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Die aktuelle Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik für das Jahr 2022 suggeriert steigende Steuereinnahmen. Insbesondere für Großvermögen ist die Statistik aber irreführend, weil ein großer Teil der festgesetzten Steuern im Nachgang wieder erlassen wird. Der vorliegende Beitrag widmet sich einer kritischen Analyse der Statistik. Die gewonnenen Erkenntnisse sind einerseits für die Bewertung der letzten Erbschaftsteuerreform von Bedeutung, die den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes möglicherweise nicht gerecht geworden ist. Andererseits zeigen sie, dass die vermögensbezogenen Steuern trotz sehr hoher Vermögensungleichheit in Deutschland aktuell rückläufig sind.

Bereits mehrfach wurden die Ausnahmen für Unternehmensvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer in den vergangenen Jahren vom Bundesverfassungsgericht als zu weitreichend und damit für verfassungs­widrig erklärt (insbesondere Az. 1 BvL 10/02 und 1 BvL 21/12). Im Gesetzgebungsprozess wurden zwar kleinere Korrekturen am Ausmaß der Steuerbefreiungen vorgenommen, dem Grunde nach wurden diese aber beibehalten. Wenige Jahre nach der Erbschaftsteuerreform 2016 werden nun überwiegend Steuerfälle nach dem neuen Recht veranlagt und die Folgen der Reform zeichnen sich zunehmend ab.

Die aktuelle Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik 2022 suggeriert dabei zunächst steigende Steuersätze für große (Unternehmens-)vermögen sowie steigende Einnahmen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer (Destatis, 2023). Laut Steuerstatistik wurde im Jahr 2022 ein übertragenes Vermögen von 101,4 Mrd. Euro von den Finanzämtern veranlagt (2021: 118 Mrd.).1 Auf dieses Vermögen wurden Steuern in Höhe von 11,4 Mrd. Euro festgesetzt (2021: 11,1 Mrd. Euro). Der durchschnittliche Steuersatz liegt demnach bei 11,2 % (2021: 9,4 %). Somit scheint sowohl der effektive Steuersatz auf die veranlagten Vermögen als auch das Steueraufkommen zu steigen. Und auch für Großerwerbe der Kategorie über 20 Mio. Euro weist die Statistik mit 20,9 % einen durchschnittlichen Steuersatz aus, der stark über dem Wert vor dem letzten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (rund 3 %) liegt (Destatis, 2014) (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1
Übertragungsvolumen und Durchschnittsteuersätze 2022
Übertragungsvolumen
in Euro
Erfasstes vererbtes Vermögen
in Mrd. Euro
Festgesetzte Steuer Erbschaften
in Mio. Euro
Erfasstes verschenktes Vermögen
in Mrd. Euro
Festgesetzte Steuer Schenkungen
in Mio. Euro
Ø Steuersatz Erbe Ø Steuersatz Schenkung Ø Steuersatz Gesamt
in %
0 bis 200 Tsd. 6,6 946 2,5 169 14,43 6,88 12,37
200 bis 300 Tsd. 3,1 449 1,8 78 14,57 4,28 10,75
300 bis 500 Tsd. 7,1 663 4,7 114 9,29 2,42 6,55
500 bis 2,5 Mio. 23,4 2.399 13,4 632 10,27 4,71 8,24
2,5 bis 5 Mio. 5,3 758 3,3 260 14,43 7,87 11,90
5 bis 10 Mio. 3,8 578 3,5 220 15,16 6,34 10,96
10 bis 20 Mio. 3,1 517 3,3 115 16,59 3,53 9,91
Über 20 Mio. 7,4 1.788 9,2 1.690 24,2 ? 18,28 ? 20,9 ?

Quelle: Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik 2022.

Abweichung von Steuerfestsetzung und Steuereinnahmen

Allerdings zeigt ein Blick in die kassenmäßigen Steuereinnahmen, dass diese Steuersätze der Statistik wenig aussagekräftig, gar irreführend sind. Die Steuereinnahmen sind tatsächlich rückläufig. So wurden im Jahr 2022 lediglich 9,2 Mrd. Euro Erbschaft- und Schenkungsteuer von den Finanzämtern eingenommen und damit über 2 Mrd. Euro weniger als laut Statistik festgesetzt (BMF, 2023a). Für das Jahr 2023 werden die festgesetzten Erbschaft- und Schenkungsteuern erst mit der kommenden Statistik bekanntgegeben (voraussichtlich August 2024). Allerdings zeigt die 165. Steuerschätzung bereits, dass die Einnahmen im vergangenen Jahr um weitere 4 % auf 8,9 Mrd. gesunken sind (BMF, 2023b).

Die Gründe für die Abweichungen zwischen Steuerfestsetzung und -einnahmen sowie die Rückläufigkeit der Einnahmen sind umfangreiche Steuererlasse auf Groß­erbschaften und -schenkungen für Unternehmenserben. Auf Erwerbe mit einem Wert von über 26 Mio. Euro kann die zunächst festgesetzte Steuer von den Finanzämtern im Nachgang von selbigen per Bescheid wieder erlassen werden (sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung). Der Erlass wird jedoch in der Statistik nicht ausgewiesen. Die tatsächlichen Steuersätze auf Vermögen der Kategorie über 20 Mio. Euro sind also in der Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik nicht zu erkennen, aber in jedem Fall deutlich niedriger als die dort ausgewiesenen. Das Ergebnis einer Anfrage des Netzwerk Steuergerechtigkeit beim Statistischen Bundesamt zeigt, dass die festgesetzten Steuern seit dem Jahr 2021 systematisch von den tatsächlich gezahlten Steuern abweichen, da im Jahr 2020 erstmals diese noch recht neue Form der Steuererlasse ergangen sind.

Steuervergünstigung für Unternehmenserb:innen

Zum Hintergrund: Bereits seit 2009 können Erb:innen von Unternehmensvermögen Steuerbefreiungen von bis zu 100 % erhalten. Im Jahr 2014 hat das Bundesverfassungsgericht die Steuerausnahmen für Unternehmensvermögen als zu weitreichend und damit für verfassungswidrig erklärt. In seinem letzten Urteil (1 BvL 21/12) forderte das Gericht neben der Beseitigung massiver Gestaltungsmöglichkeiten, die auch die steuerfreie Übertragung von Privatvermögen ermöglichten, unter anderem, dass die weitreichenden Befreiungen für große und sehr große Unternehmensvermögen keinesfalls ohne die Bedürftigkeit des Erwerbers gelten dürfen. In Reaktion auf das Urteil hat der Gesetzgeber mit der Reform 2016 nachgebessert. So wurde eine Obergrenze für Steuerbefreiungen eingeführt. Für Unternehmensvermögen oberhalb von 26 Mio. bzw. 90 Mio. Euro dürfen die Befreiungsregelungen nicht mehr angewendet werden. Allerdings wurde im Gegenzug für diese Großvermögen die Möglichkeit eines hundertprozentigen Steuererlasses eingeführt (§ 28a Abs. 1 S. 1 ErbStG). Um den Erlass zu erhalten, müssen Erbende und Beschenkte nachweisen, dass sie kein Vermögen haben, aus dem sie die Steuerschuld begleichen könnten.

Allerdings wurde die Verschonungsbedarfsprüfung so ausgestaltet, dass mit steigendem übertragenen Unternehmenswert auch das Ausmaß der Begünstigung – sowohl relativ als auch absolut – zunimmt. Denn die Prüfung stellt lediglich auf das zum Übertragungs­stichtag vorhandene sogenannte nicht begünstigte Vermögen ab (§ 28 Abs. 2 ErbStG, unter anderem Privatvermögen). Etwaige Gewinne, die nach dem Übertragungsstichtag aus dem millionenschweren Familienunternehmen oder der Beteiligung am Großkonzern ausgeschüttet werden können, bleiben unberücksichtigt. Zudem lässt die Bedürftigkeitsprüfung Gestaltungen in erheblichem Ausmaß zu. So ist es etwa möglich, dass vor dem Übertragungsstichtag verfügbare Vermögen in begünstigtes Vermögen umzustrukturieren oder Großübertragungen gezielt auf „bedürftige“ Kinder und junge Erwachsene vorzunehmen, die kein Vermögen zur Begleichung der Steuer haben. Ebenso kann durch Übertragung des Vermögens auf eine vermögenslose Familienstiftung die Steuer umgangen werden – die Destinatäre der Stiftung, die die Unternehmensgewinne erhalten, müssen ihre „Bedürftigkeit“ für den Steuererlass nicht nachweisen.

Niedrige effektive Steuerbelastung für Großvermögen durch Steuererlasse

Eine Anfrage beim Statistischen Bundesamt ergab, dass im Jahr 2022 in 24 Fällen Steuern in Höhe von insgesamt 1,43 Mrd. Euro erlassen wurden. In diesen Fällen wurde ein begünstigtes Vermögen von schätzungsweise 5 Mrd. bis 6 Mrd. Euro2 übertragen. Die ursprünglich festgesetzte Steuer betrug laut Auskunft zunächst 1,68 Mrd. Euro, von der nach Erlass nur rund 250 Mio. Euro verblieben. Damit dürfte der effektive Steuersatz in diesen Fällen rund 4,5 % betragen haben. Hinter den Fällen können sowohl Einzelpersonen als auch Familienstiftungen stehen. Für das Jahr 2021 lagen erstmals Zahlen zur neuen Verschonung bei „Bedürftigkeit“ vor. Demnach erging im Jahr 2021 in zehn Fällen ein Erlassbescheid über insgesamt knapp 0,5 Mrd. Euro. Das übertragene Vermögen dürfte bei rund 1,5 Mrd. Euro gelegen haben und der effektive Steuersatz somit bei etwa 1,5 %.3 Zum Vergleich: 2013 und somit vor dem Urteil des Bundesverfassungs­gerichtes lag der effektive Steuersatz auf Übertragungen mit einem Wert von mehr als 20 Mio. Euro bei 2,8 % (allerdings auch unter Berücksichtigung nicht steuerlich begünstigter Vermögenstransfers).

Wie hoch die effektiven Steuersätze 2022 konkret waren, lässt sich anhand der mitgeteilten Steuererlasse allerdings nicht ermitteln, denn zwischen Steuerfestsetzung und Erlass besteht kein Gleichlauf. Auch das Statistische Bundesamt hat keine Informationen darüber, auf welches Festsetzungsjahr sich ein Steuererlass bezieht. Das bedeutet: Die Steuer auf die 24 Fälle, in denen 2022 ein Erlass ergangen ist, könnte bereits im Jahr 2020 oder 2021 festgesetzt worden sein. Zudem kann eine im Jahr 2022 festgesetzte Steuerschuld erst nach Ablauf des Jahres 2022 erlassen werden. Ein Vergleich der festgesetzten Steuern und der kassenmäßigen, also tatsächlichen Steuereinnahmen zeigt, dass der gewährte Erlass für das Jahr 2022 letztlich durchaus größer ausgefallen sein könnte als das Erlassvolumen der 24 Fälle. Die Differenz zwischen festgesetzter Steuer und tatsächlichen Einnahmen beträgt über 2 Mrd. Euro. In den Jahren vor der Erteilung nachträglicher Erlasse war die Bilanz zwischen Festsetzung und Einnahmen ausgeglichen (vgl. Tabelle 2).

Tabelle 2
Festgesetzte Erbschaftsteuer vs. Steuereinnahmen
  Festgesetzte Erbschaftsteuer in Mrd. Euro Kassenmäßige Steuereinnahmen in Mrd. Euro Differenz Steuereinnahmen und Festsetzung in Mrd. Euro
2022 11,4 9,23 -2,16
2021 11,1 9,82 -1,28
2020 8,5 8,60 0,10
2019 7,1 6,99 -0,11
2018 6,7 6,81 0,11
2017 6,3 6,11 -0,19
2016 6,8 7,01 0,21
2015 5,5 6,28 0,78
2014 5,4 5,45 0,05
2013 4,7 4,63 -0,07

Quelle: BMF, Kassenmäßige Steuereinnahmen und Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik.

Fakt ist: Ein Steuererlass von 1,4 Mrd. bis 2,1 Mrd. Euro wirkt sich stark auf die effektiven Steuersätze der Großübertragungen der aktuellen Jahre aus. Auch wenn die effektiven Steuersätze auf Großübertragungen nach der Reform im Ergebnis leicht gestiegen sein dürften, bleibt die Erbschaft- und Schenkungsteuer in Bezug auf Großvermögen stark regressiv. Das heißt: Sehr große Transfers, insbesondere gut planbare Schenkungen, werden niedriger besteuert als kleinere steuerpflichtige Vermögen oberhalb der persönlichen Freibeträge.

Steuersubventionen übersteigen Schätzungen des Subventionsberichtes

Die Steuerausnahmen für Unternehmenserb:innen sind laut Subventionsbericht der Bundesregierung dabei die größte aller Steuersubventionen. Seit 2009 wurde demnach auf Steuereinnahmen von mehr als 78 Mrd. Euro verzichtet (BMF, 2009, 2011, 2013, 2015, 2017, 2019, 2021, 2023c). Laut aktuellem Subventionsbericht aus dem Jahr 2023 belaufen sich die Steuerbefreiungen für Unternehmensübertragungen (§ 13a-c, § 28a ErbStG) im Jahr 2021 sowie die Folgejahre bis 2024 auf jeweils 4,5 Mrd. Euro (BMF, 2023c). Damit sind die Begünstigungen bei der Erbschaftsteuer zwar bereits die größte Steuersubvention in Deutschland, allerdings übersteigen die tatsächlichen Begünstigungen die Schätzung des Subventionsberichtes noch einmal deutlich.

Für die Schätzung des Subventionsberichtes wird üblicherweise die tatsächliche Subvention auf Grundlage der bereits vorliegenden Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik des vorvergangenen Jahres ermittelt – das wäre im Fall des aktuellen Berichtes die Steuerstatistik aus dem Jahr 2021. Die Nachfolgejahre werden auf dieser Basis geschätzt. Im aktuellen Bericht wurde aber die Statistik des Jahres 2020 zugrunde gelegt. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums aufgrund einer Umstellung in der Rechenmethodik. 2020 war das laut Steuerstatisik steuerbefreite Unternehmensvermögen allerdings nur etwa halb so groß, wie im Jahr 2021 und zudem lagen noch keine Steuererlasse vor. Für 2021 weist der neue Bericht also eine deutlich niedrigere Subvention aus, als aus der längst veröffentlichten Steuerstatistik 2021 tatsächlich hervorgeht (Destatis, 2022). Laut Statistischem Bundesamt wurde 2021 ein Unternehmensvermögen von rund 37 Mrd. Euro steuerlich freigestellt (§ 13a ErbStG). Bei einem unterstellten durchschnittlichen Steuersatz von rund 25 % sowie dem zusätzlichen Steuererlass von 450 Mio. Euro (§ 28a ErbStG) lag das Subventionsvolumen bei über 9 Mrd. Euro. Und auch für das Jahr 2022 (verschontes Vermögen in Höhe von 18 Mrd. zuzüglich Steuererlass von 1,5 Mrd. Euro) dürften die Subventionen mehr als 4,5 Mrd. Euro betragen haben.

Die Subventionen erhalten dabei fast ausschließlich Hochvermögende, da sich bei ihnen die Unternehmensvermögen konzentrieren (Schröder et al., 2020). Eine Sonderauswertung der Steuerstatistik der Jahre 2009 bis 2020 zeigt, dass ein erheblicher Anteil der steuerfreigestellten Vermögen nur wenigen Begünstigten zugutekommt. So erhielten 3.236 Personen (0,16 % aller Steuerfälle) mit den größten Erwerben (mindestens 20 Mio. Euro) etwa 64 % des gesamten begünstigten, weitergereichten Vermögens von insgesamt über 260 Mrd. Euro. Legt man den bei diesen hohen Übertragungen tariflich geltenden Steuersatz von mindestens 27 % zugrunde, wurde allein in diesen wenigen Fällen auf Steuereinnahmen von über 70 Mrd. Euro verzichtet. Die wenigen Begünstigten sind zu dem überwiegend männlich und nahezu ausschließlich in Westdeutschland ansässig. So erhielten Frauen nur etwa ein Drittel des gesamten steuerfreien Vermögens und nur 1,6 % davon bekamen Menschen in Ostdeutschland (Jirmann, 2022).

Rückläufige vermögensbezogene Steuereinnahmen

Während das jährliche Gesamtsteueraufkommen steigt (+7,5 % 2022 und +2,3 % 2023), sinken aktuell die Einnahmen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowohl absolut als auch relativ (-6,1 % 2022 und -3,5 % 2023). Deutschland hatte bereits in der Vergangenheit im Vergleich mit anderen OECD-Staaten ein besonders niedriges Aufkommen vermögensbezogener Steuern (OECD, 2023a). Ein rückläufiges Aufkommen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer könnte diesen Trend weiter verschärfen. Auch das Aufkommen der Grundsteuer, die ihrem Gegenstand nach zwar die einzige weitere Steuer auf Vermögen darstellt, aufgrund der Umlegbarkeit auf die Mieter ihrer Wirkung zufolge aber nur bedingt als solche angesehen werden kann, wächst weniger stark als das Gesamtsteueraufkommen (+2,0 % 2022, +2,0 % 2023). Im Ergebnis sind die erstens wenigen, zweitens ohnehin bereits niedrigen vermögensbezogenen Steuern in Deutschland aktuell drittens noch weiter rückläufig.

Bereits die OECD (als internationale Organisation von Industriestaaten) mahnt Deutschland in ihrem aktuellen Wirtschaftsbericht, diesen Trend umzukehren. Konkret wird vorgeschlagen, Steuern auf Arbeitseinkommen in Deutschland zu senken und im Gegenzug vermögensbezogene Steuern zu erhöhen (OECD, 2023b). Die Organisation kritisiert dabei insbesondere die Gestaltungsmöglichkeiten und Subventionen bei der Erbschaftsteuer, die zu einem stark regressiven Steuersatz führen. Zudem verweist die OECD auf die negativen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Subventionen für Unternehmenserb:innen.

Fazit

Aktuell beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht erneut mit den Steuerausnahmen für Unternehmensvermögen. Hintergrund ist eine Verfassungsbeschwerde zu der Frage, ob die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen von betrieblichen Vermögen gemäß §§ 13a, 13b, 13c, 19, 19a, 28a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes 2016 (ErbStG, 2016) und § 203 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit dem Grundgesetz vereinbar sind (1 BvR 804/22). Ob das Gericht die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung annimmt und in welchem Umfang es im Falle einer Annahme zu den Regelungen Stellung bezieht, ist noch offen.

Allerdings zeigt die Analyse, dass es unabhängig von der verfassungs­rechtlichen Beurteilung der aktuellen Regelungen, für eine Stärkung der Erbschaft- und Schenkungsteuer und damit der vermögensbezogenen Steuern durchaus fiskal- und gesellschaftspolitische Argumente gibt. Insbesondere könnte eine Stärkung der Steuer und der Umbau zu einer effektiv progressiven Steuer bei großen Vermögen dem weiteren Fortschreiten der in Deutschland im internationalen Vergleich sehr hohen Konzentration von Vermögen entgegenwirken (OECD, 2021). Rechtspolitisch empfiehlt es sich, die weitreichenden Steuerausnahmen für Unternehmensvermögen, die etwa im Hinblick auf die Beschäftigungs- und Investitionseffekte ohnehin kaum zu rechtfertigen sind und möglicherweise sogar zu wirtschaftlichen Verzerrungen sowie Lock-in-Effekten bei Investitionen, Beschäftigung, Management und Governance führen können (BMF, 2012; Grossmann und Strulik, 2010; OECD, 2021; Thiemann et al., 2021), durch langfristige Finanzierungshilfen (Stundung, Verrentung) zu ersetzen (Bach, 2022).

  • 1 Zwar werden derzeit in Deutschland jährlich etwa 300 bis 400 Mrd. Euro vererbt und verschenkt (Tiefensee und Grabka, 2017), aber nur rund ein Drittel des gesamten Transfervolumens wird von den Finanzämtern erfasst. Grund dafür sind zunächst die hohen persönlichen Freibeträge zwischen engen Verwandten, die sich alle zehn Jahre erneuern (500.000 Euro bei Ehepartnern/Lebenspartnern und 400.000 Euro bei Kindern). Denn dem Finanzamt müssen lediglich steuerpflichtige Erwerbe oberhalb der Freibeträge gemeldet werden. Möglicherweise kommt es zudem zu niedrigeren Bewertungen der Transfervermögen sowie zu Fällen von Steuerhinterziehung.
  • 2 Eigene Berechnungen ausgehend von einem geltenden Steuersatz von 30 % (§ 19 i.V.m. § 19a ErbStG).
  • 3 Gemäß persönlicher Korrespondenz lieferte die Finanzverwaltung dem Statistischen Bundesamt für 2020 erstmals Informationen zu abgeschlossenen Bedarfsprüfungen. Aufgrund der (noch) geringen Zahl der veranlagten Fälle wurde die Offenlegung sowohl der Zahl der Bedarfsprüfungen als auch des Verschonungsvolumens aufgrund des Steuergeheimnisses versagt.

Literatur

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BMF – Bundesministerium der Finanzen (2023a), Steuereinnahmen (ohne Gemeindesteuern) nach Steuerarten im gesamten Bundesgebiet, https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Steuerschaetzungen_und_Steuereinnahmen/2023-01-27-steuereinnahmen-4-vierteljahr-kalenderjahr-2022.pdf (27. November 2023).

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Thiemann, A., D. Ognyanova, E. Narazani, B. Palvolgyi, A. Kalyva und A. Leodolter (2021), Shifting the Tax Burden Away from Labour towards Inheritances and Gifts: Simulation Results for Germany, JRC Working Papers on Taxation and Structural Reforms, 16/2021, European Commission, https://joint-research-centre.ec.europa.eu/system/files/2022-01/jrc127424.pdf (27. November 2023).

Tiefensee, A. und M. Grabka (2017), Das Erbvolumen in Deutschland dürfte um gut ein Viertel größer sein als bisher angenommen, DIW Wochenbericht, 27/2017, https://www.diw.de/de/diw_01.c.560993.de/in_deutschland_werden_zwischen_2012_und_2027_bis_zu_400_milliarden_euro_pro_jahr_verschenkt_und_vererbt_werden_gut_ein_viertel_mehr_als_bisher_angenommen.html (27. November 2023).

Title:Declining Revenue from Inheritance and Gift Tax

Abstract:The current German inheritance and gift tax statistics for 2022 suggest rising tax revenues. However, the statistics are misleading, particularly for large estates, because a large proportion of the taxes assessed are subsequently remitted. This is due to extensive tax exemptions for corporate assets. On the one hand, the findings are important for the assessment of the latest inheritance tax reform, which may not meet the requirements of the Federal Constitutional Court. On the other hand, they show that wealth-related taxes are currently declining despite very high wealth inequality in Germany.

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© Der/die Autor:in 2024

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DOI: 10.2478/wd-2024-0015