel der befragten Unternehmen als Grund für eine verschlechterte Wettbewerbsfähigkeit angeführt.

Neben diesen Branchendifferenzen werden die Unternehmen auch in Abhängigkeit von ihrer eigenen Größe von einzelnen Kostenschocks in unterschiedlich starker Weise in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beeinflusst (vgl. Abbildung 4). Die Unternehmensgröße wird auf Basis der Zahl der Mitarbeiter bestimmt. Für die folgende Auswertung werden Betriebe mit 10 bis 499 Beschäftigten und Betriebe mit 500 und mehr Mitarbeitern unterschieden. Wie bei der vorhergehenden Betrachtung werden nur die Anteile derjenigen Firmen berücksichtigt, die von jeweils deutlich stärkeren Kosteneffekten auf ihre Wettbewerbsfähigkeit sprechen. Demnach gibt es bei vier Kostenfaktoren nennenswerte Abweichungen zwischen den Unternehmensgrößen. Die Entwicklung der Rohstoffpreise und vor allem der Materialpreise sorgt in den mittelgroßen Unternehmen für deutlich stärkere Beeinträchtigungen der Wettbewerbsfähigkeit. Das gilt, wenngleich auf merklich niedrigerem Niveau, auch für die Effekte der Steuern und Abgaben. Das kann die geringeren Flexibilitätsoptionen der mittelgroßen Firmen widerspiegeln. Dagegen wird die Belastung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit durch höhere Stromkosten mehr von den größeren Unternehmen genannt. 38 % der Betriebe mit 500 und mehr Beschäftigten sehen ihre Wettbewerbschancen hiervon in deutlich stärkerem Ausmaß belastet als vor den beiden Krisen, bei den mittelgroßen Betrieben sind es 31 %.

Abbildung 4
Kostenbelastungen nach Unternehmensgrößen
Anteil von Unternehmen mit deutlich stärkeren Kostenbelastungen nach der Zahl der Mitarbeiter in %
Abbildung 4

Rest zu 100: Unternehmen mit geringeren, unveränderten und stärkeren Belastungen. Anteile auf Basis gewichteter Ergebnisse der IW-Konjunkturbefragung im Juni 2023 unter 2.086 Unternehmen. Zugrunde liegende Frage: Welche Kostenfaktoren belasten derzeit die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens? Veränderung im Vergleich mit der Zeit vor der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine.

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft.

Permanenz der Kostenschocks

Vor dem Hintergrund dieser Kosteneffekte der Unternehmen wird die Frage aufgeworfen, ob es dadurch zu anhaltenden strukturellen Veränderungen im Branchengefüge der Volkswirtschaft kommen kann. Dabei zielt die aktuelle Diskussion nicht nur auf die säkularen Auswirkungen des Klimawandels und der damit verbundenen Dekarbonisierung, des demografischen Wandels sowie der fortschreitenden Digitalisierung ab. Zusätzlich geht es auch darum, ob und wie die beiden Schocks – die Pandemie sowie die geopolitischen Verwerfungen und ihre jeweiligen Kosteneffekte – einen anhaltenden Einfluss auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in den einzelnen Volkswirtschaften und resultierend auf die Wirtschaftsstandorte und ihre Wirtschaftsstruktur haben können.

Konkret geht es um die Frage, ob die gegenwärtigen Anpassungslasten zu einer permanenten De-Industrialisierung führen können (Hüther, 2023). Diese Frage wurde unter anderem im Rahmen einer Befragung unter europäischen Konjunkturforschungsinstituten adressiert (Grömling et al., 2023). Mit Blick auf eine Reihe von Ländern wird darauf verwiesen, dass es zu Strukturveränderungen kommen kann, weil insbesondere energieintensive Indus­triebetriebe in nicht-europäische Länder verlagert werden.

Im Rahmen der IW-Befragung, wurden die Unternehmen danach befragt, für wie dauerhaft sie die Kosteneffekte auf ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit einschätzen. Dazu wurden nur diejenigen Unternehmen ausgewertet, die beim ersten Fragekomplex von einer Verschlechterung durch eine zunehmende Kostenbelastung ausgingen. Der Befund zum zweiten Fragenkomplex soll Aufschluss darüber geben, ob eine bleibende Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit infolge der genannten Kostenschocks zu erwarten ist. Dies wiederum ist relevant für die Abschätzung von langfristig wirksamen strukturellen Anpassungen am Wirtschaftsstandort Deutschland.

Abbildung 5 zeigt für den hier ausgewählten Teil der Befragten eine markante Differenzierung in der Gewichtigkeit der Kostenfaktoren. Neben den Lohnkosten werden vor allem von den staatlich verursachten Kostenfaktoren dauerhafte Belastungen für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gesehen. Dabei geht es konkret um die Umweltauflagen, die Arbeitsmarktregulierungen, die Höhe der Steuern und Abgaben sowie um die Bürokratiekosten. Zu letzterem zählen etwa die Bereitstellung von Informationen (Berichts- und Dokumentationspflichten), die Kosten von Regulierungen und der Erfüllung von Gesetzen oder Verwaltungsvorschriften. Mehr als neun von zehn Unternehmen sieht von den hier aufgelisteten staatlich verursachten Kostenfaktoren ihre Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft beeinträchtigt.

Abbildung 5
Dauer der Kostenbelastungen
Anteil von Unternehmen, die für ihr Unternehmen dauerhafte Kosteneffekte auf ihre Wettbewerbsfähigkeit erwarten in %
Abbildung 5

Rest zu 100: Temporäre Kostenbelastung. Anteile auf Basis gewichteter Ergebnisse der IW-Konjunkturbefragung im Juni 2023 unter 2.086 Unternehmen, die stärkere und deutlich stärkere Belastungen ihrer Wettbewerbsfähigkeit erwarten. Zugrunde liegende Frage: Welche Kostenfaktoren belasten derzeit die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens? Veränderung im Vergleich mit der Zeit vor der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine.

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft.

Wenngleich die anderen Kostenfaktoren hierzu einen deutlichen Abstand aufweisen, sollte ihre Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen am Standort Deutschland nicht abgeschwächt werden. Letztlich geben auch rund 60 % der Unternehmen an, dass die Kosteneffekte durch die höheren Energiepreise eine dauerhafte Belastung darstellen. Im Umkehrschluss gehen nur rund 40 % der befragten Unternehmen davon aus, dass sich die Kosteneffekte wieder zurückbilden und keine bleibende Bürde für die Wettbewerbschancen darstellen.

Standortpolitische Implikationen

Aus der Kombination des Ausmaßes der zusätzlichen Belastung und der Dauerhaftigkeit lassen sich Einschätzungen zur Bedeutung der jeweiligen Verschlechterungen der Standortbedingungen in Deutschland ableiten. Die Abbildung 6 zeigt diesen Zusammenhang.

Abbildung 6
Bedeutung und Dauer der zusätzlichen Kostenbelastungen
Anteil von Unternehmen, die für ihr Unternehmen starke und dauerhafte Kosteneffekte auf ihre Wettbewerbsfähigkeit erwarten in %
Abbildung 6

Anteile auf Basis gewichteter Ergebnisse der IW-Konjunkturbefragung im Juni 2023 unter 2.086 Unternehmen, die stärkere und deutlich stärkere Belastungen ihrer Wettbewerbsfähigkeit erwarten. Zugrunde liegende Frage: Welche Kostenfaktoren belasten derzeit die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens? Veränderung im Vergleich mit der Zeit vor der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine.

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft.

Besonders kritisch sind in dieser Kombination die Lohnkostenentwicklungen. Die hohen Anstiege addieren sich zu der ohnehin schlechten Lohnstückkostenposition Deutschlands (Schröder, 2022) und sind zugleich kaum revidierbar und daher faktisch permanente Belastungen. Auch wenn die Lohnrunden angesichts der hohen Inflation vertretbar geblieben sind, muss die Lohnpolitik zukünftig die Lohnstückkostenposition insbesondere der Industrie wieder in den Blick nehmen, um eine weitere Verschlechterung der Wettbewerbsposition zu verhindern. Angesichts der Fachkräfteknappheit ist jedoch eher eine weitere Kostensteigerung zu erwarten.

Beim großen Block der Belastungssteigerungen für Gas, Strom, Rohstoffe und Materialien rechnen rund ein Drittel der Unternehmen damit, dass diese nicht dauerhaft sind. Gerade beim Gas ist bereits ein Rückgang zu verzeichnen. Dennoch sehen zwei Drittel der Unternehmen dauerhaft starke Mehrbelastungen, welche die Produktionsbedingungen insbesondere von Grundstoffbranchen verschlechtern.

Bei Bürokratiekosten und Umweltauflagen werden aller Entbürokratisierungsversprechen zum Trotz ebenfalls von über 20 % der Unternehmen starke Belastungen konstatiert. Eine breit angelegte Hoffnung auf Verbesserungen besteht auch hier nicht. Umso wichtiger sind klare Signale der Politik, unternehmerisches Arbeiten nicht weiter zu erschweren, sondern vielmehr für Entlastungen zu sorgen.

Der geringere Wert bei Steuern und Abgaben darf nicht als unproblematisch interpretiert werden. Hier gab es zuletzt keine hohen Steigerungen, aber ein im internationalen Vergleich hohes und als dauerhaft erachtetes Belastungsniveau.

Literatur

Bardt, H. und M. Grömling (2023), Befunde der IW-Konjunkturumfrage. Energiekosten verschärfen Produktionsstörungen, IW-Report, 9.

European Commission (2023), EU Regional Competitiveness Index 2.0, 2022 edition, Revised, Mai 2023.

Grömling, M. (2018), Methods and Applications of the IW business survey, IW-Report, 5.

Grömling, M. und H. Bardt (2022), Betriebliche Belastungen durch Ukrainekrieg, Wirtschaftsdienst, 102(4), 283-287, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2022/heft/4/beitrag/betriebliche-belastungen-durch-ukrainekrieg.html (27. Juli 2023).

Grömling, M., M. Koenen, G. Kunath, Gero, T. Obst und S. Parthie (2023), Deindustrialisation – A European Assessment, Intereconomics – Review of European Economic Policy, 58(4), 209-214.

Hüther, M. (2023), Deindustrialisierung als Risiko ernst nehmen, Potenziale für die Transformation mobilisieren, ifo Schnelldienst, 76(3), 3-6.

Hentze, T. und B. Kauder (2023), Unternehmensbesteuerung im internationalen Vergleich, Eine Zusammenstellung im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM).

ifo Institut (2023), Materialengpässe in der Industrie gesunken, Pressemitteilung vom 6. Juli.

IMD – International Institute for Management Development (2023), World Competitiveness Booklet 2022.

Institut der deutschen Wirtschaft (Hrsg.) (2013), Industrielle Standortqualität. Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich?

Schröder, C. (2022), Lohnstückkosten im internationalen Vergleich. Kostenwettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie in Zeiten multipler Krisen, IW-Trends, 49(3), 45-66.

Title:Companies Fear Permanent Cost Burdens

Abstract:The high inflation rates as a consequence of the energy price crisis, which began with the Russian war of aggression on Ukraine, were  associated with considerable problems not only for private consumers, but also for companies. For Germany, a high-cost country, further cost increases are problematic for its international competitiveness. Within the framework of the IW business survey, the burden of various cost categories was measured. The increase in wage costs in particular is perceived by almost 40% of the companies surveyed as at least a strong additional burden, which is seen by practically all companies as a permanent burden. Energy, natural resources and material costs, on the other hand, which have characterised the past year, are seen as a permanent burden for competitiveness by two-thirds of the companies. Together with a further increase in permanent regulatory burdens, there are fears of a permanent deterioration for Germany as a production location.

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© Der/die Autor:in 2023

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2023-0153

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