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Vor 40 Jahren waren die Produktionsmanager bei Porsche besonders stolz darauf, die unendlichen Möglichkeiten zu illustrieren, ein Auto individuell, sozusagen als Einzelstück, für die Kund:innen zu bauen. Bis heute hat sich daran bei allen Autobauern wenig geändert. Das Postulat heißt kontinuierliche Verbesserung als hohe Kunst, gepaart mit maximaler Vielfalt, jetzt erweitert mit digitalen Strukturen. Das war gestern. Seit Elon Musk 95 % seiner 1,6 Mio. Elektroautos in nur zwei Modellvarianten – dem Model 3 und Model Y – liefert und nur wenige Außenfarben anbietet, sind die Produktionsexperten stiller geworden. Noch vor gut 30 Jahren hatte der damalige BMW-Produktionsvorstand und heutige Aufsichtsratsvorsitzende Norbert Reithofer die Welt wissen lassen, dass BMW 1032 unterschiedliche Autos bauen könne. Kein Auto gleicht dem anderen. Aus Stahl und Lack Vielfalt und Individualität zu erzeugen, scheint ausgedient zu haben. Vielfalt zaubert man heute durch Software. Etwa beim iPhone, das in überschaubaren Modellen angeboten wird, aber durch seine App-Funktionen erst maßgeschneidert wird. Nicht die Hardware, sondern die Software macht den Unterschied und die Vielfalt aus. Elon Musk ist der Erste, der diese Erkenntnis in der Produktionswelt der Autoindustrie umgesetzt und ein New Manufacturing definiert hat. Fast schon ein bisschen wie Henry Ford mit dem berühmten Ausspruch „Sie können alle Wagenfarben haben, solange es schwarz ist“.

Scales und Gleichförmigkeit statt Vielfalt sind das neue Paradigma. Die Vielfalt wird durch Software gezaubert. Mit Scales und Giga-Factories, also riesigen Fabriken, lassen sich die Konkurrenten aus den Angeln heben. Wer Scales besitzt, hat die niedrigsten Kosten und damit die besten Preise. Elon Musk ist dabei die Wettbewerber aus dem Markt zu „dumpen“. Die Vielfalt in der Hardware wird durch Gleichheit ersetzt. Gleichheit mit großen Volumina ist die neue Stellschraube. Die Produktionsprozesse müssen vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Produktionsschritte müssen eingespart werden. Nur so lassen sich maximale Scales erzeugen. Ein klassisches Beispiel von Elon Musk ist eine riesige Aluminium-Druckguss-Maschine, die bisher noch nie im Autobau eingesetzt wurde. Mit der Giga-Presse können in einem Arbeitsgang jeweils das Vorderteil und das Heck geformt werden. Zig Schweißroboter, die einzelne Metallplättchen zusammenschweißen, können ersetzt werden. Der italienische Maschinenbauer IDRA hatte für Tesla die riesige Gießmaschine produziert. Jetzt gibt es einen Bruder aus der Schweiz, die Carat 840 vom Schweizer Maschinenbauer Bühler. Das gewaltige Druckgussteil gießt in Millisekunden 200 kg flüssiges Alu, steht auf 160 m2 Grundfläche und ist 7,60 m hoch. Volvo plant in Schweden diese Maschine einzusetzen. New Manufacturing erzeugt völlig neue Produktionsprozesse. Die Strategie heißt nicht mehr „kontinuierliche Verbesserung“, sondern Quantensprung. Wir verlassen die Welt der Spaltmaße des Ferdinand Piëch. Utopisch klingen die weiteren Überlegungen der Tesla-Manager. Sie nennen es den „Unboxed Process“. Man will das Auto so, wie mit Lego-Klötzchen bauen. Jedes Klötzchen wird vollständig gefertigt und dann wie ein Lego-Haus zusammengebaut. Heute werden die verschiedenen Teile – etwa die Seitenteile oder Türen – mehrmals im Produktionsprozess bearbeitet. In der Zukunft werden diese Teile komplett auf einer Stufe gebaut und lackiert und dann zum Lego-Auto zusammengesteckt.

Mitte Juli kündigte Elon Musk ein revolutionäres Design eines neuen Fahrzeugs mit einer revolutionären Bauweise an. Dadurch könne man so viele Fahrzeuge bauen, wie noch nie ein Hersteller zuvor in einer Produktions-linie bauen konnte. Das erlaubt Quantensprünge bei der Senkung der Produktionskosten. Die Software macht die Charakteristika des Autos aus, nicht die Zahl der Ventile oder Zylinder im Motor. Für die klassischen Maschinenbauer kommt das einem Erdbeben gleich. Die Gesetze des New Manufacturing lauten Geschwindigkeit und Scales. New Manufacturing funktioniert nur mit sehr hohen Volumina. Damit bleibt kein Platz für viele Autobauer. Der Automarkt wird zum natürlichen Monopol, so wie etwa bei Suchmaschinen. Für die klassischen Autobauer bringt das zwei weitere Probleme. Erstens, die heutigen Produktionsanlagen können nicht „über Nacht“ angepasst werden. Systemwechsel brauchen Zeit und wer Zeit verliert, verliert im Rennen um die Giga Scales. Zweitens gilt, dass ein natürliches Monopol nur durch dynamisches, exponentielles Wachstum aufgebaut werden kann. Wer zuerst die größten Scales hat, treibt alle anderen aus dem Markt. Die klassischen Autobauer sind es nicht gewohnt, exponentiell zu wachsen. Man hat Angst vor zu schnellem Wachstum, befürchtet eine Blase. Sie verlieren durch Zögerlichkeit. Elon Musk und Tesla kommen aus der IT-Welt. Dort sind natürliche Monopole Alltag. Tesla, aber auch der chinesische Autobauer BYD, wachsen mit jährlichen Zuwächsen von bis zu 150 %. Das ist Mega-Wachstum. In der Welt der Produkteinförmigkeit im Hardware-Bereich ist das die Erfolgsformel.

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© Der/die Autor:in 2023

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2023-0165

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