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Dieser Beitrag ist Teil von Agrarökonomie und Agrarpolitik: Herausforderungen und Lösungsansätze

Die Proteste der Landwirte in den vergangenen Wochen haben die Frage nach der Art und den Zielen der landwirtschaftlichen Subventionen in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt (vgl. Tabelle 1). Hinsichtlich des politischen Gestaltungsspielraumes auf nationaler Ebene sind drei Bereiche zu unterscheiden. De-facto bestehen relativ geringe Freiheitsgrade bei der Agrarsozialpolitik, hier handelt es sich um langlaufende gesetzliche Verpflichtungen vor allem zur Stabilisierung der Alterssicherung. Höhere Freiheitsgrade gibt es bei der Ausgestaltung der nationalen Subventionen oder Steuervergünstigungen. Der größte Anteil der Agrarsubventionen (7,2 Mrd. Euro) wird über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) gewährt. Auch hier bestehen erhebliche inhaltliche Gestaltungsspielräume, allerdings sind diese komplex über die europäische, nationale und bundesstaatliche Ebene verteilt. Gerade bei der GAP stellt sich die Frage, wie diese Zahlungen rational zu begründen sind. Ein Blick in die jüngere Geschichte der GAP zeigt, dass seit 1992 zahlreiche Reformen stattgefunden haben, deren Ziele einerseits in einer Liberalisierung einer protektionistischen Politik und andererseits in der Bindung öffentlicher Mittel an gesellschaftliche Leistungen bestand.

Tabelle 1
Jährliche Subventionen und Steuervorteile in der Landwirtschaft 2023
Politikebene Art der Förderung und Politikbereich Ausgaben (Mio. Euro)
GAP (EU-Mittel) Nationale Obergrenze (1. Säule)1 4.424
Ländliche Entwicklung (ELER, 2. Säule)1 1.485
Bund und Länder Nationale Kofinanzierung (ELER, 2. Säule)1 1.276
Bund … davon über Gemeinschaftsaufgabe GAK 760
Agrarsozialpolitik2 3.925
Nationale Subventionen3 822
Steuervergünstigungen3
… davon Agrardieselvergütung
1.069
440
Summe 13.000

Quelle: eigene Darstellung basierend auf folgende Daten 1 BMEL (2022), 2 BMEL (2023), 3 BMF (2023).

Die agrar- und umweltwissenschaftliche Forschung der vergangenen 30 Jahre zeigt sehr deutlich, dass zahlreiche Umweltprobleme von der Landwirtschaft (mit)verursacht werden. Die Artenvielfalt ist rückläufig, die Landwirtschaft trägt zum Klimawandel bei, ist jedoch selbst auch betroffen von Wetterextremen. Nährstoffüberschüsse machen auf regionaler Ebene Probleme, auch hat die Landwirtschaft negative Auswirkungen auf die Oberflächengewässer und das Grundwasser. Aus wissenschaftlicher Sicht besteht ein erheblicher Bedarf an einer ökologischen Transformation, den die Landwirtschaft nur mit einer gesamtgesellschaftlichen Unterstützung meistern kann (Leopoldina, 2020; ZKL, 2021).

Beschreibung des Reformpfads der GAP seit 1992

Die GAP wurde zwischen den Gründungsmitgliedern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) ausgehandelt und trat 1968 in Kraft. Die GAP knüpfte an die protektionistischen nationalen Agrarpolitiken an. Sie garantierte den Betrieben nach innen einen Mindestpreis und schützte diese durch Zölle gegenüber Importen vom Weltmarkt. Bereits 1962 identifizierte die Agrarökonomie im sogenannten Professorengutachten die Nachteile dieses Systems. Der wesentliche Nachteil bestand darin, dass für die Betriebe ein starker Anreiz gesetzt wurde über die „optimale spezielle Intensität der Betriebsmittel“ hinaus, soviel wie möglich zu produzieren, da selbst die letzte geerntete Tonne Getreide noch durch erhöhte Preise subventioniert wurde. Dieser Anreiz kombiniert mit technischem Fortschritt führte schnell zu Selbstversorgungsgraden von über 100 %. Da die Europäische Gemeinschaft (EG) den Mindestpreis mit einem Einkaufversprechen („Intervention“) kombiniert hatte, füllten sich ihre Lager schnell. Bereits in den 1970er Jahren führte die Lagerhaltung zu hohen Kosten. Die eingelagerten Mengen wurden mit Hilfe von Exportsubventionen auf den Weltmarkt exportiert, was die Kosten für das EG-Budget zusätzlich erhöhte. Ein Teil der volkswirtschaftlichen Kosten dieses Ansatzes wurde über die künstlich hochgehaltenen Nahrungsmittelpreise auf die Verbraucher:innen überwälzt, resultierend in einer geringeren Konsumentenrente.

In den 1980er Jahren geriet die EG durch die hohen Produktionsüberschüsse in der Landwirtschaft in eine fundamentale Krise. Verschiedene Reformanläufe brachten zwar den „Britenrabatt“ und die Milchquote, lösten jedoch die Probleme der GAP nicht. Vor dem Hintergrund voller Interventionslager („Butterberge“ und „Milchseen“), jährlich steigender budgetärer Kosten der GAP und einer unhaltbaren Position bei den Zoll-Verhandlungen der Uruguay-Runde des General Agreements on Tariffs and Trade (GATT) schlug der Agrarkommissar Ray MacSharry den Mitgliedstaaten eine radikale Reform vor. Ihre Haupt­elemente waren Preissenkungen und die Einführung von sogenannten Preisausgleichszahlungen. Da die deutsch-französische Achse den GATT-Deal aus industriepolitischen Gründen brauchte, wiesen Helmut Kohl und François Mitterand 1991 ihre Agrarminister an, der MacSharry-Reform zuzustimmen (Cunha und Swinbank, 2011). Mit dieser Reform entstand der handelspolitische Spielraum, der den Abschluss der Uruguay-Runde mit dem „Agreement on Agriculture“ sowie die Gründung der World Trade Organization (WTO) ermöglichte (Josling et al., 1996).

Die GAP befindet sich seit diesem grundlegenden Richtungswechsel im Reformmodus (vgl. Abbildung 1): In der ersten Phase von 1992 bis 2010 erfolgte vor allem die Korrektur der gröbsten Fehlsteuerungen am Markt und eine Liberalisierung der Agrarmärkte. Spätestens mit der Cioloș-Reform ab 2015 wurde das Motiv der Kopplung der GAP-Zahlungen an die Bereitstellung öffentlicher Güter durch die Landwirtschaft zumindest in der Kommunikation wichtiger.

Abbildung 1
Übersicht über den Reformpfad der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP)
Übersicht über den Reformpfad der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP)

Es wird immer das Jahr der Implementierung der Reform genannt.

Quelle: eigene Darstellung.

Wirkung der Marktliberalisierung

Die Marktliberalisierung basierte auf einer Reihe von Preissenkungen auf den Märkten für Getreide, Milch, Rindfleisch und Zucker. Durch die abgesenkten Preise entstand der notwendige Spielraum, um die Importzölle zu senken und damit die Anforderungen des GATT-Abkommens zu erfüllen. Mit der Preissenkung der Fischler-Reform 2005 entstand eine Marktsituation, in der die europäischen Preise vieler Agrarprodukte weitgehend den Weltmarktpreisen folgen, wobei es immer wieder Ausnahmen gibt. Mit dem Anschluss an das Weltmarktgeschehen konnten die Lagerbestände der EU in den wichtigen Produktbereichen Getreide und Milch vollständig aufgelöst werden. Folgerichtig konnten die Exportsubventionen bis 2013 auf null zurückgeführt werden. Jedoch kommt die Intervention immer wieder zurück, wie etwa 2009, als Preise besonders niedrig waren oder 2017 im speziellen Fall des Milchmarktes, als der Markt als Folge der Abschaffung der Milchquote 2015 kurzfristig aus dem Gleichgewicht geraten war. Auch der Außenschutz durch Zölle und Quoten wurde in den vergangenen Jahrzehnten deutlich reduziert.

Wirkung der Entkopplung

Die Senkung der Interventionspreise ging mit der Einführung von Direktzahlungen einher. Die Betriebe erhielten diese Zahlungen für jede mit Ackerkulturen bestellte Fläche und je Kopf für die Schlachtung bzw. Haltung von Rindern oder Schafen. Die Höhe der Zahlung war unabhängig von der produzierten Menge, sodass die verzerrende Wirkung auf Märkte geringer war als im alten System der Preisstützungen. Die Zahlungen sollten die Betriebe für die Preissenkung entschädigen und die Akzeptanz der Reformen erhöhen. Die zweite große Umstellung kam mit der Fischler-Reform 2005. Diese leitete die Entkopplung der Zahlungen von der Produktion ein. Die allermeisten Zahlungen wurden auf die bewirtschaftete Fläche umgelegt. Für die Gewährung dieser Zahlung ist es lediglich erforderlich, dass die Betriebe die Flächen in einem Zustand halten, der eine landwirtschaftliche Nutzung potenziell ermöglicht. Eine Produktion ist nicht erforderlich.

Die Umstellung der Einkommenspolitik von künstlich erhöhten Preisen auf gekoppelte und später entkoppelte Zahlungen erhöhte die ökonomische Effizienz des Sektors (Minviel und Latruffe, 2017). Der im ursprünglichen System gegebene Anreiz für einen zu hohen Inputeinsatz fiel weg, da die Subvention jetzt unabhängig von der Produktion gewährt wurde. Allerdings haben die Direktzahlungen einen preistreibenden Einfluss auf die Bodenmärkte. Da der Boden der knappe und transparent subventionierte Faktor ist, konnten die Verpächter einen erheblichen Teil der Direktzahlungen über höhere Pachtpreise für sich realisieren (Ciaian et al., 2021). Diese Überwälzung der Direktzahlungen auf die Bodenpreise ist ein Hemmnis kurzfristig aus dieser Politik auszusteigen, da vor allem pachtende Betriebe auf die Zahlungen angewiesen sind.

Der letzte Effekt betrifft die Kosten der GAP: Durch den Rückgang der Lagerbestände und damit verbunden der Exportsubventionen sanken die Kosten für den EU-Haushalt. Der Rückgang der Kostensteigerungen fand stückweise über viele Reformschritte statt (vgl. Abbildung 2): Haushaltskosten sind als Reformtreiber nicht zu unterschätzen, die EG stand in den 1980er Jahren mehrfach vor dem Bankrott. Ein Hauptgrund für die Agenda 2000 war es, die EU-Finanzen für die Osterweiterung 2004 vorzubereiten. Da diese Reform nicht ausreichte, kam es im Zuge der Fischler-Reform zu weiteren Senkungen der Agrar-(interventions-)preise. Auch im Hinblick auf das EU-Budget war der Reformpfad erfolgreich: Der Anteil der GAP-Zahlungen am EU-Budget ging von 69 % in den 1980er Jahren auf heute 31 % zurück (Becker et al., 2023, 5).

Abbildung 2
Entwicklung der Agrarausgaben im EU-Haushalt von 1980-2020
Entwicklung der Agrarausgaben im EU-Haushalt von 1980-2020

Quelle: eigene Darstellung nach Daten der KOM (2023).

Für den ersten Teil der Reformmotivation kann festgehalten werden, dass die Transformation der alten, protektionistischen GAP in eine liberalisierte GAP weitgehend erfolgreich war. Die „politischen Kosten“ dieses Prozesses bestanden in der Einführung von Direktzahlungen, die das Schmiermittel der Reformen waren und die seither nur schwer loszuwerden sind. Stand heute bleibt ein Instrument, das mit Preissenkungen begründet wird, die teilweise bis zu 30 Jahre zurück liegen. D. h. die weit überwiegende Mehrheit der heutigen Betriebsleiter hat von der alten Politik vor 1992 nie profitiert. Vor diesem Hintergrund ist diese Begründung inzwischen infrage zu stellen.

Ausrichtung auf öffentliche Güter

Erste Schritte im Hinblick der Ausrichtung der Agrarpolitik auf die Bereitstellung öffentlicher Güter waren in den späten 1980er Jahren regionale und nationale Extensivierungsprogramme. Die ersten EU-weiten Agrarumweltmaßnahmen kamen nach 1992 als „flankierende Maßnahmen“ der MacSharry-Reform. Diese sollten weitere Einkommensmöglichkeiten für Betriebe in produktionsschwachen Regionen schaffen. Die Maßnahmen wurden schrittweise konsolidiert und stärker auf Umweltziele fokussiert. Ab 2000 waren für die Programme für die Ländliche Entwicklung in der 2. Säule wissenschaftliche Evaluationen vorgeschrieben, was ein erster Schritt hin zu einer evidenzbasierten Politikgestaltung bedeutet. Mit der Fischler-Reform wurde ab 2007 der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung Ländlicher Räume (ELER) geschaffen, finanziell wurden die Programme schrittweise ausgebaut (Lakner et al., 2021).

Ein zweiter, aus Umweltsicht wichtiger Schritt, war die Verknüpfung der Direktzahlungen mit existierenden Umweltgesetzgebungen in der Agenda 2000. Die Fischler-Reform führte ab 2005 für dieses Prinzip den Begriff Cross Compliance ein. In der Praxis stellt dies sicher, dass Betriebe sich an die ordnungsrechtlichen Regeln des Umwelt-, Pflanzenschutz- und Tierkennzeichnungsrechts halten und die Mitgliedstaaten diese Regeln kontrollieren. Allerdings sorgen diese Regeln für erheblichen bürokratischen Aufwand, was zu Kritik am Prinzip der Cross-Compliance führt.

Der dritte Schritt in Richtung einer stärkeren Ausrichtung der GAP-Zahlungen kam in der Cioloș-Reform 2015 mit dem Greening oder der „Begrünung der Direktzahlungen“. Die Reform gipfelte mit dem Narrativ, die GAP solle grüner und fairer werden. 30 % der Direktzahlungen wurden pauschal den drei verpflichtenden Greening-Auflagen zugeordnet, nämlich einer Fruchtfolge, dem Erhalt des Grünlands und der Bereitstellung sogenannter ökologischer Vorrangflächen. Die Forschung zeigte recht schnell die Fragwürdigkeit dieser Aussagen auf, waren doch 48 % der Flächen und 88 % der Betriebe von den Greening-Auflagen ausgenommen (Pe‘er et al., 2014). Selbst die ökologische Vorrangfläche erwies sich als wenig wirksam (Pe‘er et al., 2017) und nicht kosteneffizient (Röder et al., 2021). Im ersten Anlauf in Richtung Finanzierung öffentlicher Güter fand eher Greenwashing als Greening statt. Mit der neuen Grünen Architektur wurden die Umweltinstrumente ab 2023 neu zusammengestellt: Aus Cross-Compliance wurde die ambitioniertere „Konditionalität“, aus den einheitlichen Greening-Regeln wurden die national unterschiedlichen „Öko-Regelungen“, flexible einjährige Agrarumweltprogramme in der 1. Säule der GAP.

Diskussion: Wo steht die GAP 2024?

Nach dem Inkrafttreten der neuen GAP 2023-2027 und den aktuellen Veränderungen ist unklar, wie der Reformpfad hin zu einer stärkeren Ausrichtung an den öffentlichen Leistungen weitergeht und ob diese Reform eine materielle Verbesserung bedeutet. Für die Weiterentwicklung dieses Ansatzes gibt es drei große Baustellen: 1. die Umgestaltung der bisherigen Einkommenspolitik der GAP, 2. die inhaltliche Verbesserung der Agrar­umweltförderung und 3. die politische Begleitung einer breiteren Transformation des Agrarsektors hin zu mehr Nachhaltigkeit. Der letzte Aspekt geht deutlich über die GAP hinaus.

Umgestaltung der Direktzahlungen der 1. Säule

Ein großer Hemmschuh besteht im Umgang mit den Direktzahlungen der 1. Säule. Mit der GAP-Reform 2021 wurde anstelle der Basisprämie die „Einkommensgrundstützung für Nachhaltigkeit“ eingeführt, eine pauschale Zahlung für Einkommens- und Umweltziele gleichzeitig. Inhaltlich ist dieser Prozess weder abgeschlossen noch inhaltlich überzeugend.

Das grundsätzliche Problem besteht zunächst darin, dass eine vernünftige Begründung für die spezielle, auf den Agrarsektor ausgerichtete Einkommenspolitik der GAP fehlt. In der praktischen Politik wird häufig mit Vergleichen landwirtschaftlicher Betriebsgewinne zu der Einkommensentwicklung außerhalb der Landwirtschaft, wie z. B. dem produzierenden Gewerbe, argumentiert. Doch dieser Vergleich führt in die Irre: Betriebsgewinne sagen nur wenig über die soziale Lage der Begünstigten aus. Ein belastbarer Maßstab für eine Einkommenspolitik ist das Haushaltseinkommen. Für die Einkommen von Haushalten mit landwirtschaftlichen Einkünften gibt es jedoch keine ausreichende Datengrundlage (Bethge et al., 2021). Zu den Betriebsgewinnen kommen häufig auch Nebeneinkünfte, z. B. aus einer Biogasanlage oder Viermietung und Verpachtung. Ohne belastbare empirische Daten über solche Einkommenskombinationen fehlt der empirische Beleg, dass im Agrarsektor Aktive in besonderem Maße Gegenstand einer Einkommenspolitik sein sollten.

Ferner ist die Idee, Einkommens- und Umweltziele mit einem Instrument zu erreichen, mit massiven logischen Inkonsistenzen verbunden. Ein Einkommenstransfer sollte sich prinzipiell an ärmere/bedürftigere Personen richten (Bedürftigkeitsprinzip), im Falle der Landwirtschaft häufig Betriebe mit geringer Flächenausstattung. Eine umweltbezogene Honorierung sollte sich hingegen vor allem an der erbrachten Leistung orientieren (Leistungsprinzip), was eher mit einer hohen Flächenbewirtschaftung korreliert. Das jetzige System begünstigt vor allem große Landeigentümer, wer mehr Fläche hat, bekommt mehr Transferzahlungen, was keinem der Prinzipien völlig gerecht wird.

In der Theorie scheint eine pauschale Nachhaltigkeitsprämie somit zwar denkbar, in der Praxis will dieses Konzept nicht so recht fliegen. Eine der aus Naturschutzsicht wichtigsten Errungenschaften der Reform 2021 besteht in der Verpflichtung für die Betriebe, 4 % der Ackerfläche brachzulegen. Diese Anforderung hat seit 2021 für sehr viel politischen Streit gesorgt: Während die Wissenschaft, die Umwelt- und Naturschutzseite immer wieder auf die fachliche Bedeutung der Brachen für die Artenvielfalt, Bodenschutz und Bodenfruchtbarkeit hinweisen, beklagt der Sektor eine angebliche Enteignung. Bereits 2022 bot die EU-Kommission den Mitgliedstaaten an, diese Auflage für 2023 aufzuheben. Diese Möglichkeit wurde von den meisten Mitgliedstaaten genutzt. In Deutschland gab es eine Kompromissvariante, die wenigstens die bestehenden Brachen aus den ökologischen Vorrangflächen fortführten und nur die Verpflichtung zu neuen Brachen freistellte.

Die Aufhebung wurde mit der knappen Angebotslage am Weltmarkt und den damit einhergehenden hohen Preisen aufgrund des Ukrainekrieges begründet (Lakner, 2023). Zwei Jahre später wurde die nahezu identische Aufweichung der Verpflichtung für 2024 erneut angeboten. Dieses Mal werden als Grund die auf „Normalniveau“ zurückgegangenen Rohstoffpreise genannt. Dies gilt trotz eines ökonomisch überdurchschnittlich erfolgreichen Jahres 2021/2022 und einem Rekordjahr 2022/2023 (Matthews, 2024). De facto dürften die massiven Proteste der Landwirte in Brüssel und einigen Mitgliedstaaten der Hauptgrund dieser Maßnahmen sein. Diese opportunistische Vorgehensweise führt Schlagworte, wie Planungssicherheit oder verlässlicher Umbaupfad, ad absurdum.

Quo vadis Agrarumweltpolitik in beiden Säulen?

Die Einführung der Öko-Regelungen führt zu Umschichtungen von Mitteln, aber nicht automatisch zu einer Erhöhung der vom Sektor erbrachten Umweltleistungen. In Deutschland wurden im Jahr 2023 die Gelder nicht ansatzweise abgerufen. Gründe hierfür sind (1) die späte Einigung auf nationaler Ebene und entsprechend verzögerter Information der Landwirte, (2) hohe Agrarpreise am Weltmarkt, die die Attraktivität der Förderangebote reduzierten, (3) Kinderkrankheiten in Ausgestaltung und Umsetzung.

Auf nationaler Ebene kann der Ausbau der Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) aktuell zumindest partiell als ein Erfolg gewertet werden. Über die Jahrzehnte wurde eine Politik etabliert, die zumindest in einigen Teilen gut funktioniert. Aus deutscher Sicht hat die GAP-Reform 2021 zu einer finanziellen Stärkung der AUKM geführt (Reiter et al., 2024). Die Höhe der Förderung dürfte am Ende der Förderperiode bei ca. 1 Mrd. EUR liegen und der bestehende Schwerpunkt des Biodiversitätsschutzes wurde ausgebaut. Andere Schutzziele werden primär über nationale Förderinstrumente bzw. das Ordnungsrecht adressiert. Eine eklatante Leerstelle ist gegenwärtig die Förderung der Wiedervernässung von Mooren, die aus volkswirtschaftlicher Sicht eine kosteneffiziente Klimaschutzmaßnahme in der Landwirtschaft ist. Hier bleibt abzuwarten, ob das national finanzierte Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz die Leerstelle füllt. In etlichen Mitgliedstaaten gibt es weiterhin Maßnahmen mit einem erheblichen Mittelvolumen mit hohen Mitnahmeeffekten (Guyomard et al., 2023). EU-weit gehört Deutschland eher zu den agrarumweltpolitisch ambitionierten Mitgliedstaaten.

Allerdings lösen die jetzigen AUKM nicht alle Probleme. Zahlreiche Studien belegen, dass der hohe bürokratische Aufwand ein Argument ist, nicht an solchen Programmen teilzunehmen (Zinngrebe et al., 2017). Es gibt einige innovative Förderansätze, wie z. B. das Modell der „Gemeinwohlprämie“, in diesem können die Betriebe sehr flexibel Maßnahmen aus einem Menü auswählen (DVL, 2020). Auch das sogenannte Holländische Modell erscheint diskussionswürdig, in dem Agrarbetriebe mit Bürgern und lokalen NGOs „Kooperativen“ gründen und einen Plan für die Agrarlandschaft entwerfen, dessen Umsetzung vom Staat gefördert wird (Prager, 2022). Unabhängig vom Fördermodell muss es darum gehen, Förderung einerseits einfacher und andererseits effektiver im Hinblick auf die Umweltziele zu gestalten und so die Akzeptanz von Landwirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen zu gewinnen.

Ausblick: Die Perspektive der großen Transformation fehlt

2019 trat Ursula von der Leyen als Präsidentin der EU-Kommission mit dem Konzept des Green Deals an, das beweisen sollte, dass der EU-Wirtschaftsraum Wachstum und Umweltschutz transformativ kombinieren kann. Die COVID-19-Krise und der Krieg in der Ukraine haben inzwischen ein gesellschaftliches Klima geschaffen, in dem Reformen schwieriger geworden sind. Die europaweiten Proteste der Landwirte signalisieren Reformunwilligkeit, fordern Bürokratieabbau, womit häufig auch der Rückbau von Umweltrecht gemeint ist. Aktuell scheint es, als ob die EU-Kommission den Protesten entgegenkommen möchte, etwa durch das Zurückziehen der „Sustainable Use Regulation“ für die Nutzung von Pflanzenschutzmitteln oder die Ankündigung andere Umweltverpflichtungen auszusetzen. Sollten diese Ankündigungen umgesetzt werden, wäre dies ein massiver Rückschritt beim Prinzip, Zahlungen an gesellschaftliche Leistungen zu binden, der schädliche Nebeneffekte auf die Umwelt und auch mittelfristig auf das Standing des Berufsstandes in der Öffentlichkeit hätte.

Am Ende kommt weder die Landwirtschaft noch die Gesellschaft insgesamt an den Herausforderungen der globalen Umweltkrisen vorbei. Es ist eher die Frage, mit welchen Instrumenten man diesen begegnet. Insofern besteht die zentrale Aufgabe der EU-Kommission und der Bundesregierung darin, ein überzeugendes Transformationskonzept für die Landwirtschaft vorzulegen, das Umweltziele überzeugend mit den wirtschaftlichen Interessen des Sektors kombiniert und zielgerechtere Förderangebote macht.

Literatur

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Bethge, S., J.-F. Wendt und S. Lakner (2021), The Economic Well-being of Farm Households in Germany, German Journal of Agricultural Economics, 70(4), 236-250, DOI: 10.30430/gjae.2021.0090.

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BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2023), Nettobeiträge der EU-Mitgliedstaaten zum Europäischen Garantiefonds für Landwirtschaft (EGFL) Tabelle MBT-0118090-0000.

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Ciaian, P., E. Baldoni, d‘A. Kancs und D. Drabik (2021), The Capitalization of Agricultural Subsidies into Land Prices, Annual Review of Resource Economics, 13(1), 17-38, DOI: 10.1146/annurev-resource-102020-100625.

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Guyomard, H., C. Détang-Dessendre, P. Dupraz, L. Delaby, C. Huyghe, J.-L. Peyraud, X. Reboud und C. Sirami (2023), How the Green Architecture of the 2023–2027 Common Agricultural Policy could have been greener, Ambio, 52, 1327-1338, DOI: 10.1007/s13280-023-01861-0.

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ZKL – Zukunftskommission Landwirtschaft (2021), Zukunft Landwirtschaft. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft.

Title:The EU’s Common Agricultural Policy: Flagship Policy or Eternal Reform Ruin?

Abstract:The article describes the reform path of the EU’s Common Agricultural Policy (CAP) since 1992. The largest share of agricultural subsidies in Germany (€7.2 billion) is granted through the CAP with significant room for manoeuvre in terms of content. Between 1992-2013, the old, protectionist CAP was to a large extent successfully transformed into a liberalised CAP. Since 2014, the CAP reform debate has increasingly focussed on the provision of public goods. The CAP is currently characterised by the idea of simultaneously achieving income and environmental targets. In the CAP’s current form, this is associated with considerable inconsistencies and weaknesses.

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© Der/die Autor:in 2024

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DOI: 10.2478/wd-2024-0047