Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Dieser Beitrag ist Teil von Reformoptionen der gesetzlichen Rentenversicherung

Fragt man ChatGPT danach, welche Reformen notwendig sind, damit die Alterssicherung in Deutschland langfristig auskömmlich und finanzierbar bleibt, statuiert die KI zunächst einmal, dass es sich hierbei um eine komplexe Aufgabe handelt, die verschiedene Aspekte berücksichtigen muss. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) benennt dies in seinem aktuellen Jahresgutachten selbstverständlich deutlich konkreter und weist auf den Zielkonflikt hin, dem sich die Rentenpolitik in Deutschland dringend stellen muss: den Zielkonflikt zwischen einer angemessenen Alterssicherung und deren nachhaltiger Finanzierbarkeit, um letztlich eine ständig steigende Belastung jüngerer und zukünftiger Erwerbspersonen zu verhindern (SVR, 2023).

Anschließend generiert der Chatbot auf die Anfrage hin folgende mögliche Ansätze, die als Reformmaßnahmen in Betracht gezogen werden könnten: Anpassung und Flexibilisierung des Renteneintrittsalters, Förderung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge, Integration von kapitalgedeckten Elementen, Anpassung der Beitragsbemessungsgrenze, Einbindung von Selbstständigen, Überprüfung der Rentenformel, eine flexiblere Berücksichtigung von Erwerbsverläufen, Maßnahmen zur Prävention von Altersarmut sowie Investitionen in Bildung und lebenslanges Lernen. Viele dieser Reformoptionen finden sich so oder in ähnlicher Form in verschiedenen Gutachten der vergangenen Jahre wieder (z. B. Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, 2020; Wissenschaftlicher Beirat beim BMWi, 2021; Sozialbeirat, 2022; SVR, 2023). Die KI wurde also scheinbar mit den entsprechenden Informationen trainiert. Zuletzt ergänzt der Chatbot den Hinweis, es sei bei diesen Reformüberlegungen wichtig zu beachten, dass eine nachhaltige Rentenreform einen breiten gesellschaftlichen Konsens erfordert. Verschiedene Interessengruppen müssen sorgfältig eingebunden werden, um eine erfolgreiche Umsetzung zu gewährleisten.

Worauf der Chatbot allerdings nicht hinweist, was der SVR in seinem Jahresgutachten aber sehr deutlich herausarbeitet, sind die Anmerkungen, dass es kurz- und langfristige Wirkungen und Entlastungseffekte der verschiedenen Reformoptionen gibt und dass einzelne Maßnahmen nicht ausreichen werden, sondern die ausgeprägten Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) vielmehr eine Bündelung mehrerer Ansätze erforderlich macht (SVR, 2023).1

Im Folgenden soll es allerdings nicht darum gehen, wie ausgeprägt die Finanzierungsprobleme in der GRV sind, sondern vielmehr um das Ausloten von Möglichkeiten der ergänzenden kapitalgedeckten Altersvorsorge. Eine Reformoption, welche im Jahr 2023 sowohl die von der Bundesregierung eingesetzte Fokusgruppe private Altersvorsorge als auch der SVR in seinem Jahresgutachten ausführlich diskutiert haben, ist der Ausbau der kapitalgedeckten Altersvorsorge als Ergänzung der GRV (Fokusgruppe private Altersvorsorge, 2023; SVR, 2023).

Reformbedarf bei der Riester-Rente

Reformbedarf gibt es insbesondere bei der Riester-Rente, die 2001 eingeführt wurde. Sie sollte die damaligen Rentenkürzungen durch eine mit Zulagen und Steuervergünstigungen staatlich geförderte und privat finanzierte Zusatzversorgung kompensieren. Für viele Sparer:innen war das Modell zunächst verlockend und so wurden insgesamt mehr als 16 Mio. Riester-Verträge verkauft. Die Einführung von Steuern auf die Auszahlung der bis dato beliebten klassischen Lebensversicherung ab 2005 trug ihren Teil zur Verbreitung der Riester-Rente bei. Seit Jahren stagniert diese nun aber. Als angebotsseitige Hemmnisse sind zu nennen die Marktintransparenz und hohe Verwaltungs- und Abschlusskosten, die Produktkomplexität durch Förderverfahren, schlechte Beratung, eine hohe unterstellte Lebenserwartung, die Überschussverteilung, die Doppelverbeitragung bei Entgeltumwandlung und die Starrheit der Verträge aufgrund von Beitragsgarantie und einer lebenslangen Rentenzahlung (unter anderem Geyer et al., 2021). Nachfrageseitige Hemmnisse für die Verbreitung sind geringe Finanzkenntnisse und fehlende Vorsorgeplanung, die Unklarheit bei der staatlichen Förderung, die Ungewissheit bei Erwartungen über die Rentenhöhe, eine Fehleinschätzung der persönlichen Lebenserwartung, fehlendes Vertrauen in die Produkte und eine fehlende Akzeptanz der Reform (unter anderem Haupt, 2014; Bode und Lüth, 2018; Haupt et al., 2018; Geyer et al., 2021; Nullmeier, 2021). Eine Reform der privaten Altersvorsorge wird daher allgemein als dringlich angesehen, ist in den letzten beiden Legislaturperioden aber jeweils gescheitert.

Empfehlungen der Fokusgruppe private Altersvorsorge

Konkret hat die Fokusgruppe private Altersvorsorge im ersten Halbjahr 2023 nach dem Einsetzungsbeschluss der Bundesregierung die Prüfaufträge des Koalitionsvertrages zum Angebot eines öffentlich verantworteten Fonds sowie zur gesetzlichen Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester geprüft und bewertet. Mit dem Ziel einer breiten Beteiligung relevanter Akteure gehörten der Fokusgruppe private Altersvorsorge sechs Vertreter:innen des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und sechs Wissenschafler:innen an. Zudem wurden sieben Vertreter von Interessenverbänden in die Fokusgruppe berufen; zwei Vertreter:innen der Sozialpartner (Arbeitgeber, Gewerkschaften), zwei Vertreter:innen von Anbieterverbänden (Versicherungen, Investmentfonds), zwei Vertreter:innen von privat Vorsorgenden (Verbraucherverband, Stiftung Warentest) und eine Vertretung der betrieblichen Altersvorsorge (aba).

Wie Roth (2024) darlegt, bilden neun zentrale Empfehlungen den Kern des Abschlussberichts der Fokusgruppe private Altersvorsorge, welche ganz überwiegend die Fortentwicklung der geförderten privaten Vorsorge betreffen. Nur die neunte Empfehlung betrifft bestehende Riester-Verträge. Die Zielgruppe wird dahingehend beschrieben, dass für breite Bevölkerungsgruppen eine Lebensstandardsicherung erfolgen soll. Empfohlen wird Einfachheit, d. h. eine einfache, transparente und leichter erklärbare geförderte private Altersvorsorge. Hinsichtlich der Fördersystematik empfiehlt die Fokusgruppe besonders hohe Förderquoten für untere Einkommensgruppen, junge Menschen, Eltern von Kindern oder jungen Erwachsenen in Ausbildung durch besser nachvollziehbare Zulagenformen, eine vereinfachte Kinderzulage, einen Ausbau des Berufseinsteigerbonus sowie eine Anpassung des Höchstbetrages. Zu Rendite, Risiken und Garantien empfiehlt die Fokusgruppe, dass Garantieanforderungen entfallen bzw. reduziert werden. Produkte mit Garantie sollen aber weiter angeboten werden können. Zu den Kosten hält die Fokusgruppe fest, dass Vergleichbarkeit und Transparenz der Kosten durch die verbindliche Angabe der Renditeminderung durch Kosten gewährleistet werden soll. Zur Zertifizierung regt die Fokusgruppe ein erweitertes Zertifizierungsverfahren an, möglicherweise per Ausschreibung unter Berücksichtigung qualitativer und quantitativer Kriterien (unter anderem Risikodiversifikation, Kosten, Garantien). Zu Transparenz, Digitalisierung und Beratung empfiehlt die Fokusgruppe die Ausweisung aller Kosten nach der PRIIPS-Verordnung2, eine Beratung zu Beginn der Ansparphase und vor Beginn der Auszahlungsphase. Das Angebot der säulenübergreifenden „Digitalen Rentenübersicht“ kann zudem zur Information der Altersvorsorgenden beitragen. Zur Auszahlungsphase empfiehlt die Fokusgruppe, auf eine verpflichtende Absicherung des Langlebigkeitsrisikos zu verzichten, zum Riester-Bestand, dass auch dieser von Änderungen gesetzlicher Grundlagen profitieren können sollte, die Änderung der Verträge aber im Konsens der Vertragspartner erfolgen solle.

Das Modell eines öffentlich verantworteten Fonds, auf den die Altersvorsorgenden über ihren Arbeitgeber voreingestellt werden und bei dem eine Abwahlmöglichkeit besteht, soll hingegen nach kontroverser Diskussion unter den Mitgliedern der Fokusgruppe in dieser Legislaturperiode nicht weiterverfolgt werden. Wie Roth (2024) beschreibt, hatten fünf Mitglieder, darunter das BMWK und der vzbv, für das Modell votiert, zwei Mitglieder hatten sich enthalten und 12 Mitglieder hatten ein negatives Votum abgegeben. Dieses Ergebnis war aufgrund der Zusammensetzung der Gruppe nicht verwunderlich, schließlich hatten sich die Interessenvertreter bereits im Vorfeld überwiegend gegen einen solchen öffentlich verantworteten Fonds gewandt; kritisch bzw. eindeutig ablehnend äußerten sich fünf von sechs stellungnehmenden Verbänden. Unter den Sozialpartnern (Arbeitgeber und Gewerkschaften) sowie den Anbietern (Investmentfonds und Versicherungen, im weiteren Sinne auch die aba) war dies sogar einhellige Meinung.

Reformvorschlag des SVR

In seinem Jahresgutachten aus dem November 2023 arbeitet der SVR im fünften Kapitel mit der Überschrift „Alterungsschub und Rentenreformen“ auf mehr als 100 Seiten heraus, inwiefern die Alterung in Deutschland die Rentenfinanzen unter Druck setzt, wie sich die Ausgangslage, d. h. die Finanzierungsprobleme in der Altersvorsorge, gestaltet und welche Maßnahmen im Sinne von Reform­optionen für die GRV ergriffen werden sollten. Zusätzlich formuliert das Expert:innengremium einen Vorschlag für die Reform der kapitalgedeckten Altersvorsorge, die verbindlicher und einfacher werden muss als bisher und so gestaltet sein muss, dass sie höhere Renditen und niedrigere Kosten erwarten lässt. In einem Gastbeitrag in der ZEIT vom Juli 2023 fordern vier Ratsmitglieder einen „Staatsfonds für Deutschland“ (Grimm et al., 2023). Im Jahresgutachten wird diese Handlungsoption genauer ausformuliert als öffentlich verwalteter, stark aktienbasierter Fonds mit breiter Diversifizierung. Alle Personen würden dabei automatisch einbezogen werden (Auto-Enrolment), jedoch die Möglichkeit erhalten, nicht teilzunehmen (Opt-out). Der Fonds würde dabei als Standard-Anbieter (Default) mit privater Konkurrenz agieren und könnte aufgrund der voraussichtlichen Größe mit geringen Kosten je Versichertem agieren.

In dieser Funktion könnte er auch für die betriebliche Altersversorgung geöffnet werden. Bestehende Riester-Verträge könnten Bestandsschutz erhalten und entweder in der aktuellen Form fortgeführt oder auf freiwilliger Basis ohne Verlust der Förderung in das neue System überführt werden. Zudem kann ein individueller Hinterbliebenenschutz angeboten werden (SVR, 2023).

Die Weiterführung einer allgemeinen Förderzulage wie bei Riester-Verträgen kann die höhere Belastung durch den zusätzlichen Beitragssatz vor allem bei niedrigen Einkommen dämpfen. Bei höheren Einkommen besteht schon jetzt oft eine ergänzende Altersvorsorge, die entweder alternativ zur vorgeschlagenen Kapitaldeckung weitergeführt werden kann oder durch diese ersetzt würde. Daher wären hier nur geringe bis gar keine zusätzlichen Belastungen zu erwarten. Vorgeschlagen wird eine Sparquote von 4 % der beitragspflichtigen Bruttolöhne, vergleichbar zur Riester-Rente. Die Auszahlung könnte ebenfalls analog zur aktuellen Riester-Regelung in Form einer Annuität oder einer Kombination aus Annuität und Einmalzahlung erfolgen (SVR, 2023). Bei der Ausgestaltung des öffentlich verwalteten Fonds wird auf das viel zitierte schwedische Vorbild der stark aktienbasierten Prämienrente verwiesen, die zeitlich parallel zur Riester-Rente eingeführt wurde, mehrere Finanzkrisen erfolgreich überstanden hat und heute eine breite Unterstützung in der Bevölkerung genießt (Haupt und Kluth, 2013; Grimm et al., 2023).

Der Reformvorschlag zur ergänzenden kapitalgedeckten Altersvorsorge bleibt allerdings selbst innerhalb des Rates nicht ohne Einwände. Ein Mitglied des Rates, Achim Truger, lehnt den Vorschlag ab. Er konstatiert, dass beim vorgeschlagenen Modell mehrere Probleme der ergänzenden kapitalgedeckten Altersvorsorge vernachlässigt würden, die letztlich dazu führen könnten, dass das in Aussicht gestellte hohe Sicherungsniveau verfehlt oder auf Kosten der jüngeren Generationen erreicht würde. Erstens müsse damit gerechnet werden, dass die Rendite und damit das für die ältere Bevölkerung zur Verfügung stehende Vermögen nicht so groß ausfallen wird, wie in den Simulationsrechnungen erwartet. Schließlich müssen für die Vergangenheit ermittelte Renditen nicht für die Zukunft gültig sein. Und zweitens sei unsicher, ob die durch das Fondsvermögen repräsentierten zusätzlichen Ansprüche der älteren Bevölkerung auf das BIP zukünftig tatsächlich eingelöst werden können. Ein wachstumsfördernder Effekt der Kapitaldeckung über höhere Kapitalakkumulation sei unwahrscheinlich und die Aussichten auf die notwendigen höheren Importe seien unsicher (SVR, 2023).

Die schwedische Prämienrente als Blaupause

Sowohl im Rahmen der Diskussionen der Fokusgruppe private Altersvorsorge als auch im Jahresgutachten des SVR wurde als mögliche Blaupause für einen öffentlich verwalteten Fonds auf das schwedische Modell der Prämienrente verwiesen. In der Fokusgruppe private Altersvorsorge wurde zudem das schwedische Vorbild für die Ausgestaltung eines erweiterten Zertifizierungsverfahrens in Deutschland diskutiert. Sowohl die schwedische Prämienrente als auch das dortige reformierte Zertifizierungsverfahren werden daher nachfolgend dargelegt.

In Schweden wurde die gesetzliche Alterssicherung im Rahmen der Rentenreform von 1998 zu einem beitragsorientierten Mischsystem umgebaut, bestehend aus einer größeren umlagefinanzierten Komponente (Einkommensrente) und einem kleineren kapitalgedeckten Element (Prämienrente). 16 % des rentenbegründenden Einkommens fließen in die Umlagefinanzierung, weitere 2,5 % in die Kapitaldeckung. Der von den Arbeitnehmer:innen abzuführende Teil dieser Beiträge wird mit der individuellen Einkommensteuerschuld verrechnet. Flankiert wird die staatliche Alterssicherung durch eine bedürftigkeitsgeprüfte Garantierente. Das schwedische Prämienrentensystem ist kein Fonds mit Abwahlmöglichkeit, sondern eine verpflichtende Teilkomponente des gesetzlichen Rentensystems. Gleichwohl könnten hieraus Elemente auf einen Fonds mit Abwahlmöglichkeit übertragen werden. Auf das gesetzliche Rentensystem aufbauend erfolgen in Schweden in der Regel Leistungen aus der betrieblichen Altersvorsorge, da über vier zentral vereinbarte Versorgungswerke nahezu alle Arbeitnehmer:innen erfasst sind. Ergänzend kann auch privat für das Alter vorgesorgt werden, z. B. über eine Kapitallebensversicherung oder Wohneigentum, dies wird allerdings nicht steuerlich gefördert (Haupt und Kluth, 2013; Hagen, 2017; Fokusgruppe private Altersvorsorge, 2023).

Die Investitionsentscheidung trifft bei der Prämienrente grundsätzlich der Versicherte, der gemäß seiner individuellen Risikopräferenz aus einem Pool von derzeit etwa 450 behördlich zugelassenen Fonds bis zu fünf Fonds auswählen kann. Durch das Obligatorium im Prämienrentensystem erfolgt für den Fall, dass der Versicherte keine individuelle Anlageentscheidung trifft, automatisch eine Investition der Beiträge in einen Standardfonds (AP7 Såfa), der durch eine staatliche Behörde (AP7) verwaltet wird. AP7 Såfa existiert dabei nicht als eigenständiger Fonds, sondern ist vielmehr eine Mischung aus den beiden durch die Behörde verwalteten Aktien- und Rentenfonds, die in ihrer Kombination an das Alter des Versicherten angepasst werden, um eine altersadäquate Risikostruktur zu realisieren (Lebenszyklusfonds). Die Vermögenswerte der Prämienrente belaufen sich aktuell auf umgerechnet 178 Mrd. Euro. Insgesamt wird in den privaten Fonds mehr Kapital angelegt (55 %) als im staatlichen AP7 Såfa (45 %). Etwa 65 % der Altersvorsorgenden sparen derzeit im AP7 Såfa, allerdings mit größerer Wahrscheinlichkeit nicht ausschließlich, da dieser auch mit anderen Produkten kombiniert werden kann. Der jährliche Zufluss in das Prämienrentensystem beträgt ca. 3,6 Mrd. Euro von mehr als 8 Mio. Altersvorsorgenden. Für das Jahr 2040 werden Vermögenswerte von umgerechnet ca. 357 Mrd. Euro prognostiziert (Fokusgruppe private Altersvorsorge, 2023).

Nach einer Reihe von Finanzskandalen, die eine intensive Debatte über die angemessene Ausgestaltung des Prämienrentensystems und die Verhinderung künftigen Betrugs im kapitalgedeckten Element ausgelöst hatten, wurden 2017 vom Parlament strengere Zulassungs- und Betriebsanforderungen für Fondsanbieter verabschiedet. 2019 wurden schließlich konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Prämienrente erarbeitet, unter anderem die Einführung einer Behörde zur Fondsbeschaffung und -vermittlung, eine Reduzierung der angebotenen Fonds von derzeit etwa 450 auf ca. 150 bis 200 und eine Schaffung von mehr Möglichkeiten, verschiedene Risikoniveaus und Anlageformen in der staatlichen Alternative AP7 zu wählen. Mitte 2022 wurde schließlich der gesetzliche Rahmen für die Swedish Fund Selection Agency geschaffen, die zukünftig die Prüfung und Auswahl der zugelassenen Fonds im Prämienrentensystem anhand qualitativer und quantitativer Kriterien vornehmen wird. Das Gebührenmodell zur Verwaltung der Prämienrente war bisher ein eher komplexes Rabattsystem und wird zukünftig vereinfacht. Dann werden pro Fonds von den Anbietern einmalig umgerechnet ca. 1.500 Euro Grundgebühr für die Verfahrensteilnahme und anschließend eine jährliche Verwaltungsgebühr von 0,5 Basispunkten (0,005 % des verwalteten Vermögens) für passiv gemanagte Fonds und 1,5 Basispunkten (0,015 % des verwalteten Vermögens) für aktiv gemanagte Fonds fällig. Die Fondsgebühren für die Altersvorsorgenden werden im Fondsvertrag mit der Behörde vereinbart. Die Diskussion im Rahmen der Fokusgruppe konnte herausstellen, dass die Fondsgebühren für die schwedischen Altersvorsorgenden damit deutlich geringer als in Deutschland sind. Allerdings übernimmt die schwedische Agentur auch Aufgaben (z. B. die Zuordnung der Fondsanteile auf Anlegende und Informationspflichten), die in anderen Ländern üblicherweise von Anbietern getragen werden müssen. Die Agentur arbeitet ohne Gewinnerzielungsabsicht. Aus der Größe des Fonds ergeben sich Skaleneffekte. Zudem ist die schwedische Prämienrente obligatorischer Teil der ersten Säule. Wesentliche Glieder der Wertschöpfungskette freiwilliger Vorsorge fallen damit weg. Ein Obligatorium trägt zu den dargestellten niedrigen Kosten bei. Diskutiert wurde, ob für eine Reform der privaten Altersvorsorge in Deutschland das schwedische Beispiel einer zentralen Zulassung der privaten Fonds übertragen werden könnte, um Kosten für Altersvorsorgende zu begrenzen (Fokusgruppe private Altersvorsorge, 2023).

Diskussion um einen Staatsfonds bleibt auf der politischen Agenda

Die Einrichtung eines öffentlich verantworteten Fonds ist entsprechend des Abschlussberichts der Fokusgruppe private Altersvorsorge für diese Legislaturperiode nicht zu erwarten. Gleichwohl bleibt die Diskussion um einen Staatsfonds nicht nur aufgrund der Minderheitsvoten (BMWK, vzbv) und der Stellungnahme des SVR auch zukünftig auf der politischen Agenda. Einerseits wird ein solcher Fonds vom Koalitionsvertrag für die neue Landesregierung in Hessen vorgesehen, der ein entsprechendes Engagement auf Bundesebene fordert (CDU Hessen und SPD Hessen, 2023). Andererseits sieht auch das neue Grundsatzprogramm der CDU die Einführung einer verpflichtenden kapitalgedeckten Altersvorsorge vor; für Menschen mit geringem Einkommen sind staatliche Zuschüsse geplant (CDU, 2024). Internationale Vorbilder wie die schwedische Prämienrente, aber auch das Konzept der Extrarente des vzbv oder das Modell des Staatsfonds des SVR bleiben damit für die weitere rentenpolitische Diskussion um einen möglichen Ausbau kapitalgedeckter Altersvorsorge als Ergänzung des Rentensystems relevant.

  • 1 Thiede (2024) greift dieses Narrativ der Gefährdung der Finanzierbarkeit der GRV durch die steigende Zahl älterer Menschen bei gleichzeitigem Rückgang der Zahl der Jüngeren auf. Im historischen Kontext zeigt er jedoch, dass der mit dem Rentenzugang der Babyboomer zu erwartende Anstieg der demografischen Belastung in der GRV geringer ist als Belastungsanstiege, die in der Vergangenheit bewältigt wurden, ohne dass dies die Funktionsfähigkeit der GRV infrage gestellt hätte. Der wesentliche Grund sei, dass die Alterssicherung nicht nur von der Demografie, sondern auch von anderen ökonomischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und hier insbesondere vom Arbeitsmarkt geprägt ist.
  • 2 PRIIPs steht für Packaged Retail and Insurance-based Investment Products. Beispiele für PRIIPs im deutschen Markt sind kapitalbildende Lebensversicherungen mit Überschussbeteiligung (laufende Prämienzahlung oder Einmalbetrag) und aufgeschobene private Rentenversicherungen als Kapitalanlageprodukt mit Überschussbeteiligung (gegen laufende Prämienzahlung oder Einmalbetrag). Basisinformationsblätter sollen Verbraucher:innen dabei unterstützen, Versicherungsanlageprodukte zu vergleichen.

Literatur

Bode, I. und R. Lüth (2018), Der unruhige Blick nach vorn. Zukunftsangst und Institutionenskepsis im Lichte neuerer empirischer Befunde, in S. Betzelt und I. Bode (Hrsg.), Angst im neuen Wohlfahrtsstaat, Nomos, 369-398.

CDU (2024), In Freiheit leben – Deutschland sicher in die Zukunft führen. Grundsatzprogramm der CDU Deutschlands.

CDU Hessen und SPD Hessen (2023), Eine für alle. Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD für die 21. Legislaturperiode 2024 – 2029.

Fokusgruppe private Altersvorsorge (2023), Abschlussbericht.

Geyer, J., M. M. Grabka und P. Haan (2021), 20 Jahre Riester-Rente – Private Altersvorsorge braucht einen Neustart, DIW Wochenbericht, 40/2021, 667-673.

Grimm, V., U. Malmendier, M. Schnitzer und M. Werding (2023), Ein Staatsfonds für Deutschland, DIE ZEIT, 32, 25.

Hagen. J. (2017), Pension principles in the Swedish pension system, Scandinavian Economic History Review, 65(1), 28-51.

Haupt, M. (2014), Konsumentensouveränität im Bereich privater Altersvorsorge. Informationen und Institutionen, Nomos.

Haupt, M. und S. Kluth (2013), Take a chance on me: Can the Swedish premium pension serve as a role model for Germany’s Riester scheme?, MEA Discussion Paper, 01-2013.

Haupt, M., W. Sesselmeier und A. Yollu-Tok (2018), Ungeklärte Diskrepanzen. Der verhaltensökonomische Blick auf die Altersvorsorge, in S. Betzelt und I. Bode (Hrsg.), Angst im neuen Wohlfahrtsstaat, Nomos, 341-368.

Nullmeier, F. (2021), The Failure of a Welfare Market: State-Subsidized Private Pensions Between Economic Developments and MediaDiscourses, in C. Ledoux, K. Shire und F. van Hooren (Hrsg.), The Dynamics of Welfare Markets: Private Pensions and Domestic/Care Services in Europe, Palgrave Macmillan, 133-161.

Roth, M. (2024), Zur Reform der zusätzlichen Alterssicherung. Vorschläge und Optionen im Spiegel des Abschlussberichts der Fokusgruppe private Altersvorsorge, im Erscheinen.

Sozialbeirat (2022), Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2022, zum Vierten Bericht zur Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre sowie zur Kapitaldeckung in der Altersvorsorge, Gutachten.

SVR – Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2023), Jahresgutachten.

Thiede, R. (2024), Demografischer Wandel und Rentenversicherung: Eine unendliche Geschichte, Sozialer Fortschritt, 73(1), 47-54.

Wissenschaftlicher Beirat beim BMF (2020), Der schwierige Weg zu nachhaltigen Rentenreformen, Gutachten.

Wissenschaftlicher Beirat beim BMWi (2021), Vorschläge für eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung, Gutachten.

Title:Current Debates on the Expansion of Funded Pension Provision to Supplement the Pension System in Germany

Abstract:Germany faces complex challenges in ensuring adequate pensions and the financial sustainability of its pension system amid demographic aging, necessitating comprehensive reforms. The Focus Group on Private Pensions has proposed measures to reform the private Riester pension scheme, advocating, for example, the enhancement of simplicity, transparency and flexibility. Additionally, it has debated the introduction of a state-mandated fund. The German Council of Economic Experts has also proposed a state-mandated fund with automatic enrollment and an opt-out option. However, the proposal faces skepticism and is widely debated. Despite this, the discussion on a state-mandated fund remains relevant, with political party initiatives even considering mandatory funded pensions.

Beitrag als PDF

© Der/die Autor:in 2024

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2024-0028

Fachinformationen über EconBiz

EconBiz unterstützt Sie bei der Recherche wirtschaftswissenschaftlicher Fachinformationen.