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Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine – ja. Finanzielle Unterstützung für die Ukraine – noch nicht. Einerseits verabschiedete der Europäische Rat die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, andererseits blockierte der ungarische Ministerpräsident Victor Orbán die Verabschiedung der neuen Ukraine-Fazilität. Das ist das widersprüchliche Ergebnis des EU-Gipfels vom Dezember 2023. Das ungarische Veto bedeutet keineswegs das Aus für das Hilfspaket, sondern allenfalls eine zeitliche Verzögerung. Bei einem bereits terminierten Sondergipfel des Europäischen Rats am 1. Februar 2024 wird das neue Ukraine-Hilfspaket auf jeden Fall verabschiedet werden. Entweder mit der Zustimmung Ungarns oder die EU wird sich auf einen Alternativplan ohne Beteiligung Ungarns verständigen, der die Schaffung der Ukraine-Fazilität in Form einer intergouvernementalen Zusammenarbeit ermöglichen wird.

Im Dezember stand also nicht das „Ob“ zusätzlicher europäischer Hilfsgelder an die Ukraine zur Debatte, sondern nur noch das „Wie“. Um die Unterstützung der Ukraine für die Jahre 2024 bis 2027 auf sichere Beine zu stellen, haben sich 26 Staats- und Regierungschefs darauf verständigt, eine neue Fazilität mit einem Finanzvolumen von insgesamt 50 Mrd. Euro zu schaffen (17 Mrd. Euro als nicht rückzahlbare Finanzhilfen und 33 Mrd. Euro in Form von Darlehen). Die EU wird hierfür Kredite aufnehmen, die sie zu günstigen Konditionen an die Ukraine weiterreicht und über den EU-Haushalt absichert. Die von der EU bereitgestellten Kredite sollen zwar über die vereinbarten Obergrenzen des Finanzrahmens der EU hinausgehen; dennoch bliebe die Fazilität ein Bestandteil des europäischen Budgets. Damit diese Unterstützung ausgezahlt werden könnte, müsste die ukrainische Regierung in enger Abstimmung mit der EU-Kommission zunächst einen nationalen Umsetzungsplan erarbeiten. Die europäischen Hilfen würden nur auf der Grundlage dieses Plans bereitgestellt und die EU-Kommission würde Ziele, Mittelverwendung und Zeitplan zur Umsetzung des Plans kontinuierlich kontrollieren. Voraussetzung für die Bereitstellung der europäischen Gelder wären der Aufbau eines Prüfungs- und Kontrollsystems und die Schaffung eines unabhängigen Prüfungs­ausschusses für die Überwachung der Mittelverwendung in der Ukraine. Die europäischen Fördergelder werden nur ausgezahlt, wenn Fortschritte der Ukraine auf ihrem Weg des Wiederaufbaus und der Modernisierung sowie tiefgreifende Reformen der öffentlichen Verwaltung und bei der Korruptions- und Betrugsbekämpfung erkennbar sind.

Zum einen würde die Einbindung der Ukraine-Fazilität in den EU-Haushalt die Beteiligung aller Mitgliedstaaten an der Finanzierung der Fazilität bedeuten. Zum anderen gewährleistet eine Einbeziehung der EU-Organe (EU-Kommission, Europäisches Parlament und Europäischer Rechnungshof) in die Umsetzung der Fazilität die gemeinsame Überwachung der effizienten Verwendung der europäischen Hilfsgelder. Darüber hinaus beschleunigt dies die Heranführung der Ukraine an die komplexen Mechanismen und die schwierigen Gepflogenheiten der Abstimmung mit und der Überwachung durch die EU-Kommission. Die Erstellung des nationalen Umsetzungsplans und die Verhandlungen mit der EU-Kommission könnten für die ukrainische Regierung einen größeren Lern- und Annäherungsprozess bedeuten, als dies in Beitrittsverhandlungen der Fall wäre. Umgekehrt könnte die EU (und insbesondere die EU-Kommission) mehr über die internen Probleme und Hemmnisse für eine effiziente Gestaltung des Heranführungsprozesses in der Ukraine erfahren. Die eher technische Frage hat also eine durchaus politische Bedeutung für die Annäherung der Ukraine an die politischen Prozesse und Strukturen in der EU.

Das intergouvernementale Alternativmodell einer Ukraine-Fazilität außerhalb des EU-Haushalts könnte hingegen zu weiteren Verzögerungen und zu einem weniger aufmerksamen Monitoring der Mittelverwendung in der Ukraine führen. Ein Abkommen zwischen den 26 Mitgliedstaaten und der Ukraine müsste in allen nationalen Parlamenten ratifiziert werden. Dies würde vorhersehbar zu weiteren Verzögerungen führen und es ist unklar, ob die Ukraine noch über genügend Zeit und über entsprechende finanzielle Ressourcen verfügt – insbesondere, wenn die Hilfen aus den USA ausbleiben. Die parlamentarische Ratifizierung eines solchen Abkommens wäre in einigen Mitgliedstaaten auch kein Selbstläufer. Zugleich muss geprüft werden, ob und wie die EU-Organe (EU-Kommission oder auch der Europäische Rechnungshof) in die Umsetzung einer Ukraine-Fazilität außerhalb der europäischen Verträge eingebunden werden können.

Im Februar wird der Europäische Rat also nicht nur über die Schaffung der Ukraine-Fazilität entscheiden, sondern auch über die Ernsthaftigkeit der Beitrittsperspektive für die Ukraine.

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© Der/die Autor:in 2024

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DOI: 10.2478/wd-2024-0002