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Eine zähe Konjunkturschwäche, schwindende Wachstumskräfte und ein stark erhöhter Krankenstand führen zur Unterauslastung der Produktionskapazitäten. Außen- wie binnenwirtschaftlich gibt es mehr Gegen- als Rückenwind. Hoffnung geben die Wirksamkeit der höheren Lohnabschlüsse 2024 und 2025, die für einen Anstieg des privaten Konsums sorgen können und gesamtdeutsche Rekordwerte für die Einnahmenquote der öffentlichen Hand. Eine Reform der Schuldenbremse durch stufenweises regelgebundenes Aktivieren nach einer Notlage und ein Hebesatz auf die Einkommensteuer könnten die Konjunkturabhängigkeit der Bundes- und Länderfinanzen verringern. Die Inflation dürfte 2024 auf 2,6 % zurückgehen.

Im Jahr 2023 expandierte die Weltwirtschaft zwar nur in moderatem Tempo, sie zeigte sich angesichts vielfältiger Belastungen aber insgesamt recht robust. Nachdem sich die internationale Konjunktur im Verlauf des zweiten Halbjahres 2023 abgeschwächt hatte, scheint sie zu Beginn des Jahres 2024 wieder etwas an Schwung zu gewinnen. Die Stimmungsindikatoren haben sich allgemein verbessert, und an den Finanzmärkten sind die Aktienkurse stark gestiegen. Anregend wirkt, dass die Energiepreise wieder niedriger sind und die inflationsbedingt gesunkene Kaufkraft in den meisten Ländern inzwischen wieder steigt.

Weltwirtschaftliches Umfeld

Das internationale Konjunkturbild ist sektoral und regional stark differenziert. So expandierten die Dienstleistungen im vergangenen Jahr deutlich stärker als die Industrie. Der Welthandel mit Waren ging sogar spürbar zurück. Unter den großen Ländern expandierte die US-Wirtschaft überraschend stark, während die Produktion in der Europäischen Union (EU) und in Großbritannien nur geringfügig zunahm. In Japan rutschte die Wirtschaft im zweiten Halbjahr in eine Rezession. Differenziert war die Konjunktur auch in den Schwellenländern: In China wurde die wirtschaftliche Erholung von der Pandemie durch die dortige Immobilienkrise beeinträchtigt. Rohstoffexportierende Volkswirtschaften, etwa in Südamerika, litten unter Preisrückgängen bei Getreide und Industriemetallen. Dagegen blieb das Expansionstempo der indischen Wirtschaft hoch, und in Russland konnten die nach dem Angriff auf die Ukraine eingetretenen Einbußen im Handel mit Europa zunehmend durch mehr Austausch mit China und anderen Ländern Asiens ersetzt werden.

Für die USA und für den Euroraum zeichnet sich ab dem Frühsommer vor dem Hintergrund sinkender Inflationsraten eine Zinswende ab. Unter völlig anderen Vorzeichen steht die Geldpolitik in China. Dort versucht die Politik zu verhindern, dass aus der Immobilienkrise eine allgemeine Finanzkrise wird.

In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften ist die Ausrichtung der Finanzpolitik leicht restriktiv, auch weil die im Jahr 2022 ergriffenen Maßnahmen gegen den Energiekostenschub nun weitgehend entfallen sind. Angesichts der höheren Zinsen halten sich viele Regierungen bei zusätzlichen Ausgaben zurück, in Europa auch um fiskalpolitische Defizit- und Schuldenregeln einzuhalten. In den USA werden die Staatsausgaben durch den Parteienstreit im Kongress stark begrenzt. Allerdings können bereits verabschiedete und mittelfristig ausgerichtete Investitionspakete der Konjunktur in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften weiterhin Impulse geben.

Die Aussichten für die Weltkonjunktur haben sich zuletzt zwar etwas verbessert, die wirtschaftliche Expansion dürfte aber moderat bleiben. Im Euroraum werden höhere Reallöhne den privaten Konsum stärken, und die Konjunktur wird sich beleben. Ein kräftiger Aufschwung ist indes nicht zu erwarten, denn die durch den Wegfall russischen Gases höheren Energiekosten haben die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verringert. Für die USA kann zwar die Tatsache optimistisch stimmen, dass die restriktive Geldpolitik dort bisher überraschend wenig gedämpft hat, zumal der Restriktionsgrad ab der Jahresmitte sinken dürfte. Allerdings dürfte die Expansion des privaten Konsums an Schwung verlieren, weil die zu Pandemiezeiten angehäuften Extra-Ersparnisse allmählich zur Neige gehen. Auch gibt es keine weiteren Impulse durch die Finanzpolitik, sodass für das nächste Jahr nur noch mit einem Produktionsanstieg zu rechnen ist, der in etwa der Wachstumsrate des Produktionspotenzials entspricht. In den Schwellenländern insgesamt dürfte die Wirtschaftsleistung in diesem und im nächsten Jahr in einem wenig veränderten Tempo zunehmen. In China bremsen hartnäckige Probleme im Immobiliensektor, eine auch deshalb weiter gedämpfte Konsumneigung, deflationäre Tendenzen sowie die anhaltenden handelspolitischen Spannungen mit den USA dürften das Expansionstempo auf unter 5 % fallen lassen.

Alles in allem rechnen die Institute mit Zuwachsraten der Weltproduktion von 2,5 % im Jahr 2024 und 2,6 % im Jahr darauf. Die Revision der Prognose für die Weltproduktion beläuft sich für das Jahr 2024 auf 0,2 Prozentpunkte nach oben und für 2025 um 0,1 Prozentpunkt nach unten. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften verändert sich der Produktionsanstieg im Jahresdurchschnitt mit Raten von 1,6 % im laufenden Jahr und 1,7 % im kommenden Jahr ebenfalls nur wenig. Während die Zuwachsraten der gesamtwirtschaftlichen Produktion in etwa konstant bleiben, wird das Konjunkturgefälle zwischen den USA und Europa geringer, und die Dynamik im Verhältnis zwischen Dienstleistungen und Industrie dürfte sich wieder zugunsten der Industrie verschieben. Die Unternehmensinvestitionen, die auch im vergangenen Jahr weltweit spürbar ausgeweitet wurden, dürften noch etwas an Schwung gewinnen; die Investitionen im Wohnungsbau sogar deutlich anziehen.

Nach dem deutlichen Rückgang im vergangenen Jahr wird der weltweite Warenhandel im laufenden Jahr voraussichtlich um 1,3 % zunehmen. Im Jahr 2025 dürfte der Welthandel mit 2,2 % wieder in etwa so stark steigen wie im längerfristigen Trend. Die Inflation dürfte im Jahresdurchschnitt 2024 von 4,7 % auf 2,6 % zurückgehen und im Jahr 2025 in die Nähe der 2 %-Marke sinken.

Deutsche Konjunktur

Die Wirtschaft in Deutschland ist angeschlagen. Eine bis zuletzt zähe Konjunkturschwäche geht mit schwindenden Wachstumskräften einher. In der lahmenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung überlagern sich somit konjunkturelle und strukturelle Faktoren. Zwar dürfte ab dem Frühjahr eine Erholung einsetzen, die Dynamik wird aber insgesamt nicht allzu groß ausfallen. Derzeit bewegt sich die Wirtschaftsleistung auf einem Niveau, das kaum über dem von vor vier Jahren liegt. Seitdem tritt die Produktivität auf der Stelle, und die inzwischen um über 600.000 höhere Zahl der Erwerbstätigen kompensiert im Wesentlichen nur die niedrigere durchschnittlich geleistete Arbeitszeit. Hierbei spielt allerdings auch der gegenüber dem Trend weiterhin stark erhöhte Krankenstand eine Rolle. Sofern sich dieser – wie von den Instituten unterstellt – bis zum Ende des kommenden Jahres zurückbildet, steht wieder ein um 1,5 % höheres Arbeitsvolumen zur Verfügung.

Das von den Instituten im vergangenen Herbst bereits für das Winterhalbjahr erwartete Anziehen der Wirtschaftsleistung ist ausgeblieben, auch wenn sich der private Konsum als leicht stützend erwiesen hat. Außen- wie binnenwirtschaftlich gab es mehr Gegen- als Rückenwind. So sind die deutschen Ausfuhren gesunken, während die weltwirtschaftliche Aktivität bis zuletzt gestiegen ist. Dies liegt vor allem daran, dass die für die deutschen Exportunternehmen bedeutsame Nachfrage nach Investitions- und Vorleistungsgütern schwach blieb. Insbesondere bei energieintensiven Gütern hat auch die preisliche Wettbewerbsfähigkeit gelitten, und die Produktion ist ins Ausland abgewandert.

Die hohen Auftragsbestände in der Industrie haben sich als weniger stabilisierend erwiesen, als von den Instituten erwartet worden war. So sind zwar die ausgewiesenen Auftragsreichweiten weiterhin hoch, gleichzeitig sind aber die industriellen Produktionskapazitäten unterausgelastet. Dies kann auf mangelnde Profitabilität der zuvor in erheblichem Umfang hereingenommen Aufträge hindeuten.

Auch gesamtwirtschaftlich sind infolge der seit fast zwei Jahren stotternden Konjunktur die Produktionskapazitäten nunmehr merklich unterausgelastet. Die Differenz zwischen umfragebasierten Daten zur Kapazitätsauslastung und der von den Instituten geschätzten Produktionslücke hat sich deutlich zurückgebildet. Die verbliebene Diskrepanz am aktuellen Rand ist weitgehend durch den überhöhten Krankenstand, der die Produktionsmöglichkeiten temporär einschränkt, erklärbar. Seit Mitte des vergangenen Jahres zeigen beide Maße eine rückläufige Auslastung unterhalb des Normalniveaus an, sodass seitdem von einer substanziellen Konjunkturkrise die Rede sein kann.

Zeitlich verzögert und in abgeschwächter Form hat das konjunkturelle Grundmuster, das die Institute im vergangenen Herbstgutachten gezeichnet hatten, im Prognosezeitraum weiterhin Bestand. Im laufenden Jahr avanciert der private Konsum zur wichtigsten Triebkraft für die Konjunktur. Nachdem der ab Mitte 2021 einsetzende Teuerungsschub die Massenkaufkraft zwei Jahre lang drastisch geschmälert hatte, steigen die real verfügbaren Einkommen nun wieder deutlich. Zum einen bildet sich der kräftige Preisauftrieb weiter zurück, zum anderen werden nun mehr und mehr höhere Lohnabschlüsse wirksam, die zunächst nur verzögert an die hohe Geldentwertung angepasst werden konnten. Zudem schlägt auch bei den monetären Sozialleistungen in beiden Prognosejahren wieder ein deutliches reales Plus zu Buche, nachdem diese in realer Rechnung im Vorjahr – nach zwei Minusjahren in Folge – stagniert hatten. Damit fließt insgesamt mehr Kaufkraft an private Haushalte, die eine höhere Ausgabenneigung haben.

Kaum verändert ist auch das Bild für die Bauinvestitionen, die insbesondere unter dem sehr schwachen Wohnbau leiden, der wohl erst in der zweiten Hälfte des Prognosezeitraums – nach dann vier rückläufigen Jahren in Folge – nur langsam und auf dürftigem Niveau expandieren wird. Deutlich getrübt ist nun aber der Ausblick für die Unternehmensinvestitionen. Nicht nur der Wirtschaftsbau geht durch ein tieferes Tal, auch die Ausrüstungsinvestitionen expandieren zunächst deutlich schwächer und auf niedrigem Niveau; auch deshalb, weil die fortwährende Unsicherheit über die Wirtschaftspolitik den Attentismus unter den Unternehmen nährt. Eine durchgreifende Verbesserung des Investitionsklimas ist daher nicht in Sicht. So bewegen sich die Unternehmensinvestitionen trotz der erwarteten Belebung im kommenden Jahr dann auf dem Niveau des Jahres 2017.

Nach wie vor gehen die Institute davon aus, dass sich das Verhältnis aus Welthandel und Weltproduktion allmählich normalisiert. Im Zuge eines wieder stärkeren Gleichlaufs sollten sich auch für deutsche Exporteure die Absatzaussichten aufhellen, insbesondere in den für sie bedeutsamen Güterkategorien. Impulse für die Konjunktur sind von dieser Seite aber nicht vor Mitte des laufenden Jahres zu erwarten. Während in diesem Jahr die konsumbezogenen Auftriebskräfte dominieren, trägt im kommenden Jahr vermehrt das Auslandsgeschäft die Konjunktur.

Die Fehlbeträge im gesamtstaatlichen Haushalt gehen in Relation zur Wirtschaftsleistung von 2,1 % im Vorjahr auf 1,6 % (2024) und 1,2 % (2025) zurück. Die Einnahmenquote der öffentlichen Hand erreicht in den beiden Prognosejahren mit 47,5 % und 48,4 % jeweils gesamtdeutsche Rekordwerte. Gemessen sowohl an den von den Instituten unterstellten finanzpolitischen Maßnahmen als auch an der Veränderung des strukturellen Primärsaldos wirkt die Finanzpolitik im laufenden Jahr kontraktiv und im kommenden Jahr nahezu neutral. Die Geldpolitik dürfte trotz des zur Mitte des laufenden Jahres einsetzenden Zinssenkungspfades zunächst weiterhin dämpfend wirken, da die Nominalzinsen voraussichtlich kaum stärker sinken als der Preisauftrieb.

Alles in allem revidieren die Institute ihre Prognose für die Veränderung des Bruttoinlandsprodukts im laufenden Jahr gegenüber ihrem Herbstgutachten deutlich um 1,2 Prozentpunkte nach unten auf nunmehr 0,1 % (vgl. Abbildung 1). Die Prognose für die Rate im kommenden Jahr bleibt mit 1,4 % nahezu unverändert (Rücknahme um 0,1 Prozentpunkte), geht aber mit einem um über 30 Mrd. Euro geringeren Volumen der Wirtschaftsleistung einher. Die Werte für die jahresdurchschnittliche Veränderung überzeichnen allerdings die Unterschiede in der konjunkturellen Dynamik beider Jahre, die ausweislich der jeweiligen Verlaufsraten mit 0,9 % und 1,4 % weniger ausgeprägt sind. Gleichwohl verlagert sich die Erholung nunmehr stärker in das kommende Jahr.

Abbildung 1
Bruttoinlandsprodukt
Bruttoinlandsprodukt

Quartalsdaten: preis-, kalender- und saisonbereinigt; Veränderung gegenüber dem Vorquartal (rechte Skala). Jahresdaten: preisbereinigt, Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % (gerahmt).

Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, Reihe 1.2 und 1.3, hellblau hinterlegt: Prognose der Institute.

Die Phase sehr hoher Teuerungsraten ist seit Mitte des vergangenen Jahres ausgestanden. Bei rückläufigen Preisen für Energierohstoffe prägt vor allem der heimische Preisauftrieb das Inflationsgeschehen im Prognosezeitraum. Kennzeichnend dürfte zunächst ein überdurchschnittlicher Anstieg der Dienstleistungspreise bleiben, da diese zuvor deutlich hinter dem allgemeinen Preisauftrieb zurückgeblieben waren und sich nun nach und nach die knappheitsgerechten Preisrelationen wieder einstellen. Zudem machen sich steuerliche Änderungen (Umsatzsteuer auf Gas und in der Gastronomie, CO2-Abgabe) und wegfallende Subventionen (Netzentgelte, Energiepreisbremsen) preiserhöhend bemerkbar. Insgesamt erwarten die Institute einen Anstieg der Verbraucherpreise um 2,3 % im laufenden und um 1,8 % im kommenden Jahr (vgl. Tabelle 1). Bereinigt um den dämpfenden Effekt der Energiepreise ergeben sich Kerninflationsraten von 2,8 % (2024) und 2,3 % (2025).

Tabelle 1
Eckdaten der Prognose für Deutschland
  2021 2022 2023 2024 2025
BIP1 3,2 1,8 -0,3 0,1 1,4
Erwerbstätige2 (1.000 Personen) 44.984 45.596 45.933 46.117 46.123
Arbeitslose (1.000 Personen) 2.613 2.418 2.609 2.694 2.581
Arbeitslosenquote BA3 (in %) 5,7 5,3 5,7 5,8 5,5
Verbraucherpreise4 3,1 6,9 5,9 2,3 1,8
Lohnstückkosten4,5 0,0 3,5 6,7 5,0 2,0
Finanzierungssaldo des Staates6 in Mrd. Euro -129,7 -96,9 -87,4 -67,2 -52,9
In % des nominalen BIP -3,6 -2,5 -2,1 -1,6 -1,2
Leistungsbilanzsaldo in Mrd. Euro 263,5 164,6 243,1 270,2 283,1
In % des nominalen BIP 7,3 4,2 5,9 6,4 6,5

1 Preisbereinigt. Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.

2 Inlandskonzept.

3 Arbeitslose in % der zivilen Erwerbspersonen (Definition gemäß Bundesagentur für Arbeit).

4 Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.

5 Im Inland entstandene Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmerstunde bezogen auf das preisbereinigte BIP je Erwerbstätigenstunde.

6 In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.

Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit, Deutsche Bundesbank, 2024 und 2025: Prognose der Institute.

Die insgesamt robuste Entwicklung am Arbeitsmarkt wirkt konjunkturstabilisierend, insbesondere mit Blick auf den privaten Konsum. Es steigen nunmehr nicht nur die Löhne wieder stärker als die Verbraucherpreise, sondern auch die Beschäftigung zeigt sich trotz der schwachen Konjunktur insgesamt weiterhin fest, wobei wegfallende Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe zuletzt durch einen Beschäftigungsaufbau in den Dienstleistungsbereichen überkompensiert wurden. Gesamtwirtschaftlich ist bedeutsam, dass die realen Lohnstückkosten zwar im Zuge der Lohnanpassungen wieder deutlich zunehmen, über den gesamten Prognosezeitraum hinweg aber beschäftigungsfreundlich bleiben. Im laufenden Jahr dürfte die Zahl der Erwerbspersonen sogar noch etwas steigen, bevor dann im kommenden Jahr allmählich der demografisch bedingte Rückgang einsetzt. Die Arbeitslosigkeit dürfte nur noch geringfügig steigen und bereits ab dem Frühjahr wieder sinken.

Die Effektivverdienste werden in den Jahren 2024 und 2025 voraussichtlich um 4,6 % bzw. 3,4 % zulegen. Damit nehmen die Reallöhne über den gesamten Prognosezeitraum zu und holen die Verluste aus dem Jahr 2022 und dem ersten Halbjahr 2023 langsam wieder auf. Das Niveau von Ende 2021 – also vor dem drastischen Inflationsschub – wird aber voraussichtlich erst im zweiten Quartal 2025 erreicht. Ausgesprochen schwach bleibt die Entwicklung der Arbeitsproduktivität, die nach dem deutlichen Rückgang im vergangenen Jahr im laufenden Jahr nochmals nachgeben dürfte. Ein Grund hierfür könnten qualifikatorische Mismatch-Probleme am Arbeitsmarkt sein. Diese würden zugleich erklären, weshalb die Unternehmen trotz schwacher Auftragslage weiterhin in hohem Maße über mangelnde Arbeitskräfte als Produktionshemmnis klagen. Hierbei spielt auch eine Rolle, dass bislang über die Zuwanderung nicht in hinreichendem Maße solche Arbeitskräfte gewonnen werden, die in Deutschland besonders gefragt sind (vgl. Kasten 1).

Kasten 1
Zur Bedeutung der Migration für Wachstum und Beschäftigung

Die Migration hat für den deutschen Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren spürbar an Bedeutung gewonnen. Angesichts der fortschreitenden Alterung der inländischen Bevölkerung kommt ausländischen Arbeitskräften eine wichtige Rolle auf dem Arbeitsmarkt zu, zumal Zuwanderer im Schnitt jünger sind. Seit Mitte 2022 ist der Beschäftigungszuwachs ausschließlich auf Arbeitskräfte mit ausländischer Staatsangehörigkeit zurückzuführen. Auch die unvorhergesehen hohe Fluchtmigration in den Jahren 2015 und 2022 führte für sich genommen zu einer Aufwärtsrevision des Erwerbspersonen- und damit auch des Produktionspotenzials in der mittleren Frist.

Für die weitere Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials ist die Integration der zugewanderten Personen in den Arbeitsmarkt von zentraler Bedeutung. Allerdings liegen die Erwerbsquoten bis in die zweite Generation nach der Zuwanderung deutlich unter denen der Deutschen ohne Migrationshintergrund. Auch die Integration von Flüchtlingen verläuft in Deutschland eher langsam, was unter anderem auf Sprachbarrieren, nicht anerkannte Berufsabschlüsse und (asyl-)rechtliche Beschränkungen des Arbeitsmarktzugangs zurückzuführen ist. Die Arbeitsmarktintegration der ukrainischen Flüchtlinge erfolgt auch aufgrund des rechtlich unmittelbar möglichen Zugangs zum Arbeitsmarkt zwar deutlich schneller als bei anderen Geflüchteten, jedoch ebenfalls langsamer als in anderen europäischen Ländern.

Der positive Effekt der Zuwanderung auf das Produktionspotenzial wird durch die insgesamt geringe Produktivität der Zuwanderer abgeschwächt. Derzeit sind ausländische Arbeitskräfte in Deutschland überproportional in Branchen mit niedriger Produktivität beschäftigt. Das Anforderungsniveau der ausgeübten Berufe und das Qualifikationsniveau der ausländischen Beschäftigten, insbesondere der Flüchtlinge, liegen im Schnitt deutlich unter dem Bedarf der Arbeitgeber. Jedoch finden selbst hochqualifizierte Geflüchtete oft nur Zugang in eine Beschäftigung mit einem geringeren Qualifikationsniveau. Daher würde auch eine schnellere Integration der bereits Zugewanderten den alterungsbedingt zunehmenden Fachkräftemangel nur teilweise kompensieren. Insbesondere im Bereich der regulären Arbeitsmigration, bei der nicht die humanitären Gründe im Vordergrund stehen, sollten daher Anreize für eine höher qualifizierte Zuwanderung gefördert und vor allem bürokratische Hürden abgebaut werden.

Risiken

Bei der Einschätzung der Expansionsspielräume orientieren sich die Institute am gesamtwirtschaftlichen Produktionspotenzial. Hierbei besteht eine erhebliche Schätz­unsicherheit. Insbesondere kann das zugrundeliegende Verfahren strukturelle Brüche hinsichtlich der Marktfähigkeit bestehender Produktionsstrukturen nur verzögert erkennen – und zwar dadurch, dass die realisierte Wirtschaftsleistung über einen längeren Zeitraum hinter dem zurückbleibt, was ohne größere Strukturprobleme zu erwarten wäre. Beschleunigt sich der Strukturwandel, so geht dies typischerweise mit einem zwischenzeitlich geringeren Produktionspotenzial einher, weil sich neue Produktionsstrukturen langsamer aufbauen lassen, als bisherige obsolet werden. Nur in der längeren Frist können diese Diskrepanzen nach und nach durch eine Reallokation der Produktionsfaktoren behoben werden. Sind Produktivitätsprobleme regulatorisch bedingt – etwa, weil bürokratische Lasten Arbeitskräfte binden oder mangelnde Technologieoffenheit Innovationen verhindert –, so vollzieht sich die entsprechende Politikkorrektur zumeist auch nur in der längeren Frist, weil sich für ein Umsteuern zunächst ein größerer Problemdruck aufbauen muss.

Seit dem Jahr 2019 haben die Institute ihre Einschätzung über die Entwicklung des Produktionspotenzials – also die bei Normalauslastung mögliche Wirtschaftsleistung – mehrfach erheblich zurückgenommen. So liegt nunmehr der für das laufende Jahr geschätzte Wert um 2,2 % unter dem Niveau, das vor fünf Jahren für dieses Jahr erwartet wurde. Mit dem insgesamt niedrigeren Potenzialpfad fallen auch die Expansionsspielräume kleiner aus. Die Unsicherheit über das Potenzialniveau geht somit unmittelbar mit Risiken über den weiteren Konjunkturverlauf einher, wobei derzeit mehr Gründe für ein Über- als ein Unterschätzen der Produktionsmöglichkeiten in der mittleren Frist sprechen.

So geht mit der Dekarbonisierungspolitik ein erheblicher Transformationsprozess einher, im Zuge dessen nicht nur die Energieversorgung, sondern darüber hinaus weite Teile der Produktionsstrukturen umgestellt werden müssen. Dies dämpft gegenüber dem vom Potenzialschätzverfahren ausgewiesenen Niveau die Produktionsmöglichkeiten, wobei das Ausmaß der Effekte hochgradig unsicher ist. Zudem hängen die Effekte stark davon ab, ob die internationale Politikkoordinierung zur Begrenzung von Treibhausgasemissionen gelingt. Diesbezüglich steht ein verlässlicher internationaler Regulierungsrahmen weiterhin aus. Damit steigt das Risiko, sich hierzulande mit emissionsdämpfenden Investitionen zu binden, und der Anreiz für Regulierungsarbitrage nimmt zu, indem Produktion ins Ausland verlagert wird. Dem könnten Innovationen gegenüberstehen, die neue Wachstumschancen bieten.

Auch mit Blick auf strukturelle Veränderungen im Zuge der demografischen Entwicklung bestehen bedeutsame Risiken. Zwar erfasst das Potenzialschätzverfahren die absehbare Entwicklung des Arbeitsvolumens, nicht aber dessen Zusammensetzung. In dem Maße, wie diese sich schneller verändert als im Stützzeitraum, bleiben entsprechende Produktivitätseffekte außen vor, zumal dann, wenn die Effekte nichtlinear sind. So dürfte eine insgesamt ältere Erwerbsbevölkerung technischen Fortschritt weniger durchgreifend adaptieren als eine jüngere. Zudem wandern bislang anteilig weniger Höherqualifizierte zu, als aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Im Ergebnis dürfte sich die Mismatch-Problematik am Arbeitsmarkt weiter verschärfen. In dem Maße, wie seitens der Politik die Folgen des demografischen Wandels im gesetzlichen Alterssicherungssystem stärker zulasten der aktiven Erwerbstätigen abgefangen werden sollen, dürfte zudem der Anreiz für qualifizierte Zuwanderung für sich genommen weiter sinken.

Ferner erfordert die über Jahrzehnte vernachlässige öffentliche Infrastruktur – insbesondere mit Blick auf das Straßen- und Schienennetz – in den kommenden Jahren vermehrte Instandhaltungsinvestitionen. Während der nun nachzuholenden Sanierungsmaßnahmen sinken aber die Transportkapazitäten der entsprechenden Verkehrsnetze trotz des rechnerisch ausgewiesenen höheren gesamtwirtschaftlichen Kapitalstocks, der erst später potenzialwirksam werden wird. Unklar ist auch, wie sehr eine steigende Regulierungsdichte – etwa zunehmende Berichtspflichten für Nachhaltigkeitskriterien, Lieferkettenüberwachung und Taxonomie-Vorgaben – auf die gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit durchschlägt. Wie bei anderen wichtigen Standortfaktoren – etwa den Energiekosten – ist hierfür nicht nur die zeitliche Entwicklung hierzulande bzw. im europäischen Binnenmarkt ausschlaggebend, sondern die Entwicklung relativ zu den Bedingungen in der übrigen Welt.

Neben all diesen schwer zu quantifizierenden Einflüssen auf das Produktionspotenzial bestehen konjunkturelle Risiken. Hierbei treten neben weltwirtschaftliche Unwägbarkeiten auch binnenwirtschaftliche Risiken. So ist unsicher, ob sich die hohen Krankenstände wie unterstellt im Verlauf des Prognosezeitraums zurückbilden. Gelingt dies rascher, könnten Engpässe am Arbeitsmarkt schneller überwunden werden und so früher mehr wirtschaftliche Dynamik entstehen. Freilich ist auch denkbar, dass die erhöhten Krankenstände noch länger andauern als in dieser Prognose angenommen. Ferner ist der hohe Auftragsbestand in der Industrie bislang nicht im erwarteten Maße produktionswirksam geworden. Sollten von dieser Seite doch noch stärkere Impulse ausgehen, könnte die Erholung etwas rascher einsetzen bzw. stärker ausfallen als hier unterstellt. Schließlich lastet die Politikunsicherheit weiterhin auf der Investitionstätigkeit. Sollte rasch Klarheit über den wirtschaftspolitischen Kurs herrschen, könnte sich der Attentismus bei den Unternehmen abschwächen und die Investitionstätigkeit schneller Tritt fassen.

Wirtschaftspolitik

Wirtschaftspolitisch empfehlen die Institute eine behutsame Reform der Schuldenbremse. Im Grundsatz unterstützen sie den von der Deutschen Bundesbank vorgelegten Vorschlag und regen an, nach einer gesamtwirtschaftlichen Notlage, für die die Ausnahmeklausel aktiviert wurde, den Übergang zur regulären Defizitbegrenzung nicht länger abrupt, sondern stufenweise erfolgen zu lassen. Eine solches regelgebundenes Wiederscharfstellen trüge den ökonomischen Nachwehen adverser Schocks Rechnung und würde auch über eine bessere Vorhersehbarkeit der Finanzpolitik stabilisierend wirken. Zudem könnten Budgetpositionen, die während der energetischen Transformationsphase an Gewicht gewinnen (CO2-Abgaben, EEG-Subventionen), in dem Maße im Konjunkturbereinigungsverfahren berücksichtigt werden, wie sie sich als konjunkturreagibel erweisen. Dies würde die automatischen Stabilisatoren stärken. Auch wenn damit maßvolle Modifikationen der Schuldenbremse sinnvoll erscheinen, hängen Wohl und Wehe des Standorts Deutschland aus Sicht der Institute nicht davon ab. Insbesondere zeigt sich kein systematischer Zusammenhang zwischen der Fiskalregel und dem staatlichen Investitionsgebahren.

Wichtiger als eine Ausweitung der gesamtstaatlichen Verschuldungskapazität wäre eine Neugestaltung der gesamtstaatlichen Finanzverfassung (Föderalismusreform III). Diese müsste zum Ziel haben, die kommunalen Investitionen von kurzfristigen Haushaltsnöten des Bundes und der Länder abzuschirmen und die konjunkturellen Schwankungen nur dort durchschlagen zu lassen. Insbesondere gilt es, die Einnahmen der Kommunen weniger konjunkturreagibel zu gestalten, etwa durch einen Hebesatz auf die Einkommensteuer anstelle der Gewerbesteuer. Damit eine solche durchgreifende Finanzreform nicht an den fiskalischen Unwägbarkeiten einzelner Haushaltsjahre scheitert, sollte bei ihrem Inkrafttreten übergangsweise eine Ausnahme von der Schuldenregel zugelassen werden.

Title:German Economy Ailing – Reform of the Debt Brake Is No Panacea

Abstract:Cyclical and structural factors are overlapping in Germany’s sluggish overall economic development. Until recently, there have been more headwinds than tailwinds from both the external and domestic economy. A low momentum recovery is likely to set in after spring. Net immigration has stabilised the labour force substantially; the productivity of immigrants remains subdued though due to integration problems and qualification mismatches. While a mild reform of the debt brake is advisable, a reorganisation of the overall fiscal constitution to better shield municipal investment activity from cyclical budget shortfalls is much more important.

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© Der/die Autor:in 2024

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DOI: 10.2478/wd-2024-0068