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Vier Jahre nach Beginn des chinesisch-amerikanischen Zollkriegs und zwei Jahre nach der Unterzeichnung des Phase-One-Abkommens ist ein guter Zeitpunkt gekommen, um die Auswirkungen der Außenhandelspolitik auf die US-Wirtschaft zu untersuchen. Auch wenn die Entwicklungen seit 2019 von anderen Faktoren überlagert und sogar dominiert wurden, fällt dieses Fazit aber eindeutig negativ aus, wie der vorliegende Beitrag zeigt.

Seit März 2018 befinden sich die USA und China in einer offenen systemischen Auseinandersetzung, die sich handelspolitisch zunächst in der gegenseitigen Verhängung von Strafzöllen äußerte. Hauptziele der US-Regierung waren und sind, China zu einer Modifikation seiner für die USA wirtschaftlich und geopolitisch bedrohlichen staatskapitalistischen Wirtschafts- und Industriepolitik zu bewegen (Marktverzerrung durch Staatsunternehmen, Subventionen, erzwungener Technologietransfer, mangelhafter Schutz geistigen Eigentums) sowie das US-Handelsbilanzdefizit mit China (2017: 375 Mrd. US-$) zu reduzieren. Insgesamt belegten die USA bislang Importe aus China im Wert von rund 370 Mrd. US-$ in Stufen mit Zusatzzöllen (Gesamtvolumen US-Warenimporte aus China 2017 rund 506 Mrd. US-$, 2019 rund 452 Mrd. US-$). China hat mit WTO-Verfahren und Zusatzzöllen auf fast alle US-Importe reagiert (Gesamtvolumen Warenimporte aus den USA 2017 rund 130 Mrd. US-$, 2019 rund 106 Mrd. US-$) (Bown, 2021a; BEA, o. J.).

Mit dem am 15. Januar 2020 zwischen den USA und China unterzeichneten „Phase One Trade Agreement“ war politisch die Erwartung verbunden, dass der transpazifische Handelskonflikt entschärft werden könnte. Im Rahmen des Abkommens sagte China ausgehend von den Importwerten von 2017 den Kauf von zusätzlichen US-Produkten im Wert von 200 Mrd. US-$ in den nächsten zwei Jahren zu. Damit sollte das Importvolumen über diesen Zeitraum (in Klammern anvisierte Steigerung in % gegenüber 2017) von Industriegütern1 um insgesamt 77,8 Mrd. US-$ (ca. 116 %), Energie (LNG, Rohöl und Raffinerieprodukte) um insgesamt 52,4 Mrd. US-$ (ca. 750 %), Agrarprodukte (unter anderem Ölsaaten, Fleisch, Getreide) um insgesamt 32 Mrd. US-$ (ca. 150 %) und Dienstleistungen (unter anderem Patente, Tourismus) um 37,9 Mrd. US-$ (ca. 70 %) steigen.

Gleichzeitig sollten geistiges Eigentum und Geschäftsgeheimnisse von US-Unternehmen besser geschützt und erzwungener Technologietransfer gestoppt werden. Konkret verpflichtete sich China unter anderem dazu, die strafrechtliche Verfolgung bei erzwungenem Technologietransfer auszuweiten, Verlängerungen des Patentschutzes zu erleichtern, die Beweislast zu Lasten angeklagter chinesischer Nutzender fremder Rechte umzukehren, den erzwungenen Technologietransfer als Voraussetzung für Marktzugang und behördliche Genehmigungen zu verbieten und zudem sicherzustellen, dass jeglicher Technologietransfer freiwillig und zu Marktbedingungen erfolgt. Zugleich erleichterte China den Marktzugang für amerikanische Finanzdienstleister, unter anderem durch eine Verbesserung der Möglichkeit, Wertpapiere zu emittieren, Investitionen in chinesische Aktien via Hongkong zu tätigen, Beschränkungen im Bereich des Anteilseigentums bei Lebens- und Krankenversicherungen abzubauen und den Marktzugang für US-Ratingagenturen zu ermöglichen. Dabei handelte es sich weitgehend um Maßnahmen, die ohnehin in der Planung bzw. sogar schon in der Umsetzungsphase waren (Chorzempa, 2020). Daneben verpflichtete sich China, seine Währung nicht abzuwerten, nicht nachhaltig am Devisenmarkt zu intervenieren und Daten über seine Devisenbestände regelmäßig offenzulegen. Im Gegenzug verzichteten die USA auf die ursprünglich für Mitte Dezember 2019 vorgesehenen Zollerhöhungen auf Konsumprodukte im Wert von knapp 160 Mrd. US-$, durch die dann nahezu sämtliche chinesische Importe in die USA mit Zusatzzöllen belastet worden wären.

Außerdem wurden die am 1. September 2019 eingeführten Zölle auf chinesische Importe im Wert von 120 Mrd. US-$ ab Mitte Februar 2020 von 15 % auf 7,5 % gesenkt. Unverändert blieben US-Zölle von 25 % auf chinesische Importe im Wert von ca. 250 Mrd. US-$. So blieb insgesamt ein Importvolumen von 370 Mrd. mit Zusatzzöllen belegt – das waren ca. 70 % der gesamten US-Importe aus China. Damit behielten die USA ein wichtiges Druckmittel in der Hand.

Frühzeitige Kritik sowie Zweifel an Realisierbarkeit

Von seinen Kritikern wurde das Abkommen von vornherein als Ausdruck eines kleinteiligen Managed Trade angeprangert, das konzeptionell im Widerspruch zu den Grundsätzen des freien und regelbasierten Handels im Rahmen der WTO stünde und im Zweifel zu Lasten von Drittländern ginge. Anders als durch (Teil-)Substitution anderer Importe würde China insbesondere die Verpflichtungen im Agrarsektor, aber auch im Industriesektor, nicht erfüllen können (Chowdry und Felbermayr, 2020). Zugleich war anzunehmen, dass es China umso leichter fallen würde, seine Zusagen zu erfüllen, je höher der Anteil von chinesischen Staatsunternehmen bzw. das Ausmaß staatlicher Lenkung in einem Sektor sein würde. Ein hoher Staatseinfluss ist z. B. im Energie- oder im Luftfahrtsektor anzunehmen. De facto würde der US-Ansatz eines Managed Trade mit China damit – paradoxerweise – den Staatshandelscharakter und die Rolle staatsnaher bzw. staatseigener Unternehmen in China stärken (Diekmann und van Dyken, 2020).

Das Abkommen widerspricht zudem sehr wahrscheinlich geltendem multilateralem Handelsrecht. Dies betrifft insbesondere den WTO-Meistbegünstigungsgrundsatz. Mit der Einräumung der Meistbegünstigung verpflichtet sich ein Staat gegenüber einem anderen Staat, diesem eine nicht weniger günstige Behandlung zu gewähren als anderen Staaten. Es handelt sich um eine Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf dem höchsten tatsächlich irgendeinem Staat gewährten Niveau. Dem Prinzip der Meistbegünstigung unterliegen hoheitliche Maßnahmen einschließlich aller im Rahmen der Inländerbehandlung in Art. III:4 GATT genannten nicht fiskalischen innerstaatlichen Maßnahmen. Bei der Anwendung innerstaatlicher Regelungen darf folglich nicht nach der Herkunft der Waren aus dem Inland und Ausland (soweit WTO-Mitgliedsstaat) unterschieden werden.

Die im Phase-One-Abkommen vereinbarten zusätzlichen Mindestimportmengen konnten aber von China nur durch darauf gerichtete staatliche Vorgaben an staatliche oder private chinesische Unternehmen umgesetzt werden. In der Regel dürften solche Vorgaben dergestalt umgesetzt worden sein, dass US-amerikanischen Waren beim Import der Vorzug vor gleichartigen Waren aus Drittstaaten eingeräumt wurde. Diese Vorgehensweise kann als nicht fiskalische Maßnahme eines Landes interpretiert werden, die einem anderen Land, nämlich den USA, einen Vorteil gewährt und wegen des erforderlichen Vorrangs für US-Waren die Weitergabe dieses Vorteils an andere WTO-Mitglieder notwendigerweise ausschließt. Dies wäre ein Verstoß gegen das Meistbegünstigungsprinzip.

Weiterhin dürfte das Phase-One-Abkommen gegen das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen gemäß Art. XI:1 GATT verstoßen. Nach dieser Vorschrift dürfen Verbote oder Beschränkungen, sei es in Form von Kontingenten, Einfuhr- und Ausfuhrbewilligungen oder in Form von anderen Maßnahmen, weder erlassen noch beibehalten werden. Die Vorschrift wird der laufenden WTO-Rechtsprechung zufolge weit ausgelegt. De-facto-Beschränkungen reichen aus (WTO, o. J.; Hofmann, 2012). Deshalb dürften die im Phase-One-Abkommen vereinbarten zusätzlichen Einkaufsmengen wegen ihres faktisch einschränkenden Effekts hinsichtlich der Einfuhr von Waren aus Drittländern auch als Verstoß gegen das Verbot mengenmäßiger Beschränkung anzusehen sein. Die beiden größten WTO-Mitgliedstaaten haben also bewusst untereinander ein Handelsabkommen geschlossen, das offensichtlich gegen zwei Kernprinzipien des WTO-Regelwerks verstößt.

Im Vergleich zum WTO-Verfahren erleichtert der Streitschlichtungsmechanismus des Phase-One-Abkommens einseitige Gegenmaßnahmen, da kein unabhängiges Gremium zuvor über die Beschwerde einer Partei entscheiden muss. Er sieht ein abgestuftes System vor, innerhalb dessen Verstöße zunächst erörtert werden sollten, bevor Maßnahmen wie neue Zölle eingeführt werden sollten. Alle Maßnahmen sollten verhältnismäßig in Relation zur festgestellten Verfehlung sein. Interessant ist: Der von den USA zu Beginn als „stark“ bezeichnete Streitschlichtungsmechanismus (USTR, 2020) wurde trotz des absehbaren und jetzt offenkundigen Fehlschlags des Abkommens nie genutzt.

Viele der Kritikpunkte an der Wirtschaftspolitik Chinas, etwa die Marktverzerrungen durch Staatsunternehmen und durch Subventionierung, blieben ungelöst und sollten ursprünglich in einer zweiten Phase der Verhandlungen angegangen werden. Substanzielle Gespräche zu einem solchen Phase-Two-Abkommen wurden aber nie geführt oder auch nur ernsthaft angestrebt. Das Phase-One-Abkommen blieb insofern Stückwerk.

Fehlschlag des Abkommens nicht überraschend

Dem ersten Anschein nach erfolgreich war die US-Handelspolitik, wenn und soweit es ihr um die Reduktion des Gewichts Chinas im Außenhandel ging: 2017 betrug der Anteil des US-chinesischen Handels am Gesamthandel der USA 13,5 %, 2020 waren es noch 12,5 % (BEA, o. J.; BEA, 2022a). Ein Blick auf einige andere Länder, die möglicherweise chinesische Lieferungen in die USA substituieren konnten, zeigt: Zwischen 2017 und 2020 ging zugleich der Anteil Japans an den US-Importen von Waren und Dienstleistungen spürbar zurück, während der Anteil Deutschlands ungefähr konstant blieb. Gleichzeitig stieg der Anteil Mexikos leicht und derjenige Vietnams sprunghaft an (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Anteile US-Warenimporte ausgewählter Länder
Anteile US-Warenimporte ausgewählter Länder

Quelle: BEA (2022b, o. J.b).

Auch wenn die Entwicklung des US-Außenhandels von pandemiebedingten Effekten dominiert worden sein dürfte, lassen diese Verschiebungen doch einige Schlussfolgerungen zu: Der leichte, aber kontinuierliche Anstieg des Anteils Mexikos sowie der gewaltige Anstieg der Importanteile aus Vietnam sind Zeichen dafür, dass diese beiden Länder Produkte anbieten konnten, die chinesische Waren substituierten. Das ist angesichts der Rolle Mexikos und Vietnams im US-Handel nicht überraschend. Ob es sich aber um eine – vorerst – gelungene Diversifizierung der US-Importstrukturen handeln könnte, ist jedoch zweifelhaft. Gerade Vietnam könnte geeignet sein, um China einen Umweghandel mit den USA zu erlauben und so die Zollast zu vermindern. Auch Mexiko eignet sich nicht zuletzt dank des nordamerikanischen Handelsabkommens USMCA als Transitland.

Mit Blick nur auf die quantitativen Ziele des Phase-One-Abkommens lässt sich nach zwei Jahren feststellen, dass die skeptischen Stimmen recht behalten haben. Bis November 2021 hatten die USA nach China seit Anfang 2020 insgesamt für 199,2 Mrd. US-$ von vom Phase-One-Abkommen erfasste Waren und Dienstleistungen exportiert, verglichen mit einer Zielgröße von 330,9 Mrd. US-$. Während die US-Agrarexporte immerhin über Dreiviertel der Zielmarke erreichten, blieben insbesondere die Energieexporte mit einem Drittel der Zielmarke sehr weit hinter den gesteckten Zielen zurück (vgl. Abbildung 2). Das Unterschreiten der Zielmarke um fast 40 % kommt indes keineswegs überraschend.2 Ein wesentlicher Grund sind die Handelsstrukturen zwischen den USA und China. Die USA exportierten 2017 insgesamt Waren im Wert von ca. 130 Mrd. US-$ nach China, das waren 8 % der weltweiten US-Exporte. Auf Industriegüter im Sinne des Phase-One-Abkommens entfielen ca. 67 Mrd. US-$ – dies entspricht ca. 52 % der gesamten US-Exporte nach China (UN Comtrade, o. J.). Bis 2020 sank der Anteil der Industriegüter auf 43 % (knapp 54 Mrd. US-$) (UN Com­trade, o. J.). Die Verdoppelung des US-Exportvolumens der im Abkommen genannten Produkte – ausgehend von den Volumina des Jahres 2017 – bis 2022 erschien schon seinerzeit kaum umsetzbar (Bown, 2020).

Abbildung 2
Zielerreichung US-Exporte Ende 2021*
Zielerreichung US-Exporte Ende 2021

* Daten bis inklusive November 2021. Daten für Dienstleistungen im 4. Quartal 2021 geschätzt.

Quellen: BEA (2022b); Bown (2021b); US Census Bureau (o. J.); eigene Berechnungen.

Weiterhin war Skepsis bezüglich einer Erfüllung des Abkommens bereits vor der Pandemie aufgrund von begrenzten US-Produktionskapazitäten angezeigt. So war z. B. die Gesamtnachfrage Chinas nach Eisenimporten größer als das gesamte Exportvolumen der USA oder – im Fall von Autos und elektrischen Maschinen – nur unwesentlich kleiner. Auch war klar, dass China ohne eine – erzwungene – Handelsumlenkung zu Lasten von Drittländern seine Zusagen nicht würde erfüllen können. Hinzu kommen weitere Sonderfaktoren in den US-chinesischen Handelsbeziehungen, die eine Erfüllung der Zusagen erschwert haben dürften:

  • Im Dienstleistungshandel mit China wiesen die USA 2019 einen Überschuss in Höhe von 39,5 Mrd. US-$ aus. Etwa die Hälfte der US-Dienstleistungsexporte nach China bestand aus Einkommen durch chinesischen Tourismus in den USA. Nicht überraschend fiel der Überschuss 2020 auf 24,8 Mrd. US-$, also um über ein Drittel. Hier dürfte die Pandemie eine entscheidende Rolle gespielt haben.
  • Sowohl ein staatlich verordnetes verändertes Kaufverhalten als auch eine Umstrukturierung von Lieferbeziehungen aufgrund von neuen Zöllen sind bei Handel zwischen verbundenen Unternehmen ohne Neuinvestitionen entweder gar nicht oder nur sehr langfristig zu realisieren. Der Anteil des Handels zwischen verbundenen Unternehmen lag bei den US-Konsumgüterimporten insgesamt 2017 bei 49 %, der Anteil bei den US-Exporten bei 32 %. 2020 lag dieser Anteil bei 48 %, bei den US-Exporten bei 34 %, blieb also fast konstant (US Census Bureau, o. J.). Für den US-Handel mit China liegt der Anteil des Intrafirmenhandels zwar mit etwa einem Viertel deutlich niedriger. Lässt man den US-Handel mit verbundenen Unternehmen aus den USMCA-Partnerländern Kanada und Mexiko als Sonderfall außer Acht, zeigt sich aber, dass China für den US-Handel mit verbundenen Unternehmen eine führende Rolle einnimmt.
  • Auch investieren die USA wesentlich umfangreicher in China als China in den USA (Bestand US-FDI in China 2017: 108 Mrd. US-$, Bestand chinesischer FDI in den USA 2017: 58 Mrd. US-$). Das könnte ein Grund dafür sein, dass die kurzfristigen Anpassungsmöglichkeiten an die Zölle auf Seite der US-Unternehmen geringer als diejenigen chinesischer Unternehmen waren.

US-Zollschutzpolitik kurz- und mittelfristig nachteilig

Mit der systematischen Erhebung von Zöllen auf bestimmte Importe aus China durch die USA war die politische Erwartung verbunden, dass sich zum einen die bilaterale Handelsbilanz verbessern würde und dass zum anderen die Zollbelastung überwiegend von der chinesischen Seite getragen würde, weil für die US-Produzierenden bzw. Konsumierenden ausreichend Substitute zur Verfügung stünden. Ungeachtet der Frage, ob ein bilateraler Handelsbilanzsaldo überhaupt ein sinnvolles Ziel der Wirtschaftspolitik sein kann: Das bilaterale Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber China verringerte sich seit 2018 vor allem aufgrund des starken Rückgangs der Importe erheblich (vgl. Abbildung 3). Als Erfolg kann dies aber kaum gewertet werden. Die bisher vorliegenden empirischen Untersuchungen zeigen zugleich, dass die Erwartung getrogen hat, dass überwiegend die chinesische Seite die Zollast tragen würde (z. B. Cavallo et al., 2021). Bei langlebigen Konsumgütern gingen die Zölle kurz- bis mittelfristig zu Lasten der Gewinnspanne des US-Einzelhandels. Dabei ergeben empirische Untersuchungen, dass die US-Zölle nach einem Jahr durchschnittlich zu 95 % auf die US-Importpreise überwälzt wurden, während es den US-Exporteuren ihrerseits nur gelang, knapp die Hälfte der von den US-Handelskontakten – vor allem durch China – erhobenen Gegenzölle auf ihre Exportpreise aufzuschlagen (Cavallo et al., 2021, 22). Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass die US-Importeure chinesische Importwaren kurz- bis mittelfristig weit weniger substituieren konnten oder wollten als von der Politik angenommen. Umgekehrt scheint es China besser gelungen zu sein, Preiszugeständnisse zu erhalten, was ein Indiz für eine viel geringere Preiselastizität des US-Warenangebots in China und anderen Ländern sein könnte. Die unterschiedlichen Exportstrukturen könnten auch hier eine Rolle gespielt haben. Die Daten lassen vermuten, dass die US-Mutterkonzerne als Importeure eher bereit waren, die höheren US-Zölle auf die Zulieferungen ihrer Produktionsstätten in China im Intrafirmenhandel zu übernehmen, weil der Produktionsverbund ein Ausweichen auf andere Zulieferer erschwerte.

Abbildung 3
Zielerreichung US-Exporte Ende 2021*
Zielerreichung US-Exporte Ende 2021

Quelle: BEA (o. J.a).

Im Verarbeitenden Gewerbe der USA haben die negativen Folgen der Zollerhöhungen den empirischen Untersuchungen zufolge die geringen positiven Effekte, die der zusätzliche Zollschutz inländischen Produzierenden gewährte, kurz- und mittelfristig deutlich überkompensiert (Flaaen und Pierce, 2019). Das gilt sowohl für die Beschäftigung als auch für die Produzentenpreise. Zu diesen Ergebnissen tragen drei Effekte bei: (1) die positiven Effekte der Importprotektion durch die Einfuhrzölle auf die Konkurrenzprodukte ausländischer Anbieter, (2) die negativen Effekte höherer Produktionskosten insbesondere im Verarbeitenden Gewerbe der USA durch Zölle auf Vor- und Zwischenprodukte und (3) die negativen Effekte des Verlusts an internationaler Wettbewerbsfähigkeit durch die gezielten Vergeltungszölle der US-Handelspartner. So lässt sich zeigen, dass die US-Zölle – als von der Politik in dieser Dimension vermutlich unbeabsichtigter Nebeneffekt – auf die Exporttätigkeit der US-Industrie negativ durchschlugen, da gerade US-Unternehmen, die von den US-Zöllen auf importierte Zwischenprodukte besonders betroffen waren, ihre Ausfuhrtätigkeit überproportional drosselten.

Bezeichnend für den wirtschaftspolitisch inkonsistenten Charakter der US-Handelspolitik ist das Ergebnis für den US-Landwirtschaftssektor: Der US-Anteil an den chinesischen Agrarimporten konnte auch nach Abschluss des Phase-One-Abkommens mit seinen besonderen Kaufverpflichtungen Chinas für US-Agrargüter bis Frühjahr 2021 nicht den Einbruch aufholen, der der US-Landwirtschaft beim Export nach China aufgrund der den US-Importzöllen folgenden chinesischen Vergeltungszölle entstanden war (Morgan et al., 2022). Anders ausgedrückt: Die US-Landwirtschaft hätte wahrscheinlich bessere Ausfuhrerfolge verzeichnet, wenn die USA gegenüber China sowohl auf Zölle als auch auf das Phase-One-Abkommen verzichtet hätten.

Ein weiterer negativer Effekt auf die US-Wirtschaft ergibt sich über den Investitionskanal (Amiti et al., 2020). Schätzungen zufolge werden allein die zusätzlichen US-Zölle auf chinesische Waren von Anfang 2019 bis Ende 2020 das Investitionswachstum der 3.000 betrachteten, an US-Börsen notierten US-Unternehmen um durchschnittlich 1,9 Prozentpunkte verringern. Der Wirkungsmechanismus läuft über eine niedrigere Bewertung, die die betrachteten US-Unternehmen je nach Grad ihres Engagements im Chinageschäft an den Börsen erfahren. Insgesamt führte die Zollpolitik zu einer im Durchschnitt um 6 Prozentpunkte (ca. 1,7 Bio. US-$ Börsenwert) niedrigeren Bewertung, die in einen allgemeinen (z. B. niedrigere US-Wachstumsraten, höhere Unsicherheit) und einen chinaspezifischen Faktor zerlegt werden kann. Nimmt man weiter an, dass eine daraus resultierende geringere Kapitalrendite auch die Investitionsneigung mindert,3 folgt daraus der negative Impuls auf die Investitionen, der mit einer Verzögerung von durchschnittlich etwa vier Quartalen auftritt. Auch wenn die absoluten Größen unter anderem aufgrund der Nichtbetrachtung der Investitionen nicht an den US-Börsen notierter, ausländischer Unternehmen in den USA mit Vorsicht zu behandeln sind, erscheint der längerfristige negative Effekt auf die Investitionen in den USA plausibel.4

Auswirkungen auf Drittländer

Es gab in der Diskussion von Anfang an Stimmen, die davon ausgingen, dass die EU und andere Drittländer von einem transpazifischen Konflikt profitieren könnten, da sie sowohl US-amerikanische Lieferungen nach China als auch chinesische Lieferungen in die USA teilweise ersetzen könnten (z. B. Beer et al., 2019). Allerdings hängen die nachfrageseitigen Effekte davon ab, ob Produkte aus Drittländern als Substitute oder Komplementäre zu den chinesischen bzw. US-Produkten fungieren und inwieweit der geringere Austausch zwischen China und den USA zu einer geringeren Nachfrage aus beiden Ländern nach Vor- und Zwischenprodukten aus Drittländern führt. Angebotsseitig spielen Kosteneffekte aufgrund veränderter Größenvorteile für die betroffenen Produzierenden in Drittländern eine Rolle, insbesondere wenn es um eine Handelsumlenkung aus dem Rest der Welt in die USA bzw. nach China geht. Insgesamt ergab sich empirischen Analysen zufolge als Resultat aus dem transpazifischen Handelskonflikt bisher ein gemischtes Bild für die Exportentwicklung einzelner Drittländer.

Ein langsameres BIP-Wachstum in den USA und China (als Ergebnis des Handelskonflikts) dürfte die Nachfrage der beiden Länder nach Waren und Dienstleistungen aus Drittländern zunächst für sich genommen senken. Zudem ist jede bilaterale Einigung zwischen den USA und China – wie vorläufig und partiell auch immer – geeignet, Exporte aus Drittländern durch amerikanische oder chinesische Exporte nach China bzw. in die USA zu ersetzen. Das gilt besonders dann, wenn sich China, wie beim Phase-One-Abkommen, explizit verpflichtet, bestimmte Güter vorzugsweise aus den USA zu beziehen.

Unbestritten kann eine durch höhere Zölle zwischen den USA und China ausgelöste Handelsumlenkung die negativen Effekte eines transpazifischen Handelskonflikts mildern, soweit Deutschland bzw. die EU als Ersatzlieferantin für China und die USA einspringt und sich Wertschöpfungsketten weg aus China und den USA etwa in die EU verlagern. Diese Effekte dürften aber dadurch begrenzt sein, dass Deutschland und andere EU-Staaten strukturell weder Chinas Rolle als Konsumgüterlieferant für die USA noch die Rolle der USA als Dienstleistungslieferant in China auch nur annähernd übernehmen könnten. Weitere negative Auswirkungen sind mittelfristig aufgrund der vernetzten Produktionsstrukturen zu erwarten. Globale Wertschöpfungsketten, in die Unternehmen aus Drittländern eingebunden sind, können durch transpazifische Zölle und andere Handelshemmnisse zerstört werden.

Vor diesem Hintergrund etwas überraschend ergeben erste Schätzungen, dass der US-chinesische Handelskonflikt das globale Handelsvolumen bei den von den Zollerhöhungen betroffenen Waren um 3 % zusätzlich wachsen ließ. Diese Entwicklung könnte ein Indiz dafür sein, dass der Konflikt die Unternehmen sogar zu neuen Handelsbeziehungen inspirierte, also nicht nur Handelsumlenkungen hervorgerufen hat. Solche Effekte sprechen für eine hohe Anpassungsfähigkeit des internationalen Handels. Aber auch wenn solche Handelsausweitungen zusammen mit Handelsumlenkungen beobachtet werden konnten, haben bisher die negativen Effekte auf Einkommen und Beschäftigung in der Summe überwogen (Flaaen und Pierce, 2019; Fajgelbaum, 2021).5

Fazit

Vier Jahre nachdem die USA eine neue Politik des „gelenkten Handels“ (Managed Trade) mit China gestartet haben, kann ein Fazit gezogen werden, was die Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung in den USA angeht: Auch wenn die Entwicklungen seit 2019 von anderen Faktoren überlagert und sogar dominiert wurden, fällt dieses Fazit eindeutig negativ aus. Sowohl die Versuche, über gezielte Zollerhebungen das bilaterale Handelsbilanzdefizit zu beseitigen als auch die Versuche, über Zielvorgaben für chinesische Importe aus den USA bestimmte US-Exporte zu beleben, sind gescheitert. Einzig der Grad der Abhängigkeit der US-Wirtschaft von chinesischen Vor- und Zwischenprodukten in bestimmten Sektoren könnte sich etwas vermindert haben, was dem Ziel einer Diversifizierung von Lieferketten entgegenkommt. Aber selbst hier bleibt abzuwarten, als wie robust sich neue Lieferbeziehungen erweisen werden.

  • 1 Industriegüter im Sinne der Definition des Handelsabkommens: Industriemaschinen, elektrische Maschinen, pharmazeutische Produkte, Flugzeuge, Autos, optische Instrumente, Eisenprodukte und sonstige Industriegüter (wie z. B. Holz- oder chemische Produkte).
  • 2 Vgl. Bown (2021b) zu den aktuellen Daten bis November 2021.
  • 3 Methodisch liegt dieser Annahme die „Q-Theory of Investment“ zugrunde. Die auch „Tobinsches Q“ genannte Kennziffer wird ermittelt, indem man den Marktwert eines Unternehmens (Börsenwert plus Verbindlichkeiten) durch die Wiederbeschaffungskosten aller Vermögensgegenstände teilt (Amiti et al., 2020, 4 ff.).
  • 4 Um den Einfluss des Handelskonflikts auf die Börsenwerte quantitativ abzubilden, nutzen Amiti et al. (2020, 3) die Häufung von Berichten über die Ankündigungen speziell von Zollrunden an bestimmten Tagen als Auslöser für Börsenreaktionen. Auch deshalb sind die quantitativen Ergebnisse mit Vorsicht zu betrachten. Es ändert aber nichts am Befund eines negativen Effekts.
  • 5 Für Deutschland schätzen Fajgelbaum et al. (2021, 35) positive Effekte sowohl bei erzielbaren Exportpreisen als auch bei Exportvolumina.

Literatur

Amiti, M., S. H. Kong und D. Weinstein (2020), The Effect of the US-China Trade War on U.S. Investment, Working Paper, 27114, http://www.nber.org/papers/w27114 (26. Januar 2022).

BEA (o. J.a), China, https://apps.bea.gov/international/factsheet/ (20. Januar 2022).

BEA (o. J.b), Vietnam, https://apps.bea.gov/international/factsheet/ (21. Januar 2022)

BEA (2022a), https://www.bea.gov/news/2022/us-international-trade-goods-and-services-november-2021 (“related material”: “U.S. Trade in Goods and Services, 1960-Present”) (20. Januar 2022).

BEA (2022b), U.S. Trade in Goods and Services by Selected Countries and Areas, 1999-present, https://www.bea.gov/news/2022/us-international-trade-goods-and-services-november-2021 (20. Januar 2022).

Beer, S. et al. (2019), Decoupling Chimerica: Consequences for the European Union, IW Report, Nr. 44.

Bown, C. P. (2020), Unappreciated hazards of the US-China phase one deal, https://www.piie.com/blogs/trade-and-investment-policy-watch/unappreciated-hazards-us-china-phase-one-deal (26. Januar 2022).

Bown, C. P. (2021a), US-China Trade War Tariffs, an Up-to-date Chart, https://www.piie.com/research/piie-charts/us-china-trade-war-tariffs-date-chart (26. Januar 2022).

Bown, C. P. (2021b), US-China phase one tracker: China’s purchases of US goods, https://www.piie.com/research/piie-charts/us-china-phase-one-tracker-chinas-purchases-us-goods (26. Januar 2022).

Cavallo, A., G. Gopinath, B. Neiman und J. Tang (2021), Tariff Pass-through at the Border and at the Store: Evidence from US Trade Policy, American Economic Review: Insights, 3(1), 19-34.

Chorzempa, M. (2020), Did the US-China phase one deal deliver a win for US financial services?, https://www.piie.com/blogs/trade-and-investment-policy-watch/did-us-china-phase-one-deal-deliver-win-us-financial (26. Januar 2022).

Chowdry, S. und G. Felbermayr (2020), The US-China Deal: How the EU and WTO lose from Managed Trade. Kiel Policy Brief, Nr. 132.

Diekmann B. und K. van Dyken (2020), Nach dem „Phase-One-Deal“ zwischen China und den USA: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Schlaglichter-der-Wirtschaftspolitik/schlaglichter-der-wirtschaftspolitik-03-2020.html (26. Januar 2022).

Fajgelbaum, P. et al. (2021), The US-China Trade War and Global Reallocations (2021), Working Paper, 29562, http://www.nber.org/papers/w29562 (26. Januar 2022).

Flaaen, A. und J. Pierce (2019), Disentangling the Effects of the 2018-2091 Tariffs on a Globally Connected U.S. Manufacturing Sector, Finance and Economics Discussions Series, 2019-086, https://www.federalreserve.gov/econres/feds/files/2019086pap.pdf.

Hofmann, R. (2012), Skript internationales Wirtschaftsrecht, Teil 33. Das WTO/GATT System, 4, https://www.jura.uni-frankfurt.de/43703079/_-7-Grundprinzipien-des-GATT-1994_IWR_WiSe_2012_13.pdf (26. Januar 2022).

Morgan, S. et al. (2022), The Economic Impacts of Retaliatory Tariffs on U.S. Agriculture: USDA Economic Research Service: https://www.ers.usda.gov/webdocs/publications/102980/err-304.pdf?v=1416.6 (26. Januar 2022).

US Census Bureau (o. J.), U.S. International Trade Data, https://www.census.gov/foreign-trade/Press-Release/related_party/index.html (24. Januar 2022).

UN Comtrade (o. J.), Database, https://comtrade.un.org/data (19. Januar 2022).

USTR (2020), https://ustr.gov/countries-regions/china-mongolia-taiwan/peoples-republic-china/phase-one-trade-agreement/fact-sheets (26. Januar 2022).

WTO (o. J.), Analytical Index GATT 1994, Art. XI (Practice), https://www.wto.org/english/res_e/publications_e/ai17_e/gatt1994_art11_oth.pdf (26. Januar 2022).

Title:Four Years of Tariff War and Two Years of Phase-One Agreement Between the U. S. and China – Has it Worked for the U. S.?

Abstract:Four years after the Sino-American tariff war started and two years after the “Phase-One“ deal was signed, it is a good time to take stock of the outcomes for the U. S. economy. The result is nearly unequivocally negative, in particular, China’s failure to fulfill its promises to dramatically increase U. S. imports. By the end of 2021, China had barely reached 40 % of its purchase target for goods. In addition, contrary to political affirmations, initial empirical studies show that American importers have borne the brunt of the tariffs’ costs. In the short run, apparently American importers had little choice but to continue to rely on Chinese suppliers. Moreover, improvements in the bilateral trade deficit could not be ascribed to a targeted tariff policy. Nor did manufacturers relocate to the U. S. Instead, trade frictions depressed U. S. business investment. If anything, it may be said that the American managed trade strategy vis-à-vis China has diverted US imports to other suppliers, thus contributing to a diversification of supply chains.

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© Der/die Autor:in 2022

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

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DOI: 10.1007/s10273-022--3135-2