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Im Jahr 2015 verpflichteten sich die Staaten der Welt im Pariser Klimaschutzabkommen die Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C, möglichst 1,5 °C zu begrenzen. Gelingen soll dies durch nationale Selbstverpflichtungen. Da diese nationalen Klimabeiträge aber bei weitem nicht ausreichen, wurde bei der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai zum ersten Mal (und anschließend alle fünf Jahre) eine „globale Bestandsaufnahme“ durchgeführt, welche die Fortschritte bei der Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens in den Bereichen Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel und Klimafinanzierung überprüfen soll. Die globale Bestandsaufnahme war die zentrale Aufgabe der COP28 in Dubai.

Diese Bestandsaufnahme im Abschlussdokument der COP28 ist eindeutig ausgefallen: die Entwicklung der globalen Treibhausgasemissionen steht nicht im Einklang mit dem Temperaturziel des Pariser Abkommens und das Zeitfenster für die Steigerung der Ambitionen und die Umsetzung bestehender Verpflichtungen zur Erreichung des Ziels wird kleiner. Nachdem also die Notwendigkeit einer tiefgreifenden, raschen und nachhaltigen Verringerung der Treibhausgasemissionen unstrittig festgestellt wurde, richtete sich praktisch die gesamte Aufmerksamkeit – auch in der Öffentlichkeit – auf den Teil der Abschlusserklärung, in dem Maßnahmen benannt werden, zu denen die Staaten beitragen sollen. Natürlich wie immer auf national festgelegte Weise und unter Berücksichtigung des Übereinkommens von Paris und der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten.

Im letzten Sachstandsbericht des Weltklimarates haben wir beschrieben, wie die erforderlichen Netto-Null-Energiesysteme im Kern aussehen: die Stromerzeugung ist zumindest CO₂-frei; die Elektrifizierung von Endverbrauchern ist weit verbreitet; der Einsatz fossiler Brennstoffe ist wesentlich geringer als heute; in Sektoren, die sich weniger gut elektrifizieren lassen, ist der Einsatz alternativer Energieträger, wie Wasserstoff, Bioenergie und Ammoniak, ein Ersatz für fossile Brennstoffe; die Energienutzung ist deutlich effizienter; durch den Einsatz von CO₂-Entnahmen aus der Atmosphäre werden etwaige Restemissionen ausgeglichen und die Energiesysteme sind stärker regional und sektoral integriert.

Im Absatz zu den zu ergreifenden Maßnahmen wird das teilweise aufgegriffen und die Staaten dazu aufgerufen, die globalen Kapazitäten der erneuerbaren Energie zu verdreifachen, die Geschwindigkeit der Energieeffizienzsteigerung zu verdoppeln, unverminderte Kohlekraft herunterzufahren und Technologien mit Nullemissionen oder geringen Emissionen, wie etwa erneuerbare Energie, Kernenergie, Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO₂, besonders in schwer zu mindernden Sektoren oder kohlenstoffarme Wasserstoffproduktion hochzufahren. Am stärksten diskutiert wurde dabei der Aufruf zum „Übergang weg von fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen auf gerechte, geordnete und ausgewogene Weise“ beizutragen – besonders in diesem kritischen Jahrzehnt und auf ein Netto-Nullniveau bis 2050.

Die Bewertungen über Erfolg oder Misserfolg der Klimakonferenz haben sich größtenteils auf diesen Absatz fokussiert. Statt „Auslaufen“ ist dort nun von „Übergang“ die Rede. Während einige den „Anfang vom Ende der fossilen Ära“ sehen und bejubeln, dass erstmals fossile Energieträger aufgegriffen wurden, sind es doch – nüchtern betrachtet – unverbindliche, vage Bekundungen über zukünftige Anstrengungen. Und letztlich Selbstverständlichkeiten – auch wenn der symbolische Wert nicht verkannt werden sollte. Wie ich mit Stefano Carattini herausgearbeitet habe, könnte diese Fokussierung damit zusammenhängen, dass die Medien und die Öffentlichkeit den Sitzungen der COP in den vergangenen Jahren erheblich mehr Aufmerksamkeit geschenkt haben. Eine Bewertung der verschiedenen, unübersichtlichen Verhandlungsstränge mit ihren im Detail sehr komplexen Diskussionen ist eben nicht so einfach. Dann lieber eine Diskussion über „Auslaufen“ oder „Übergang“.

Setzt man dies ins Verhältnis – die Klimaverhandlungen sind heute eine Veranstaltung mit mittlerweile 70.000 Teilnehmer:innen größtenteils aus der Zivilgesellschaft, aus Industrie, NGOs und Wissenschaft, dann ist zu befürchten, dass die Kombination aus hoher Medienpräsenz und hohen Erwartungen die Wirksamkeit des Verhandlungsprozesses zunehmend einschränkt. Gerade wenn es um komplexe technische Probleme geht, brauchen Verhandlungsprozesse Zeit, denn Einstimmigkeitsregeln können dann besonders problematisch sein. Eine hochrangige Veranstaltung, die enorme Aufmerksamkeit auf sich zieht und nur einmal im Jahr stattfindet, ist weniger geeignet, um bestehende Differenzen zwischen den Ländern in technischen Fragen aufzulösen. Stattdessen helfen regelmäßigere Treffen zu wissenschaftlichen und technologischen Beratungen, schwierige Fragen hinter den Kulissen zu klären. So wurde der Fonds gegen Schäden und Verluste durch die Klimaerwärmung im Vorfeld der Klimakonferenz erarbeitet und in monatelangen Verhandlungen unter starker Beteiligung Deutschlands konkretisiert. Die Einigung zur Ausgestaltung des Fonds zum Auftakt der Klimakonferenz in Dubai war ein Paukenschlag und einer der großen Erfolge der COP28 – auch wenn etliche Fragen noch offen sind.

Ein anderes komplexes Anliegen ist wohl auch durch den Fokus auf das Abschlussdokument in Dubai wieder gescheitert: Die Abkehr von fossilen Energieträgern wird nur dann gelingen, wenn die Preise für Kohle, Öl und Gas steigen. Hierzu braucht es starke Anreize durch die Bepreisung von CO₂. Um diese Kosten der Emissionsreduktion gering zu halten, sollte die CO₂-Bepreisung möglichst global angegangen werden. Art. 6 des Pariser Abkommens befasst sich mit den globalen Kooperationsmechanismen. Die entscheidende Diskussion, wie etwa der Handel mit Emissionszertifikaten und die Übertragung zwischen den Staaten ausgestaltet werden soll, ist entgegen den Planungen in Dubai in den Hintergrund getreten. Das politische Kapital wurde in das Abschlussdokument investiert. Nun steht die internationale Kooperation zum Klimaschutz wieder auf der Agenda der COP29. Die nächsten Monate sollten in regelmäßigen, fokussierten und geschützteren Treffen genutzt werden, die bestehenden Meinungsverschiedenheiten anzugehen und eine Vereinbarung in Baku, Aserbaidschan, vorzubereiten. Dabei sollten neben der Entwicklung globaler Konsensregeln auch weiterreichende Abkommen von einzelnen Staaten angegangen werden. Der von Deutschland initiierte internationale Klimaclub ist hierfür ein mögliches Forum. Dort könnte neben der Dekarbonisierung der Industrie der Einstieg in eine internationale Mindestbepreisung von CO₂ im Zentrum der Anstrengungen stehen.

Gerade bei schwierigen technischen Fragen ist es auch notwendig, die Erwartungen an die Verhandlungen zu steuern und die öffentliche Wahrnehmung mit dem tatsächlichen Fortschritt in Einklang zu bringen. Das bedeutet etwa, nicht nur zu kommunizieren, wie viel noch zu tun ist, sondern auch, was schon geschafft wurde. Oder die Verknüpfung von Verhandlungen mit virtuellen Foren, um mit Interessengruppen in Kontakt zu treten, sie über den Ablauf der Verhandlungen aufzuklären bzw. über Fortschritte zu berichten und Feedback zu erhalten. Den Klima­verhandlungen würde etwas weniger Rampenlicht nicht schaden.

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© Der/die Autor:in 2024

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DOI: 10.2478/wd-2024-0001

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