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Deutschland steckt in einer hartnäckigen Wachstumsschwäche. Das reale Bruttoinlandsprodukt verharrte Ende 2023 in etwa auf dem Niveau von 2019 und für die kommenden beiden Jahre ist nur eine leichte Erholung, aber kein durchgreifender Aufschwung zu erwarten (Dullien et al., 2024b; GD, 2024). In diesem Umfeld hat die Zustimmung des Bundesrats den Weg frei gemacht für ein gestutztes Wachstumschancengesetz. Die am 27. März 2024 verkündete Version kommt auf rund die Hälfte des bereits leicht verringerten Volumens laut Bundestagsbeschluss vom November 2023 – also 3,2 Mrd. Euro in der vollen Jahreswirkung und 15,9 Mrd. Euro insgesamt im Zeitraum von 2024 bis 2028 statt 6,3 Mrd. Euro bzw. 31,5 Mrd. Euro. Die Ländervertretung hatte die jährliche fiskalische Belastung im Umfang von 2,1 Mrd. Euro für die Länder und 1,9 Mrd. Euro für die kommunale Ebene als problematisch angesehen. Nun sind es noch 1,3 Mrd. Euro für die Länder und 0,6 Mrd. Euro für die Gemeinden.

In der Tat besteht ein massiver Handlungsbedarf, um die Investitionsschwäche in Deutschland zu überwinden. Nach aktuellen Prognosen dürften die deutschen Bruttoanlageinvestitionen im kommenden Jahr noch mehrere Prozent unter dem Niveau des Vorkrisenjahres 2019 liegen. Dabei bleibt die Entwicklung auch im kommenden Jahr schwach (Dullien et al., 2024b; GD, 2024). Die Rahmenbedingungen für Investitionen sind aktuell sehr ungünstig. Die Finanzierungskosten haben sich stark erhöht, die Energiekosten sind hoch und volatil. Vor allem ist die Unsicherheit groß. Sie betrifft nicht nur Energiepreise, sondern ganz generell den wirtschaftspolitischen Kurs. Vor diesem Hintergrund ist das Wachstumschancengesetz grundsätzlich hilfreich. Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah 7 Mrd. Euro in der vollen Jahreswirkung und kumuliert 32 Mrd. Euro im Zeitraum von 2024 bis 2028 vor. Knapp zwei Drittel des Volumens entfielen auf Maßnahmen zur direkten Investitionsförderung. Das umfangreiche Gesetzesvorhaben enthielt auch Maßnahmen zur Stärkung der Liquidität durch einen erweiterten Verlustvortrag. Mit unter 0,2 % des Bruttoinlandsprodukts war der Umfang aber von vornherein knapp bemessen und als alleinige Maßnahme gegen die deutsche Wachstumsschwäche unzureichend. Jetzt sind von den ursprünglich geplanten 7 Mrd. Euro nur noch 3,2 Mrd. Euro übrig.

Wichtigste Einzelmaßnahmen sind nun die Ausweitung der Forschungsförderung mit einer vollen Jahreswirkung von 0,9 Mrd. Euro und die Ermöglichung degressiver Abschreibungen auf bewegliche Wirtschaftsgüter mit 0,8 Mrd. Euro. Letztere gab es bereits in etwas großzügigerer Form in den Jahren 2020 bis 2022 auf der Grundlage des zweiten und vierten Corona-Steuerhilfegesetzes, ohne erkennbare Wirkung einer erhöhten Dynamik bei den privaten Investitionen. Grundsätzlich kann eine befristete Möglichkeit zur degressiven Abschreibung ein Baustein sein, um Unternehmen zum Vorziehen von Investitionen zu bewegen. In der aktuellen Konjunkturschwäche kann das hilfreich sein. Eine befristete degressive Abschreibung gibt es auch für neue Wohngebäude (0,4 Mrd. Euro). Die Klimaschutzprämie wurde komplett gestrichen – mit ursprünglich geplanten Ausgaben von 0,4 Mrd. Euro vom Volumen her gering, aber sinnvoll, um transformative Investitionen anzureizen. Immerhin ist der investive Fokus des Gesamtpakets geblieben.

Für eine zentrale Ursache der Wachstumsschwäche bietet das Wachstumschancengesetz jedoch keine Lösung: Seit Jahren verzeichnet Deutschland einen großen Investitions- und Modernisierungsstau (Bardt et al., 2019), aber die Politik ist nicht bereit, eine langfristige Finanzierungs­perspektive zu bieten, sondern betreibt kurzfristige Finanzierung nach Kassenlage. Auch bei der Förderung der Transformation gibt es keine Verlässlichkeit. So wurden nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts quasi über Nacht Mittel für die E-Mobilität gestrichen. Gleichzeitig investieren China und die USA massiv in die Infrastruktur und locken ausländische Unternehmen mit Subventionen. Die Politik muss Maßnahmen ergreifen, um Investitionen in Deutschland attraktiver zu machen und einen sicheren Rahmen zu bieten.

Um die Investitionstätigkeit zu beleben, müsste an vielen Stellschrauben gedreht werden. Zunächst braucht es einen klaren wirtschaftspolitischen Kurs sowie eine entschlossene und langfristig angelegte Modernisierung der Infrastruktur. Untersuchungen zeigen, dass öffentliche Investitionen regelmäßig private Kapitalausgaben auslösen (Belitz et al., 2020; Bom und Ligthart, 2014). Ein Brückenstrompreis würde Planungssicherheit bei den Energiekosten und eine Absicherung gegen Preisexplosionen schaffen, bis die Gestehungskosten der erneuerbaren Energien ausreichend wettbewerbsfähig sind (Bauermann, 2023). Zudem muss der Netz- und Speicherausbau beschleunigt werden.

Mittlerweile setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass Investitionen in Infrastruktur, Transformation und Verteidigung kaum mit dem aktuellen staatlichen Finanzrahmen zu stemmen sind und in Teilen auch eine Kreditfinanzierung notwendig ist. Selbst die Bundesbank spricht sich für Reformen der Schuldenbremse aus (Deutsche Bundesbank, 2022). Das IMK hält eine Erweiterung der Schuldenbremse um eine Golden Rule, eine Übergangsfrist nach Krisen und eine Reform der Konjunktur­komponente für sinnvoll (Dullien et al., 2024a). Anders als die steuerliche Investitionsförderung sind generelle Steuersenkungen kein Beitrag zur Lösung für die Wachstumsschwäche. Während es keine Garantie gibt, dass freie Mittel in Investitionen hierzulande fließen, käme es gleichzeitig zu Mindereinnahmen, die die Finanzierung notwendiger Zukunftsinvestitionen weiter erschweren würden. Das gestutzte Wachstumschancengesetz kann bei der Lösung der aktuellen wirtschaftlichen Probleme allenfalls ein kleines Mosaikteil sein. Es wäre wirksamer, wenn es die Politik nicht durch Bremsmanöver an anderer Stelle wieder konterkarieren würde.

Literatur

Bardt, H., S. Dullien, M. Hüther und K. Rietzler (2019), Für eine solide Finanzpolitik: Investitionen ermöglichen!, IMK Report, 152.

Bauermann, T. (2023), Abschätzung der Gestehungskosten und ihrer Entwicklung für die grüne Stromproduktion in Deutschland, Europa und den USA, IMK Policy Brief, 157.

Belitz, H., M. Clemens, S. Gebauer und C. Michelsen (2020), Öffentliche Investitionen als Triebkraft privatwirtschaftlicher Investitionstätigkeit, Politikberatung kompakt, 158.

Bom, P. R. und J. E. Ligthart (2014), What have we learned from three decades of research on the productivity of public capital?, Journal of Economic Surveys, 28(5), 889-916, John Wiley & Sons Ltd.

Deutsche Bundesbank (2022), Die Schuldenbremse des Bundes: Möglichkeiten einer stabilitätsorientierten Weiterentwicklung, Monatsbericht der Deutschen Bundesbank April, Deutsche Bundesbank.

Dullien, S., T. Bauermann, A. Herzog-Stein, L. Endres, K. Rietzler und S. Tober (2024a), Schuldenbremse reformieren, Transformation beschleunigen: Wirtschaftspolitische Herausforderungen 2024, IMK Report, 187.

Dullien, S., A. Herzog-Stein, P. Hohlfeld, K. Rietzler, S. Stephan, T. Theobald, S. Tober und S. Watzka (2024b), Wirtschaftspolitik verhindert schnelle Konjunkturerholung: Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung 2024 / 2025, 188.

GD – Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose (2024), Deutsche Wirtschaft, kränkelt – Reform der Schuldenbremse kein Allheilmittel, Gemeinschaftsdiagnose, Frühjahr 2024.

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DOI: 10.2478/wd-2024-0058