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Das Erwartete ist eingetreten; und es ist so genau, wie es erwartet wurde, eingetreten, dass wir fast überrascht sind. Der beobachtete Topf kocht über. Wir können nach alledem wiederholen: „Raro antecedentem scelestum
Deseruit pede Poena claudo.“

Aber was, fragt jetzt jeder, wird nun weiter geschehen? In einer verwirrten Lage muss man sich an die ersten Grundsätze halten. Der Wert des Franken wird bestimmt werden erstens durch die Menge, und zwar sowohl die gegenwärtige wie die künftige, der umlaufenden Franken; und zweitens durch den Betrag von Kaufkraft, die es dem Publikum in dieser Form zu halten passt. Das erste dieser beiden Elemente hängt von der Kredit- und Budgetpolitik des französischen Schatzamtes ab; das zweite (unter den gegenwärtigen Bedingungen) in der Hauptsache von dem Vertrauen oder Misstrauen, das das Publikum in die Aussichten des Frankenwertes setzt.

Bei einem Stand des Franken von 100 und 120 für ein Pfund Sterling scheint die Herrschaft über das Budget dem Beobachter von draußen nicht ungebührlich schwer zu sein. Wenn das innere Preisniveau sich dieser Zahl angepasst hat, so wird der Ertrag vieler bestehender Steuern, ausgedrückt in Papierfranken, sich auf natürlichem Wege vergrößern. Auf der anderen Seite wird der stärkste Ausgabeposten, nämlich der Dienst der inneren Schuld, unverändert bleiben. So hat, auch abgesehen von zusätzlicher Besteuerung, die bloße Bewegung der Valutakurse in sich eine Tendenz zur Wiederherstellung des Gleichgewichts im Budget, immer vorausgesetzt, dass das Vertrauen des Publikums in die Zukunft des staatlichen Geldwesens aufrechterhalten wird.

In diesem zweiten Faktor liegt also die crux der Situation – nämlich die Haltung des französischen Publikums gegenüber ihrem eigenen Zahlungsmittel. Ich lege Nachdruck auf die Tatsache, dass die Angelegenheit in den Händen der Franzosen selbst liegt, nicht in denen irgendwelcher Ausländer. Denn der Frankenbetrag im Besitz von Ausländern ist wahrscheinlich nicht sehr groß – nicht viel mehr als was in ihren Händen als Überbleibsel enttäuschter Hausseoperationen geblieben ist; während sich unüberwindliche Hindernisse irgendwelchen ausländischen Leerverkäufen von Franken auf wirklich breiter Basis entgegenstellen. Andererseits ist die Menge von Frankennoten und Frankenwechseln und anderen kurzfristigen Anlagen in Frankreich selber ungeheuer groß – weit über das Mindestmaß hinaus, das für die bequeme Durchführung der Geschäfte erforderlich wird.

Wenn der Gedanke in die Köpfe der Franzosen Eingang findet (wie es nacheinander bei Russen, Österreichern und Deutschen geschehen ist), dass ihre staatlichen Zahlungsmittel und Forderungen, die auf solches Zahlungsmittel lauten, ein sich entwertendes Aktivum darstellen, dann ist dem Stand des Frankenwertes keine nahe Grenze gesetzt. Denn in diesem Fall werden sie ihren Besitz an solchen Aktiven verringern; sie werden weniger Noten der Bank von Frankreich in ihren Brieftaschen und in ihren Geldschränken halten, werden ihre bons de trésor liquidieren und ihre Renten verkaufen. Kein Gesetz und keine Verordnung wird sie wirksam davon abhalten. Überdies wird der Prozess kumulativ sein; denn jede Liquidation von Frankenaktiven und ihre Führung in Sachwerte wird dadurch, dass sie einen weiteren Fall hervorruft, die Voraussicht derer zu rechtfertigen scheinen, die zuerst aus dem Franken flüchteten, und wird so einem zweiten Ausbruch des Misstrauens den Weg bereiten.

In diesem Fall wird der Sturz des Franken auch nicht durch ein reformiertes Budget oder einen günstigen Ausfuhrüberschuss verhindert werden. Denn es würde für die Regierung nötig werden, die überschüssigen Banknoten und Frankenobligationen aufzunehmen, die das Publikum nicht länger halten möchte – eine Aufgabe, die unvermeidlich die Kraft der Regierung übersteigt.

Es liegt die Erfahrung vieler Länder vor, die zeigt, dass unausgeglichene Staatshaushalte die Anfangsursache eines Zusammenbruchs sind, dass aber die wirkliche „dégringolade“ erst eintritt, wenn das Vertrauen des großen Publikums so sehr unterminiert ist, dass es beginnt, seine Bestände an Zahlungsmitteln zu verringern.

Die zentrale Aufgabe der französischen Regierung im gegenwärtigen Augenblick ist also, das Vertrauen zum Franken in den Köpfen der weitesten Kreise des französischen Publikums aufrechtzuerhalten. Denn es ist das Versagen dieses inneren Vertrauens, und nicht Spekulation von Ausländern (obgleich Ausländer und auch Franzosen aus einem Zusammenbruch der Währung große Gewinne ziehen könnten), das sein Verderben besiegeln würde.

Nun liegt aber, wenn man nur den rechten Weg einschlägt, in der Aufgabe der Wiederherstellung und Aufrechterhaltung des Vertrauens nichts Unmögliches. Die Beispiele Russlands, Österreichs und Deutschlands sind keine richtige Parallele. Diejenigen, die die Zukunft des Franken im Licht solcher Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit sehen, können einen großen Fehler begehen. Denn in jenen Ländern stellte das Problem der Herstellung des Budgetgleichgewichts während der früheren Phasen eine praktische Unmöglichkeit dar. Der Anfangsimpuls zum Kollaps war daher auch ein Dauerimpuls. Dies liegt in Frankreich anders. Es besteht hier keine Unmöglichkeit, das fiskalische Gleichgewicht zu erreichen, vorausgesetzt, dass die Aufgaben für den Wiederaufbau verständigerweise vertagt werden. Ich zolle den Bemühungen des Herrn Poincaré und des französischen Schatzamtes in dieser Richtung Beifall. Aber dies ist an sich nicht genug. Es ist auch notwendig, das öffentliche Vertrauen wiederherzustellen, und in diesem Aktionsbereich war jeder von Herrn de Lasteyrie unternommene Schritt weit von Weisheit entfernt.

Denn auf was für Grundlagen ruht der Kredit einer Währung? Sie sind ungefähr dieselben wie bei einer Bank. Eine Bank kann die Depositen ihrer Kunden nur so lange anziehen und halten, wie diese Kunden vollständiges Vertrauen in ihre Freiheit setzen, ihre Depositen zurückzuziehen und sie in andere Aktiva umzuwandeln, wenn es ihnen in den Sinn kommt. Solange wie diese Freiheit außer Zweifel steht, wird von ihr kein Gebrauch gemacht werden: die Depositen werden bleiben und wachsen. Wenn sie aber einmal in Frage gestellt wird, so werden sie zusammenschrumpfen und verschwinden.

Ebenso ist es mit einer Währung. Die Leute halten einen Teil ihrer Mittel in Geld, weil sie glauben, dass es leichter und unmittelbarer in jedweden Wertgegenstand, den sie später wählen mögen, umgetauscht werden kann als irgendeine andere Vorratsform. Wenn sich dieser Glaube als falsch erweist, so werden sie kein Geld halten, und nichts wird sie dazu zwingen können.

Nun aber ist es der Hauptzweck der meisten Bestimmungen des Herrn de Lasteyrie, die Freiheit der Frankenbesitzer bei der beliebigen Verwandlung in andere Wertformen zu beschränken. Weit davon also entfernt, den Franken zu schützen und seinen Kredit wiederherzustellen, sind sie direkt geeignet, das Vertrauen zu erschüttern und seinen Kredit zu zerstören. Eine hinreichende Anzahl von Bestimmungen würde den Wert irgendeiner Währung eines Landes zerstören, weil sie ihren Nutzen zerstören würde. Sobald ein Zweifel entsteht, ob Franken (oder bons de trésor) ein wirklich liquides Aktivum darstellen, hören diese Instrumente auf, den Zwecken zu dienen, für die sie gehalten werden, und ihre Inhaber beeilen sich, sich ihrer zu entledigen, bevor der Zweifel zur Gewissheit geworden ist und noch weitere Hindernisse ihnen in den Weg gelegt sein können.

Genauso wie ein Mann seine Depositen von der Bank abhebt, gleichgültig, ob er das Geld braucht oder nicht, sobald er Grund zu haben glaubt, dass es ihm später nicht mehr freistehen wird: so ziehen das große Publikum und die Finanzkreise gleicherweise ihre Mittel aus einer Währung, wenn sie eine Beschränkung ihrer künftigen Bewegungsfreiheit befürchten.

Was für einen Weg also sollte das französische Schatzamt jetzt im Angesicht der Gefahren einschlagen, die es umgeben? Das ist bald gesagt.

  1. Erstens muss die Regierung ihre finanzielle Lage so stärken, dass ihre Fähigkeit zur Beherrschung der Geldschöpfung außer Zweifel ist – eine Notwendigkeit, die schließlich zugestanden wird.

  2. Zweitens – und besonders während der Zeitspanne, die vergehen muss, bevor die erste Kategorie von Maßnahmen in volle Wirksamkeit gesetzt werden kann – muss die Regierung so vollständiges Vertrauen in die Freiheit des Franken wiederherstellen, dass es niemand der Mühe wert erachtet, sich der Vorsicht halber auf Frankenverkäufe einzulassen, die nicht unmittelbar dringend sind – eine ebenso große Notwendigkeit, die, wie es scheint, übersehen wird.

Um diesen zweiten Zweck zu erreichen, wird nicht mehr erfordert, als das Umstoßen der kürzlich eingeschlagenen Politik, den Handel zu regulieren, das Gold nutzlos aufzuspeichern, den Diskontsatz verhältnismäßig niedrig zu halten und die gegenwärtige Lage des Schatzamtes und der Bank von Frankreich geheim zu halten.

Die Hauptmaßnahmen, die notwendig sind, können in folgenden drei Rubriken zusammengefasst werden:

  1. Alle Beschränkungen der Verwendung von Franken beim Kauf ausländischer Zahlungsmittel, ausländischer Obligationen oder Waren, ob für sofortige oder für Terminlieferung, sollten vollständig aufgehoben werden.

  2. Der Diskontsatz der Bank von Frankreich sollte sehr hoch angesetzt werden, wahrscheinlich nicht weniger als gegenwärtig 10 % (obgleich es nicht notwendig sein wird, einen so hohen Satz eine längere Zeitdauer hindurch aufrechtzuerhalten), um gut oder schlecht begründeten Erwartungen einer möglichen Entwertung des Franken entgegenzuwirken. Angesichts der hohen Zinsrate, die jetzt bei französischen Regierungsobligationen erzielt werden kann (ohne Berücksichtigung der Sätze für Terminvaluten), entspricht der gegenwärtige Diskontsatz nicht den Bedingungen der Lage und ist geeignet, das Kreditnehmen ungebührlich zu steigern. Möglicherweise wird eine Erhöhung des Bankdiskontsatzes schon bewirkt sein, während diese Zeilen gedruckt werden.

  3. Eine beträchtliche Summe sollte von der noch reichlichen Goldreserve der Bank von Frankreich abgezweigt und zur Basis eines Auslandskredits gemacht werden, entweder durch offenen Verkauf oder durch Verpfändung, um ohne Einschränkung in den Dienst der Erhaltung des Wechselkurses in der Nähe des gegenwärtigen Niveaus (100 fr für das Pfund Sterling am 12. März – Anmerkung der Schriftleitung) und der Wiederherstellung des Vertrauens während der Zeit gestellt zu werden, bevor die fiskalischen Reformen voll in Kraft stehen. Ein Vorschuss von 100 Mill. Dollar ist durch die Firma J. P. Morgan in der Tat auf dieser Grundlage gewährt worden, seit das Obige geschrieben ist.

Ich verbürge mich dafür, dass diese einfachen, wohl erprobten Maßnahmen, in Verbindung mit politischer Mäßigung und mit den drastischen Sparmaßnahmen und Steuern, die keine andere Maßnahme schließlich ersetzen kann, von wunderbarer Wirkung sein würden. Wird diese Medizin wenige Wochen genommen, und nimmt Herr Poincaré (oder sein Nachfolger) den zu erwartenden Bericht der Sachverständigen wohlwollend auf, so könnte der Franken von der Festigkeit eines Felsens sein. Wird aber stattdessen dem Misstrauen in den Franken mit den Mitteln der heiligen Inquisition begegnet; ziehen die Franzosen die heimliche Vermögensabgabe in Gestalt der Inflation anderen Formen der Besteuerung vor; bleibt Frankreich der Friedensstörer Europas – dann mag der Franken den Weg der anderen einst ehrenwerten Geldzeichen gehen.

13. März 1924

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