Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Das Jahr 2022 war durch außergewöhnliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Belastungen geprägt. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine führte zu starken energiepolitischen und wirtschaftlichen Verwerfungen, hoher Inflation und der Herausforderung, Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen. Zugleich wurde im Jahr 2022 der gesetzliche Mindestlohn zweimal deutlich angehoben. Er stieg im Juli von 9,82 Euro auf 10,45 Euro und im Oktober auf 12 Euro pro Stunde. Im Hinblick auf die deutliche Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns in diesem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld stellen sich daher die Fragen, wie viele und welche Betriebe im Jahr 2022 von den Anhebungen des Mindestlohns erfasst wurden, wie stark diese Betriebe zugleich von den Auswirkungen des Ukrainekriegs betroffen waren und vor welchen Herausforderungen sie aktuell stehen.

Mit dem Gesetz zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung (MiLoEG), das am 1. Juli 2022 in Kraft trat, hat der Deutsche Bundestag den gesetzlichen Mindestlohn zum 1. Oktober 2022 von 10,45 Euro auf 12 Euro brutto je Zeitstunde erhöht.1 Nach Angaben des IAB-Betriebspanels 2022 lag der Anteil von Betrieben, die Mitte des Jahres 2022 Stundenlöhne unter 12 Euro zahlten, insgesamt bei 23,1 % (vgl. Abbildung 1).2 Betriebe in Ostdeutschland waren mit 30,2 % anteilsmäßig häufiger von der Erhöhung des Mindestlohns betroffen als Betriebe in Westdeutschland mit 21,4 %.

Abbildung 1
Betroffenheit der Betriebe und Beschäftigten von der Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro

Anteil an allen Betrieben bzw. Beschäftigten in %

Betroffenheit der Betriebe und Beschäftigten von der Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro

Quelle: IAB-Betriebspanel 2017-2022.

Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro: knapp jeder vierte Betrieb betroffen

Im Vergleich zu früheren Anhebungen des Mindestlohns und auch im Vergleich zu dessen Einführung fiel der Anteil der betroffenen Betriebe bei der jüngsten Anhebung auf 12 Euro höher aus. Bei der Einführung des Mindestlohns gaben rund 12 % der Betriebe an, mindestens eine Arbeitskraft mit einem Stundenlohn unterhalb von 8,50 Euro beschäftigt zu haben (Bossler et al., 2022, 16 ff.). Seitdem und bis zum Jahr 2020 nahm der Anteil der von der Einführung oder den Anhebungen des Mindestlohns betroffenen Betriebe laut IAB-Betriebspanel kontinuierlich ab. Bei den Anhebungen des gesetzlichen Mindestlohns in den Jahren 2017, 2019 und 2020 waren es etwa 8,5 %, 6,9 % und 6,0 % der Betriebe (Hohendanner, 2022, 12). 2021 traf dies ebenfalls auf rund 6 % der Betriebe zu (Hohendanner, 2022, 12). Dabei waren über die Jahre hinweg nicht immer dieselben Betriebe vom Mindestlohn betroffen. Für zwei Drittel der Betriebe, die von der Einführung betroffen waren, galt dies bei der ersten Erhöhung nicht (Bossler et al., 2022, 21 f.). Dies deutet darauf hin, dass von der Einführung des Mindestlohns betroffene Betriebe ihre Löhne stärker als auf 8,50 Euro pro Stunde erhöht hatten, sodass sie danach zunächst keine erneute Anpassung vornehmen mussten.

Auf Basis des IAB-Betriebspanels kann auch der Anteil der Beschäftigten mit Stundenlöhnen unter 12 Euro vor der entsprechenden Mindestlohnerhöhung ermittelt werden (vgl. Abbildung 1). Diese lag im Jahr 2022 für Gesamtdeutschland bei 7,9 %. In ostdeutschen Betrieben waren mehr Beschäftigte betroffen (11 %) als in westdeutschen Betrieben (7,2 %). In den Vorjahren war die Intensität aufgrund der niedrigeren Mindestlohnschwellen deutlich geringer und sie nahm zudem im Zeitverlauf zwischen den Jahren 2017, 2019 und 2020 ab – analog zum Ausmaß der betrieblichen Betroffenheit. Dabei fielen die Anteilswerte in ostdeutschen Betrieben durchgehend höher aus.

Die Mindestlohnanhebung auf 12 Euro traf die Betriebe je nach Branche und Betriebsgröße in unterschiedlichem Maß (vgl. Abbildung 2). Besonders hoch war die Betroffenheit im Gastgewerbe (48,6 %), in der Nahrungs- und Genussmittelbranche (46 %) und im Einzelhandel (40,5 %). In etwas schwächerem Maße galt dies auch für die Bereiche Herstellung von Verbrauchsgütern (34,1 %) sowie sonstige Dienstleistungen (33,8 %). Der Anteil der Betriebe mit mindestens einem vom Mindestlohn betroffenen Beschäftigten lag bei mittelgroßen und großen Betrieben etwas höher als bei kleinen Betrieben. Da sich die Betriebslandschaft aber aus deutlich mehr Klein- und Kleinstbetrieben zusammensetzt, stellen diese – absolut gesehen – auch die Mehrheit der Mindestlohnbetriebe dar.

Abbildung 2
Betroffenheit der Betriebe von der Mindestlohnan-hebung auf 12 Euro nach Branche und Betriebsgröße

Anteil an allen Betrieben in %

Betroffenheit der Betriebe von der Mindestlohnan-hebung auf 12 Euro nach Branche und Betriebsgröße

Quelle: IAB-Betriebspanel 2022.

Hinsichtlich der Intensität der betrieblichen Mindestlohnbetroffenheit – gemessen als Anteil der betroffenen Beschäftigten in den betroffenen Betrieben – verdienten zur Jahreshälfte 2022 25,5 % der Beschäftigten weniger als 12 Euro (vgl. Abbildung 3). Bezogen auf alle Betriebe in Deutschland lag der Anteil der Beschäftigten mit Stundenlöhnen unter 12 Euro bei 7,9 %. Die Intensität der betrieblichen Betroffenheit vom Mindestlohn ist im Gastgewerbe, bei sonstigen Dienstleistungen und im Einzelhandel am höchsten.

Abbildung 3
Betroffenheit der Beschäftigten von der Mindestlohn-anhebung auf 12 Euro nach Branche und Betriebsgröße
Betroffenheit der Beschäftigten von der Mindestlohn-anhebung auf 12 Euro nach Branche und Betriebsgröße

Mindestlohnbetriebe: Betriebe, die von der Anhebung auf 12 Euro betroffen waren.

Quelle: IAB-Betriebspanel 2022.

Wirtschaftliche Folgen des Kriegs in der Ukraine: Mindestlohnbetriebe häufiger negativ betroffen

Auf die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro reagierten Mindestlohnbetriebe insbesondere durch Preissteigerungen und Veränderungen in der Arbeits- und Personalplanung. Dies wird durch eine durch die Mindestlohnkommission beauftragte Betriebsbefragung verdeutlicht (Mindestlohnkommission, 2023). Demnach gaben 27 % der befragten Mindestlohnbetriebe an, die Absatzpreise erhöht zu haben, 13 % hatten die Arbeitsorganisation oder den Arbeitsablauf optimiert und 7,9 % hielten sich bei Einstellungen oder Wiederbesetzungen zurück. Lediglich 3,4 % der vom Mindestlohn betroffenen Betriebe gaben an, Beschäftigte entlassen zu haben.

Die Anhebungen des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2022 fielen zugleich in eine Zeit außergewöhnlicher wirtschaftlicher Belastungen sowie hoher Inflation.3 Am 24. Februar 2022 begann Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Daraufhin verhängte die EU umfangreiche Sanktionen gegen die Russische Föderation, die wiederum im Laufe des Jahres die Gaslieferungen nach Deutschland einstellte. Die Energie- und Strompreise verteuerten sich deutlich und führten gemeinsam mit anhaltenden globalen Störungen der Lieferketten zu einem starken Anstieg der Erzeuger- und Verbraucherpreise um ca. 33 % sowie um ca. 9 % im Jahr 2022 (Statistisches Bundesamt, 2023a, b). Zugleich kamen nach Ausbruch des Kriegs bis zum Jahresende 2022 mehr als eine Million Geflüchtete aus der Ukraine nach Deutschland (Brücker et al., 2022).

Vor dem Hintergrund der erheblichen Belastungen für die deutsche Wirtschaft infolge des Kriegs in der Ukraine ist es daher von Interesse, welche Folgen sich daraus für vom Mindestlohn betroffene Betriebe ergeben haben. Im Rahmen des IAB-Betriebspanels des Jahres 2022 wurde erfragt, ob und in welcher Art der Ukrainekrieg Auswirkungen auf Betriebe hatte (vgl. auch Brunner et al., 2022). Während etwa die Hälfte der Betriebe, die von den Anhebungen auf 10,45 Euro und 12 Euro betroffen waren, von negativen Auswirkungen berichteten (51,8 % und 48,2 %), war dies bei nicht vom Mindestlohn betroffenen Betrieben mit 42,7 % seltener der Fall (vgl. Abbildung 4).

Abbildung 4
Auswirkungen der Ukrainekrise nach Betriebsgruppen

in %

Auswirkungen der Ukrainekrise nach Betriebsgruppen

„unter 10,45 Euro“: Betriebe, die von der Anhebung auf 10,45 Euro betroffen waren, „10,45 Euro bis unter 12 Euro“: Betriebe, die von der Anhebung auf 12 Euro, nicht aber von der Anhebung auf 10,45 Euro betroffen waren, * signifikante Unterschiede zwischen Mindestlohnbetrieben und übrigen Betrieben.

Quelle: IAB-Betriebspanel 2022.

Zudem scheint die Ukrainekrise eher für Betriebe Auswirkungen gehabt zu haben, die bereits unter die 10,45-Euro-Schwelle fielen als für Betriebe, die von der 12-Euro-Schwelle erfasst wurden. Die nicht vom Mindestlohn betroffenen Betriebe gaben zudem häufiger als Mindestlohnbetriebe an, dass der Krieg keine Auswirkungen auf sie hatte (39 % vs. 31 % bzw. 24 %) (vgl. Abbildung 4). Mindestlohnbetriebe waren somit im Jahr 2022 insgesamt häufiger negativ von der Ukrainekrise betroffen als die übrigen Betriebe. In etwas schwächerem Maße zeigte sich dieser Zusammenhang auch in einer multivariaten Analyse unter Kontrolle von Wirtschaftszweigen, der Betriebsgröße und der Bundesländer (Brunner et al., 2023).

Hinsichtlich verschiedener Arten von Auswirkungen des Kriegs unterschieden sich Mindestlohnbetriebe wenig von den nicht vom Mindestlohn betroffenen Betrieben (vgl. Abbildung 5). Rund 94 % der Mindestlohnbetriebe und rund 92 % der sonstigen Betriebe, auf die sich jeweils der Krieg wirtschaftlich negativ auswirkte, waren erheblich von höheren Kosten für Energie und Treibstoffe betroffen. Der einzig statistisch signifikante Unterschied bestand hinsichtlich der Kosten für Vorleistungen und Rohstoffe. Diesbezüglich berichtete mit rund 82 % ein etwas höherer Anteil der Mindestlohnbetriebe als der sonstigen Betriebe (75 %), erheblich betroffen zu sein. Schwierigkeiten mit Lieferanten oder Logistik sowie Liquiditätsengpässe wurden von vom Mindestlohn betroffenen Betrieben ebenfalls etwas häufiger als von anderen Betrieben als bedeutsame Folge des Kriegs in der Ukraine genannt. Etwas über 60 % der Mindestlohnbetriebe und der übrigen Betriebe nannten zudem Schwierigkeiten beim Bezug von Vorleistungen oder Rohstoffen. Weitere Auswirkungen des Kriegs waren weniger bedeutsam. Hier gab es zudem nur geringe Unterschiede zwischen Mindestlohnbetrieben und den übrigen Betrieben.

Abbildung 5
Arten der Auswirkungen der Ukrainekrise bei negativ betroffenen Betrieben
in %
Arten der Auswirkungen der Ukrainekrise bei negativ betroffenen Betrieben

Die Frage im IAB-Betriebspanel nach verschiedenen Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf Betriebe lautete: „Wie stark haben die folgenden Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine Ihren Betrieb/Ihre Dienststelle getroffen?“ Die Antwortkategorien bestanden aus „überhaupt nicht“, „gering“, „mittel“, „stark“ und „sehr stark“. Hier dargestellte Balken geben die Nennungen von „mittel“ bis „sehr stark“ wieder. Sonstige Auswirkungen sind nicht ausgewiesen. Mindestlohnbetriebe: Betriebe, die von der Anhebung auf 12 Euro betroffen waren, * signifikante Unterschiede zwischen Mindestlohnbetrieben und übrigen Betrieben.

Quelle: IAB-Betriebspanel 2022.

Hinsichtlich der Intensität der Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine zeigt sich zwar deskriptiv, dass Mindestlohnbetriebe stärker betroffen waren.4 Allerdings ist die stärkere Betroffenheit vor allem auf die strukturelle Zusammensetzung zurückzuführen. Unter Kontrolle von Wirtschaftszweigen, Betriebsgrößen und Bundesländern weisen multivariate Analysen hinsichtlich der Intensität keine signifikanten Unterschiede zwischen Mindestlohnbetrieben und den übrigen Betrieben auf (Brunner et al., 2023).

Grundsätzlich lässt sich konstatieren, dass die Krisenanfälligkeit von Mindestlohnbetrieben gegenüber anderen Betrieben sowohl im Jahr 2022 als auch während der COVID-19-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 (Hohendanner, 2022) ausgeprägter gewesen zu sein scheint. Die stärkere Krisenbetroffenheit hängt vorwiegend mit den strukturellen Merkmalen der Mindestlohnbetriebe zusammen und ist nach bisherigen Erkenntnissen nicht auf kausale Auswirkungen des Mindestlohns zurückzuführen.

Beschäftigungs- und Geschäftserwartungen der Mindestlohnbetriebe fielen 2022 ungünstiger aus

Die höhere Krisenanfälligkeit der Mindestlohnbetriebe macht sich auch bei der Einschätzung zu den Beschäftigungs- und Geschäftserwartungen für das kommende Jahr bemerkbar (Brunner et al., 2023): Rund 10 % der Mindestlohnbetriebe gegenüber 7 % der übrigen Betriebe rechneten im Jahr 2022 mit einer fallenden Beschäftigung. Zudem vermeldeten 12 % der vom Mindestlohn betroffenen Betriebe gegenüber 8 % der übrigen Betriebe eine mangelhafte Ertragslage des vergangenen Geschäftsjahrs. Auch erzielten sie um 8 Prozentpunkte seltener ein positives Jahresergebnis und erlitten um 5 Prozentpunkte häufiger einen Verlust. Insgesamt erwarteten Mindestlohnbetriebe häufiger als andere Betriebe, dass ihr Geschäftsvolumen im Jahr 2022 sinken werde (vgl. Abbildung 6).

Abbildung 6
Beschäftigungs- und Geschäftserwartung der Betriebe nach Betriebstyp

in %

Beschäftigungs- und Geschäftserwartung der Betriebe nach Betriebstyp

Mindestlohnbetriebe: Betriebe, die von der Anhebung auf 12 Euro betroffen waren, * signifikante Unterschiede zwischen Mindestlohnbetrieben und übrigen Betrieben.

Quelle: IAB-Betriebspanel 2022.

Mindestlohnbetriebe vermelden häufiger Personalprobleme als die übrigen Betriebe

Mit Blick auf erwartete Personalprobleme gaben über alle Betriebsgruppen hinweg mehr als 60 % der Betriebe im Jahr 2022 an, Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Fachkräften zu haben. Dies ist somit das am häufigsten genannte Personalproblem. Unter Mindestlohnbetrieben waren Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Fachkräften noch etwas stärker ausgeprägt (vgl. Abbildung 7).

Abbildung 7
Erwartete Personalprobleme bei Mindestlohnbetrieben

in %

Erwartete Personalprobleme bei Mindestlohnbetrieben

Mindestlohnbetriebe: Betriebe, die von der Anhebung auf 12 Euro betroffen waren, * signifikante Unterschiede zwischen Mindestlohnbetrieben und übrigen Betrieben.

Quelle: IAB-Betriebspanel 2022.

Hohe Gehälter sahen Betriebe mit Stundenlöhnen unter 12 Euro mit 59,5 % als größeres Personalproblem an als übrige Betriebe (37,9 %). Auch Personalmangel für einfache Tätigkeiten wurde von Mindestlohnbetrieben deutlich häufiger als problematisch erachtet (47,1 %) als von den übrigen Betrieben (30,6 %). Weitere Personalprobleme, wie ein hoher Krankenstand und viele Fehltage, der Koordinationsaufwand unterschiedlicher Arbeitszeiten und Arbeitszeitmodelle und eine hohe Personalfluktuation, wurden ebenfalls durchgängig von Mindestlohnbetrieben häufiger genannt. Eine häufigere Erwartung von Personalproblemen bei Mindestlohnbetrieben wurde auch in multivariaten Regressionsanalysen unter Kontrolle der Betriebsgröße, von Wirtschaftszweigen und der Region deutlich (Brunner et al., 2023).

Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass Lohnkosten für Betriebe mit Beschäftigten mit einem Stundenverdienst von 12 Euro oder weniger insgesamt eine kritische Größe darstellten. Derzeitig typische Personalprobleme, wie insbesondere bei der Rekrutierung von Arbeitskräften bzw. ein Mangel an Arbeitskräften, traten bei diesen Betrieben häufiger auf. Dies dürfte zum Teil Folge des geringen Lohnniveaus sein und darüber hinaus in Zusammenhang mit den branchenspezifischen Arbeitsbedingungen typischer Niedriglohnbereiche stehen. Über die kausalen Auswirkungen des Mindestlohns auf die Erwartungen von Personalproblemen sagen die Ergebnisse allerdings nichts aus. Gemäß bisherigen Kausalstudien reduzierte der Mindestlohn die Gewinne von Mindestlohnbetrieben, was deren finanzielle Möglichkeiten einschränkte (Bossler et al., 2022) und offensichtlich zu deren problematisierender Sichtweise auf hohe Lohnkosten beitrug. Der Mindestlohn erhöhte allerdings auch die Arbeitszufriedenheit von Mindestlohnbeschäftigten, was die hier aufgeführten Personalprobleme mildern könnte (Bossler et al., 2022).

Fazit

Die deutliche Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro erfasste einen nicht unerheblichen Teil der Betriebe und Beschäftigten in Deutschland. Knapp ein Viertel der Betriebe und knapp jeder zwölfte Beschäftigte waren von der Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro betroffen. Gleichzeitig waren Mindestlohnbetriebe negativer von den wirtschaftlichen Folgen des Kriegs in der Ukraine betroffen, berichteten ungünstigere Beschäftigungs- und Geschäftserwartungen und sahen sich häufiger mit Personalproblemen konfrontiert als die übrigen Betriebe. Für die schlechtere wirtschaftliche Situation und höhere Krisenanfälligkeit von Mindestlohnbetrieben im Vergleich zu den übrigen Betrieben trugen vorwiegend strukturelle Unterschiede hinsichtlich der Branchenzusammensetzung, der Betriebsgröße und der regionalen Betriebsstandorte bei. Inwiefern und in welchem Ausmaß die Unterschiede bezüglich der wirtschaftlichen Folgen der Ukrainekrise, der Beschäftigungs- und Geschäftserwartungen sowie der Personalprobleme ursächlich auf die Auswirkungen des Mindestlohns zurückzuführen sind, lässt sich auf Basis der vorliegenden Untersuchung nicht klären. Die Anhebung des Mindestlohns im Jahr 2022 auf 12 Euro sollte diesbezüglich umfassend empirisch evaluiert werden.

  • 1 Durch die Gesetzesänderung wurde das regelmäßige Anpassungsverfahren nach § 9 Abs. 1 MiLoG vorübergehend ausgesetzt, nach dem die Mindestlohnkommission im Juni 2022 einen Beschluss über die Anpassung des Mindestlohns getroffen hätte, der mit Wirkung ab 1. Januar 2023 in Kraft getreten wäre (vgl. auch Mindestlohnkommission 2023, 22). Gemäß dem MiLoEG legte die Mindestlohnkommission Ende Juni 2023 wieder einen Beschluss über die Anpassung des Mindestlohns vor. Eine Mehrheit in der Mindestlohnkommission empfahl der Bundesregierung eine Mindestlohnerhöhung ab dem 01.01.2024 auf 12,41 Euro und ab dem 01.01.2025 auf 12,82 Euro.
  • 2 Bundesweit werden jährlich gut 15.000 Betriebe aus allen Wirtschaftszweigen und Größenklassen befragt. Grundgesamtheit sind Betriebe mit mindestens einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (Ellguth et al., 2014). In der Befragung des Jahres 2022 wurde die Betroffenheit von der Anhebung des Mindestlohnes mit folgender Frage erfasst: Der gesetzliche Mindestlohn wird 2022 auf insgesamt 12,00 Euro pro Arbeitsstunde erhöht. a) Gibt oder gab es in Ihrem Betrieb/Ihrer Dienststelle Beschäftigte, deren Entlohnung zum 30. Juni 2022 unter 12,00 Euro pro Arbeitsstunde lag? (ja/nein). b) Wenn ja: Wie viele waren das am 30. Juni 2022 insgesamt? c) Und bei wie vielen davon lag die Entlohnung am 30.6.2022 unter 10,45 Euro pro Arbeitsstunde? (Falls „keine“: Bitte „0“ eintragen!)
  • 3 Die Anhebung des Mindestlohns auf 10,45 Euro im Juli 2022 folgte aus der Entscheidung der Mindestlohnkommission im Juni 2020. Die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro im Juli 2022 wurde bereits im Bundestagswahlkampf 2021 angekündigt und am 3. Juni 2022 im Bundestag beschlossen.
  • 4 Intensität basierend auf der Frage des IAB-Betriebspanels 2022: Bitte bewerten Sie anhand der folgenden Skala, wie stark Ihr Betrieb/Ihre Dienststelle insgesamt wirtschaftlich vom Krieg in der Ukraine betroffen ist! (sehr gering/sehr stark, 5er-Skala).

Literatur

Bossler, M., N. Gürtzgen, B. Börschlein und J. S. Wiemann (2022), Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns auf Betriebe und Unternehmen, Studie im Auftrag der Mindestlohnkommission, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Brücker, H., A. Ette, M. Grabka, Y. Kosyakova, W. Niehues, N. Rother, C. K. Spieß, S. Zinn, M. Bujard, A. Cardozo, J. Décieux, A. Maddox, N. Milewski, R. Naderi, L. Sauer, S. Schmitz, S. Schwanhäuser, M. Siegert und K. Tanis (2022), Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland – Flucht, Ankunft und Leben, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), DOI: 10.12765/bro-2022-04.

Brunner, L., N. Gloger und C. Hohendanner (2023), Sonderauswertung zur Situation der vom Mindestlohn betroffenen Betriebe im Jahr 2022 auf Basis des IAB-Betriebspanels, Studie im Auftrag der Mindestlohnkommission, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Ellguth, P., S. Kohaut und I. Möller (2014), The IAB Establishment Panel -methodological essentials and data quality, Journal for Labour Market Research, 47, 27-41.

Hohendanner, C. (2022), Sonderauswertung zu den Folgen der Covid-19 Pandemie für vom Mindestlohn betroffene Betriebe auf Basis des IAB-Betriebspanels, Studie im Auftrag der Mindestlohnkommission, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB),.

Mindestlohnkommission (2023), Vierter Bericht zu den Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns, Bericht der Mindestlohnkommission an die Bundesregierung nach § 9 Abs. 4 Mindestlohngesetz.

Statistisches Bundesamt (2023a), Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2022 um 1,9 % gestiegen, Pressemitteilung, 020, 13. Januar.

Statistisches Bundesamt (2023b), Tarifverdienste 2022 um 2,2 % höher als im Vorjahr, Pressemitteilung, 081, 2. März.

Title:Turbulent Times for Companies: Consequences of the War in Ukraine and 12 € Minimum Wage

Abstract:The year 2022 was characterised by extraordinary social and economic pressures. Russia’s war against Ukraine led to major energy policy and economic upheaval, high inflation and the challenge of taking in refugees from Ukraine. At the same time, the statutory minimum wage was increased twice in 2022 from 9.82 € to 10.45 € in July and to 12 € per hour in October. With regard to this significant increase in a difficult economic environment, many questions arise: How many and which firms were affected by the minimum wage increases in 2022? How severely were these establishments affected by the war in Ukraine? What are the challenges they are currently facing?

Beitrag als PDF

© Der/die Autor:in 2024

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2024-0070