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Zum Juli 2023 ist das Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz in Kraft getreten. Die damit einhergehenden Änderungen betreffen sowohl die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung als auch die Beitragserhebung. Zum einen erhöhte sich der allgemeine Beitragssatz um 0,35 Prozentpunkte auf jetzt 3,45 %. Ebenso wird ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2022 umgesetzt, der eine deutlich differenzierte Berücksichtigung des Erziehungsaufwands von Eltern im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung verlangt. Als Reaktion darauf hat der Gesetzgeber den Kinderlosenzuschlag von 0,35 % auf 0,6 % angehoben. Darüber hinaus erfolgt die Beitragsfestsetzung nun anhand der Kinderzahl und damit deutlich differenzierter als noch zuvor. Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung mit mehreren Kindern werden ab dem zweiten bis zum fünften Kind mit einem Abschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten für jedes Kind entlastet.

Zunächst einmal ist diese Differenzierung vor dem Hintergrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts generell zu begrüßen. Ob ein nach Kinderzahl differenzierender Beitragssatz die Unterschiede im Erziehungsaufwand von Eltern tatsächlich adäquat abbildet, ob die konkreten Abschläge beispielsweise zu stark oder zu schwach ausfallen, darüber werden die Meinungen sicher auseinandergehen. Verwaltungstechnisch sind die unterschiedlichen Beitragssätze aber auf jeden Fall eine Herausforderung, denn den gesetzlichen Krankenkassen liegen die für die Beitragsfestsetzung notwendigen Informationen zur Anzahl der infrage kommenden Kinder oftmals noch gar nicht vor. Gerade sind die gesetzlichen Krankenkassen dabei, diese Informationen bei ihren Mitgliedern abzufragen. Die Verarbeitung der Informationen und die Umsetzung bei der Beitragsberechnung wird dabei laut Aussagen der Krankenkassen aber vermutlich noch einige Monate in Anspruch nehmen.

Für Mitglieder mit mehr als einem Kind heißt dies zunächst einmal, dass sie auch in den nächsten Monaten den allgemeinen Beitragssatz zur gesetzlichen Pflegeversicherung zu entrichten haben, und damit kurzfristig, ebenso wie alle anderen Beitragszahler:innen, höhere Beiträge als bisher zahlen werden. Vermutlich erst im nächsten Jahr werden ihre Beiträge dann rückwirkend korrigiert, und die zu viel gezahlten Beiträge in Form einer Einmalzahlung von Amts wegen erstattet.

Tatsächlich ist es damit aber leider nicht getan, denn natürlich sind die bis dahin gezahlten Beiträge auch relevant für die Einkommensteuer, zählen sie dort doch in voller Höhe als Sonderausgaben, welche die Steuerschuld mindern. Die betroffenen Mitglieder zahlen also zunächst nicht nur zu hohe Pflegeversicherungsbeiträge, sondern in der Folge auch zu niedrige (Lohn-)Steuern. Ihren wahren Nettolohn können die Betroffenen ihrer Gehaltsabrechnung also nicht entnehmen und auch nicht ohne weiteres auf Grundlage der Gehaltsabrechnung berechnen. Spätestens mit Erhalt der Rückzahlung der zuvor zu viel entrichteten Pflegeversicherungsbeiträge wird es dann jedoch erst richtig kompliziert: Findet sich keine geeignete Lösung, diese Rückzahlung angemessen bei der Einkommensteuer zu berücksichtigen – für den Fall, dass die Rückzahlung doch noch im Jahr 2023 stattfindet, beispielsweise im Lohnsteuerjahresausgleich des Jahres 2023 durch den Arbeitgeber – wird dies für viele der betroffenen Beitragszahler:innen dazu führen, dass für sie eine Veranlagungspflicht zur Einkommensteuer entsteht. Damit verbunden wäre ein erheblicher bürokratischer Aufwand sowohl bei den Beschäftigten als auch bei den Finanzämtern, die sich im Zweifel auf eine hohe Anzahl zusätzlich zu bearbeitender Steuererklärungen einstellen müssten. Je nach Länge des Zeitraums, für den eine Rückerstattung geleistet wird, der Höhe des Einkommens und der Anzahl der Kinder können die dann vom Finanzamt geforderten Nachzahlungen von nur wenigen Euro bis hin zu doch substanziellen Beträgen reichen. Die Steuernachzahlungen wären dann freilich frühestens im Jahr 2024 zu entrichten. Bei einer Rückzahlung der zu viel entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung erst im kommenden Jahr, verschiebt sich der Zeitpunkt der Steuernachzahlung um ein weiteres Jahr.

Festzuhalten bleibt, dass die nach Kinderzahl gestaffelten Pflegeversicherungsbeiträge zumindest während der Einführungsphase zu erheblichem bürokratischem Aufwand führen. Der Verwaltung ist zu wünschen, dass sie Mittel und Wege findet, diese für alle Seiten unzufriedenstellende Situation so zu lösen, dass weiterer bürokratischer Aufwand möglichst vermieden wird. Uns allen bleibt (wieder einmal) die Erkenntnis, dass manch auf den ersten Blick einfach erscheinende Rechtsänderung in einem komplexen System zwischen Sozial- und Steuerrecht in der Praxis zu nicht intendierten Nebenwirkungen und auch Mehraufwand führen kann.

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© Der/die Autor:in 2023

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

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DOI: 10.2478/wd-2023-0162