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Im Zuge der COVID-19-Pandemie und des Überfalls von Russland auf die Ukraine nahmen die Rohstoffpreise seit etwa 2020 stark zu (Eurich, 2022). Den stärksten Anstieg verzeichneten die Energierohstoffe (insbesondere die Preise für Erdgas und Kohle), wodurch der HWWI-Rohstoffpreisindex stark anstieg (vgl. Abbildung 1). Der HWWI-Rohstoffpreisindex gewichtet die wichtigsten Rohstoffpreise anhand der durchschnittlichen Importe der OECD-Länder in den Jahren 2017 bis 2019. Daneben kam es auch bei den Industriemetallen zu starken Preisanstiegen (beispielsweise bei Aluminium, Kupfer, Nickel, Zinn und Zink). Bei den Nahrungs- und Genussmitteln sind es vereinzelte Rohstoffe, wie Weizen, Gerste, Mais, Öle, Kaffee, Soja oder Zucker, die zu einem Anstieg des Index führten. Ab Mitte 2022 normalisierten sich viele Rohstoffpreise tendenziell. Die Preise für Energierohstoffe sind seitdem wieder deutlich gesunken. Sie liegen aber immer noch deutlich über dem Niveau vor dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie, in etwa auf der Höhe des Wertes von vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine.

Abbildung 1
Entwicklungen des HWWI-Rohstoffpreisindex und der Subindizes
Entwicklungen des HWWI-Rohstoffpreisindex und der Subindizes

Quelle: HWWI (2024); 2017-2019 Importgewichtung; eigene Darstellung.

Eine vergleichbare Entwicklung zeigt sich auch bei den Industrierohstoffen, die zwar ebenfalls gesunken sind, aber sich oberhalb des Vorpandemie-Niveaus stabilisiert haben. Auch der Index für Nahrungs- und Genussmittel ist im Zuge der beiden Krisen deutlich angestiegen, wenn auch bei Weitem nicht so extrem wie der Index für Energie- oder Industrierohstoffe. Zwar ist auch hier der Preisindex seit Mitte 2022 rückläufig; der Rückgang des Preisindex ist hier aber deutlich weniger ausgeprägt.

Am aktuellen Rand lässt sich ein leichter Abwärtstrend des HWWI-Rohstoffpreisindex im letzten Quartal erkennen. So lag der Index Anfang November bei ca. 184 und befindet sich Ende Januar bei ca. 175, was insbesondere auf die fallenden Erdgaspreise zurückzuführen ist. Zwar sind auch die Erdölpreise gefallen; allerdings ziehen diese seit Beginn des Jahres 2024 wieder an. Eine andere Tendenz zeigt sich zuletzt bei den Industrierohstoffen. Hier ist der Index von 118 Punkten Anfang November auf 126 gestiegen, insbesondere durch Preisanstiege bei Stahl, Eisenerz, Kupfer sowie im Bereich der agrarischen Rohstoffe. Diese Preisanstiege sind vor allem auf die Verknappung des Angebots (z. B. Produktionsstopp bei Kupferminen) bei gleichzeitig steigender Nachfrage zurückzuführen. Der Index für Nahrungs- und Genussmittel sinkt leicht im letzten Quartal 2023 auf 141; ist aber am aktuellen Rand sehr volatil, sodass hier kein eindeutiger Trend zu erkennen ist.

Häufig werden die Rohstoffpreise als eine zentrale Ursache für die weltweit hohen Inflationsraten gesehen (vgl. z. B. Gagliardone und Gertler, 2023; Blanchard und Bernanke, 2023 oder Ball et al., 2022). Tatsächlich zeigt sich ein enger empirischer Zusammenhang zwischen Rohstoffpreisen und Inflationsrate (vgl. Abbildung 2). Viele Zentralbanken (so z. B. die Federal Reserve Bank und mit etwas Verzögerung auch die Europäische Zentralbank) reagierten auf die stark steigenden Inflationsraten mit einer deutlich restriktiveren Geldpolitik. Diese restriktive Geldpolitik wurde zum Teil kritisch beäugt, da die aufkeimende Inflation nach weit überwiegender Auffassung trotz der lange andauernden Niedrigzinsphase kein vorrangig monetär verursachtes Phänomen war. Dies bedeutet aber nicht, dass eine steigende Inflationsrate nicht dennoch über eine restriktive Geldpolitik beeinflusst werden könnte. Ganz im Gegenteil gibt es Anlass zu der Vermutung, dass die weltweit rückläufige Inflationsrate erheblich über die restriktive Geldpolitik insbesondere der Federal Reserve Bank über den „Commodity Channel“ bewirkt wurde.

Abbildung 2
Entwicklung des Rohstoffpreisindex, der FED- und EZB-Zinssätze und der deutschen Inflationsrate
Entwicklung des Rohstoffpreisindex, der FED- und EZB-Zinssätze und der deutschen Inflationsrate

Quelle: HWWI (2024); 2017-2019 Importgewichtung; eigene Darstellung.

Prinzipiell kann die Geldpolitik vor allem über vier verschiedene Kanäle die Rohstoffpreise beeinflussen. Erstens ist dabei der „Cost of Carry Channel“ zu nennen. Steigende Zinsen führen demnach zu höheren Opportunitätskosten der Lagerung von Rohstoffen. Bei höheren Zinsen wird es also tendenziell unattraktiver, Finanzkapital in Form von Rohstoffen anzulegen, sodass sich die Nachfrage nach Rohstoffen verringert und die Rohstoffpreise sinken. Zweitens kann die Geldpolitik Rohstoffpreise über die Realwirtschaft beeinflussen. Steigende Zinsen gehen typischerweise mit einem Rückgang von Investitionen und Konsum einher. Somit werden mittelfristig insbesondere weniger Industrierohstoffe benötigt, was wiederum zu einem Rückgang der betreffenden Rohstoffpreise führt. Auch wenn die Geldpolitik erst mit einiger Zeitverzögerung auf die Realwirtschaft wirkt, kann sich die Wirkung auf die Rohstoffpreise über Anpassungen der Erwartungen bereits deutlich früher einstellen. Drittens wirkt sich die Geldpolitik auch über Liquiditätseffekte aus. Höhere Zinsen reduzieren die im Markt befindliche Liquidität und dämpfen somit auch die Nachfrage nach Rohstoffen als Anlageform. Aufgrund der Tatsache, dass die meisten Rohstoffe in US-Dollar gehandelt werden, kann die Geldpolitik auch über Wechselkurse einen Einfluss auf Rohstoffpreise nehmen. So führt eine restriktivere Geldpolitik der Federal Reserve Bank tendenziell zu einer Aufwertung des US-Dollars und damit für alle anderen Staaten zu einer Verteuerung des Kaufs von Rohstoffen und damit wiederum zu einem Rückgang der Rohstoffpreise.

In einer Untersuchung von Miranda-Pinto et al. (2023) zeigen die Autoren, dass der Commodity Channel – hauptsächlich über Öl, Nahrungsmittel und Rohmetalle – in den ersten sechs Monaten etwa 40 % des Effekts der US-Geldpolitik auf die US-Inflationsrate ausmachte. Dabei erwies sich Öl als der bedeutendste Rohstoff für die US-Inflationsrate. Die Kerninflationsrate hingegen wurde vorrangig durch Metallpreise (z. B. Kupfer und Aluminium) beeinflusst. Zudem zeigen die Autoren, dass die Geldpolitik der Federal Reserve Bank über den Commodity Channel auch einen starken Einfluss auf die Inflationsraten, insbesondere anderer hoch entwickelter OECD-Staaten, hatte. Auch hier spielten insbesondere der Ölpreis und Metallpreise die bedeutendste Rolle.

Literatur

Ball, L. M., Leigh, D., und Mishra, P. (2022), Understanding us inflation during the covid era, No. w30613, National Bureau of Economic Research.

Blanchard, O. J. und Bernanke, B. S. (2023), What Caused the US Pandemic-Era Inflation?, National Bureau of Economic Research Working Paper Series, 31417, http://www.nber.org/papers/w31417 (5. Februar 2024).

Eurich, M. (2022), Die Entwicklung der Rohstoffpreise seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, Wirtschaftsdienst, 102(10), 811-8120, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2022/heft/10/beitrag/die-entwicklung-der-rohstoffpreise-seit-dem-russischen-angriffskrieg-auf-die-ukraine.html (29. Januar 2024).

Gagliardone, L. und M. Gertler (2024), Oil Prices, Monetary Policy and Inflation Surges, 24. Januar http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.4381781.

Miranda-Pinto, J., A. Pescatori, E. Prifti und G. Verduzco-Bustos (2023), Monetary Policy Transmission Through Commodity Prices, IMF Working Paper, 2023/215, http://dx.doi.org/10.5089/9798400258039.001.

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© Der/die Autor:in 2024

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DOI: 10.2478/wd-2024-0039