Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Trotz Herausforderungen, wie dem Ukrainekrieg, steigenden Energiepreisen und anhaltend hohen Inflationsraten, zeigt sich der deutsche Arbeitsmarkt in den vergangenen zwei Jahren relativ robust. Aktuell prägt die Inflationsbekämpfung durch die Europäische Zentralbank (EZB) das konjunkturelle Geschehen. So liegt die Inflationsrate im März 2024 voraussichtlich mit 2,2 % nahe dem Zielwert der EZB von 2 % (Statistisches Bundesamt, 2024). Jedoch trüben ökonomische und politische Unsicherheiten die Wachstumsperspektiven Deutschlands. Für das Jahr 2024 wird nur ein geringes Wirtschaftswachstum von 0,25 % erwartet, was die verhaltenen Konjunkturaussichten unterstreicht (Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut, 2024).

Die aktuelle wirtschaftliche Unsicherheit und die verhaltenen Prognosen spiegeln sich nur teilweise in den Arbeitslosenquoten wider. Im März 2024 verzeichnete die Arbeitslosenquote einen leichten Anstieg um 0,3 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr, bleibt aber mit 6,0 % auf einem relativ stabilen Niveau (Bundesagentur für Arbeit, 2024).1 Allerdings gibt es bedeutende Unterschiede zwischen deutschen und ausländischen Erwerbspersonen. So ist über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg bei den Arbeitslosenquoten ausländischer Personen ein Anstieg zu beobachten: von 12,3 % im Dezember 2021 auf 14,7 % im Dezember des vergangenen Jahres, was einer Zunahme von insgesamt 2,4 Prozentpunkten entspricht. Aktuell liegt die Quote mit 15,8 % etwas höher als im März 2023 mit 15,6 %. Im Gegensatz dazu sind die Arbeitslosenquoten der deutschen Erwerbspersonen deutlich geringer. So waren im März 2024 4,4 % der deutschen Erwerbspersonen arbeitslos gemeldet, während es im Vorjahresmonat noch 4,2 % waren (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Arbeitslosenquoten von deutschen und ausländischen Personen
Arbeitslosenquoten von deutschen und ausländischen Personen

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, 2024.

Zugleich weisen verschiedene Frühindikatoren für den März dieses Jahres auf eine sich aufhellende Perspektive für den Arbeitsmarkt hin. Besonders bemerkenswert ist der Anstieg des IAB-Arbeitsmarktbarometers2 im März auf 100,6 Punkte, den höchsten Wert seit August des Vorjahres (IAB, 2024a). Ebenfalls zeigt der Arbeitskräfteknappheits-Index des IAB3 mit einem Wert von 4,8 im März eine Rückkehr zum Stand von März 2022 (IAB, 2024b). Somit sehen sich Unternehmen trotz der leicht steigenden Arbeitslosenzahlen im zweiten Halbjahr 2023 weiterhin mit einem Fach- und Arbeitskräftemangel konfrontiert. So gaben sie in einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) an, dass jeder zweite Betrieb offene Stellen zumindest teilweise nicht besetzen kann (DIHK, 2023).

Zur Bewältigung des Fachkräftemangels wird verstärkt auf Zuwanderung gesetzt. Seit Dezember 2019 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ausländer kontinuierlich angestiegen. Vor der Pandemie, im Dezember 2019, waren 4.235.709 ausländische Personen in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen tätig. In den Jahren 2020 und 2021 stieg diese Zahl jeweils im Vergleich zum Vorjahresmonat um 3 % bzw. 8 %. Bis Dezember 2023 wuchs die Zahl auf 5.404.900, was einem Anstieg um knapp 28 % gegenüber Dezember 2019 entspricht.

Aufgeschlüsselt nach Anforderungsniveaus ergeben sich deutliche Unterschiede in den Arbeitslosenzahlen (ohne osteuropäische Herkunft) (vgl. Abbildung 2). Ausländische Personen mit einem als „Experte“ bzw. „Spezialist“ eingestuften Anforderungsprofil sind nur in sehr geringem Maße arbeitslos gemeldet. Diese Anforderungsniveaus setzen abgeschlossene, mehrjährige Studienleistungen oder Fortbildungen voraus und bestehen etwa aus Technikern, Meistern, Bachelorabsolventen oder Beamten im gehobenen bzw. höheren Dienst. Von den „Experten“ sind nur 32.864 im Februar 2024 als arbeitslos gemeldet, von den „Spezialisten“ nur 24.202. Im Gegensatz dazu sind die weniger komplexen Anforderungsniveaus der Helfer- und Anlerntätigkeiten weitaus stärker von Arbeitslosigkeit betroffen. So waren im Februar 533.669 Personen in dieser Kategorie als arbeitslos gemeldet, womit wieder das Niveau der Pandemie erreicht wird. Bei den Personen der Kategorie „Fachkraft“ sind 165.556 arbeitslos gemeldet.

Abbildung 2
Ausländische Arbeitslose nach Anforderungsniveaus
Ausländische Arbeitslose nach Anforderungsniveaus

Die Datenverfügbarkeit zum Anforderungsniveau der Ukrainer ist derzeit stark eingeschränkt. Daher sind die osteuropäischen Arbeitslosen nicht berücksichtigt.

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, 2024.

Die Analyse der ausländischen Arbeitslosenzahlen nach Anforderungsprofil zeigt, dass alle vier Segmente einen Zuwachs der Arbeitslosigkeit verzeichnen. So stieg die Zahl der Arbeitslosen mit dem Anforderungsprofil „Fachkraft“ im Februar gegenüber dem Vorjahresmonat um 13,2 %. Bei deutschen Fachkräften fiel dieser Anstieg mit lediglich 4,8 % deutlich geringer aus. Diese Diskrepanz im Anstieg der Arbeitslosigkeit zwischen deutschen und ausländischen Arbeitskräften erstreckt sich hierbei über alle vier Anforderungsprofile. Bei „Helfern“ etwa lag der Anstieg bei ausländischen Arbeitskräften bei 9,7 % im Vergleich zum Vorjahresmonat, während er bei Deutschen lediglich 4,2 % betrug.

Die sich verschlechternde Arbeitsmarktlage für Hilfskräfte geht in Teilen mit einer zunehmend schwierigeren Situation für ausländische Arbeitskräfte einher. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass ausländische Arbeitskräfte im Vergleich zu Deutschen überproportional oft in Tätigkeiten mit dem Anforderungsprofil einer Hilfskraft zu finden sind. Im Juni 2023 waren 36,7 % aller ausländischen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Helfertätigkeiten angestellt, während dieser Anteil bei deutschen Arbeitskräften nur bei 12,7 % lag. Dem kann eine gezielte Weiterbildung in den geforderten Bereichen oder eine noch gezieltere Zuwanderung entgegenwirken – auf die die Reform des Fachkräftezuwanderungsgesetzes abzielt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Reform des Fachkräftezuwanderungsgesetzes, deren Maßnahmen bereits ab November 2023 sukzessive in Kraft traten, weiter auswirkt.

Insgesamt zeigt die Arbeitsmarktlage für ausländische Personen, ähnlich wie für Deutsche, ein zweigeteiltes Bild. Einerseits haben viele Personen mit ausländischer Herkunft, gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, in den vergangenen zwei Jahren Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt gefunden. Andererseits hinterlässt die gegenwärtige konjunkturelle Situation ihre Spuren und hat die zuvor positive Dynamik leicht abgeschwächt. In den kommenden Monaten wird zu beobachten sein, ob sich die aktuellen Eintrübungen lediglich als temporäre Delle herausstellen oder sie sich weiter verfestigen.

  • 1 Die Angaben zur Arbeitslosenquote beziehen sich auf alle zivilen Erwerbspersonen in Deutschland.
  • 2 Das IAB-Arbeitsmarktbarometer ist ein Frühindikator, der einen Ausblick auf die Gesamtentwicklung des Arbeitsmarktes gibt.
  • 3 Der Arbeitskräfteknappheits-Index des IAB misst auf einer Skala von 0 bis 10, inwiefern die Besetzung offener Stellen durch begrenzt verfügbare Arbeitskräfte erschwert wird. Hierfür wird ein Durchschnitt über alle Agenturbezirke berechnet.

Literatur

Bundesagentur für Arbeit (2024), Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung – Die aktuellen Entwicklungen in Kürze – März 2024 zu https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Navigation/Statistiken/Fachstatistiken/Arbeitsuche-Arbeitslosigkeit-Unterbeschaeftigung/Aktuelle-Eckwerte-Nav.html (3. April 2024).

DIHK – Deutsche Industrie- und Handelskammer (2023), Fachkräfteengpässe gefährden Transformation und Innovation, DIHK-Report Fachkräfte 2023/2024.

Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2024), HWWI Konjunkturprognose Deutschland, Frühjahr 2024, HWWI Prognose, 1/2024.

IAB – Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (2024a), IAB-Arbeitsmarktbarometer, https://iab.de/daten/iab-arbeitsmarktbarometer (2. April 2024).

IAB – Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (2024b), Arbeitskräfteknappheits-Index, https://iab.de/daten/arbeitskraefteknappheits-index-3 (2. April 2024).

Statistisches Bundesamt (2024), Inflationsrate im März 2024 voraussichtlich +2,2 %, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/04/PD24_133_611.html (2. April 2024).

Beitrag als PDF

© Der/die Autor:in 2024

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2024-0076