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Die Volksrepublik China ist heute gemessen am kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt die größte Volkswirtschaft der Welt. Für Deutschland ist sie der größte und für die EU, nach den USA, der zweitgrößte Handelspartner. Umgekehrt ist die EU der größte Handelspartner Chinas. Chinas Wandel von der verlängerten Werkbank der Welt hin zu einer innovativeren Wirtschaft wird nicht zuletzt durch die großen chinesischen Technologieunternehmen wie Alibaba, Huawei oder Tencent verdeutlicht. Chinesische Unternehmen sind zunehmend relevante Wettbewerber für europäische Unternehmen. Diese Entwicklung dürfte sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch verstärken.

Die aufstrebende Rolle Chinas wird vielfach kritisch gesehen. Abgesehen von sicherheitspolitischen Aspekten besteht zum einen die Sorge, dass strategische chinesische Investitionen zum Abfluss von technologischem Know-how und zur Schwächung des europäischen Wirtschaftsstandorts führen. Allerdings haben chinesische Direkt­investitionen hierzulande bisher noch einen geringen Umfang. Deren Bestand (inklusive Hongkong) in Deutschland belief sich nach Angaben der Deutschen Bundesbank 2018 auf ca. 8 Mrd. Euro, während sich die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen in China (inklusive Hongkong) auf ca. 90 Mrd. Euro summierten. Nach einer Studie des ZEW haben chinesische Übernahmen im Vergleich zu Übernahmen aus dem europäischen Ausland zudem keinen signifikanten Effekt auf Beschäftigung, Umsatz und Patente bis zu fünf Jahre nach der Übernahme. Nicht untersucht wurden allerdings die möglichen Effekte eines Technologietransfers. Zum anderen geht es darum, Wettbewerbsnachteile für europäische Unternehmen zu vermeiden. Das chinesische Wirtschaftsmodell der „sozialistischen Marktwirtschaft mit chinesischen Merkmalen“ ist dadurch geprägt, dass der Staat auf vielfache Weise ins Wirtschaftsgeschehen eingreift, um seine industriepolitischen Ziele zu erreichen. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang wirtschaftliche Vergünstigungen, durch die chinesische Unternehmen auch im internationalen Wettbewerb einen Vorteil erhalten.

Im europäischen Außenwirtschafts- und Wettbewerbsrecht wird deshalb seit einiger Zeit über Reformen diskutiert. Die Einflussnahme von Drittstaaten außerhalb der EU auf die Wirtschaft unterliegt allerdings bereits Regeln. Im grenzüberschreitenden Warenverkehr sind europäische Unternehmen durch Antidumping- und Antisubventionsinstrumente geschützt. Die EU-Wettbewerbsregeln sind zwar nicht unmittelbar auf Maßnahmen von Drittstaaten wie China, aber immerhin auf das Verhalten von Unternehmen aus Drittstaaten im europäischen Binnenmarkt anwendbar. Bei der Beurteilung der Marktstellung solcher Unternehmen in der Missbrauchs- und Fusionskontrolle kann berücksichtigt werden, dass ein Drittstaat dahinter steht. Dennoch – der Schutz europäischer Unternehmen und der europäischen Marktwirtschaft ist lückenhaft. So können drittstaatlich subventionierte Unternehmen zur Umgehung von Antidumping- oder Ausgleichszöllen ihre Produktion in die EU verlagern. Ähnliches gilt, wenn sie subventionierte Dienstleistungen erbringen, da Dienstleistungen – anders als Waren – über das außenwirtschaftliche Instrumentarium nicht erfasst werden. Wettbewerbsnachteile bestehen auch, wenn drittstaatliche Unternehmen aufgrund einer Subvention bei Unternehmenserwerbs- oder Beschaffungsvorgängen bessere Angebote als ihre nicht subventionierten Mitbewerber abgeben können.

Zwar profitiert die EU von Subventionen, die durch den chinesischen Steuerzahler finanziert werden und die zu niedrigpreisigen Vorprodukten oder Konsumgütern für die verarbeitende Industrie oder die europäischen Verbraucher führen. Jedoch schließt das durch die europäischen Verträge geprägte Verständnis von Wettbewerb in der EU die wettbewerbliche Chancengleichheit der im Binnenmarkt tätigen Unternehmen ein. Zu diesem Zweck gibt es die EU-Beihilfenkontrolle, die freilich auf Subventionen aus Staaten außerhalb der EU nicht anwendbar ist. Das gilt selbst dann, wenn Unternehmen aufgrund drittstaatlicher Subventionen sukzessive Marktmacht aufbauen können oder wenn europäische Unternehmen sich umgekehrt aus dem Wettbewerb mit subventionierten Konkurrenten zurückziehen oder eigene Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen aufgeben.

Zur Schließung der vorhandenen Lücken hat die Europäische Kommission im Juni 2020 ein Weißbuch zur „Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen bei Subventionen aus Drittstaaten“ vorgelegt und eine Konsultation gestartet. Drittstaatliche Subventionen sollen danach durch drei Teilinstrumente neutralisiert werden. Eines der Teilinstrumente soll die Überprüfung drittstaatlicher Subventionen im Binnenmarkt allgemein ermöglichen, während die anderen beiden speziell Unternehmenserwerbs- und Beschaffungsvorgänge beträfen. Die Monopolkommission hat diese Vorschläge im Juli 2020 in ihrem XXIII. Hauptgutachten gewürdigt und selbst die Einführung eines Drittlandsbeihilfeinstruments empfohlen, mit dem drittstaatliche Subventionen und mitgliedstaatliche Beihilfen möglichst weitgehend gleichgestellt würden. Abweichend von den Überlegungen der Europäischen Kommission würde es sich hierbei um ein einheitliches Instrument handeln, das im Grundsatz an der Beihilfeordnung ausgerichtet ist. Damit würde ein derartiges Drittlandsbeihilfeinstrument dafür sorgen, dass alle wirtschaftlichen Fördermaßnahmen von Staaten, die Unternehmen im EU-Binnenmarkt zugutekommen, gleich behandelt würden. Falls die Subvention nach den Maßstäben des europäischen Beihilfenrechts als verbotene Beihilfe einzustufen wäre, könnte die Europäische Kommission eingreifen (Interventionsrecht) und den Unternehmen eine Ausgleichsabgabe auferlegen.

Das Drittlandsbeihilfeinstrument würde auch das Problem adressieren, dass drittstaatliche Subventionen aus EU-Sicht schwer zu erkennen sein können. Der Erhalt von Subventionen durch einen Drittstaat müsste gegenüber der EU-Kommission angezeigt werden (Notifizierungspflicht). Bei Nichtnotifizierung könnten Wettbewerber sich beschweren. Dadurch würden der Kommission mögliche Subventionen zur Kenntnis gebracht. Bei Staatsunternehmen könnte eine Subventionierung gesetzlich vermutet werden – mit der Folge, dass nicht mehr die Kommission das eventuelle Vorliegen einer Subvention nachzuweisen hätte, sondern dass umgekehrt die betreffenden Unternehmen darlegen müssten, dass sie keine überprüfungspflichtigen Subventionen erhalten. Möglichen Informationsproblemen bei den weiteren Ermittlungen könnte die Kommission dadurch begegnen, dass sie bei mangelnder Kooperation – wie auch in Antidumping- und Anti­subventionsverfahren – von den ihr zur Verfügung stehenden Informationen (facts available) ausgehen darf und keine erschöpfende Beweisführung liefern muss. Das Drittlandsbeihilfeinstrument würde den unverfälschten Wettbewerb im EU-Binnenmarkt schützen. Alternativ wird diskutiert, die europäischen Konkurrenten durch wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen im Wettbewerb mit chinesisch subventionierten Unternehmen zu stärken (Abwehrfusionen, Exportkartelle und Defensivbeihilfen, z. B. durch „matching clauses“). Die damit einhergehende Beschränkung des Wettbewerbs in der EU würde allerdings in erster Linie zulasten der europäischen Verbraucher gehen, die gegebenenfalls überhöhte Preise zahlen müssten. Im Übrigen besteht die Gefahr eines Subventionswettlaufs, der die staatlichen Haushalte bzw. die Steuerzahler belastet. Um derartige negative Auswirkungen zu vermeiden, sollten wettbewerbsverfälschende drittstaatliche Subventionen daher besser direkt adressiert und neutralisiert werden.

© Der/die Autor(en) 2020

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DOI: 10.1007/s10273-020-2726-z