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Der Klimawandel ist ein globales Phänomen. Auf Grundlage des neusten Sachstandsberichts des IPCC ist mit einem Anstieg der Erdtemperatur um 2,5 °C bis 3 °C bis zum Jahr 2100 zu rechnen, verursacht durch die bisherige Klimapolitik der großen Emittenten. Nach einer vom Bundeswirtschafts­ministerium in Auftrag gegebenen Szenarioanalyse sind für Deutschland erhebliche Schäden zu erwarten, die sich jedoch durch verstärkte Anpassungsmaßnahmen deutlich reduzieren lassen. Der Beitrag schlussfolgert, dass Deutschland (und die EU) zum einen auf eine Vorreiterrolle verzichten und stärker auf eine Fortentwicklung des Pariser Abkommens nach dem Reziprozitätsprinzip hinwirken sollte. Zum anderen sollte Deutschland seine Anpassungsmaßnahmen deutlich verstärken.

Der Klimawandel ist ein globales Phänomen, denn der weltweite Ausstoß an Treibhausgasen (THG) entscheidet darüber, wie die Erderwärmung fortschreiten wird. Wesentliche Aussagen dazu enthält der neuste Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), des sogenannten Weltklimarats. Es werden hier die Ergebnisse dieses Berichts sowie der Studie von Flaute et al. (2022) zu den durch die Erderwärmung zu erwartenden Schadenskosten in Deutschland analysiert und daraus Schlussfolgerungen gezogen.

Die wissenschaftlichen Berichterstatter des IPCC zeigen in ihrem Sechsten Sachstandsbericht verschiedene Szenarien für die Entwicklung des weltweiten THG-Ausstoßes und der Erderwärmung (IPCC, 2023).1 Ihr erster Pfad knüpft an die von den Teilnehmerstaaten bis Ende 2020 eingereichten Klimaziele für das Pariser Abkommen, ihre national festgelegten Beiträge (‚nationally determined contributions‘ NDCs), und deren politische Umsetzung bis 2030 an und unterstellt, dass anschließend die Klimapolitik mit vergleichbarem Ehrgeiz fortgeführt wird (vgl. Abbildung 1, obere lila Kurve).2 Dann würden die globalen Emissionen bis 2030 um 5 % steigen und bis 2050 kontinuierlich weiter zunehmen und damit einen Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur von 3,2 °C am Ende dieses Jahrhunderts wahrscheinlich machen.

Abbildung 1
Vier Szenarien globaler Treibhausgas-Emissionen bis 2050 (linke Seite) sowie Veränderungen der Emissionen zwischen 2019 und 2030 (rechte Seite)
Vier Szenarien globaler Treibhausgas-Emissionen bis 2050 (linke Seite) sowie Veränderungen der Emissionen zwischen 2019 und 2030 (rechte Seite)

Treibhausgas(THG)-Emissionen anhand der national vereinbarten Beiträge (nationally determined contributions NDCs).

Quelle: eigene Übersetzung der Abbildung 2.5 in IPCC (2023).

Die Industrieländer haben beim UN-Klimasekretariat genaue Minderungsziele für ihren Ausstoß an THG eingereicht, sodass sich ihre Emissionen 2030 – bei Einhaltung ihrer NDCs – ziemlich genau berechnen lassen. So hat sich beispielsweise die EU27 verpflichtet, ihren Ausstoß klimaschädlicher Gase zwischen 1990 und 2030 um 55 % und damit auf 2,2 Gigatonnen (Gt) zu reduzieren. Schwieriger ist die Vorausschätzung bei China und Indien, dem größten und dem drittgrößten Emittenten. Denn beide Länder geben in ihrem NDC nur an, um wie viel sie zwischen 2005 und 2030 ihre CO2-Intensität senken wollen, d. h. ihren CO2-Ausstoß je Einheit ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP). Deshalb muss zusätzlich das Wachstum ihres realen BIP berücksichtigt bzw. geschätzt werden. So hatte sich China verpflichtet, zwischen 2005 und 2030 seine CO2-Intensität um 60 % bis 65 % zu senken. Im gleichen Zeitraum wird sein reales BIP jedoch auf knapp das Sechsfache steigen, sodass sein CO2-Ausstoß zwischen 2005 und 2030 voraussichtlich auf mehr als das Doppelte und damit auf knapp 15 Gt steigen wird.3

Erreichung des 2 °C-Ziels sehr unwahrscheinlich

Das zweite IPCC-Szenario gibt an, wie sich der globale THG-Ausstoß durch sofortige und umfassende klimapolitische Maßnahmen entwickeln müsste, damit das angestrebte 2 °C-Ziel noch mit 67 % Wahrscheinlichkeit erreicht werden kann (vgl. Abbildung 1, grüne Kurve). Dazu müssten die weltweiten Emissionen zwischen 2019 und 2030 um 26 % sinken. Das ist unrealistisch. So haben die Industrieländer sich verpflichtet, zwischen 2019 und 2030 ihre Emissionen um etwa 38 % zu senken. Sie müssten diese jedoch um 85 %, d. h. um mehr als das Doppelte mindern, damit der globale THG-Ausstoß um die erforderlichen 26 % abnimmt. Dies setzt weiterhin voraus, dass China, Indien und die anderen Entwicklungs- und insbesondere Schwellenländer ihren THG-Ausstoß bis 2030 nicht mehr erhöhen. Dem steht entgegen, dass China den „Gipfel“ seiner Emissionen erst um 2030 anstrebt.

Noch unrealistischer ist das dritte IPCC-Szenario zur Erreichung des 1,5 °C-Ziels (mit 50 % Wahrscheinlichkeit und ohne oder mit begrenztem Überschießen der 1,5 °C). Es würde bis 2030 einen Rückgang der weltweiten Emissionen um 43 % erfordern (vgl. Abbildung 1, untere blaue Kurve). Entsprechend bezeichnet Schellnhuber die 1,5 °C als „Illusion, auch wenn sie noch so wünschenswert wären“ und ergänzt „ich kenne auch sonst niemanden in der Klimaforschung, der 1,5 °C noch für realistisch hält“ (Wille, 2022).

Zwischen Ende 2020 und der UN-Klimakonferenz in Glasgow Ende 2021 haben einige Staaten ihre Klimaziele für 2030 noch leicht verschärft (China) bzw. deutlich heraufgesetzt (USA und Japan).4 Dies wird im vierten Szenario des IPCC berücksichtigt und führt dort 2030 zu 4 % niedrigeren globalen Emissionen (vgl. Abbildung 1, schwarze Kurve). Anschließend ließe sich das 2 °C- bzw. das 1,5 °C-Ziel nur durch extrem beschleunigte Maßnahmen erreichen, denn dazu müssten die weltweiten Emissionen bis 2040 um 46 % sinken und bis 2050 um 68 % (jeweils im Vergleich zu 2020; IPCC, 2023, 49, Tab. 3.1, C3b). Dazu reiche es bei Weitem nicht aus, wenn die Industrieländer – als Hauptverursacher der hohen Konzentration klimaschädlicher Gase in der Erdatmosphäre – bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral würden und anschließend zunehmend CO2 abscheiden und speichern würden. Denn auf sie werden bei Einhaltung ihrer NDCs 2030 nur noch weniger als 20 % aller globalen Emissionen entfallen.

Weltweite Reduktion des THG-Ausstoßes erforderlich

Deshalb müssten weltweit alle größeren Emittenten eine radikale Minderung ihres THG-Ausstoßes beschließen und auch durchsetzen. Dabei geht es nicht nur um China und Indien, sondern auch um Russland, die beiden großen OPEC-Staaten und Indonesien sowie weitere aufstrebende Entwicklungs- und Schwellenländer, wie Mexiko, Brasilien, Südafrika und die Türkei. Allerdings zeichnet sich nicht ab, dass diese Länder dazu bereit sind. So hatten sich die G7-Länder bereits auf das Ziel geeinigt, die Kapazitäten erneuerbarer Energien von heute bis 2030 zu verdreifachen. Dem stimmten viele der G20-Staaten nicht zu, allen voran Russland und Saudi-Arabien, die großen Exporteure von Öl und Gas (Löhr, 2023). Aber auch China, Indonesien und Südafrika wollten sich dem Vernehmen nach nicht auf konkrete Zahlen festlegen. Viele dieser Länder erschließen neue Gasfelder und investieren in neue Kohlekraftwerke. Als Folge wurde 2022 weltweit so viel Kohle verbrannt wie noch nie, und für 2023 zeichnet sich ein neuer Verbrauchsrekord ab – obwohl die Kohlenachfrage in den USA, Japan und der EU sinkt (Záboji, 2023). Spitzenreiter ist dabei China, das im vergangenen Jahr mehr als 50 % des globalen Kohleverbrauchs verursachte und 2023 noch mehr Kohle verbrennen wird. Dies waren keine guten Vorzeichen für die Weltklimakonferenz Anfang Dezember in Dubai (Löhr, 2023).5

Zudem wurde bisher unterstellt, dass alle Industrieländer ihre Klimaziele für das Pariser Abkommen verschärfen und anschließend einhalten werden. Aber das ist keinesfalls sicher. So haben sich die USA in ihrem neuen NDC verpflichtet, ihren THG-Ausstoß zwischen 2005 und 2030 um 50 % bis 52 % zu reduzieren. Dies erfordert, dass sie ihre Emissionen in nur elf Jahren um fast 55 % senken – und das vor dem Hintergrund einer Klimapolitik, die treffend als „verlässlich unzuverlässig“ charakterisiert wurde (Wille, 2022). Sie hängt jeweils davon ab, ob Demokraten oder Republikaner eine Mehrheit im Kongress oder Senat haben und/oder den Präsidenten stellen (Bergquist und Warshaw, 2020; Hummel, 2021):6 Bill Clinton hatte zunächst das Kyoto-Protokoll unterschrieben – George W. Bush ratifizierte es nicht. Barack Obama trat dem Pariser Abkommen bei und setzte sich für mehr Klimaschutz ein – Donald Trump kündigte das Pariser Abkommen auf. Schließlich trat Joe Biden dem Abkommen wieder mit einem deutlich ehrgeizigeren NDC bei. Darüber hinaus hat im September 2023 der britische Premierminister, Rishi Sunak, angekündigt, Klimaschutzmaßnahmen zu verschieben oder abzuschwächen (Nuspliger, 2023). Und auch bei der EU ist keinesfalls sicher, dass sie ihre durch den „Green Deal“ deutlich verschärften Ziele erreichen wird.

Insgesamt macht die Analyse deutlich, dass die Erreichung des 2 °C-Ziels – der nach Schellnhuber „günstigste Fall“ (Wille, 2022) – sehr unwahrschein­lich ist, weil es weltweit für die dazu notwendigen extremen klimapolitischen Maßnahmen keinerlei Anzeichen gibt. Realistischer ist ein Anstieg um 2,5 °C bis zum Ende dieses Jahrhunderts, der aber auch einen deutlichen Rückgang der globalen Emissionen erfordert (um 6 % bis 2030, 18 % bis 2040 und 29 % bis 2050). Dagegen käme es zu einer Erder­wärm­ung von 3 °C, wenn der weltweite THG-Ausstoß nahezu gleich bliebe (Abnahmen zwischen 3 % und 5 % bis 2050) (IPCC, 2023, 49, Tab. 3.1). Damit ist zu befürchten, dass es bis 2100 zu einer Erderwärmung zwischen 2,5 °C und 3 °C kommen wird,7 d. h. einem relativ starken Klimawandel, und damit zu weltweit gravierenden Folgen, die von langen Dürreperioden, über schwere Unwetter und Niederschläge bis zum Anstieg des Meeresspiegels reichen.

Für Deutschland hat das weitreichende Konsequenzen: (1) Durch den Klimawandel werden hohe volkswirtschaftliche Kosten entstehen. (2) Um diese Kosten zu mindern, sind deutlich weitergehende Anpassungsmaßnahmen erforderlich.

Hohe volkswirtschaftliche Kosten durch den Klimawandel

Zu den volkswirtschaftlichen Kosten durch den Klimawandel hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) eine Untersuchung in Auftrag gegeben (Flaute et al., 2022). Sie geht von den wichtigsten Klimawirkungen in Deutschland aus, die vor allem Ertragsaus­fälle in der Land- und Forstwirtschaft, Schäden an Gebäuden und der Infrastruktur durch Stürme und Hochwasser, Beeinträchtigungen der Versorgung mit Rohstoffen und Zwischenprodukten sowie Auswirkungen auf das Gesundheitssystem umfassen.8 Anschließend „übersetzt“ die Studie diese klimabedingten Schäden in ökonomische Wirkungen, quantifiziert sie und ermittelt so die direkten volkswirtschaftlichen Kosten. Auf dieser Basis werden mit dem makroökonometrischen Input-Output-Modell INFORGE/PANTA RHEI9 die volkswirtschaftlichen Folgekosten geschätzt. Dabei werden verschiedene Szenarien für einen schwachen, mittleren und starken Klimawandel mit und ohne Anpassungsmaßnahmen berechnet.

Nachfolgende Beispiele verdeutlichen diese Vorgehensweise. So ist eine Klimawirkung, dass Dürreperioden auftreten, die zu Ernteausfällen und damit zu direkten Kosten für die Landwirte führen. Deren Folge sind Preissteigerungen, die an nachgelagerte Stufen, wie die Nahrungsmittel­industrie, weitergegeben werden und dort gleichermaßen zu höheren Kosten und steigenden Preisen sowie Produktionsanpassungen und Änderungen des Konsumverhaltens führen. Insgesamt kommt es zusätzlich zu erheblichen Folgekosten für die Volkswirtschaft. Oder Stürme führen zur Zerstörung von Industriegebäuden und verursachen damit direkte Kosten für den Wiederaufbau, zu denen indirekte und induzierte Kosten durch eingeschränkte Produktionsmöglichkeiten und unterbrochene Lieferketten kommen.

Schwierig ist bei der Studie insbesondere die „Übersetzung“ der Klimafolgen in ökonomische Wirkungen und deren Quantifizierung. Zudem bestehen zum Teil sehr hohe Unsicherheiten über die Entwicklung des Klimawandels und bei den Szenario-Annahmen zur Bewertung der Klimawandelfolgen. Deshalb weisen die Autoren darauf hin, dass ihre Ergebnisse „keine Prognosen oder exakten Vorhersagen“ darstellen, sondern einen Eindruck über mögliche Folgen der Erderwärmung vermitteln (Flaute et al., 2022, 84). Dabei spielt auch eine Rolle, dass immaterielle Schäden – wie allgemein in ökonomischen Modellen – nicht berücksichtigt werden können. Denn es gibt z. B. für Gesundheitsschäden, eine verschlechterte Lebensqualität, das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten oder einen Verlust von Kulturgütern keine Marktpreise und damit keine allgemein anerkannte Bewertungsmethode. Deshalb stellen die „aus den Szenario-Berechnungen ermittelten Werte … jeweils untere Grenzen dar“ (Flaute et al., 2022, 83).

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die von 2022 bis 2050 kumulierten Kosten der globalen Erderwärmung mindestens zwischen 280 Mrd. Euro und 910 Mrd. Euro liegen werden – je nachdem ob der Klimawandel schwach, mittel oder stark ausfallen wird (vgl. Abbildung 2). Dabei werden die volkswirtschaftlichen Kosten anhand der kumulierten Veränderungen des BIP gemessen. Allerdings verlieren diese hohen Beträge viel von ihrem Schrecken, wenn man berücksichtigt, dass die volkswirtschaftlichen Kosten über 29 Jahre aufaddiert wurden. Auf die Jahre umgerechnet belaufen sich die Schadenskosten auf etwa 30 Mrd. Euro bei starkem und auf knapp 18 Mrd. Euro bei mittlerem Klimawandel, d. h. auf 0,8 % bzw. 0,5 % des BIP.10

Abbildung 2
Kumulierte Anpassungswirkung auf das reale BIP für den Zeitraum 2022 bis 2050
Kumulierte Anpassungswirkung auf das reale BIP für den Zeitraum 2022 bis 2050

Quelle: Flaute et al. (2022), 79, Abb. 32.

Umfangreiche Anpassungsmaßnahmen können Kosten deutlich verringern

Zudem können die für Deutschland zu erwartenden Kosten deutlich gesenkt werden, wenn umfangreichere und weitergehende Maßnahmen ergriffen werden, um die Anpassungsfähigkeit seiner natürlichen, gesellschaftlichen und ökonomischen Systeme an die unvermeidlichen Auswirkungen des globalen Klimawandels zu steigern und deren Verletzlichkeit zu verringern (Deutscher Bundestag, 2008, 58). Solche Anpassungsmaßnahmen reichen von Investitionen in die Infrastruktur, wie in den Küstenschutz, ein hitzebeständiges Schienennetz und ein auf Extremwetter ausgelegtes Stromnetz, über den Einsatz angepasster Baum- und Pflanzenarten bis hin zur Einrichtung von Warnsystemen vor Hochwasser oder starker Hitzebelastung (BMU, 2012).

Die Bundesregierung hat bereits 2008 eine Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) beschlossen, die zu mehreren Aktionsplänen geführt hat. 2020 wurde der dritte Aktionsplan (APA III) veröffentlicht, der konkrete Anpassungsmaßnahmen für 2020 bis 2024 enthält (Deutscher Bundestag, 2020). Darüber geht die bei Flaute et al. (2022, 66) angenommene Anpassung allerdings weit hinaus. Sie unterstellt, dass „die maximal mögliche konventionelle Anpassung umgesetzt“ wird, d. h. alle Maßnahmen, die „unter den angenommenen sozioökonomischen Entwicklungen und gegenwärtigen politischen Rahmenbedingungen als plausibel angesehen werden können“. Der Studie zufolge ließen sich durch eine so weitreichende Anpassung die volkswirtschaftlichen Kosten enorm reduzieren: Bei starkem Klimawandel würden sie um mehr als 60 % auf 350 Mrd. Euro sinken und bei mittlerem um fast 80 % auf 110 Mrd. Euro (vgl. Abbildung 2); pro Jahr würden sie auf durchschnittlich 12 Mrd. bzw. 4 Mrd. Euro fallen.

Schließlich würden der Studie zufolge bei schwachem Klimawandel die Nettoerlöse der Anpassungsinvestitionen sogar höher als die Schadenskosten ausfallen und zu einem Anstieg des BIP führen. Der Grund ist, dass von hohen volkswirtschaftlichen Folgeerlösen der Anpassungs­investitionen ausgegangen wird, die vor allem aus positiven Wachstumsimpulsen und höheren Beschäftigtenzahlen resultieren. Das setzt allerdings voraus, dass die Volkswirtschaft über genügend Kapa­zitäten und ausreichend viele Fachkräfte verfügt. Andernfalls könnten die Investitionen in eine bessere Anpassungsfähigkeit andere Investitionen, beispielsweise in Forschung, Bildung und die Infrastruktur, verdrängen, d. h., dass an anderen Stellen positive Wachstums- und Beschäftigungseffekte wegfallen würden.

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse des Sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarats (IPCC, 2023) und auch die bisherige Klimapolitik der großen Emittenten legen den Schluss nahe, dass bis zum Ende des Jahrhunderts mit einem Anstieg der Erdtemperatur um 2,5 °C bis 3 °C gerechnet werden muss. Dabei kann Deutschland alleine und auch gemeinsam mit der EU keinen entschei­denden Einfluss auf den weltweiten THG-Ausstoß nehmen. Auch die Bundesregierung schlussfolgert in ihrer China-Strategie: „Ohne China wird die Klima­krise nicht zu bewältigen sein“ (Bundesregierung, 2023, 10).

Dies bedeutet nicht, dass Deutschland und die EU auf ihren Beitrag zur Reduktion der Emissionen klimaschädlicher Gase verzichten sollten. Allerdings sollten sie dabei stärker auf eine Fortentwicklung des Pariser Abkommens hinarbeiten, bei dem die vereinbarten Anstrengungen der anderen Industrieländer den eigenen entsprechen und auch die Schwellenländer ihren Beitrag leisten. Noch wichtiger ist, dass die vereinbarten Klimaschutzbeiträge auch Zug um Zug nach dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung (Reziprozität) erbracht werden. Dagegen sollten Deutschland und die EU auf eine Vorreiterrolle verzichten, d. h. auf den Versuch, durch einseitige Erhöhungen ihrer Klimaziele – wie dem von der Kommissionspräsidentin konzipierten „Green Deal“ 11 – andere Länder zum Mitmachen zu bewegen. Denn, wenn ein Land oder ein Kontinent dauerhaft eine Vorreiterrolle übernimmt, besteht die Gefahr, dass es zu keiner starken kollektiven Anstrengung der anderen Länder kommt (Ledyard, 1995) und damit zu keiner oder nur einer geringeren Minderung des weltweiten THG-Ausstoßes. Das belegt das Kyoto-Protokoll von 1997, bei dem der „erste Versuch von Vorreiterländern, mit einseitigen Maßnahmen andere zum Mitmachen zu überzeugen“, scheiterte (Pritzel und Söllner, 2021): Die USA ratifizierten das Kyoto-Protokoll nicht, Kanada trat aus dem Abkommen aus, und bei der Vereinbarung einer zweiten Verpflichtungsperiode (Kyoto 2) sprangen die meisten Teilnehmerländer ab, sodass schließlich die Europäer fast unter sich waren.12 Dagegen kann von Europa und Deutschland „eine Vorbildfunktion ausgehen“, wenn es dort gelingt, „Emissionsminderungen mit wachsendem Wohlstand und gesellschaftlicher Akzeptanz (zu) verbinden“ (SVR Wirtschaft, 2019, 8). Dazu bedarf es Innovationen und des Einsatzes neuer Technologien.

Aufgrund der mit einem Anstieg der Erdtemperatur verbundenen Klimawirkungen muss Deutschland mit erheblichen, aber beherrschbaren volkswirtschaftlichen Schäden rechnen. Zudem lassen sich diese Schäden durch Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel erheblich reduzieren. Würde – wie die Studie von Flaute et al. (2022) unterstellt – die „maximal mögliche konventionelle Anpassung umgesetzt“, so würden die durchschnittlichen Schäden pro Jahr bei starkem Klimawandel um mehr als 60 % auf 12 Mrd. Euro sinken und bei mittlerem um fast 80 % auf 4 Mrd. Euro. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass Deutschland deutlich mehr in die Verbesserung seiner Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel investieren sollte – neben seinem Beitrag zur Minderung der weltweiten Emissionen klimaschädlicher Gase. Denn es gilt: „Adaptation and mitigation can complement each other and together can significantly reduce the risks of climate change“ (IPCC, 2012, 4).

  • 1 Der Sechste Sachstandsbericht des Weltklimarats wird von einer Vielzahl von Wissenschaftlern aus vielen Nationen erstellt (IPCC, 2023, 1). Er fasst den Stand des Wissens über den Klimawandel und seine weit verbreiteten Auswirkungen und Risiken auf Basis der begutachteten wissenschaftlichen, technischen und sozioökonomischen Literatur zusammen.
  • 2 Vgl. ähnlich Neubäumer (2021), die die Entwicklung des CO₂-Ausstoßes der zehn größten Emittenten bei Einhaltung ihrer bis 2019 eingereichten NDCs analysiert. Der CO₂-Ausstoß entwickelt sich sehr ähnlich wie der THG-Ausstoß, der zusätzlich weitere klimaschädliche Gase – Methan, Lachgas und mehrere F-Gase – umfasst und in CO₂-Äquivalenten (CO₂-Äq) gemessen wird (IPCC, 2023, 51).
  • 3 Die Vorausschätzung des BIP für China 2030 basiert auf seinem realisierten Wachstum von jährlich 8,8 % zwischen 2005 und 2019 und seinem 15-Jahres-Plan, der eine Verdoppelung des Pro-Kopf-Einkommens bis 2035 vorsieht. Derzeit ist ungewiss, ob China dieses Wachstumsziel erreichen kann (IMF, 2023); allerdings dürfte etwas weniger Wachstum bis 2030 seinen CO2-Ausstoß 2030 nicht wesentlich mindern.
  • 4 China hat sich verpflichtet, seine CO2-Intensität gegenüber 2005 um mehr als 65 % zu reduzieren (statt um 60 % bis 65 %), die USA haben zugesagt, ihren THG-Ausstoß gegenüber 2005 um 50 % bis 52 % zu senken (statt um 26 % bis 28 %), und Japan hat sich verpflichtet, 46 % weniger THG als 2013 zu emittieren (statt 26 %).
  • 5 Bei der Weltklimakonferenz, der COP28, wurde in der Abschlusserklärung folgende Aufforderung an die Vertragsparteien beschlossen, „to take actions towards achieving, at a global scale, a tripling of renewable energy capacity“ by 2030, together with a list of „other measures that drive the transition away from fossil fuels in energy systems, in a just, orderly and equitable manner“ (UN, 2023; eigene Hervorhebung). Damit gelang nur, die „Abkehr“ von den fossilen Energieträgern in der Abschlusserklärung zu verankern, nicht den „Ausstieg“ aus den fossilen Brennstoffen, wie ihn die meisten Industrieländer angestrebten hatten.
  • 6 Die amerikanische Klimapolitik wird zudem von den Bundesstaaten sowie regionalen Organisationen und Städten geprägt.
  • 7 Der Emissions Gap Report 2023 der UN, der erst nach der Einreichung dieses Beitrags erschienen ist, leitet ein sehr ähnliches Ergebnis ab (United Nations Environment Programme, 2023, XXI f.).
  • 8 Die Untersuchung von Flaute et al. (2022) wurde vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung mbH (GWS) und der Prognos AG unter Federführung des BMU durchgeführt. Dabei erfolgte die Auswahl einzelner Klimawirkungen auf Basis der Klimawirkungs- und Risikoanalyse für Deutschland 2021 (BMU, 2021)
  • 9 Zu den Eigenschaften makroökonometrischer Input-Output-Modelle und des speziell für Deutschland entwickelten INFORGE/PANTA RHEI-Modells vgl. Stöver et al. (2022), 12 ff.
  • 10 Schadenskosten pro Jahr in % des BIP von 2022 (3.877 Mrd. Euro). Im gleichen Jahr hatten die Sozialleistungen einen Anteil von 30,5 % am BIP, die Verteidigungsausgaben von 1,4 % und die öffentlichen und privaten Leistungen zugunsten von Entwicklungsländern von knapp 1 %.
  • 11 Ursula von der Leyen hatte – noch als Kandidatin für das Amt der Kommissionspräsidentin – zugesagt, dass sie eine Vorreiterrolle der EU „bei den internationalen Verhandlungen für höhere Zielvorgaben für andere große Emittenten“ anstrebt (von der Leyen, 2019, 7). Gleichzeitig verpflichtete sie sich, ihre Agenda für den „Green Deal“ der Kommission in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit vorzulegen, falls sie – nicht zuletzt mit Stimmen der Grünen – zur Kommissionspräsidentin gewählt würde (Jacobsen, 2019).
  • 12 Bei der zweiten Verpflichtungsperiode von 2012 bis 2020 entfielen auf die verbleibenden Kyoto-Staaten nur noch etwa 15 % des globalen CO2-Ausstoßes (Neubäumer, 2019).

Literatur

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Title:Climate Change as a Global Problem and its Consequences for Germany

Abstract:The article focuses on the fact that climate change is a global phenomenon. Based on the latest IPCC Assessment Report and the climate policies of the major emitters, the earth’s temperature is expected to rise by 2.5 to 3°C by 2100. As a scenario analysis commissioned by the Federal Ministry for Economic Affairs and Climate Action shows, this will cause considerable damage, although it can be significantly reduced through increased adaptation measures. The article concludes that Germany (and the EU) should refrain from playing a pioneering role and work more towards further developing the Paris Agreement in accordance with the principle of reciprocity. Additionally, Germany should significantly strengthen its adaptation measures.

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© Der/die Autor:in 2024

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DOI: 10.2478/wd-2024-0016

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