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Die Zuwanderung von MINT-Fachkräften hat entscheidende Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit Deutschlands. Auswertungen des Instituts der deutschen Wirtschaft mit einem Fokus auf Indien zeigen, dass in den vergangenen Jahren hohe Beschäftigungszuwächse zu verzeichnen waren. Zudem nimmt die erfinderische Tätigkeit einen zunehmenden Stellenwert ein. Schließlich erhalten indische MINT-Fachkräfte vergleichsweise hohe Medianlöhne. Das überarbeitete Fachkräfteeinwanderungsgesetz bietet die Möglichkeit, diesen Immigrationsprozess weiter zu verstärken und zu beschleunigen.

Um die Herausforderungen von Digitalisierung, Dekarbonisierung, Demografie und Deglobalisierung zu meistern, muss die Innovationskraft in Deutschland erhöht werden (Demary et al., 2021). In einer aktuellen Unternehmensbefragung des IW-Zukunftspanels aus dem Januar 2024 geben über die Hälfte der Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden an, dass fehlende Fachkräfte ein Hemmnis sind, das eigene Unternehmen bezüglich der Digitalisierung besser aufzustellen. In der Befragung wird dieses Hemmnis am häufigsten genannt. Befragt danach, welche Fachkräfte in den kommenden fünf Jahren in den Unternehmen am häufigsten speziell zur Entwicklung klimafreundlicher Produkte von den Unternehmen zusätzlich benötigt werden, liegen IT-Experten mit akademischem Abschluss an der Spitze, gefolgt von beruflich qualifizierten technischen (MINT)-Fachkräften. Über ein Drittel der Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden erwartet steigende Bedarfe an Ingenieur:innen; für Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler:innen trifft dies hingegen nur für weniger als ein Zehntel der Unternehmen zu (IW-Zukunftspanel, Welle 46, Befragung bis Januar 2024). Auswertungen des Mikrozensus machen darüber hinaus die Bedeutung der MINT-Fachkräfte für die Innovationskraft deutlich – rund drei von vier Erwerbstätigen im Betätigungsfeld Forschung und Entwicklung haben eine MINT-Qualifikation. Für die Innovationskraft und die Gestaltung der Transformationsprozesse ist daher die Fachkräftesicherung in den MINT-Berufen von hoher Bedeutung. Ende 2023 fehlten nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft rund 264.000 MINT-Arbeitskräfte (eigene Berechnungen auf Basis BA, 2024a) – konjunkturbedingt nimmt der Engpass in den vergangenen Monaten ab, strukturell betrachtet steigt der Engpass seit Jahren an (Anger et al., 2023).

Zur Fachkräftesicherung in den MINT-Berufen hat in den vergangenen Jahren die Beschäftigung Älterer einen großen Beitrag geleistet: Waren 2017 noch 71,6 % der 55- bis 59-jährigen Beschäftigten aus dem Jahr 2012 als 60- bis 64-Jährige weiter in MINT-Berufen beschäftigt, stieg die Verbleibsquote 2022 auf 77,8 % der im Jahr 2017 beschäftigten 55- bis 59-Jährigen an. Ebenso stieg in den vergangenen Jahren die Beschäftigung jüngerer Personen in MINT-Berufen. Waren 2012 insgesamt 14,8 % der 25- bis 34-jährigen Bevölkerung in MINT-Berufen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, so nahm dieser Anteil bis 2022 auf 17,1 % zu (eigene Berechnungen auf Basis BA, 2024b).

Umkehr ehemals positiver Bildungstrends

Die Beschäftigungsausweitung Jüngerer in den MINT-Berufen profitierte dabei von hohen Engpässen und guten Arbeitsmarktperspektiven, vielen Initiativen zur Berufsorientierung, einem positiven Effekt der Umstellung des Abiturs in einigen Bundesländern von G9 auf G8 und steigenden PISA-Mathematik-Kompetenzen der 15-Jährigen im Zeitraum von 2000 bis 2012. Für die kommenden Jahre ist jedoch mit einem Rückgang dieses positiven Bildungstrends zu rechnen. So wird in einzelnen Bundesländern wieder von G8 auf G9 zurückgekehrt, was dort einen fehlenden Absolventenjahrgang im Abitur bedeutet. Dazu sind die PISA-Ergebnisse in Mathematik von 2012 bis 2022 deutlich gesunken – der Anteil leistungsstarker Schüler:innen in Mathematik sank von 17,5 % im Jahr 2012 auf 8,6 % im Jahr 2022 – zugleich stieg der Anteil leistungsschwacher 15-Jähriger von 17,7 % auf 29,5 % (Lewalter et al., 2023). Ein rückwirkender Trend ist auch bei den Studienanfängerzahlen in den MINT-Fächern zu beobachten. Nahmen diese noch bis 2016 zu, so ist die Zahl von Erstsemestern seitdem um über 10 % gefallen (Statistisches Bundesamt, 2023). Der positive Beschäftigungstrend in den MINT-Berufen von 2012 bis 2022 wird in den kommenden 15 Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung gebrochen, und es droht sogar ein Beschäftigungsrückgang. Um allein die Beschäftigung konstant zu halten, ist eine hohe Nettozuwanderung in den MINT-Berufen nötig.

Hohe Beschäftigungszuwächse von Inder:innen in MINT-Berufen

Neben den positiven Effekten der Älteren und der Jüngeren tragen auch erste Erfolge bei der Zuwanderung zur Fachkräftesicherung in den MINT-Berufen bei. Von Ende Dezember 2012 bis Ende Juni 2023 nahm die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in MINT-Facharbeiterberufen unter Deutschen um 4,9 % ab, unter Ausländer:innen um 78,6 % zu. In MINT-Spezialistenberufen stieg die Beschäftigung unter Deutschen um 12,2 %, unter Ausländer:innen um 132,9 %. In den akademischen MINT-Expertenberufen nahm die Beschäftigung unter Deutschen um 39,4 % zu, unter Ausländer:innen hingegen sogar um 205 % (eigene Berechnungen auf Basis BA, 2024b; Anger et al., 2023). Hätte sich die Beschäftigung der Ausländer:innen mit der gleichen niedrigeren Rate wie die Beschäftigung von Deutschen verändert, würden heute rund 428.000 Beschäftigte in MINT-Berufen zusätzlich fehlen.

Da die EU selbst vor großen demografischen Herausforderungen steht, ist aus strategischer Sicht die Zuwanderung aus demografiestarken Drittstaaten von besonderer Bedeutung. Gerade die Regionen Indien, Lateinamerika und Nordafrika dürften langfristig gute Potenziale für eine qualifizierte Zuwanderung nach Deutschland bieten (Geis-Thöne, 2022a). Besonders interessant ist dabei als Zuwanderungsregion Indien. Betrachtet man die Weltbevölkerung im Alter von 15 bis 24 Jahren, so entfallen nach Daten der UN 20,5 % der Weltbevölkerung in dieser Altersgruppe auf Indien – in absoluten Zahlen sind dies 249 Mio. Personen. Bei einem Nettozuwanderungsbedarf von Deutschland in den kommenden zehn Jahren von rund 5 Mio. Personen, betrüge dieser Anteil an der Bevölkerung in Indien in dieser Altersgruppe nur 2 %. Auch bei Betrachtung der Bevölkerung mit einem tertiären Abschluss zeigt sich das große Potenzial Indiens – so haben mit stark steigendem Trend 19,5 % der Bevölkerung im Alter von 25 bis 34 Jahren einen tertiären Abschluss (Deutschland: 34,9 %), dies entspricht 44,8 Mio. Personen. Nach Daten der Vereinten Nationen beträgt die Gesamtzahl indischer Auswander:innen rund 17,5 Mio., was etwa 1,2 % der Bevölkerung ist – zum Vergleich: In Deutschland beträgt der entsprechende Anteil 4,8 %. Daten der OECD zeigen, dass vor allem hochqualifizierte Inder:innen in die OECD-Länder zuwandern (Geis-Thöne, 2022a).

Betrachtet man die Entwicklung der Zuwanderung aus Indien nach Deutschland, so zeigen sich für den Zeitraum seit Ende 2012 beträchtliche Erfolge in den MINT-Berufen. Insgesamt stieg die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Inder:innen in MINT-Berufen von knapp 7.000 Ende 2012 auf rund 48.500 Ende Juni 2023 und damit um 596 %. Besonders hoch war der Zuwachs in akademischen MINT-Berufen von 3.750 Ende 2012 auf 30.007 Ende Juni 2023 und damit um 700 % (eigene Berechnungen auf Basis BA, 2024b). Erst in den vergangenen Jahren kam es auch zu einer deutlichen Ausweitung der Beschäftigung in MINT-Facharbeiterberufen – wenn auch noch von niedrigem Niveau aus (vgl. Abbildung 1). Unter allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in akademischen MINT-Berufen stieg damit der Anteil der Personen mit einer indischen Staatsbürgerschaft von 0,35 % Ende 2012 auf 1,85 % Ende Juni 2023 (eigene Berechnungen, BA, 2024b).

Abbildung 1
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Inder:innen in MINT-Berufen in Deutschland nach Anspruchsniveau der Tätigkeit
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Inder:innen in MINT-Berufen in Deutschland nach Anspruchsniveau der Tätigkeit

Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der BA (2024b).

Hohe Dynamik bei Erfindenden mit indischen Wurzeln

Die Bedeutung der Zuwanderung für die Innovationskraft zeigt sich bei der Entwicklung der Patentanmeldungen – gemessen über die Vornamen der Erfindenden (Haag et al., 2022). Auswertungen der IW-Patentdatenbank zeigen, dass der Anteil der Erfindenden mit ausländischen Wurzeln und Wohnsitz in Deutschland an allen Erfindenden von 6,4 % im Jahr 2010 kontinuierlich auf 11,8 % im Jahr 2020 gestiegen ist. Der Anteil der Personen mit einem Vornamen aus dem indischen Sprachraum an allen Erfinder:innen mit ausländischen Vornamen stieg dabei von 2,5 % auf 6,8 % deutlich an. Als Gesamtanteil an allen in Deutschland wohnenden Erfindenden stieg damit der Anteil der Personen mit indischen Wurzeln von 0,16 % im Jahr 2010 auf 0,8 % im Jahr 2020 und verfünffachte sich damit innerhalb eines Jahrzehnts.

Die Bedeutung der Erfindenden mit indischen Wurzeln unterscheidet sich dabei nach Auswertungen der IW-Patentdatenbank zwischen den Branchen. Am höchsten ist dieser Anteil der Erfindenden mit indischen Wurzeln an allen Erfindenden in den IKT-Dienstleistungsbranchen und stieg dort von 1 % im Jahr 2010 auf 2,5 % im Jahr 2020. An zweiter Stelle folgt die Elektroindustrie mit einem Zuwachs von 0,2 % im Jahr 2010 auf 1,4 % im Jahr 2020. Den dritthöchsten Anteil weist der Bereich Hochschulen/Universitäten auf, in dem der Anteil indischer Erfindender an allen Erfindenden im vergangenen Jahrzehnt von 0,55 % auf 1,1 % gestiegen ist. Mit hoher Gesamtbedeutung für die Patentaktivität in Deutschland sind der Maschinenbau und die Autoindustrie – von niedrigem Niveau aus nahm in diesen Branchen der Anteil der Erfindenden mit indischen Wurzeln besonders stark zu (Autoindustrie von 0,1 % auf 0,7 %, Maschinenbau von 0,1 % auf 0,8 %). Auch wenn der Anteil der Inder:innen an der Gesamtbeschäftigung in innovationsrelevanten Tätigkeiten oder an den Erfindenden noch gering ist, so zeigen die hohen Zuwächse, dass die Bedeutung für die Ausweitung von Beschäftigung und Forschung in Deutschland hoch ist und vor dem Hintergrund des demografischen Wandels weiter steigen wird.

Hohe Medianlöhne von Inder:innen

In den vergangenen Jahren hat die vermehrte Zuwanderung von Personen aus Drittstaaten in akademische MINT-Berufe auch signifikante Auswirkungen auf die Beschäftigungsstruktur der vollzeitbeschäftigten Personen im Alter von 25 bis 44 Jahren in Deutschland gezeigt. Ende 2022 waren insgesamt knapp 7,3 % aller Vollzeitbeschäftigten in dieser Altersgruppe in akademischen MINT-Berufen tätig. Der Anteil unter deutschen Staatsangehörigen liegt dabei bei etwas über 7,3 %, während er bei Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit gut 7,1 % beträgt. Besonders deutlich wird der Einfluss der akademischen MINT-Berufe auf die Beschäftigung von Staatsangehörigen aus Indien – Ende 2022 waren hier 33,8 % aller vollzeitbeschäftigten Personen im Alter von 25 bis 44 Jahren in akademischen MINT-Berufen tätig (eigene Berechnungen auf Basis BA, 2023).

Die Struktur der Beschäftigung hat auch erhebliche Auswirkungen auf die Medianlöhne der Arbeitnehmer:innen, differenziert nach ihrer Staatsangehörigkeit. Insbesondere durch die qualifizierte Zuwanderung aus bestimmten Drittstaaten ergibt sich, dass diese Gruppen, vor allem die Jüngeren, Spitzenpositionen in Bezug auf die Lohnentwicklung einnehmen. Die Entgeltstatistik, ein integraler Bestandteil der Beschäftigungsstatistik, bietet eine detaillierte Darstellung der sozialversicherungspflichtigen Bruttomonatsentgelte einschließlich Sonderzahlungen. Sie basiert auf Entgeltinformationen, die von den Arbeitgeber:innen im Rahmen der Sozialversicherung gemeldet werden und stellt somit eine Vollerhebung aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten dar. Als Stichtag wird der 31. Dezember 2022 gewählt, wobei alle Angaben auf einen monatlichen Zeitraum normiert und auf sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigte einer Kerngruppe bezogen werden.

Bei Analyse der Medianlöhne aller Vollzeitbeschäftigten zeigt sich zunächst ein Altersmuster – der Medianlohn für Personen ab 45 Jahren liegt bei 3.840 Euro, was über dem Medianlohn der 25- bis unter 45-Jährigen mit 3.641 Euro liegt. Der Gesamtmedianlohn beläuft sich auf 3.646 Euro und liegt unter dem Medianlohn der deutschen Staatsangehörigen mit 3.785 Euro, aber über dem Medianlohn der Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit (2.881 Euro). Im Vergleich zum Vorjahr ist der Medianlohn für alle vollzeitbeschäftigten Deutschen um 3,9 % gestiegen, während er bei ausländischen Beschäftigten um 5,6 % zugenommen hat (Plünnecke, 2023a; BA, 2023).

Bei Betrachtung der Staatsangehörigen mit den höchsten Medianlöhnen führen die Inder:innen mit einem Medianmonatslohn von 5.227 Euro die Liste der Vollzeitbeschäftigten in Deutschland an. Im Vergleich zum Vorjahr nahm der Medianlohn der Inder:innen um 5,1 % zu. Diese Platzierung überrascht teilweise, insbesondere da nur 6,9 % der rund 79.500 vollzeitbeschäftigten Personen mit indischer Staatsangehörigkeit 45 Jahre oder älter sind. Der Hauptgrund für das hohe Lohnniveau liegt darin, dass etwa ein Drittel der vollzeitbeschäftigten Inder:innen in akademischen MINT-Berufen tätig ist (Plünnecke, 2023a; BA, 2023).

In akademischen MINT-Berufen überschreiten die Medianlöhne von Deutschen und ausländischen Arbeitnehmer:innen in der Altersgruppe ab 45 Jahren die Beitragsbemessungsgrenze von 6.750 Euro (vgl. Tabelle 1). Daher ist es interessant, die Medianlöhne in akademischen MINT-Berufen für die Altersgruppe der 25- bis 44-Jährigen genauer zu betrachten. 2022 stieg der Medianlohn der Deutschen in dieser Altersgruppe von 5.333 Euro im Jahr 2021 auf 5.504 Euro, was einem Anstieg von 3,2 % entspricht. Bei ausländischen Arbeitnehmer:innen in akademischen MINT-Berufen erhöhte sich der entsprechende Medianlohn um 3,8 % (Plünnecke, 2023a; BA, 2023).

Tabelle 1
Medianlohn von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Vollzeit, nach Staatsangehörigkeit

in Euro

  insgesamt 25- bis unter 45-Jährige 25- bis unter 45-Jährige in akademischen MINT-Berufen
Indien 5.227 (4.974) 5.314 (5.045) 5.724 (5.477)
Österreich 4.895 (4.709) 4.826 (4.632) 6.412 (6.268)
USA 4.862 (4.616) 4.965 (4.713) 6.195 (5.899)
Deutschland 3.785 (3.643) 3.780 (3.617) 5.504 (5.333)
Ausland 2.881 (2.728) 2.980 (2.810) 5.411 (5.211)

Stand Ende 2022 (Ende 2021).

Quelle: Plünnecke (2023a); BA (2023).

Für eine Bewertung des Erfolgs der qualifizierten Zuwanderung aus Drittstaaten ist es interessant, die Lohnentwicklung im Vergleich zum Vorjahr zu analysieren und dabei gleichzeitig die Entwicklung der vollzeitbeschäftigten Personen im Alter von 25 bis 44 Jahren in akademischen MINT-Berufen zu berücksichtigen. Besonders auffällig ist der deutliche Anstieg der Gesamtzahl der vollzeitbeschäftigten Inder:innen in dieser Altersgruppe, der im Vergleich zum Vorjahr um 28,2 % von 19.045 auf 24.418 Personen zugenommen hat. Der Medianlohn der 25- bis 44-jährigen vollzeitbeschäftigten Inder:innen in akademischen MINT-Berufen stieg von 5.477 Euro auf 5.724 Euro, was einem Zuwachs um 4,5 % entspricht (Plünnecke, 2023a; BA, 2023). Trotz der höheren Beschäftigungszuwächse verzeichneten Inder:innen auch einen stärkeren Anstieg der Löhne im Vergleich zu Deutschen. Es ist wichtig anzumerken, dass die Unterschiede in den Lohnniveaus zwischen Deutschen und Angehörigen bestimmter ausländischer Staatsangehörigkeiten nicht auf Benachteiligungen bestimmter Gruppen zurückzuführen sind. Vielmehr spielen Unterschiede in der Fächerwahl und der regionalen Verteilung der Zuwandernden eine entscheidende Rolle. So sind die Löhne einer Gruppe tendenziell höher, wenn diese verstärkt in der Industrie in wirtschaftsstarken Regionen, wie München oder Frankfurt, tätig ist.

Handlungsempfehlungen

Die Neuerungen im Fachkräfteeinwanderungsgesetz eröffnen Perspektiven, die Zuwanderung von Fachkräften, insbesondere im MINT-Bereich, weiter zu intensivieren. Um diese Zuwanderung zu fördern, gibt es drei Schlüsselbereiche von besonderer Relevanz, in denen das aktualisierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz Impulse setzen kann.

Zunächst hat das überarbeitete Fachkräfteeinwanderungsgesetz im Jahr 2023 die Bestimmungen für die Zuwanderung erheblich verbessert. Dies zeigt sich in deutlichen Optimierungen der Regeln für beruflich Qualifizierte. Die Überarbeitung der Blauen Karte hat den Kreis der Engpassberufe erheblich erweitert und die Gehaltsgrenzen gesenkt. Darüber hinaus wird die Einreise von Drittstaatsangehörigen mit Berufserfahrung erleichtert, die nun auch in nicht reglementierten Berufen ohne den Nachweis der Gleichwertigkeit der ausländischen Qualifikation beschäftigt werden können. Ein zusätzliches Instrument zur Zuwanderung ist die Einführung der Chancenkarte, die verstärkt auf das Potenzial der Einwandernden fokussiert (Plünnecke, 2024).

Ebenso von Bedeutung sind die im Gesetz verankerten Informationsangebote, wie beispielsweise „Make-it-in-Germany“, Maßnahmen zur Vorintegration sowie die Förderung regionaler Netzwerke. Ein weiterer zentraler Aspekt liegt in der Zuwanderung über Hochschulen, da dies die Möglichkeit schafft, persönliche Netzwerke zu bevölkerungsreichen Drittstaaten zu knüpfen (Plünnecke, 2024). Internationale Studierende entscheiden sich häufig für MINT-Studiengänge und sind nach Abschluss ihres Studiums überwiegend als MINT-Experten und MINT-Spezialisten berufstätig (Geis-Thöne, 2022b). Positiv ist in diesem Zusammenhang, dass die Zahl der Inder:innen, die in Deutschland studieren, von 4.825 Studierenden im Wintersemester 2010 auf 42.578 im Wintersemester 2022 gestiegen ist. Es ist ratsam, dass Hochschulen in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen, wie dem DAAD, diese Studierenden eng begleiten, sie frühzeitig dazu ermutigen zu bleiben und den Erwerb von Deutschkenntnissen unterstützen (Plünnecke, 2023b). Durch die Chancenkarte ergeben sich zudem Möglichkeiten, dass persönliche Netzwerke der Studierenden und Hochschulabsolvent:innen aus Indien, bestehend aus Freunden, Bekannten und Verwandten in den Herkunftsländern, auch die Zuwanderung von Inder:innen erleichtern können, die dann vor Ort in einem MINT-Facharbeiterberuf eine Anstellung finden.

Die Beschleunigung der Zuwanderungsprozesse stellt die dritte entscheidende Komponente dar, in der das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz positive Impulse setzen möchte. Die aktuellen Gesetzesänderungen ermöglichen nun die Zustimmung zur Beschäftigung von Auszubildenden und Berufskraftfahrer:innen ohne das Erfordernis einer Vorrangprüfung. Gleichzeitig wird eine verstärkte Digitalisierung der Prozesse angestrebt, wie die vorrangige Online-Beantragung des Chancenkarte-Visums. Trotz dieser Fortschritte bleibt jedoch die Herausforderung bestehen, dass die Kernprobleme in Bezug auf Verfahrensdauer und die überlastete Bürokratie nicht vollständig durch das verabschiedete Bundesgesetz gelöst werden können. Daher ist die entscheidende Maßnahme die Implementierung effizienterer digitaler Verwaltungsprozesse sowie die Sicherstellung ausreichender Kapazitäten in den Behörden, um das volle Potenzial des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes zu erschließen (Plünnecke, 2024). Effizientes und schnelles Verwaltungshandeln ist damit auch Wirtschaftspolitik in dem Sinne, mehr qualifizierte Zuwanderung zur erfolgreichen Gestaltung der Transformationsprozesse am Wirtschaftsstandort Deutschland zu gewinnen.

Literatur

Anger, C., J. Betz, W. Geis-Thöne und A. Plünnecke (2023), MINT-Herbstreport 2023, Mehr MINT-Lehrkräfte gewinnen, Herausforderungen der Zukunft meistern, Gutachten für BDA, MINT Zukunft schaffen und Gesamtmetall.

BA – Bundesagentur für Arbeit (2023), Mediane der monatlichen Bruttoarbeitsentgelte von sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten der Kerngruppe nach ausgewählten ausgeübten Tätigkeiten der KldB 2010, Staatsangehörigkeiten und Alter, Stichtag 31.12.2022, Sonderauswertung.

BA – Bundesagentur für Arbeit (2024a), Sonderauswertung der Arbeitslosen- und Offenen-Stellen-Statistik nach Berufsaggregaten, verschiedene Monate.

BA – Bundesagentur für Arbeit (2024b), Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Sonderauswertung der Beschäftigungsstatistik nach Berufsaggregaten, verschiedene Quartale.

Demary, V., J. Matthes, A. Plünnecke und T. Schaefer (2021), Gleichzeitig: Wie vier Disruptionen die deutsche Wirtschaft verändern, IW-Studien.

Geis-Thöne, W. (2022a), Zuwanderung aus Indien: Ein großer Erfolg für Deutschland. Entwicklung und Bedeutung für die Fachkräftesicherung, IW-Report, 1.

Geis-Thöne, W. (2022b), Fachkräftesicherung durch Zuwanderung über die Hochschule. Aktueller Stand und Handlungsansätze für die Politik, IW-Trends, 49(3), 67-88.

Haag, M., E. Kohlisch und O. Koppel (2022), Innovation und Vielfalt. Migration verhindert Rückgang bei Patentanmeldungen, IW-Kurzbericht, 88.

Lewalter, D., J. Diedrich, F. Goldhammer, O. Köller, K. Reiss (Hrsg.) (2023), PISA 2022. Analyse der Bildungsergebnisse in Deutschland.

Plünnecke, A. (2023a), MINT gewinnt. Inder bauen ihren Lohnvorsprung aus, IW-Kurzbericht, 96.

Plünnecke, A. (2023b), Zuwanderung in akademischen MINT-Berufen – zunehmende Bedeutung und erste Erfolge, Wirtschaftsdienst, 103(9), 648-650, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2023/heft/9/beitrag/zuwanderung-in-akademischen-mint-berufen-zunehmende-bedeutung-und-erste-erfolge.html (28. Februar 2024).

Plünnecke, A. (2024), Grenzen und Potenziale der Zuwanderung für die Fachkräftesicherung, in K. Bergmann und M. Diermeier (i. E.), Transformationspolitik – Anspruch und Wirklichkeit der Ampel-Koalition, transcript.

Statistisches Bundesamt (2023), Nichtmonetäre hochschulstatistische Kennzahlen, Fachserie 11, Reihe 4.3.1.

Title:India: The Importance of Immigration for the Future of Germany as a Business Location

Abstract:The immigration of STEM specialists has a decisive impact on Germany’s ability to innovate. Analyses by the German Economic Institute with a focus on India show high employment growth in recent years. Indian STEM specialists earn comparatively high median wages. The revised Skilled Labour Immigration Act offers the opportunity to further strengthen and accelerate this immigration process.

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© Der/die Autor:in 2024

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DOI: 10.2478/wd-2024-0071