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Als die Directoire-Regierung die Assignaten-Währung hinreichend zerrüttet hatte (durch Emissionen, die weit größer waren als in den schlimmsten Jakobinerzeiten, nicht weniger durch den Entschluss, das eigene Papiergeld an den Kassen des Staates nur nach dem Börsenkurs anzunehmen), verbrannte sie mit feierlichem Gepränge die Notenpresse und richtete eine „wertbeständige Währung" ein. Dies war allerdings wiederum eine Papierwährung, aber die neuen Noten sollten in voller Höhe durch Grundstücke gedeckt sein, die der Staat im Lauf der Revolution sich angeeignet hatte. Da ihre Emission begrenzt und ihre Deckung ohne Tadel war, nahm das Direktorium an, dass sich ihr Kurs auf der Höhe der Edelmetallpreise halten würde. Die Assignaten, die damals ein Disagio von rund 99 % aufwiesen, sollten im Verhältnis von 30:1 in diese neue Währung umgetauscht werden. Das Direktorium hoffte, durch diese überaus günstigen Bedingungen den Umtausch zu beschleunigen.

Es hat sich gründlich getäuscht. Die Mandats Territoriaux (dies war der Name des neuen Papiergeldes) erhielten an der Börse einen Kurs von 18 Prozent; ein paar Monate später waren sie auf 2–3 Prozent gesunken. Die Regierung versuchte es – nach dem Rezept der verrufenen Jakobiner – noch einmal mit der Schließung der Börsen, dem Verbot des Edelmetallhandels und anderen Erfindungen. Keine hatte Erfolg. Kaum ein halbes Jahr nach ihrer Schaffung wurden die Mandats auch von den staatlichen Kassen nur zum Börsenkurs angenommen. Sie verschwanden kurze Zeit darauf, zugleich mit den Assignaten, ganz aus dem Verkehr, der sich nun mit Surrogaten von Surrogaten behelfen musste, soweit ihm nicht Edelmetallgeld zur Verfügung stand. So bildeten die Mandats Territoriaux in der Geschichte der Währungswirren bisher das eindrücklichste Beispiel dilettantischer Geldpolitik im Zeichen des Schlagworts der Wertbeständigkeit.

Es konnte nicht ausbleiben, dass dieses Schlagwort sich auch in Deutschland verbreitete, nachdem eine Währungskrisis von längerer Dauer und größerer Intensität als irgendeine frühere den Glauben an die wirtschaftsfördernden Wirkungen steigender Devisenkurse gründlich zerstört hatte. In einem Zustand, wo nicht nur kein Sparen, sondern auch kein Rechnen mehr möglich ist, kann nichts verständlicher sein als der Ruf nach einer festen Währung. Fraglich ist nur, ob dieser Ruf, unter den obwaltenden Umständen, zu den erfüllbaren gehört.

War in den letzten Jahren von einer kleinen Gruppe von Sachverständigen von Zeit zu Zeit die Forderung erhoben worden, die Mark zu stabilisieren, so wurde allgemein erwidert, diese Forderung sei ganz unverständig. Die deutschen Reparationsleistungen seien unbekannt; auch davon abgesehen sei die deutsche Zahlungsbilanz von großer Passivität; es sei also unmöglich, die Mark vor weiterem Verfall zu schützen. Und heute? Von einer deutschen Zahlungsbilanz kann im eigentlichen Sinne überhaupt keine Rede mehr sein. Der Außenhandel hat sich von der Markwährung losgelöst. Von den Devisenbesitzern bringt kaum einer freiwillig etwas an den Markt. Durch die allgemein gewordene Goldrechnung ist unsere Einfuhr künstlich verstärkt, unsere Ausfuhr über das Notwendige hinaus eingeschränkt. Die politische Lage aber ist düsterer umwölkt als irgendwann seit Jena. Und dennoch die Forderung der Währungsstabilisierung, vertreten von eben denen, die sich ihr unter so viel günstigeren Bedingungen widersetzt haben?

Die Markwährung wäre in dem Augenblick gesundet, wo das Defizit des Reichshaushaltes gedeckt und der Wille der Wirtschaft darauf gerichtet wäre, die nötigen Reparationsleistungen zu tragen und die Währung des Reiches zu stützen, unter Verzicht auf jeden Inflations- und Valutagewinn, auch unter Verzicht auf Lösung des Wirtschaftsschicksals des Einzelnen vom Schicksal des Staates. Sind die Bedingungen hierfür gegeben, so bedarf es keiner Währungsreform. Einige technische Einzelheiten mögen zu ändern sein: Ersatz etwa der Millionennoten durch Marknoten, Änderung des Reichsbankstatuts und ähnliches von sekundärem Belang. Ein neues Zahlungsmittel aber wäre durchaus nicht vonnöten, da ja die Bedingungen erfüllt wären, unter denen das alte „wertbeständig" sein kann.

Auf der anderen Seite: wenn jene Bedingungen nicht erfüllt sind, so wird jedes neue Zahlungsmittel den Weg des Mandats Territoriaux gehen. Die solideste Deckung durch Hypotheken und andere Schuldverschreibungen „der Wirtschaft" wird daran nichts ändern können. Über die Stabilität einer Währung entscheidet nichts anderes als die Fähigkeit zur Regelung der intervalutarischen Kurse. Geht die Inflation weiter und gleicht sich Angebot und Nachfrage auf den Valutamärkten nicht aus, so wird sich die Deckung durch Grund und Boden der Unternehmungen als ebenso unwirksam erweisen wie die Deckung durch die französischen Nationalgüter. Es gilt aber einzusehen, dass die Ausgaben von Noten auf Basis von Gold und Devisen, die bisher eingesperrt waren, noch mehr aber die Ausgabe von Noten auf Basis von Grund und Boden nichts anderes als Inflation bedeutet: Vermehrung der Zahlungsmittel, ohne dass die Versorgung der Volkswirtschaft mit absatzfähigen Waren verbessert worden ist. Das Kabinett wird also gut daran tun, die vorliegenden Pläne daraufhin anzusehen, ob sie nicht unter dem Mantel der Wertbeständigkeit einen neuen Inflationsherd schaffen. Es ist bekannt, dass Mephistopheles sich gern unter die Währungspolitiker mischt.

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Liegen die Dinge also derart, daß die alte Währung heilbar ist, wenn nur diejenigen Garantien geschaffen werden, die auch für jede neue Währung unerlässlich sind; warum den ebenso unnötigen wie gefährlichen Sprung wagen? Es liegt in der Tat kein Grund dafür vor – es sei denn die Hoffnung, es werde sich mancher bereit finden, für eine unbelastete Sache Opfer zu bringen, die er für eine so zweifelhafte Sache wie es die geltende Reichswährung ist, zu Recht oder Unrecht, nicht mehr bringen will. Diese Opfer werden gewaltig sein. Aber es scheint, daß die führenden Kreise der deutschen Wirtschaft bereit sind, einige Folgerungen aus der gegenwärtigen Lage des Reiches zu ziehen, die sie noch vor wenigen Monaten entschieden von sich gewiesen hätten. Einer von ihnen, kein Zweifel daß es Hugo Stinnes selber ist, fordert in der Deutschen Allgemeinen Zeitung kategorisch die Einleitung von Verhandlungen mit den Gläubigermächten, das heißt auch mit Poincaré, der über seinen Standpunkt zu solchen Verhandlungen keinen Zweifel gelassen hat. Sein Generaldirektor Minoux veröffentlicht an gleicher Stelle den Plan einer allgemeinen Vermögensabgabe, auf Grund einer Selbsteinschätzung, deren Resultate in den für die amtlichen Bekanntmachungen allenthalben bestimmten Blättern namentlich und alphabetisch veröffentlicht werden, und deren Fälschung mit Konfiskation des gesamten Vermögens, mit Zuchthaus und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bestraft werden soll.

Es wird aus diesen Äußerungen erkennbar, daß ihre Urheber sich der Einsicht nicht verschließen, daß wertbeständige Währung zur Voraussetzung hat: beschleunigte Beendigung des Ruhrkriegs und solidarische Haftung der Gesamtwirtschaft für die Verpflichtungen des Staates. Es ist heute nicht an der Zeit zu fragen, ob es der grauenvollsten Umwege bedurft hätte, um zu diesem schweren Schluß zu kommen, wenn die Geschicke des Reiches männlicher, sachlicher und weiser geleitet worden wären. Über die Handlungen und Unterlassungen des Kabinetts Cuno wird ohnehin eine andere Instanz zu urteilen haben, wenn anders noch der Wille zum Recht in Deutschland nicht erloschen ist. Wir haben es mit den Bedingnissen der nächsten Tage und Stunden zu tun und können nichts anderes, als noch einmal, in letzter Stunde, warnen und beschwören, alle guten Kräfte der Länder in den Dienst der Festigung der alten Mark zu stellen, statt geleitet durch Stimmungen, Neigungen und Abneigungen, Energie und Zeit an experimentellen Konstruktionen zu wenden, die entweder unnötig oder unmöglich sind. In Währungsfragen ist die einfachste Lösung immer die richtigste: alle Projekte der letzten Zeit aber sind überaus kompliziert und in mehr als einem Punkte undurchsichtig. Sie verquicken das Einfache, das getan werden muß, mit Sondervorteilen dieser und jener Gruppe, oder mit Vorurteilen, hinter denen Sonderwünsche sich nur allzu oft verbergen, vor allem der Wunsch, die Wirtschaft abzulösen vom Schicksal des Staates.

Alle diese Warnungen werden vergeblich sein. Die Währung, ihrem Wesen nach die rationalste Einrichtung der Wirtschaft, wird am seltensten nach Einsicht und Erfahrung gestaltet. Die Herrschaft des lauten Schlagworts und des blinden Gefühls ist stärker als alle Lehren der Währungsgeschichte. So ist denn auch heute damit zu rechnen, daß gegen alle Vernunft das Unmögliche versucht wird. Es wird neben die Reichsmark und neben die Goldvaluten, die bisher dem Zahlungsverkehr des Reiches gedient haben, eine dritte Währung treten: die Noten einer Währungsbank, gedeckt durch Pfandbriefe und andere Schuldverschreibungen, vielleicht auch durch Devisen, die der Reichsbank vorenthalten werden, in keinem Falle aber in Gold oder Devisen einlösbar. Man scheint, wieder einmal, zu glauben, daß die Deckung durch Grundeigentum und Maschinen, durch Obligationen und andere Zahlungsversprechen von Inländern hinreiche, dem neuen Zahlungsmittel den „Goldwert“ im intervalutarischen Verkehr zu sichern. Es wird sich sehr bald herausstellen, daß dies ein schwerer Irrtum ist – vorausgesetzt, daß nicht die neue Währung mit allen Künsten der Devisenpolitik verteidigt wird. Und selbst wenn dies, gegen alle Ungunst der wirtschaftlichen und politischen Lage, gelingen sollte: was wird aus der Reichsmark, aus dem Staat und aus seinen Beamten und Lieferanten? Wenn man den letzten Rest festen Gefüges aus dem Gemeinwesen entfernen will, so kann man kein besseres Mittel wählen.

Das Ende der Reichsmark bedeutet das Ende der letzten Institution des Bismarckschen Reiches, die die Stürme des Krieges und des Einsturzes überdauert hat. Sie fällt, weil der Staat gegen alle politische und wirtschaftliche Vernunft verstoßen, sich selber seiner Autorität entkleidet und denen die Herrschaft über sich selbst gegeben hat, die er zum Dienste am Reiche zu zwingen berufen war. So ist Gerechtigkeit auch im Schicksal der Mark. Wie aber die Männer, die den Richtspruch der Geschichte zu vollziehen haben, die Verantwortung tragen werden, die das Gebot der Stunde auf ihre Schultern legt, bleibt eine bange Frage. Daß sie die rettende Tat in der Erfindung eines neuen Apparates suchen, statt in rücksichtenfreier Ausübung der diktatorischen Gewalten, die das am Rande seiner Kraft stehende Volk in ihre Hände zu legen bereit ist, wenn diese Hände mit unerschrockener Gerechtigkeit ihres Amtes walten, ist ein böses Vorzeichen. Wir stehen also noch immer erst am Anfang des dunkelsten Weges unserer schweren Geschichte.

Hamburg, den 10. September. Kurt Singer

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