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Die Gründungsaktivität in Deutschland zu stärken, hat sich bislang noch jede Bundesregierung auf die Fahnen geschrieben. Auch die inzwischen der Legislatur-Halbzeit nahe Dreierkoalition aus SPD, Grünen und FDP wollte etwas gegen die rückläufigen Gründungszahlen tun; wobei die Grünen ihren Blick vor allem auf grüne Technologien und nachhaltiges Wirtschaften richteten, während der FDP digitale Gründungen am Herzen lagen. Die SPD konnte demgegenüber darauf verweisen, dass sie noch in der vorherigen Regierung den mit 10 Mrd. Euro ausgestatteten Zukunftsfonds für innovative Start-ups auf den Weg gebracht hatte; dieser war Beispiel einer guten Zusammenarbeit zwischen dem von CDU-Minister Altmeier geführten Wirtschaftsministerium mit dem vom heutigen Bundeskanzler Scholz geführten Finanzministerium.

Doch trotz dieser guten Vorsätze sind die Gründungszahlen weiterhin gering. Nimmt man die vom Institut für Mittelstandsforschung Bonn errechneten Zahlen als Grundlage, in denen die gewerblichen Gründungen aus der Gewerbeanzeigenstatistik gemeinsam mit den freiberuflichen Gründungen berücksichtigt werden, so ist die Erholung nach dem COVID-Einbruch von 2020 nahezu ausgeblieben: 2022 wurden nur 339.000 neue Unternehmen verzeichnet, etwa so viele wie im Vorjahr und nur 3 % mehr als im ersten Pandemiejahr. Der ohnehin schon schwache 2019er Wert wurde noch immer um mehr als 7 % verfehlt. Im Jahr 2010, direkt im Anschluss an die Finanzkrise von 2008/2009, wurden hingegen noch eine halbe Million Gründungen registriert.

Der langfristige Rückgang der Gründungszahlen ist zu einem guten Teil auf den boomenden Arbeitsmarkt zurückzuführen: „Gründer aus Not“, die aus Mangel an Alternativen auf dem Arbeitsmarkt den Schritt in die Selbstständigkeit wagen, gibt es kaum noch. Zudem spielt auch die Demografie eine Rolle, da vor allem jüngere Menschen ein Unternehmen gründen. Doch auch unter Beachtung dieser Einschränkungen steht Deutschland im internationalen Vergleich der Gründungsfreudigkeit schlecht da, wie der Global Entrepreneurship Monitor zeigt. Dabei gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die zu mehr Gründungselan im Lande führen könnten.

Unternehmer:innen klagen darüber, dass ein wachsender Anteil ihrer Zeit nicht auf ihr eigentliches Geschäft, sondern auf die Erfüllung bürokratischer Auflagen des Staates entfällt. Auf Gründungsinteressierte wirkt dies abschreckend. Ein wirksamer Bürokratieabbau steht jedoch weiterhin aus, stattdessen droht mehr Bürokratie, etwa in der Arbeitszeiterfassung und Nachhaltigkeitsberichterstattung. Um das Interesse an der Gründung eines eigenen Unternehmens zu wecken, müsste früher angesetzt werden. In den Schulen nimmt die Wirtschafts- und Gründungsbildung noch immer einen sehr kleinen Raum ein. Das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Programm JUNIOR macht Schüler:innen zwar spielerisch mit der Gründung (echter!) Unternehmen vertraut, doch dies erfolgt nur an relativ wenigen ausgewählten Schulen, deren Lehrkräfte ein Interesse daran haben. Eine Wirtschaftsbildung, die ein positives Unternehmerbild vermittelt, steht im deutschen Schulsystem weiterhin aus.

Schon seit 2012 sind die Zuschüsse für aus der Arbeitslosigkeit heraus Gründende drastisch eingeschränkt worden. Die Arbeitslosigkeit steigt aber seit über einem Jahr an; inzwischen gibt es wieder mehr als 2,6 Mio. Arbeitsuchende. Hier könnte eine maßvolle Ausweitung der Gründungsförderung in Kombination mit Gründungsschulungen – unter Nutzung moderner Online-Tools – positiv wirken. Zu beachten ist dabei auch, dass in den vergangenen Jahren viele Migrantinnen und Migranten ins Land gekommen sind, in deren Herkunftsländern die Selbstständigkeit einen größeren Stellenwert hat als in Deutschland, sodass eine bessere Integration mit entsprechenden Instrumenten auch in Form von mehr Hilfe zur Selbstständigkeit gelingen könnte.

Auch im „Spitzensegment“ der Gründungen – den innovativen Start-ups – könnte trotz Auflage des Zukunftsfonds noch mehr getan werden. Dies gilt nicht nur für die Gründungsfinanzierung, die aktuell unter den steigenden Zinsen leidet, sondern betrifft die bislang oft innovationsfeindliche Regulierung und das staatliche Auftragswesen. In der Digitalisierung fällt Deutschland in der EU von schwacher Position aus eher weiter zurück, statt aufzuholen. Auch hier verfehlt die Bundesregierung bislang ihre selbst gesteckten Ziele, das Land agiler und digitaler zu machen. In Vorhaben zur digitalen Verwaltung könnten auch Start-ups eingebunden werden, ebenso bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Israel macht vor, wie Digitalgründungen das Gesundheitswesen revolutionieren können.

Insgesamt hat die Bundesregierung damit noch einen beträchtlichen Weg vor sich, wenn sie ihr Versprechen, Deutschland gründungsfreundlicher und gründungsfreudiger zu machen, einlösen will.

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© Der/die Autor:in 2023

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DOI: 10.2478/wd-2023-0144