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Nachdem das Bundesverfassungsgericht 2018 die bisherige Grundsteuererhebung für verfassungswidrig erklärt hat, haben elf Bundesländer das sogenannte Bundesmodell als Nachfolgeverfahren gewählt. Es basiert weiterhin auf einer Bewertung der Grundstücke mithilfe des modifizierten Bewertungsgesetzes. Dabei werden statische Wertverhältnisse unterstellt, die zwischenzeitlich deutlich überholt sein können und nicht mehr zu einer gleichheitsgerechten Besteuerung beitragen. Außerdem ist der Charakter der Grundsteuer als spezieller Vermögensteuer mit einem überaus antiquierten Belastungsgrund nicht mehr verfassungskonform.

Die bisherige Grundsteuererhebung ist im Jahr 2018 vom Bundesverfassungsgericht „aufgrund der Wertverzerrungen …, die durch die Aussetzung neuer Hauptfeststellungen verursacht werden …“1 als verfassungswidrig erklärt worden. Noch im Jahr 2019 kam es daraufhin zu einer Grundgesetzänderung, die es den Ländern erlaubte, eigene Grundsteuergesetze zu erlassen. Das ansonsten wichtige Gebot der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland wurde damit insoweit aufgegeben.2

In der Folge gab es zwei grundsätzlich unterscheidbare Vorgehensweisen in den Bundesländern: Fünf Länder (Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen) haben sich für vereinfachte Flächenverfahren festgelegt, die anderen folgen dem Bundesmodell. Die Flächenverfahren sind ihrerseits keineswegs einheitlich, sondern weisen in den einzelnen Ländern divergierende Flächenmaße bzw. abweichende Umrechnungsverfahren dafür aus (vgl. hierzu Graf, 2022). Die Flächenmodelle vernachlässigen grundsätzlich den Wert der Gebäude als Bestandteil des Grundstückswerts. Sie entsprechen insoweit in keinem Fall dem Petitum des Verfassungsgerichts, das vollständige Wertansätze für die Grundstücke einschließlich der Gebäude als Zielgröße für eine Grundstücksbewertung vorsieht.

Das Bundesmodell als Reformoption

Das Bundesmodell beruht auf einer eigens vorgenommenen Gesetzgebung aus dem Jahr 20213, die zu einer Erweiterung des Bewertungsgesetzes um einen Siebenten Abschnitt (§§ 218 ff.) geführt hat. Inhaltlich geht es bei diesen zusätzlichen knapp 50 Paragrafen um gegenüber dem früheren Stand des Bewertungsgesetzes erweiterte Vorschriften zur Bewertung von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und von Grundvermögen für die Grundsteuer ab 1. Januar 2022. Die Gesetzestexte sind im Detail noch ergänzt um 43 Anlagen mit einer Vielzahl von technischen Daten.

Besonders viele Anlagen mit 35 Spezialvorschriften gibt es für die Bewertung der land- und forstwirtschaftlichen Vermögen. Dies steht im krassen Gegensatz zu der finanziellen Bedeutung der Grundsteuer A, die für die land- und forstwirtschaftlichen Vermögen erhoben wird.4

Für die Grundstücke und damit für die Grundsteuer B sind zwei Verfahren vorgesehen. Zum einen wird das Ertragswertverfahren für die Wohngrundstücke angewandt. Ausgangspunkt ist hierbei der Rohertrag, zu dem in der Anlage 39 des Bewertungsgesetzes auf etwa fünf Seiten beispielsweise Vorgaben zur Nettokaltmiete in typisierter Form je separat für die Bundesländer, die Wohnfläche der Gebäude und das Baujahr des Gebäudes enthalten sind. Im Ertragswertverfahren sollen diese Vorgaben zur Ermittlung des Rohertrags mit dem Stand der Hauptfeststellung 1. Januar 2022 dienen. Die Restnutzungsdauer beeinflusst nach der Anlage 40 die Höhe der Bewirtschaftungskosten und sie hat nach der Anlage 41, wie auf fünf Seiten für alternative Zinssätze dargestellt, Einfluss auf den jährlichen Reinertrag. Dieser wird dann noch nach der Anlage 37 (3 Seiten) mit einem Vervielfältiger, d. h. einem Barwertfaktor aus alternativen Zinssätzen zwischen 1,5 % und 4,5 % sowie der Restnutzungsdauer kapitalisiert, um schließlich nach der Addition mit dem nach Anlage 41 (5 Seiten) abgezinsten Bodenwert den Grundsteuerwert zu erhalten.

Das Sachwertverfahren gilt zum anderen im Wesentlichen für Nichtwohngrundstücke. Hierbei ist für den Gebäudewert von den Normalherstellungskosten auszugehen, zu denen die Anlage 42 des Bewertungsgesetzes nach Gebäudeart und Baujahrgruppe detaillierte Vorgaben (in Euro) macht. Diese Normalherstellungskosten (NHK) werden dann noch mit einem Baupreisindex (§ 259 Abs. 2 BewG) multipliziert ehe gemäß Anlage 38 die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer bzw. die Alterswertminderung, die auch beim Ertragswertverfahren zum Tragen kommt, abgezogen wird. Das Resultat ist der Gebäudesachwert, zu dem dann noch der auf dem Bodenrichtwert basierende Bodenwert addiert wird, um zunächst zu einem vorläufigen Sachwert des Grundstücks zu gelangen. Nach einer weiteren Umrechnung des vorläufigen Sachwerts mit einer Wertzahl aus Anlage 43, die Marktentwicklungen nach dem vorläufigen Sachwert und dem Bodenrichtwert erfassen soll, ergibt sich dann der Grundsteuerwert des Nichtwohngrundstücks.

Die hier nur von der groben Struktur dargestellten Bewertungsschritte sollen wohl nach der Intention der Gesetzesautoren des Bewertungsgesetzes geeignet sein, die Wertverhältnisse der Grundstücke zum 1. Januar 2022 verfassungskonform abzubilden, d. h. unter Beachtung des Gleichheitsgebots. Die Vielzahl der Typisierungen und Pauschalierungen scheint es in diesem Zusammenhang zu erlauben, die unterschiedlichen Grundstücke einheitlich und vergleichbar zu erfassen bzw. zu bewerten. Andererseits wird mit der Vielzahl der durchaus wirtschaftlich begründbaren Berechnungsbausteine (z. B. Bodenrichtwert, Alter der Gebäude, Kapitalisierung des Reinertrags, Grundstücksgröße usw.) der Eindruck vermittelt, den wirtschaftlichen bzw. Marktgegebenheiten hinreichend Rechnung tragen zu können. Insoweit findet die Kritik des Bundesverfassungsgerichts an den über die Zeit hin wegen der ausgefallenen Hauptfeststellungen entstandenen Wertverzerrungen Berücksichtigung. Die auf der Basis der Neufassung des Bewertungsgesetzes errechneten Werte für 2022 könnten dem Petitum des Bundesverfassungsgerichts einer in ihrer Relation realitätsnahen Bewertung5 entsprechen.

Verfassungskonformität des Bundesmodells weiterhin fraglich

Unvollständigkeit der Beteiligung an der Grundsteuerveranlagung

Gleichwohl bleibt die Frage nach der Verfassungskonformität des Bundesmodells bestehen. Diese stellt sich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen wäre zu prüfen, ob das Verfahren für die Hauptfeststellung zum 1. Januar 2022 für die Grundsteuersubjekte überhaupt intelligibel war. Der Umgang mit den Detailvorschriften des Bewertungsgesetzes, die zum Teil unter Berücksichtigung der Anlagen mehrfach verschachtelt sind, lässt die Steuerpflichtigen zurückschrecken und trägt dazu bei, dass sie ihrer Erklärungspflicht bis zunächst 31. Oktober 2022 und danach bis zum 31. Januar 2023 nur in eingeschränktem Maß entsprochen haben. Es kommt hinzu, dass die Grundsteuersubjekte vielfach die finanziellen Auswirkungen ihrer Angaben im Unterschied zu Veranlagungsverfahren für andere Steuern nicht hinreichend abschätzen können, zumal kein Vertrauen in die von einigen Politikern versprochene Aufkommensneutralität der Neufassung des Grundsteuerrechts besteht und in jedem Fall durchaus erhebliche Mehrbelastungen für den einzelnen Bürger resultieren können. Der einzelne Bürger sieht sich insoweit als Teilnehmer eines Prozesses, der vom Resultat her Ähnlichkeiten mit dem Erwerb einer schwarzen Katze in einem schwarzen Sack hat. Dies widerspricht deutlich dem Rechtsstaatprinzip, wonach der Bürger staatliches Handeln nachvollziehen können sollte, insbesondere solches mit Belastungs- oder Eingriffswirkungen. Erschwerend wirken die Details des Veranlagungsprozesses im Elster-Verfahren, die sich nicht an der Sprachweise von Menschen im aktuellen gesellschaftlichen Alltag orientieren, sondern sich zum Teil an die Nomenklatur einer grundsätzlich veralteten Steuer anpassen. In der Summe hat dies zu einer recht unvollständigen Beteiligung der Zensiten an der Erklärungspflicht für die Grundsteuerveranlagung geführt. Dies kann nicht nur auf Nachlässigkeit oder bewusste Nichtbeachtung der Gesetzesregeln zurückgeführt werden. Es fehlt vielmehr die Intelligibilität für einen millionenfachen Veranlagungsprozess mit kaum einsehbaren individuellen wirtschaftlichen Konsequenzen und überaus begrenzten gesamtwirtschaftlichen (hier: für alle Kommunen bedeutsamen) Einnahmenwirkungen.6 Es bleibt, dass das neue Grundsteuerrecht von vornherein mit Verletzungen des Gleichheitsgebots einhergeht. Da die Umsetzung des neuen Rechts nur unvollständig gelingt, kann nicht von einer Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen gesprochen werden. Gleiches wird damit nicht gleich und Ungleiches nicht entsprechend ungleich behandelt. Es kommt vielmehr auf Zufälligkeiten bis hin zu Schätzungen an. Gegebenenfalls werden die zu erwartenden Rechtsstreitigkeiten zu weiteren Ungleichheiten führen.

Statische Wertvorgaben versus dynamische gesamtwirtschaftliche Preisentwicklungen

Zum anderen orientieren sich sowohl das Bundesmodell – wie auch die alternativen Flächenmodelle – an der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Zeitschiene, unter anderem dem Zeitpunkt der Hauptfeststellung 1. Januar 2022 und dem Beginn der Anwendung der reformierten Gesetzgebung ab dem Veranlagungsjahr 2025. Die für das Bundesmodell vorgenommene Ergänzung des Bewertungsgesetzes um den Siebenten Abschnitt greift zu Recht die im Verhältnis zum alten Gesetzesstand veränderten Markt- und Kostenverhältnisse auf, um für den Hauptfeststellungzeitpunkt eine aktualisierte Bewertung der land- und forstwirtschaftlichen Vermögen sowie der Grundstücke zu erreichen. Zugleich wird allerdings die tradierte Vorgehensweise weiterhin angewandt, die für die Feststellungen statische Vorgaben benutzt. Solange man von einer in Deutschland verhaltenen Wirtschafts- und Preisdynamik ausgehen konnte, hatte das gewählte Verfahren eine scheinbare Rechtfertigung, zumal wenn die vorgesehene, aber keineswegs sichere, neue Hauptfeststellung im Jahr 2029 – mit bis dahin aktualisierten wirtschaftlichen Daten für den Grundbesitz – tatsächlich realisiert werden sollte.

Noch vor dem neuen Hauptfeststellungszeitpunkt 2022 ist jedoch in Deutschland die lange währende Periode der Preisstabilität und der verhalten positiven Wirtschaftsentwicklung zu Ende gegangen.7 Eine explodierende Inflation tangierte nicht nur Wertansätze im Bewertungsgesetz, sondern führte auch zu Erhöhungen der Zinssätze zum Teil deutlich über das Niveau von 4,5 % und ging mit einer vergrößerten Streuung der Zinssätze einher. Es kommt hinzu, dass nicht zuletzt durch die COVID-Pandemie Wirtschaftsabläufe beeinträchtigt worden waren, was zu Lieferausfällen und Verknappungen auch und gerade im Bausektor geführt hat. Außerdem wurde vom russischen Präsidenten im Februar 2022 und damit kurz nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt der Ukrainekrieg begonnen, der seither viele Nachfrage- und Angebotsbedingungen auf dem deutschen Kapital- und Grundstücksmarkt veränderte. Schließlich haben die insgesamt erschwerten Wirtschaftsbedingungen über viele Branchen hinweg seit Ende 2022 nicht nur zu steigenden Preisen, sondern auch zu unerwarteten Preisrückgängen gerade am Immobilienmarkt geführt. Die Wertansätze aus den Erfahrungen des mehrjährigen Zeitraums vor dem Hauptfeststellungszeitpunkt sind damit schon vor dem Jahresanfang 2022, in jedem Fall aber für weite Zeiträume danach, nicht mehr geeignet, zur „Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, insbesondere zur Sicherstellung einer relations- und realitätsgerechten Abbildung der Grundsteuerwerte“ (§ 263 BewG) beizutragen.

Die Vielfalt der Bewertungsvorschriften des im Jahr 2021 neu eingefügten Siebenten Abschnitts des Bewertungsgesetzes bleibt statisch. Sie ist trotz der dahinter stehenden Fleißarbeit in den Verwaltungen fixiert auf den 1. Januar 2022 und basiert hierfür auf dem verwaltungstechnischen Erfahrungswissen aus den der Hauptfeststellung vorangegangenen Jahren.

Die Dynamik der Wert-, Preis- und Zinsveränderungen, die bereits vor dem Jahresbeginn 2022 eingesetzt hat, findet in den Grundsteuerwerten zum 1. Januar 2022 keinerlei Berücksichtigung, und sie wird sich definitiv nicht in den ab 2025 zu erwartenden Grundsteuerbescheiden niederschlagen. Insofern ist nicht damit zu rechnen, dass die Werte in den mit den Zahlungspflichten einhergehenden Steuerbescheiden ab 2025 dem Gleichheitsgrundsatz und damit der Verfassungsmäßigkeit entsprechen. Auch eine neue Hauptfeststellung per 1. Januar 2029, die teilweise den Wertveränderungen seit 2021 Rechnung tragen würde, vermag an dieser grundsätzlichen Problematik nichts Wesentliches ändern.

Die aufgezeigten Schwierigkeiten sind ein Relikt des statischen Bewertungsvorgangs, der im Zusammenhang zu sehen ist mit der alten Einheitsbewertung, die Preisverhältnisse eines abgeschlossenen historischen Zeitpunkts festschreiben will und insoweit verkennt, dass die Werte schon zum Hauptfeststellungszeitpunkt und insbesondere in der Zukunft durch wirtschaftliche und gesellschaftliche Ereignisse aller Art überholt sein werden.

Unberücksichtigte Wertveränderungen während des Hauptfeststellungszeitraums

Selbst eine relativ zutreffende und relationsgerechte Bewertung nach den Regeln des Bewertungsgesetzes zum Hauptfeststellungszeitpunkt ist außerdem nicht in der Lage, die Wertveränderungen nachzuvollziehen, die sich beispielsweise an einem gegebenen Grundbesitzobjekt über die Zeit hin einstellen. Es wird vielmehr immer wieder Grundstücke und Grundvermögensbestandteile geben, denen die Eigentümer:innen keine besondere Aufmerksamkeit schenken oder sie gar vernachlässigen und deren tatsächlicher Wert absolut und im Verhältnis zu anderen Grundbesitzobjekten abnimmt. Gleichzeitig kommt es erfahrungsgemäß bei einer Reihe von Grundstücken zu aufwendigen Renovierungen bis hin zu Ausbauten, die sich nach der Nomenklatur des Bewertungsgesetzes nicht offenbaren und daher im Grundstückswert unberücksichtigt bleiben. Darüber hinaus sind immer wieder Umbewertungen von Grundstücken über die allgemeine Wirtschaftsentwicklung bis hin zu modifizierten Bauleitplanungen zu erwarten. Die Relation der Werte zwischen den Grundstücken insgesamt wird jedoch damit verzerrt oder die in der Relation realitätsgerechte Abbildung der Werte nach dem Bewertungsgesetz versagt. Wollte man diese hier angesprochenen Wertveränderungen tatsächlich erkennen und in den Grundstückswerten erfassen, wären millionenfache Vor-Ort-Besichtigungen durch Bauexperten der Veranlagungsbehörden erforderlich, die jedoch angesichts der finanziellen Dimensionen der Grundsteuereinnahmen bzw. deren zu erwartende Veränderungen keine sachliche Rechtfertigung haben.8 Insoweit wird es bei den Ungleichbehandlungen bleiben.

Was wird überhaupt der Besteuerung durch die Grundsteuer unterworfen?

Die Grundsteuer knüpft an dem realen Grundbesitz an und versucht, diesen im Bundesmodell mithilfe von Pauschalierungen und Typisierungen wertmäßig zu erfassen. Dieses Vorgehen abstrahiert vollständig von der individuellen Leistungsfähigkeit der Grundstückseigentümer:innen, zumal die Grundsteuer auf dem Grundstück als dingliche Last ruht. Sie kann von ihrer Konstruktion her die den Grundstücken zurechenbaren äquivalenten Vorteile, die eine Gemeinde mit den Grundsteuereinnahmen finanziert, nicht abbilden. Die Grundsteuer orientiert sich vielmehr an einem Belastungsmodell, das vor vielen Jahrhunderten zu den Zeiten des Lehenswesens benutzt wurde, als die Obrigkeit Grundstücke zum Lehen vergab, d. h. als die Grundstücksnutzer:innen das Grundstück nicht als Eigentum besaßen, sondern für die zeitweilige Überlassung eine Abgabe in Realien zu leisten hatten. Die Steuer oder der Zehnte bzw. die Abgabe für das Lehen standen insoweit noch in einer Äquivalenzbeziehung zu dem potenziellen Vorteil oder dem realen Ertrag aus dem Grundstück.

Die Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse haben sich jedoch spätestens seit dem 19. Jahrhundert grundlegend geändert. Die Grundstücke stehen weitgehend im subjektiven Eigentum der Grundstücksnutzer:innen9, und die Abgaben sind nach § 3 Abs.1 AO in aller Regel Geldleistungen und keine Realabgaben.10

Steuerrechtlich ist die Grundsteuer in heutigen Tagen nur als eine spezielle Vermögensteuer zu verstehen. Einige ausgewählte Vermögensarten – wie Grundbesitz – unterliegen demnach der Grundsteuer und zwar unabhängig von dem für die Vermögensbesitzer:innen daraus entstehenden Vorteil bzw. deren Leistungsfähigkeit. Dass Teile dieser auf Grundbesitz erhobenen Vermögensteuer auf Dritte, z. B. Mieter:innen weitergewälzt werden, bzw. bei Unternehmensgrundstücken im Rahmen der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) als Aufwand zu buchen sind und sich damit gewinnmindernd auswirken, macht aus dieser speziellen Vermögensteuer grundsätzlich keine gleichheitsgerechte Abgabe, sondern ein Konglomerat eher gleichheitswidriger Abgaben. Diese Verstöße gegen das Gleichheitsgebot kommen im Übrigen zu den Verstößen hinzu, die oben als gleichheitswidrig herausgearbeitet wurden.

Fazit

Die Grundsteuer ist obsolet, verstößt trotz der Reform weiterhin gegen das Gleichheitsgebot und erreicht nicht das Ziel der Verfassungskonformität. Damit nimmt allerdings die Gefahr der Verfassungswidrigkeit der Grundsteuerwertermittlungen zu. Diese ergibt sich, wie dargestellt: (1) aus dem nicht für jedermann intelligiblen Vorschriften- und Veranlagungsprozess. Zudem werden (2) allgemeine gesamtwirtschaftliche Wertveränderungen seit etwa 2020/2021 und insbesondere seither nicht hinreichend erfasst, darüber hinaus unterbleiben (3) auch Nachveranlagungen infolge von Wertveränderungen über die Zeit einer Hauptveranlagungsperiode hin. Schließlich vermag (4) die Grundsteuer nach dem Bundesmodell keinen sachlichen Belastungsgrund zu nennen11, wieso gerade Grundstücke einer speziellen Vermögensteuer unterworfen werden, die auf einer längst obsoleten Lehensabgabe beruht und sich insoweit mit keiner heutigen Besteuerungssystematik rechtfertigen lässt.

Ganz allgemein eignet sich eine Realsteuer mit historisch festgeschriebenen Werten nicht mehr für eine Volkswirtschaft, die in einem dynamischen Wirtschaftsprozess steht und deren für eine Steuererhebung relevanten Wertmaße auf Einkommens- und Umsatzgrößen beruhen, die sich den jeweils aktuellen wirtschaftlichen Sachverhalten anpassen. Die Grundsteuer wäre demnach und in Verfolgung der Vorschriften aus dem Art. 106 Abs.6 GG als Realsteuer abzuschaffen. Das Besteuerungsverfahren, das die aktuellen Reformüberlegungen nahelegen, kommt nur mithilfe der aus der fernen Historie stammenden Reminiszenzen einer Realsteuer aus. Es wäre daher an der Zeit, die Grundsteuer ganz generell auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen und sich dabei auch bewusst zu sein, dass ihre Verfassungsmäßigkeit trotz der Modifikationen des Bewertungsgesetzes keinesfalls gegeben ist.12

  • 1 BVerG 2018, BvL 11/14 Randziffer 137.
  • 2 Die Grundsteuergesetze können in den Bundesländern eigenständig festgelegt werden. Dies erlaubt es den Kommunen im Rahmen der Entscheidungen, über das vom jeweiligen Bundesland gewählte Grundsteuerverfahren ihren Hebesatz selbst zu wählen. Damit unterscheiden sich die Belastungen für gleichartige Grundbesitzobjekte durch die Grundsteuer im bundesweiten Vergleich erheblich.
  • 3 Bewertungsgesetz vom 17. Juli 2021.
  • 4 2021 betrug das Aufkommen der Grundsteuer A 412 Mio. Euro (Finanzbericht 2023 vom August 2022, 258). Dieser Wert beträgt damit weniger als 0,05 % des gesamtwirtschaftlichen Steueraufkommens und macht gerade 0,5 % der Gemeindesteuern insgesamt aus. Es geht insoweit nicht um Einnahmen, auf die die Kommunen dringend angewiesen sind, zumal für diese Summe jederzeit alternative Zuweisungen oder Umlagen bereitgestellt werden könnten.
  • 5 Vgl. BVerG 2018, BvL 11/14 Randziffer 132.
  • 6 Die Grundstücke bilden die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer B. Diese trägt zwar laut Finanzbericht (2023, 258) zu mehr als 18 % zu den Gemeindesteuern insgesamt bei, macht jedoch an den Gesamteinnahmen der Gemeinden lediglich 5 % aus. (Vgl. hierzu die selbst errechneten Daten aus den Angaben im Finanzbericht 2023, 187).
  • 7 Diese Änderung ist nicht nur auf Deutschland beschränkt, sondern weit über die EU in vielen Ländern der Welt zu beobachten.
  • 8 Eine entsprechende Vorgehensweise ergibt sich in Analogie zu § 156, Abs. 2 AO.
  • 9 Befreiungen von der Grundsteuer sehen unter anderem die §§ 3 und 4 des Grundsteuergesetzes vor.
  • 10 Der Verweis der AO in § 3 Abs.2 auf die Realsteuern (Grundsteuer und Gewerbesteuer) kann dem nicht entgegenstehen, zumal das Grundgesetz seit 1997 die Begrifflichkeit Realsteuern nicht mehr benutzt, sondern in Erwartung einer Beteiligungs- oder Zuweisungsregel nur noch von dem den Gemeinden zustehenden Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer spricht (GG Art. 106 Abs. 6).
  • 11 Vgl. hierzu auch Kirchhof (2023).
  • 12 Vom Ergebnis her gilt dies auch für die Grundsteuerreformen in den fünf Bundesländern, die sich auf das sogenannte Flächenverfahren stützen, damit aber der Bewertungsaufgabe der Grundstücke einschließlich der Gebäude ausweichen und von vornherein keine Gleichbehandlung unterschiedlicher Grundstückswerte anstreben.

Literatur

Graf, G. (2022), Wege und Irrwege der neuen Grundsteuerpläne in Deutschland, Wirtschaftsdienst, 102(4), 294-297, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2022/heft/4/beitrag/wege-und-irrwege-der-neuen-grundsteuerplaene-in-deutschland.html (27. Februar 2024).

Kirchof, G. (2023), Das GrStG des Bundes: kompetenzrechtlicher Konstruktionsfehler – verfassungsrechtlicher Reformauftrag, DER BETRIEB, 19, 08. Mai, 1116-1121.

Title:Property Tax Reform – Still no Conformity with the Constitution for the Federal Model

Abstract:After the Federal Constitutional Court declared the previous property tax system unconstitutional in 2018, eleven federal states chose the so-called federal model as the new procedure. It continues to be based on the valuation of properties using the modified Valuation Act. This assumes static value ratios, which may have become significantly outdated and no longer contribute to equal taxation. In addition, the character of the property tax as a special wealth tax is extremely antiquated and is no longer constitutional.

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© Der/die Autor:in 2024

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DOI: 10.2478/wd-2024-0073