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China: Keine Strafzölle auf Solarmodule

Von Rolf J. Langhammer

Selten in der Geschichte von Anti-Dumping-Verfahren sind innerhalb der EU die Gegensätze zwischen der EU-Kommission als Herrin des Verfahrens und den einzelnen Mitgliedstaaten als Zustimmungsberechtigte so krass nach außen kommuniziert worden wie im Streit über Strafzölle auf Solarmodule aus China. Es scheint, als käme die Mehrzahl der EU-Mitglieder, die sich dagegen aussprechen, darunter Deutschland, zu einer ganz anderen Bewertung als die EU-Kommission und die Minderheit von Mitgliedern, die sich dafür aussprechen, darunter Frankreich und Italien. Letztere argumentieren, dass der Anteilssprung chinesischer Anbieter auf dem weltgrößten Markt, dem EU-Markt, auf über 80% (von nahezu Null noch vor wenigen Jahren) ohne nach WTO-Recht verbotene staatliche Unterstützung nicht möglich gewesen wäre. Die Kommission glaubt aus ihren Untersuchungen sichere Belege für Dumping ermittelt zu haben und wird daher ab 6. Juni Strafzölle in Höhe von zunächst nur 11,8% verhängen, die allerdings bei erfolglosen Verhandlungen nach zwei Monaten auf durchschnittlich knapp 50% steigen können. Als „Nicht-Marktwirtschaftsland“ liegt die Hürde für die Beweisführung bei China niedriger als bei einem Land, das den Status einer Marktwirtschaft innerhalb der Handelsordnung genießt.

Was die Mehrheit der EU-Mitglieder zu einem ablehnenden Votum führt, ist nicht ganz klar. Es könnte eine Kosten-Nutzen-Analyse aus nationaler Sicht sein, in die neben dem Schutz heimischer Anbieter (z.B. des deutschen Initiators Solar World und der europäischen Pro Sun Koalition) auch die Interessen von Konsumenten, von Weiterverarbeitern von Solarmodulen (den Installateuren) und von europäischen Lieferanten des Rohstoffs Reinstsilizium (Polysilicon) nach China eingehen. Es könnte auch sein, dass die Drohung mit Vergeltung durch die chinesische Regierung bei der Mehrheit der EU-Mitglieder Eindruck hinterlassen hat. Immerhin ist China selbst seit einigen Jahren nicht nur Hauptbetroffener von Anti-Dumping-Maßnahmen, sondern auch Initiator von derartigen Verfahren. So listet die WTO unter 95 Verfahren, die sich auf das geltende Anti-Dumping-Abkommen berufen, sechs Fälle, in denen China Maßnahmen ergreifen will bzw. ergriffen hat. Der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang hat die EU jüngst vor einem Handelskrieg gewarnt. Diese Warnung kommt nicht von ungefähr. Da sind zum einen ein nachlassendes Wachstum in China, eine fortschreitende reale Aufwertung der chinesischen Währung und damit eine erschwerte Preiswettbewerbsfähigkeit auf den Exportmärkten sowie eine Nachfrageflaute auf wichtigen Auslandsmärkten Chinas, und zum anderen die Häufung von Konfliktfällen mit der EU, unter anderem auch in der Telekommunikationsindustrie, eine härtere Haltung der EU-Kommission gegenüber vermuteten Handelsverstößen Chinas als in der Vergangenheit und die Tatsache, dass die USA bereits 2012 Strafzölle gegenüber chinesischen Solarmodulen verhängten. Und schließlich ist es möglich, dass Umweltgesichtspunkte, d.h. die Förderung erneuerbarer Energien und die negativen Signale gegen die Nutzung von Sonnenenergie, die von Strafzöllen befürchtet werden, eine Rolle spielen.

Beide Seiten legen ihre Argumente noch nicht klar auf den Tisch. Vor diesem Hintergrund führt eine ökonomische Analyse, die auf Erfahrungen mit Anti-Dumping- Verfahren basiert, zu einem negativen Votum: also keine Strafzölle. Ungeachtet der Würdigung von Vergeltungsspiralen und Umweltgesichtspunkten sind bei den Verfahren die Interessen von Konsumenten, Weiterverarbeitern und Rohstofflieferanten bislang fast immer gegenüber den Interessen von unmittelbaren Konkurrenten in den Hintergrund getreten. Der Solarmodulstreit könnte hier zu einer längst fälligen Kehrtwende führen.

Wettbewerb: Preiskartelle überall?

Von Ulrich Kamecke

Zement, Beton, Benzin, Brillen, Kaffee, Schokolade und jetzt auch noch Kartoffeln und Zucker – ist Deutschland etwa auf dem Weg zurück ins Land der Kartelle? Glücklicherweise ist nicht eine Wiederbelebung, sondern eine Destabilisierung der Kartelle der Grund für die zahlreichen Fälle: Seit 1996 belohnt eine Kronzeugenregel das erste Kartellmitglied, das sich selbst anzeigt, mit Straffreiheit. Bei den meisten Kartellfällen gibt es zwar spektakuläre Durchsuchungen, aber der erste Schritt der Ermittlungen ist immer eine Selbstanzeige. Und da auch der zweite gesprächsbereite Beschuldigte noch mit einer Reduktion der Strafe rechnen kann, und da es für neue Informationen über andere Märkte ebenfalls Strafrabatte gibt, findet sich nach einer Selbstanzeige oft eine ganze Gruppe von gesprächsbereiten Managern mit ihren hilfsbereiten Rechtsanwälten bei den Kartellbehörden ein.

Die Wirksamkeit dieser Neuerung wurde verstärkt durch die Auflockerung von allzu strengen Anforderungen, die der Gesetzgeber und der Bundesgerichtshof (BGH) früher an die Kartellprozesse stellten. So hat der deutsche Gesetzgeber die einfache europäische Bußgeldregel übernommen, nach der die Strafe nicht mehr vom schwer zu bestimmenden Schaden, sondern vom Umsatz des Unternehmens abhängt. Außerdem hat der BGH eine sehr weitgehende Beweislastumkehr bei der Wirksamkeitsprüfung eingeführt. Schließlich kann die Mehrerlös­schätzung, die früher vom Richter vorgenommen wurde, heute einem Gutachter überlassen werden, auch wenn die Komplexität solcher Gutachten die richterliche Überprüfung der juristischen Anforderungen an eine Schätzung nicht mehr zulässt.

Diese Änderungen zeigen Wirkung. So fällt nicht nur auf, dass immer wieder von Preisabsprachen in der Zeitung zu lesen ist, sondern auch, dass von jeder Preisabsprache nur einmal zu lesen ist. Das liegt daran, dass die beschuldigten Unternehmen die verhängten Strafen akzeptieren, weil ihre Rechtsanwälte kaum eine Chance sehen, sie vor Gericht spürbar zu reduzieren. Immer mehr Unternehmen sind heute bereit, interne „Codes of Conduct“ zu implementieren, die die Gefahr, dass Mitarbeiter bei ihrer Kommunikation mit den Konkurrenten gegen das Gesetz verstoßen, reduzieren oder ausschließen sollen.

In Zukunft sollen Schadensersatzklagen der Kunden Preiskartelle noch unattraktiver machen. Auch hier deutet sich eine Bereitschaft an, den Begriff des Schadens großzügig auszulegen, um so die Drohung noch wirksamer zu machen. Der eigentliche Schaden durch überhöhte Preise entsteht nämlich den Endverbrauchern, von denen eine Schadensersatzklage nicht zu erwarten ist. Die Kunden der Kartellmitglieder sind dagegen in der Regel Unternehmen oder Händler, die die überhöhten Preise an die Verbraucher weiterreichen und trotzdem das Recht bekommen sollen, den gesamten Schaden geltend zu machen.

Es sieht also so aus, als ob die große Zahl der aufgedeckten Preisabsprachen nur ein Symptom dafür ist, dass Deutschland mit großen Schritten kartellfreien Zeiten entgegen geht, aber gerade der zusätzliche Anreiz, der von den Schadensersatzklagen erwartet wird, könnte sich auch als Bumerang entpuppen. Es besteht die Gefahr, dass sich die Kronzeugen nicht vor Schadensersatzforderungen schützen können, denn schließlich räumen sie ja ihre Rechtsverstöße freiwillig ein und geben damit zu, einen Schaden verursacht zu haben. Wenn es das Kartellrecht nicht schafft, seine Kronzeugen vor Schadensersatzforderungen zu schützen, könnte das zusätzliche Instrument daher eine erfreuliche Entwicklung gefährden.

Managergehälter: An der Leine?

Von Joachim Wiemeyer

Zwar wurden nach der Finanzkrise Regelungen über Managervergütungen, z.B. hinsichtlich der Relation von Festgehalt und Boni sowie des Bemessungszeitraums und der Auszahlung von Boni, der Haftung für Missmanagement und der Offenlegung von Vorstandsgehältern, neu gefasst. Hohe Gehälter, etwa das des Volkswagen-Chefs Winterkorn mit 17,5 Mio. Euro Jahreseinkommen, sowie hohe Abfindungen haben in Deutschland die gesellschaftliche Debatte über Managervergütungen neu entfacht. Der große Erfolg der „Abzocker-Initiative“ in der Schweiz belebte die Diskussion. Krasse Unterschiede zwischen Belegschaftseinkommen und Vorstandsvergütungen widersprechen der Tradition der „Sozialen Marktwirtschaft“, die ihre Exporterfolge und Weltmarktführerschaft in einigen Branchen langer Betriebszugehörigkeit und Identifikation der Belegschaft mit ihrem Unternehmen und seiner Führung verdankt.

Die Corporate-Governance-Kommission hat ihre Vorgaben im Mai 2013 vor allem hinsichtlich der Gehaltsfindung von Vorstandsgehältern überarbeitet und verlangt, dass Aufsichtsräte der Unternehmen Höchstgrenzen der Relation zwischen Spitzen- und Durchschnittsgehältern eines Unternehmens spezifisch festlegen. Dabei ist auch die Einkommensentwicklung der Gesamtbelegschaft im Vergleich zur Besoldung des Vorstandes zu berücksichtigen. Dies soll transparenter durchgeführt werden. Transparenz hat allerdings bisher nicht zur Mäßigung, sondern teilweise sogar zum Aufschaukeln der Vergütungen geführt. Richtig ist die Forderung, den Gesamtbetrag und Höchstgrenzen in den variablen Vergütungsbestandteilen im Voraus festzulegen und die Gehaltsentwicklung der Belegschaft sowie die Relation zum oberen Führungskreis eines Unternehmens zu berücksichtigen. Richtig ist auch, den Wert von Pensionszusagen transparenter zu machen. Bedenklich ist, dass die Hauptversammlung mit einer Dreiviertelmehrheit eine weitgehende Offenlegung ablehnen können soll.

Der von der Regierungskoalition ins Gespräch gebrachte und weniger weitgehende Vorschlag, die Hauptversammlung stärker über den Vergütungsrahmen entscheiden zu lassen, weist zwei Probleme auf: Erstens wird sich die Mehrheit der ausländischen Aktionäre der DAX-Unternehmen (vielfach aus der angelsächsischen Finanzwirtschaft mit ihren einseitigen Shareholder-Value-Konzepten, aus denen die exorbitanten Gehälter übernommen wurden) kaum von der gesellschaftspolitischen Diskussion in Deutschland beeinflussen lassen. Zweitens werden die Mitbestimmungsregelungen, die zum deutschen Stakeholder-Verständnis von Unternehmen gehören, geschwächt. Die SPD – die Grünen haben ähnliche Vorschläge – fordert, die steuerliche Absetzbarkeit von Managervergütungen auf 500 000 Euro jährlich zu begrenzen. Dies ist im Sinne der Gleichbehandlung problematisch, wenn das Unternehmen bei weisungsabhängigen Angestellten (z.B. Fußballspieler) davon nicht betroffen ist. Die Vorstandsvergütung soll sich neben einer vom Aufsichtsrat festzulegenden unternehmensspezifischen Obergrenze auch an sozialen, ökologischen, gesellschaftlichen und nachhaltigen ökonomischen Kennziffern orientieren. Die letzte Forderung ist durchaus sinnvoll. Dass diese Vorschläge Gehaltsexzesse in Zukunft verhindern können, ist aber eher zu bezweifeln. Vielleicht wird der Gesetzgeber in Zukunft wie bei Lohnuntergrenzen auch Gehaltsobergrenzen festlegen, die aber eine stärkere Spreizung der Arbeitseinkommen in einem Unternehmen als die 1:12-Initiative, die im November in der Schweiz abgestimmt wird, zulassen dürfte. Vielleicht sollte stärker die Arbeitnehmerseite über die Vorstandsvergütungen als Personalangelegenheit (z.B. mit einem Veto-Recht) entscheiden.

Jugendarbeitslosigkeit: Aktive Arbeitsmarktpolitik

Von Hans Dietrich

Die Jugendarbeitslosigkeit in den EU17-Staaten hat in zwei Wellen 2008/2009 und seit 2011 stark zugenommen. In diesem Zeitraum ist die Arbeitslosenquote für die über 24-Jährigen gleichermaßen erheblich gestiegen und die Relation beider Quoten sogar tendenziell leicht gesunken. Somit wird klar, Jugendarbeitslosigkeit ist ein Teil des europäischen Beschäftigungsproblems insgesamt. Die Betroffenheit von Arbeitslosigkeit ist bei Jugendlichen generell höher als bei älteren Erwerbs­personen, da der Übergang von Schule und beruflicher Bildung in Beschäftigung in der Regel im Jugendalter (15 bis 24 Jahre) erfolgt. Auch der Übergang vom Studium in Beschäftigung setzt infolge der Bologna-Reform vermehrt im Jugendalter ein. Ferner sind die Beschäftigungsverhältnisse beim Erwerbseintritt vielfach befristet, wodurch das Arbeitslosigkeitsrisiko nach Ablauf der Vertragszeit erhöht ist. Schließlich verfügen erwerbstätige Jugendliche naturgemäß über geringere betriebliche bzw. berufliche Erfahrung oder Senioritätsansprüche; dies schlägt sich in einem erhöhten Freisetzungsrisiko bereits beschäftigter Jugendlicher nieder. Auch im Zuge der Rezession haben sich diese gruppenspezifischen Risikofaktoren nicht wesentlich verändert, so dass das Arbeitslosigkeitsrisiko jüngerer und älterer Erwerbspersonen nahezu proportional anstieg.

Weiterhin zeichnete sich ab, dass der Anstieg des Arbeitslosigkeitsrisikos über die europäischen Mitgliedsländer nicht gleich verteilt ist und insbesondere die Mittelmeerländer, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, von der jüngsten Rezession betroffen sind. Demzufolge erweist sich auch die Suche nach Problemlösungen als komplex, wobei der Schwerpunkt in einer nachhaltigen Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik liegt. Eine Vielzahl von Analysen belegt den engen Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und dem Verlauf von Arbeitslosigkeit insgesamt und dem von Jugendarbeitslosigkeit im Besonderen. Ein weiteres Augenmerk gilt der Bildungspolitik. Lange Zeit wurde auf die Tertiarisierung des Bildungswesens abgestellt, ohne die Passung von Qualifikation und Beschäftigungsnachfrage zu berücksichtigen: Lange Suchdauern und Überqualifikation lassen sich gerade auch in den Ländern beobachten, die gegenwärtig besonders von Jugendarbeitslosigkeit betroffen sind. Betriebliche und betrieblich finanzierte Ausbildung reduziert dieses Risiko und ermöglicht einen effektiveren Übergang von Ausbildung in Beschäftigung. Gleichwohl sind sowohl die betrieblichen als auch die institutionellen Voraussetzungen und kulturellen Muster, die mit der betrieblichen Ausbildung in Deutschland verknüpft sind, nicht beliebig und kurzfristig in andere Länder transferierbar und bedingen somit länderspezifische Lösungsansätze. Auf international agierende deutsche Unternehmen in Kooperation mit den dortigen Mitarbeitervertretungen könnte hier eine innovative Aufgabe zukommen. Als wesentlich bei der Entwicklung der beruflichen Orientierung sowie für einen erfolgreichen Übergang Jugendlicher von Schule und Ausbildung in Beschäftigung erweisen sich Angebote beruflicher Beratung und Orientierung einerseits und effektive Angebote der Ausbildungs- und Arbeitsvermittlung andererseits. Entsprechende Einrichtungen von Public Employment Services sind in den südeuropäischen Ländern nur schwach entwickelt. Dies gilt analog für Akteure der aktiven Arbeitsmarktpolitik und deren Möglichkeit, Maßnahmeangebote adressaten- und problemspezifisch einzusetzen, deren Wirkung zu beobachten und auf die Monitoring- und Evaluationsbefunde aktiv zu reagieren.


DOI: 10.1007/s10273-013-1535-z

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