De la Guerre à la Paix par L. L. Klotz, Paris, Payot 1924.
Herr Klotz, der Verfasser dieses Buches, war französischer Finanzminister im Kabinett des Herrn Clemenceau. Sein Hauptzweck bei der Abfassung des Buchs war ein Angriff auf die Finanzpolitik des britischen Schatzamts gegenüber Frankreich während der letzten Stadien des Krieges und später, ein Angriff, der hauptsächlich mit den Namen des damaligen Schatzkanzlers, Herrn Austen Chamberlain, und meiner selbst verknüpft ist; der ich damals die betreffende Abteilung des Schatzamts verwaltete. Die französische Öffentlichkeit weiß wahrscheinlich jetzt, wie viel Bedeutung einer Behauptung des Herrn Klotz zuzumessen ist. Trotzdem ist seine Darstellung vielfach zitiert worden und darf nicht ohne Berichtigung bleiben. Da ich die notwendigen Erlaubnisse erhalten habe, die Informationen zu benutzen, die ich in amtlicher Eigenschaft erworben habe, so kann diese Gelegenheit wahrgenommen werden, einen kleinen Beitrag zur Geschichte jener Periode zu liefern.
Herr Klotz behauptet (Kapitel XIII, Finance Interalliée)
- daß, abgesehen von „sehr beschränkten“ Summen, Großbritannien die finanzielle Unterstützung Frankreichs am 3. Januar 1919 abgeschnitten habe;
- daß die Entschuldigung dafür in der Weigerung der Vereinigten Staaten gesucht wurde, die Vorschüsse an Großbritannien fortzusetzen, und daß diese Entschuldigung unwahr gewesen ist;
- daß diese Handlung die Ursache der Entwertung des Franken gewesen sei.
Die geistige Verfassung des Herrn Klotz, wie sie in seinem eigenen Bericht sich darstellt, reicht hin, die Schwierigkeiten des britischen Schatzamts in jener Zeit darzutun. Aber das folgende Resümee der Ereignisse, wie sie sich wirklich während jener Monate zutrugen, wird zeigen, wie irreführend seine Feststellungen von Tatsachen und wie ungerecht seine Kommentare sind.
Bis Ende des Jahres 1918 hatte das britische Schatzamt Frankreich mit Mitteln im Betrage von 418 Mill. versorgt. Zwei Jahre lang hatten wir keine Nettoüberschüsse aufzuweisen gehabt, und so war es notwendig, unsererseits von den Vereinigten Staaten den vollen Gegenwert unserer Darlehen an Frankreich zu borgen. Wenn wir Frankreich alles gegeben hätten, was es von uns verlangte, wären wir bankrott gewesen und hätten vielleicht den Krieg verloren, bevor die Vereinigten Staaten in ihn eintraten. (Der Dezember 1916 war der Zeitpunkt unserer äußersten finanziellen Bedrängnis.) Es war daher für das britische Schatzamt zuerst unter der Leitung von Herrn McKenna und später unter der von Herrn Bonar Law notwendig geworden, die lastenreiche und undankbare Aufgabe der Schatzamtskontrolle nicht nur über britische Verwaltungszweige zu übernehmen, sondern auch – da wir in der Tat für die Ergebnisse verantwortlich waren – über die Ausgaben aller Verbündeten, Frankreich eingeschlossen, soweit sie außerhalb ihres Territoriums stattfanden. Nachdem die Vereinigten Staaten in den Krieg eintraten, teilten wir diese Arbeit mit ihnen, mit der weiteren Schwierigkeit, die unvermeidlicherweise hinzutrat, beständige Debatten darüber führen zu müssen, wer von uns irgendeine Ausgabe zu finanzieren hätte. Die europäischen Forderungen schienen der amerikanischen Regierung so ungeheuerlich, daß sie bald nach ihrem Eintritt in den Krieg auf die Errichtung eines interalliierten Ausschusses über Kriegslieferungen und Kriegsfinanzierung unter amerikanischem Vorsitz bestand, um die gestellten Ansprüche im einzelnen prüfen zu können.
Diese Behörde beruhte in der Hauptsache auf der Organisation, die das britische Schatzamt schon für die Zwecke der Kritik und Kontrolle geschaffen hatte. Es ist dies ein Abschnitt der Kriegsführung, dessen Geschichte niemals vollständig geschrieben worden ist und vielleicht niemals geschrieben werden wird. Es genügt hier zu sagen, daß dieses Geschäft ohne viel unnötige Reibung erledigt wurde, und obgleich ziemlich viel Geld vergeudet wurde, konnten Sparmaßnahmen getroffen werden ohne Verminderung des Wirkungsgrades der Kriegsämter.
Herr Klotz, der nach dem berühmten Wort einer großen Autorität1 nichts vom Finanzwesen verstand, begriff selten die Einzelheiten; seine getreuen Beamten aber taten es, und wir vom britischen Schatzamt unterhielten glückliche Beziehungen in unserem jahrelangen, täglichen Verkehr mit unseren Gegenübern vom französischen Schatzamt.
So waren die Beziehungen des britischen und des französischen Schatzamts während des ganzen Krieges durch eine Reihe von Abkommen geregelt worden, deren Ziel es war, Frankreich den ihm wesentlichen Beistand zu gewähren, ohne das schon überanstrengte britische Schatzamt mit irgendeiner nicht notwendigen Bürde zu belasten. Im Laufe des Jahres 1918 aber trat in der Lage ein wichtiger Wandel ein. Die englische und die amerikanische Regierung mußten beide von der französischen Regierung die Franken kaufen, die sie in Frankreich brauchten, um die örtlichen Ausgaben ihrer immer wachsenden Heere zu bestreiten. Während des letzten Teiles jenes Jahres erhielt Frankreich so große Summen aus dieser Quelle in Pfund Sterling und Dollar, besonders in diesen (die amerikanische Armee gab innerhalb Frankreichs zusammen mehr als den Wert von einer Milliarde Dollar in Franken aus), daß es anderer Hilfsquellen nur wenig bedurfte.
Dies führte zu einer neuen Meinungsverschiedenheit. Herr Klotz behauptete, daß er ein ersessenes Recht hätte, alle seine außerhalb Frankreichs gemachten Ausgaben durch Großbritannien und die Vereinigten Staaten bezahlt zu erhalten; und daß, wenn er aus einer auswärtigen Quelle einen Zufallsgewinn erhalten sollte, wie er ihn erhielt, der zur Bestreitung dieser Ausgaben verfügbar wäre – daß es dann sehr unfair sein würde, ihn dazu zu zwingen, sein eigenes Geld, statt das Geld anderer Leute zu verwenden. Denn seine Politik war, den Zufallsgewinn zum Gebrauch in einem späteren Zeitraum beiseite zu stellen, wo der Krieg und der Waffenstillstand vorüber und die Anleihen der Verbündeten zu Ende sein würden. (Er war in der Tat erfolgreich bemüht, ein erhebliches Dollarguthaben zu späterem Gebrauch einzusperren.) Wir konnten natürlicherweise diese Ansicht nicht teilen: Demgemäß warnte Herr Bonar Law nach dem Waffenstillstand Ende November 1918 Frankreich, daß unter solchen Umständen die Abmachungen, nach denen ihm weitere Anleihen von uns zu gewähren waren, nicht unbeschränkt fortgesetzt werden könnten. In jenem Zeitpunkt hatte Herr Klotz in den Vereinigten Staaten verfügbare Kredite in Höhe von nicht weniger als 435 Millionen Dollar. Wir forderten dringend ein revidiertes Abkommen, um Frankreich zum Gebrauch seiner eigenen Hilfsquellen zu veranlassen, so daß das britische Schatzamt von einer Bürde entlastet wurde, die, wie die Ereignisse gezeigt hatten, inzwischen unnötig geworden war. Wiederholte Ersuchen brachten keine befriedigende Antwort von Herrn Klotz und so wurde ihm schließlich am 3. Januar 1919 mitgeteilt, daß die Vorschüsse in Zukunft aufhören würden. Dieser Schritt bewirkte sofort die Wiedereröffnung der Verhandlungen, während deren Dauer einige weitere Vorschüsse sogleich gemacht wurden, wobei Herr Klotz seine Dankbarkeit gebührend ausdrückte. Dies ist der erste Zwischenfall, den Herr Klotz als einen groben Akt berechneter Verräterei von Seiten des britischen Schatzamts darstellt.
Was die Haltung der Vereinigten Staaten betrifft, so werden sich die mit der Lage Vertrauten erinnern, dass die schwersten Zweifel darüber bestanden, ob die Vollmachten des amerikanischen Schatzamtes hinreichten, um nach dem Waffenstillstand irgendwelche Vorschüsse überhaupt zu machen, da Anleihen an ausländische Regierungen nur für die Zwecke der amerikanischen nationalen Sicherheit und Verteidigung und die Fortführung des Krieges gestattet waren. Am 31. Dezember 1918 wurde die britische Regierung in der Tat amtlich durch das Schatzamt der Vereinigten Staaten davon benachrichtigt, dass keine neuen Vorschüsse geleistet werden könnten. So war es Januar 1919 die genaue Wahrheit, dass Großbritannien eine bündige Warnung betreffend das Aufhören des finanziellen Beistandes der Vereinigten Staaten erhalten hatte – eine Warnung, die es gehalten war, an seine Verbündeten weiterzugeben. Dieser Standpunkt wurde in der Folgezeit modifiziert, und diese Modifikation allein machte die weiteren beträchtlichen Vorschüsse an Frankreich möglich, die wir in der Tat gewährten. Aber niemals bestand zu irgendeiner Zeit die Möglichkeit, dass Amerika zustimmen würde, unsere künftigen Erfordernisse unter der Bedingung zu finanzieren, dass wir zustimmten, diejenigen Frankreichs zu finanzieren; wenn dies in der Tat getan worden wäre, so wäre unsere Schuld an die Vereinigten Staaten um den Betrag dieser Vorschüsse an Frankreich angeschwollen, und im gegenwärtigen Augenblick würden wir Zinsen und Amortisationen für sie zahlen, ohne irgendwelche entsprechenden Rückzahlungen des französischen Schatzamts.
Wir kommen jetzt zur Konferenz vom März 1919. Es lagen zwei getrennte Fragen vor dieser Konferenz: die Frage der Finanzierung der Engagements, die aus dem Krieg zurückgeblieben waren, und die Frage der Fortführung der Darlehen zum Zweck des Festpflöckens („pegging“) der Wechselkurse. Zu jenem Zeitpunkt war Herr Austen Chamberlain zu der Entscheidung gelangt, dass die fortgesetzte Erhaltung der Wechselkurse auf einem künstlichen Niveau, nachdem der Krieg vorüber war, von der Wurzel aus ungesund sei und früher oder später in dem Bankrott irgendeiner Regierung, die sie unternähme, enden müsse. Aus diesen Gründen entschloss er sich, unseren eigenen Dollar-Sterling-Kurs zu entpflöcken („unpeg“), d. h. ihm die künstlichen Stützen zu entziehen. Alle folgende Erfahrung hat die unbezweifelte Weisheit dieser Entscheidung gerechtfertigt, die am 20. März 1919 wirklich in Kraft trat, und alle Autoritäten haben ihr Beifall bezeugt. Unter solchen Umständen war der Vorschlag, dass wir fortfahren sollten, den Franken-Kurs zu stützen, während wir dem unsrigen die Stütze nahmen, schlechthin unsinnig („preposterous“). Die Forderungen des Herrn Klotz gingen dahin, alle künftigen Fehlbeträge des französischen Haushalts auf den britischen Steuerzahler abzuwälzen.
Bezüglich der Frage der Finanzierung bestehender französischer Engagements aber machte Herr Chamberlain einen Vorschlag von beträchtlichem Großmut, der in das anglo-französische Finanzabkommen vom 13. März 1919 aufgenommen wurde. Die Mittel, die unter diesem Abkommen verfügbar gemacht wurden, waren in der Tat so reichlich, dass ein Teil von ihnen niemals gebraucht worden ist. Es ist eine hinreichende Antwort auf die Klotzsche Behauptung über das Abschneiden der Kredite, dass wir nach Januar 1919 Frankreich mehr als 70 Millionen Pfund Sterling vorgeschossen haben, ohne die nach jenem Zeitpunkt anwachsenden Zinsen, die sich auf weitere 110 Millionen Pfund belaufen.
Nicht zufrieden damit, dass wir seinem Lande mehr als 600 Millionen Pfund Sterling (12 Milliarden Goldmark) geliehen haben, hält es Herr Klotz für passend, in einem Zeitpunkt, wo nicht ein Pfennig von Kapital oder Zinsen bezahlt worden ist, Großbritannien zu schmähen, dass es nicht eine unbeschränkte Zeit lang, nachdem der Krieg seit Monaten vorüber war, ihm weitere, ungeheure Summen zu leihen bereit war, die wir selber nicht besaßen, sondern von einer dritten Partei uns selber erst zu borgen gehabt hätten – zum Zweck, den französischen Wechselkurs in einer Zeit zu stützen, wo wir unseren eigenen nicht mehr stützten.
Das Buch des Herrn Klotz ist voll von vielen anderen Ungenauigkeiten, an deren Richtigstellung schwerlich der erforderliche Raum gewendet werden kann – so z. B. in der Episode der Ölversorgung, auf die er großen Nachdruck legt. Und wenn Herr Lloyd George so lebhaft wie ich sich der grausamen Niederlage erinnert, die Herr Klotz durch seine Hand im Obersten Rat am 8. März 1919 erlitt, in einer Debatte, die nicht nur mit der vollständigen Erledigung der französischen Vorschläge endigte, sondern bei der Herr Klotz durch die Gewalt und Lebendigkeit der Darlegungen des britischen Premiers über seine Narrheit und Unfähigkeit fast wörtlich zu Boden geschlagen wurde, so wird er lächeln über die durch Zeit und Vergesslichkeit gesänftigte Klotzsche Lesart der Verhandlungen jenes Nachmittags.
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- [1] In Frankreich wird dies Wort keinem andern zugeschrieben als Herrn Clemenceau selber. (Anmerkung der Schriltleitung.)