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Vor genau einem Jahr widmete sich die Bundesregierung erstmals mit „Wumms“ einem lange Zeit vernachlässigten Thema: die finanzielle Bildung der Deutschen. Endlich, wird so mancher gedacht haben, denn es ist um sie nicht gut bestellt, wie Umfragen immer wieder zeigen. Der Zinses­zinseffekt ist für viele ein Rätsel, Aktien gelten mitunter als Teufelszeug, und dass trotz Zinswende letztlich die reale und nicht die nominale Rendite über die Einträglichkeit einer Geldanlage entscheidet, ist so manchem bis heute nicht klar – allen Inflationserfahrungen zum Trotz. Die Folgen sind bekannt: unzureichende Spartätigkeit, einseitige Portfolio­strukturen, Präferenz für sichere, aber ertragsschwache Anlagen. Da wundert es nicht, dass die Deutschen in Sachen Vermögenshöhe und -rentabilität international eher auf den hinteren Plätzen zu finden sind.

Es gibt also Handlungsbedarf. Die „Initiative Finanzielle Bildung“ ist daher zu begrüßen. Sie hätte zwar früher kommen sollen, doch wie sagt man so schön: „Besser spät als nie.“ Dass sie auch aktuell sinnvoll ist, zeigen (mindestens) drei ökonomische Entwicklungen: Erstens, die bereits genannte Zinswende. Nach Jahren der Niedrig-, Null- und Negativzinsen erscheinen lang verschmähte Anlageformen, wie Sparbücher oder Anleihen, wieder attraktiv. Für junge Privathaushalte ist das Neuland. Sollten sie nun reagieren? Wenn ja, wie?

Zweitens, die demographische Entwicklung. Schon heute stehen die Sozialsysteme unter Druck, viele Leistungen sind nur durch Steuer­zuschüsse möglich. Mit der Verrentung der Babyboomer wird sich die Situation ab Mitte der 2020er Jahre absehbar verschärfen. Leistungs­kürzungen erscheinen früher oder später wahrscheinlich, auch wenn (oder gerade weil) das jüngst beschlossene Rentenpaket II eine andere Sprache spricht. Einträgliche private Vorsorge wird umso wichtiger.

Dies gilt umso mehr, da drittens der Spielraum für Haushalte, Einkommen zu sparen, in Zukunft eher kleiner denn größer werden könnte. So sind Steuererhöhungen auf mittlere Sicht nicht ausgeschlossen; irgendwie müssen die steigenden Staatsausgaben für die Landesverteidigung, die Transformation und die Sozialsysteme finanziert werden, wenn neue Sondervermögen nicht mehr möglich sind. Und dass diesbezügliche Subventionen – Sparerpauschbetrag, Wohnungsbauprämie etc. – im Zweifel ebenfalls zur Disposition stehen, dürfte spätestens seit den Beschlüssen rund um den Agrardiesel klar sein.

Höchste Zeit also, zu handeln. Die Regierung hat sich dafür einen Dreiklang überlegt: (1) vorhandenes Bildungs- und Informationsmaterial bündeln und strukturiert bereitstellen, (2) Forschung zur finanziellen Bildung stärken und (3) eine nationale Finanzbildungsstrategie erarbeiten. Unterstützt werden die federführenden Ministerien von der OECD. Diese verfügt über viel Erfahrung, schließlich ist Deutschland das einzige G20-Land ohne eine solche Strategie oder nennenswerter Arbeit daran. Erste Schritte sind gemacht: Nach dem „Aufbruch finanzielle Bildung“ im Frühjahr 2023 ging zum Jahresende die Webseite www.mitgeldundverstand.de online, Richtlinien zur Forschungsförderung wurden veröffentlicht und im Herbst 2024 sollen auf dem „Festival für Finanzbildung“ konkrete Ansätze der Strategie vorgestellt werden. Diese auffällig positiven Maßnahmen­bezeichnungen sind vermutlich bewusst gewählt, da viele Deutsche dem Thema nur mit Zurückhaltung begegnen. Über Geld spricht man – angeblich – nicht. Eine derartige Rhetorik kann man mögen, sie sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Weg zu einer grundlegenden Finanzbildung in der Breite der Bevölkerung, die auch die besonders anzusprechenden Gruppen effektiv erreicht – unter anderem junge Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund – noch lang ist. Verschiedenste Akteure wollen überzeugt und eingebunden, relevante Maßnahmen identifiziert und evaluiert werden. Es gilt sicherzustellen, dass die vom Bund initiierte Strategie ihren Weg in die – im Bildungsbereich autonomen – Länder findet. Und wer all das auf Dauer finanzieren soll, ist ebenfalls zu klären. Die aktuelle Forschungsförderung etwa läuft Ende der 2020er Jahre aus – Zukunft ungewiss.

Die gute Nachricht: Es lohnt sich. Studien zeigen, dass einschlägige Maßnahmen signifikante Effekte haben, z. B. auf das Sparverhalten. Auch ihre Umsetzung kann schnell gelingen. Österreich etwa führte im Herbst 2021 eine solche Strategie ein und konnte Ende 2023 landesweit schon auf rund 140 Maßnahmen verweisen. Schließlich könnte Deutschland aus seiner Rolle als Nachzügler sogar Kapital schlagen, indem es von den Erfahrungen anderer Länder lernt. Ob das Vorhaben gelingt, ist offen. Gut gemeint ist noch nicht gut gemacht. Die Richtung jedoch stimmt. Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass der Fokus nun endlich darauf liegt, Menschen zu kompetenten Entscheidungen zu befähigen, anstatt ihr Verhalten mit Subventionen beeinflussen zu wollen. Letzteres hat sich nämlich auch bei diesem Thema als nicht wirklich überzeugend herausgestellt.

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© Der/die Autor:in 2024

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DOI: 10.2478/wd-2024-0062