Zurzeit arbeiten Zentralbanken rund um den Globus an der Konzeption von sogenanntem digitalem Zentralbankgeld (engl. Central Bank Digital Currency, kurz CBDC). In der Eurozone treibt die EZB den „digitalen Euro“ voran. In diesem Zusammenhang haben Jana Magin und Ulrike Neyer in ihrem Beitrag „Digitaler Euro: Ausgestaltung ist entscheidend!“ im Juli-Heft 2023 des Wirtschaftsdienst bereits einige Vorteile solcher digitalen Zahlungsmittel portraitiert und gleichzeitig betont, dass die EZB einen Schwerpunkt auf den Schutz der Privatsphäre legen sollte.
Während die konkrete Ausgestaltung in der Diskussion ist, drängen sich bereits sicherheits- und politökonomische Risiken auf, sofern sich der digitale Euro als digitales „Bargeld“ neben dem physischen Bargeld etablieren sollte. Ein bisher wenig beachteter Vorteil von Letzterem ist seine systemische Resilienz. Es beschert dem Emittenten Seignoragegewinne bei geringsten Kosten und bedarf im Unterschied zum Giralgeld keines zentralisierten Clearings. Wie sollen die digitalen Bargeldzahlungen valutiert werden? Wird dieses ebenfalls zentralisiert organisiert? Hierüber ist bisher wenig bekannt. Das technische Backend des digitalen Euros wird zentral von der EZB betrieben werden. Doch wie genau die Wertstellung betrieben wird, ist unklar, da sich die Frage bei physischem Bargeld nicht stellt. Dabei ist die Frage des Clearings sicherheitspolitisch hoch aktuell.
Bereits im Mai 2022 hat ein nahezu flächendeckender Ausfall von Kartenzahlungsgeräten im deutschen Einzelhandel aufgezeigt, wie vulnerabel finanzielle Infrastrukturen sind, die sich nur auf wenige Dienstleister beschränken. Würde der digitale Euro das Bargeld verdrängen, gäbe es neben dem existierenden Giralgeld ein weiteres Zahlungsmittel, das digital deutlich angreifbarer ist als Scheine und Münzen. Insofern dient physisches Bargeld als Versicherung gegen solche IT-Risiken und -Ausfälle, ob durch technische Fehler oder bewusste Angriffe herbeigeführt. In Zeiten zunehmender geopolitischer Spannungen ein nicht zu unterschätzender Faktor. Eine geringere Resilienz im Krisenfall konterkariert auch den Vorteil des digitalen Euro, ein europäischer Gegenentwurf zu den großen außereuropäischen Zahlungsdienstleistern wie VISA, PayPal oder AliPay zu sein. Zumal noch gar nicht klar ist, ob sich nicht gerade diese Unternehmen durchsetzen werden, wenn es darum geht, Digitaleurokonten für die Nutzer:innen anzubieten, und dann auch entsprechende Zahlungsdaten zu sammeln.
Magin und Neyer betonen diesbezüglich die Notwendigkeit, den digitalen Euro komplett anonym zu transferieren. Technisch ist das umsetzbar. Zwei Parteien können beispielsweise 20 digitale Euro genauso anonym austauschen wie einen physischen 20-Euro-Schein. Die Transaktion wird nicht aufgezeichnet, nur die Änderungen der Kontostände werden digital synchronisiert. Bei einer Vielzahl paralleler Transaktionen kann somit kein Rückschluss gezogen werden, wer von wem wieviel Geld erhalten hat. Doch während Anonymität beim Bargeld technisch nicht aufgehoben werden kann, können Transaktionsprotokolle beim digitalen Euro sehr wohl angelegt werden. In Ausnahmefällen könnte der Datenschutz aufgehoben und damit nicht-anonyme Zahlungen Realität werden. Gerade die sukzessive Aufweichung von Datenschutz war in der Vergangenheit immer wieder zu beobachten. Wenn nun Giralgeld die einzige Zahlungsalternative ist, bei dem auch alle Transaktionen aufgezeichnet werden, leistet dies heutzutage oft unseriösen digitalen Tokenwährungen geradezu Vorschub. Das kann also nicht im Interesse des Gesetzgebers sein. Weiterhin bleibt unklar, wie eine komplette Anonymität aussehen soll, wenn die EZB gleichzeitig dritte Unternehmen wie Banken und Zahlungsdienstleister den Betrieb der Digitaleurokonten überlässt. Bei ihnen stehen Geldwäschebekämpfung, gesetzliche Aufbewahrungsfristen genauso wie Geschäftsinteressen einer vollen Anonymität entgegen.
Zuletzt stellt sich die politökonomische Frage nach der Obergrenze für das Halten digitaler Euros. Magin und Neyer loben es aus bankenregulatorischer Perspektive. Offen bleibt, inwieweit das vom Mandat der EZB gedeckt ist: Wer legt die initiale Höhe dieser Grenze fest und wer passt sie an? Liegen solche Entscheidungen noch im Spektrum der Geldwert- oder Finanzmarktstabilität oder gehen sie darüber hinaus?
Die genannten Punkte können von den Bürger:innen alle umgangen werden, solange physisches Bargeld flächendeckend im Umlauf und weithin akzeptiert bleibt. Erste Forschungsarbeiten scheinen darauf hinzudeuten, dass der digitale Euro von den Konsument:innen tatsächlich präferiert werden könnte. Sofern das passiert, drängen sich die genannten politökonomischen Fragen auf. Magin und Neyer betonen, dass die Ausgestaltung des digitalen Euro entscheidend sei. Über diese Details herrscht weiterhin Unklarheit. Unter diesen Umständen bleibt die Frage, ob physisches Bargeld nicht doch attraktiver bleibt.