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Eduard Rosenbaum

Bild: Handelskammer Hamburg, Bildarchiv Nr. 9

Renommierter Ökonom, Vertriebener und Hamburg-Patriot

von Claudia Thorn

Mit der Übertragung der Hauptschriftleitung des „Wirtschaftsdienst“ auf Eduard Rosenbaum 1928 konnte die Zeitschrift des Welt-Wirtschafts-Archivs (HWWA) erneut einen Mann gewinnen, der sich nicht nur einen Namen als Wirtschaftsfachmann gemacht hatte, sondern wie sein Vorgänger Kurt Singer ein weitergehendes gesellschaftliches, historisches und philosophisches Interesse mitbrachte. Als gebürtiger Hamburger fühlte sich Eduard Rosenbaum der Stadt eng verbunden, doch als Wissenschaftler und Leiter der bereits 1735 als Bildungseinrichtung zu Wirtschaftsfragen für Kaufleute gegründeten Commerzbibliothek gingen seine Interessen weit über den Tellerrand hanseatischer Handelsfragen und Wirtschaftspolitik hinaus.

1906 legte der am 26.7.1887 geborene Eduard Rosenbaum das Abitur in der Hansestadt ab.1 Sein Weg als Student der Nationalökonomie und Rechtswissenschaften führte ihn über München, Berlin und Straßburg nach Kiel, wo er 1910 mit einer Arbeit über die Lehre Ferdinand Lassalles promoviert wurde. Bereits während der Studentenzeit zeigte Eduard Rosenbaum Interesse an sozialtheoretischen Fragestellungen. Er besuchte Vorlesungen angrenzender Fachgebiete, wie die der Soziologen Georg Simmel und Werner Sombart.

Zurück in Hamburg zog es Eduard Rosenbaum jedoch zunächst für knapp zwei Jahre in die Wirtschaftspraxis, anfangs als Volontär, später als Mitarbeiter einer Hamburger Ex- und Importfirma. 1913 bekam er am Institut für Weltwirtschaft und Seeverkehr in Kiel eine Anstellung als wissenschaftlicher Assistent, im darauffolgenden Jahr wechselte er zur Hamburger Handelskammer. Zuvor hatte er bereits einige Aufsätze veröffentlicht; in seiner neuen Wirkungsstätte verfestigte Eduard Rosenbaum nun seine fachliche Reputation. Fast zwanzig Jahre wird er für die Handelskammer tätig sein. Ende 1917 ernannte ihn die Kammer zum stellvertretenden, 1919 zum Syndikus. Im gleichen Jahr übernahm er die Leitung der Commerzbibliothek.

Zu dieser Zeit genoss Eduard Rosenbaum in Hamburg weithin das Renommee eines in Wirtschaftsfragen versierten Mannes mit durchaus diplomatischem Geschick. Sein Bekanntenkreis war durch vielfältige Aktivitäten groß. Als Syndikus der Handelskammer und Sekretär der von dem Hamburger Reeder Albert Ballin gegen Ende des Ersten Weltkrieges initiierten „Vereinigung für den Wiederaufbau des deutschen Wirtschaftslebens“ hatte er Kontakt mit vielen potenziellen Entscheidungsträgern aus Wirtschaft und Gesellschaft und war nah an den sie drängenden Fragen zum Neuaufbau der Wirtschaft nach Kriegsende. So verwundert es nicht, dass Eduard Rosenbaum von April bis Juni 1919 als Begleiter Carl Melchiors und dann als Sachverständiger für Wirtschaftsfragen die deutsche Delegation in Versailles unterstützte. Die Ergebnisse der Verhandlungen, in deren Verlauf Rosenbaum – wie die gesamte Delegation – aus Protest sein Mandat niederlegte, die letztliche Unterzeichnung des Vertrags und die aus seiner Sicht fatalen Folgen für die deutsche Wirtschaft analysierte Rosenbaum in den 1920er Jahren in mehreren Arbeiten. Trotz der Erfahrungen in Versailles begleitete er als Sachverständiger auch später Delegationen. So die des Reeders und späteren Reichskanzlers Wilhelm Cuno 1920 zu den Verhandlungen über Reparationsleistungen in Brüssel. Oder die Delegation Bürgermeister Carl Petersens zur Vorbereitung des preußisch-hamburgischen Staatsvertrages über die Gründung einer Hafengemeinschaft.2 Diese Verhandlungen fanden im selben Jahr – 1928 – statt, in dem Eduard Rosenbaum seine nebenamtliche Tätigkeit als Chefredakteur des „Wirtschaftsdienst“ aufnahm.

Eduard Rosenbaums Einsatz für den „Wirtschaftsdienst“ war ausgesprochen engagiert. In seinen Handakten notierte er nicht nur die Aufgabenbereiche der Redaktionsmitglieder und mögliche Umstrukturierungsmaßnahmen. Er stellte auch eine Liste mit Zitaten zum Selbstverständnis des „Wirtschaftsdienst“ zusammen, angefangen mit der ersten Ausgabe vom 9. April 1916 und endend mit der in Heft Nr. 1 1926 von Kurt Singer formulierten Aufgabe:

„Der Wirtschaftsdienst wird nicht von Gelehrten für Gelehrte geschrieben, auch nicht von Parteigängern für Parteigänger, sondern von Wirtschaftsbetrachtern für Wirtschaftstätige. Auf wenigen Seiten ein vollständiges Bild der Volkswirtschaften und ihrer weltwirtschaftlichen Beziehungen zu geben, ihrer Zustände und Entwicklungen, ihrer Wirtschaftslage und Wirtschaftspolitik: darin sieht er seine vornehmste Aufgabe.“3

An dieses Ziel anzuknüpfen wurde in den folgenden fünf Jahren, während Eduard Rosenbaum die Redaktion leitete, zunehmend schwieriger. Dies war vor allem der äußerst angespannten finanziellen Situation der Wirtschaftsdienst GmbH geschuldet, die seit 1921 für die Vermarktung und Finanzierung des „Wirtschaftsdienst“ zuständig war. Ein Vertrag zwischen der GmbH und der Stadt Hamburg sollte dabei den Status der Zeitschrift sichern. Er setzte in §2 eine „wissenschaftlich kritische und streng unparteiische Berichterstattung“4 fest. Der Verwaltungsrat ernannte den Chefredakteur, verpflichtete ihn auf den Vertrag und wachte über die redaktionelle Leitung. Ihm gehörten u.a. Vertreter des kaufmännischen Beirats des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archvis, der Handelskammer, der Hochschulverwaltung, der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität und der Finanzdeputation an.

Zunächst galt es für Eduard Rosenbaum deshalb, das vom Verwaltungsrat mit seiner Einstellung verbundene Anliegen nach strukturellen Änderungen in der Redaktionsarbeit vorzunehmen. Sie sollten helfen, das Überleben der unter anderem durch reduzierte Zuschüsse der Stadt und sinkende Abonnentenzahlen schwer bedrängten und deshalb faktisch immer wieder infrage gestellten Zeitschrift zu sichern.

Die bisher getrennten Redaktionen des Aufsatzteils und der Länderberichte wurden zusammengelegt, um durch personelle wie inhaltliche Vernetzungen Synergieeffekte zu erzielen. Eine täglich um halb zehn Uhr morgens angesetzte Redaktionskonferenz aller Schriftleiter sollte nach Vorstellung von Eduard Rosenbaum die Realisierung im journalistischen Alltag gewährleisten.5

Neben der Festlegung der Heftinhalte, für deren detaillierte Ausarbeitung in Absprache mit Eduard Rosenbaum der stellvertretende Chefredakteur Carl Krämer zuständig war, und der Koordination der Redaktion war Rosenbaum vor allem mit der Umsetzung immer neuer personeller Vorgaben, die zumeist mit Einsparungsmaßnahmen einhergingen, befasst.

Als Chefredakteur verstand Eduard Rosenbaum sich als Mittler zwischen den Vorgaben des Verwaltungsrats und seiner Redaktion. Infolge der Notverordnungen der Regierung unter Reichskanzler Brüning zur Sicherung der Wirtschaft und Finanzen drängte die Behörde zur Umsetzung der in den Verordnungen für den öffentlichen Dienst beschlossenen Gehaltskürzungen. Eduard Rosenbaum verzichtete ab Mai 1930 in mehreren Stufen bereitwillig auf Teile seines Gehalts und zog so die Schriftleiter, die anfangs die entsprechende Erklärung nicht unterschrieben hatten, mit. Anlässlich der dritten Kürzungsrunde sah sich Eduard Rosenbaum allerdings veranlasst, dem Direktor des HWWA und Vorsitzenden des Verwaltungsrats Prof. Fritz Terhalle sein Missbehagen über die beständig neu vorgebrachten Forderungen nach Gehaltskürzung mitzuteilen:

„Bei diesem Entschluß gehe ich davon aus, daß die mannigfachen Schwierigkeiten der Zeitschrift nur durch ein einmütiges Zusammenwirken der an diesem Werk beteiligten Menschen behoben werden können und daß dieses Zusammenwirken nach Lage der Dinge auch von diesen Menschen Opfer erfordert, die an sich als die eigentlichen Träger der aktiven Arbeit gegen dieses Verlangen geschützt sein sollten. Sollte jedoch auch dieses neue Zugeständnis nicht ausreichen, um den vom „Wirtschaftsdienst“ selbst gemachten Ersparnissen die sachliche und moralische Anerkennung der beteiligten Staatsbehörde zu sichern, so bitte ich ergebenst, sich dessen zu entsinnen, daß der mit mir geschlossene Vertrag keine dauernde Bindung für den „Wirtschaftsdienst“ enthält.(…) …in den drei Jahren seit 1. April 1928 habe ich einen erheblichen Teil der dienstfreien Zeit, die mir noch neben meiner Tätigkeit in der Commerzbibliothek verbleibt, auf die mühselige Arbeit einer Reorganisation der Zeitschrift verwandt, wie ich glaube, mit dem Erfolg, daß ihre sachliche Qualität heute noch etwas mehr anerkannt wird als früher. (…) Für mich persönlich bedeutet überdies (…) diese Tätigkeit eine Abdrängung von den mir am Herzen liegenden wissenschaftlichen Arbeiten. (….) Auch hier wird gelegentlich, und nicht nur von Praktikern, unterschätzt, welche Leistung allein an zu verarbeitender Lektüre damit verbunden ist, über die wichtigsten Wirtschaftsfragen so unterrichtet zu bleiben, daß aus wissenschaftlichem Gesamtzusammenhang über sie geurteilt werden kann. Für den auf seine persönliche Leistung angewiesenen Wissenschaftler bedeutet Verfügung über Einkommen einen Teil seiner Freiheit auch in geistiger Beziehung.“6

Auch unter der Leitung Eduard Rosenbaums schrieben im Aufsatzteil namhafte Wirtschaftswissenschaftler aus dem In- und Ausland sowie Praktiker aus der Wirtschaft und Sachverständige aus der Verwaltung über gesamtwirtschaftliche Entwicklungen, einzelne Märkte und für die Wirtschaft relevante politische Entscheidungen. Rosenbaum selbst, der zuvor gelegentlich für den „Wirtschaftsdienst“ geschrieben hatte, verfasste als Chefredakteur keine Beiträge mehr für den Aufsatzteil. Neben den von den Autoren zu verantwortenden Aufsätzen gab es ab 1929 eine als „Anmerkungen“ betitelte Rubrik, in der Mitglieder der Redaktion explizit zu einzelnen Aufsätzen, aktuellen Entwicklungen an den Märkten oder wirtschaftspolitischer Tagespolitik Stellung nahmen.

Dem Bemühen des „Wirtschaftsdienst“, für seine Abonnenten umfassende Einsichten in möglichst viele Facetten wirtschaftlicher, wirtschaftspolitischer und wirtschaftstheoretischer Fragestellungen zu bieten, trug die Redaktion auch mit nicht wissenschaftlichen Beiträgen Rechnung. 1931 formulierte Eduard Rosenbaum in einem Bericht über die Redaktionsführung: „Es wird Niemandem die Aufnahme eines Artikels verweigert, der in der Lage ist, seine Gedanken geordnet darzulegen und sie von Urteilen freizuhalten, die ihren parteipolitischen Charakter durch wissenschaftliche Argumente zu verkleiden versuchen. Auch parteipolitisch bedingten Zuschriften wird Raum gewährt, sofern der Verfasser selbst keinen Zweifel darüber lässt, von welchem Standpunkt aus seine Betrachtungen geschrieben sind.“7

Das Erstarken der Nationalsozialisten im Deutschen Reich wurde zunehmend in der gesellschaftlichen und politischen Debatte ablesbar. Dies spiegelte sich auch im „Wirtschaftsdienst“. Im April 1930 erschien ein zweiteiliger Aufsatz von Dr. Hans Reupke über „Wirtschaftsideologie und Wirtschaftspolitik des Faschismus“, in dem dieser für das Modell der staatlichen Wirtschaftssteuerung nach Vorbild des italienischen Faschismus eintrat.

Bei den Reichstagswahlen im September 1930 erhielt die NSDAP das zweitstärkste Mandat nach der SPD.

Eduard Rosenbaum war sich der Bedrängnis, in die die Juden mit wachsendem Einfluss der Nationalsozialisten geraten würden, spätestens seit der Aufhebung des Verbots der SA und den Reichstagswahlen vom Juli 1932 sehr bewusst.8 Trotzdem bezog er die Entwicklung nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933, die mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ am 7. April einen ersten massiven Schritt zur Ausgrenzung der Juden aus der Gesellschaft vollzog, zunächst nicht auf seine eigene berufliche Situation. Als jemand, der bereits im April 1913 in den Staatsdienst eingetreten war, gehörte er zu denjenigen, deren Verbleib im Amt das Gesetz zubilligte.

Dies galt jedoch nicht für seine Stellung beim „Wirtschaftsdienst“. Im Verwaltungsrat des „Wirtschaftsdienst“ war das Gesetz sofort im Sinne der neuen Führung der Deputation für Handel, Gewerbe und Schiffahrt interpretiert worden. Auf Betreiben des nationalsozialistischen Regierungsrates Dr. Gustav Schlotterer sollte Eduard Rosenbaum seine Stellung umgehend aufgeben. Dieser beugte sich dem Druck und erklärte gegenüber Professor Terhalle noch am 7.4.1933 seinen Rücktritt:

„Wie Sie mir heute mitteilten, besteht auf Seiten der zuständigen Behörden im Zusammenhang mit der Umgestaltung unserer politischen Verhältnisse der Wunsch, über das Amt des Hauptschriftleiters des ‚Wirtschaftsdienst‘ unverzüglich verfügen zu können. Angesichts dieser Tatsache erkläre ich mich zum sofortigen Rücktritt bereit. Im Interesse einer Aufgabe jedoch, an deren Entwicklung ich seit ihren Anfängen beteiligt war und an deren Ausbau ich in den letzten fünf Jahren führend mitwirken durfte, möchte ich meine Arbeit nicht fristlos liegen lassen, sondern ordnungsgemäß meinem Nachfolger übertragen.“9

Rosenbaum fühlte sich weiterhin verantwortlich und ersuchte John Maynard Keynes, dem er von seiner Entlassung berichtete, auch zukünftig für den „Wirtschaftsdienst“ zu schreiben. Keynes lehnte dieses Ansinnen allerdings bis auf Weiteres ab.10

Die einschlägige Erfahrung beim „Wirtschaftsdienst“ minderte zunächst – zumindest nach außen – Eduard Rosenbaums Vertrauen in eine maßvolle Politik der Hansestadt nicht, denn er hielt Hamburg für eine Stadt, die „…einige Kenntnis von Rassen- und Blutmischung hat…“ und darüber hinaus nicht dazu neige, die „einschlägigen Gesetze extensiv zu interpretieren“.11

Die Handelskammer hatte sich noch kurz nach Erlass des „Berufsbeamtengesetzes“ vor ihre jüdischen Mitarbeiter gestellt und dem Senat hinsichtlich Eduard Rosenbaum mitgeteilt, er sei für die Handelskammer ein „außerordentlich wertvoller Mitarbeiter, auf dessen Verbleib sie im Interesse Ihrer Aufgaben den größten Wert legen muß“.12 Die im Rahmen der Gleichschaltung personell veränderte Leitung der Handelskammer aber forderte Eduard Rosenbaum im Sommer auf zu gehen, nachdem der nationalsozialistische Bürgerschaftspräsident und Mitglied des Handelskammerplenums C.C. Fritz Meyer Rosenbaums Entlassung gefordert hatte. Auf seine vorläufige Beurlaubung folgte am 1.4.1934 die Verabschiedung in den Ruhestand. Das ihm zugebilligte Ruhegeld betrug rund ein Drittel seiner früheren Einkommen bei der Handelskammer und beim „Wirtschaftsdienst“.13 Als sich die Entlassung ankündigte, sahen die Rosenbaums ihre Existenz bereits soweit bedroht, dass sie sich im September 1933 entschlossen, ihr Haus in der Giesestraße zu verkaufen. Eduard Rosenbaum suchte nach Auswegen, besuchte im November seinen Cousin in Amsterdam und hielt sich im April 1934 einige Zeit in London auf, um mit der Unterstützung Keynes mögliche Arbeitsfelder aufzutun. Im Frühsommer 1934 zog die Familie der Lebenshaltungskosten und der unsicheren Lage in Deutschland wegen nach Henne Strand in Dänemark.14

Nachdem er vom Academic Assistance Council (AAC), der 1933 zur Unterstützung vertriebener Akademiker gegründet worden war, ein zehnmonatiges Stipendium erhalten hatte, emigrierte Eduard Rosenbaum gemeinsam mit seiner Frau Helene und den beiden Kindern Gudula und Michael noch 1934 nach England. Dort bekam er schließlich – wohl auf Vermittlung von John Maynard Keynes – nach Monaten der beruflichen Ungewissheit eine anfangs befristete Bibliothekarsstelle an der London School of Economics and Political Science angeboten.15

Den Kontakt zu seiner Heimatstadt ließ Eduard Rosenbaum nicht abreißen. 1936 besuchte er seine Familie, die er aus den von der Handelskammer auf ein Sperrkonto eingezahlten Rentenbezügen finanziell unterstützte. Der Handelskammer berichtete er in Briefen bis 1939 regelmäßig über sein Ergehen. Die Verbundenheit zu seiner ehemaligen Wirkungsstätte veranlasste Eduard Rosenbaum nach 1945 sogar, auf Teile seiner Pension zu verzichten, um die Hamburger Handelskammer finanziell zu entlasten.16

In England war er 1940 trotz der Proteste von Keynes kurzfristig als „enemy alien“ inhaftiert worden, konnte danach jedoch seine Anstellung an der London School of Economics wieder aufnehmen. Er blieb dort, zuletzt als „Head of the Acquisition Department“, bis zum Erreichen des Rentenalters 1952. Bereits seit 1946 war er britischer Staatsbürger.

Trotz der Verbrechen gegen die Juden während des Nationalsozialismus, der eigenen Vertreibung aus den Ämtern und der so erzwungenen Emigration und trotz der Ermordung seiner Geschwister Gertrud und Albert während der Shoa nahm Eduard Rosenbaum nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs den Kontakt zu seiner Geburtsstadt erneut auf. Auf vielen Reisen nach Hamburg bemühte er sich bis an sein Lebensende um die Vermittlung zwischen Deutschland und Großbritannien.

Am 29.5.1979 erschien in der Zeitung „Die Welt“ eine Anzeige der Familie Eduard Rosenbaums: „Den Freunden in Deutschland, insbesondere in Hamburg, teilen wir mit, daß unser Vater und Großvater Dr. Eduard Rosenbaum in der Nacht zum 22. Mai 1979 in seinem 92. Lebensjahr in London verstarb.“

  • 1 Die Angaben zur Biografie und dem Werk Eduard Rosenbaums sind entnommen aus Christian Scheer, Eduard Rosenbaum (1887 bis 1979) – Syndikus, Bibliothekar, Homme de Lettre. In: Spätes Gedenken. Ein Geschichtsverein erinnert sich seiner ausgeschlossenen jüdischen Mitglieder. Hg. v. Joist Grolle und Matthias Schmoock. Hamburg 2009 (= Hamburgische Lebensbilder in Darstellungen und Selbstzeugnissen, Bd. 21), S. 137-157; ders., Beiträge zur Biographie der deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Emigration 1933-1945: Rudolf Grabower, Otto Freiherr von Mering, Theodor Plaut, Eduard Rosenbaum, Oswald Schneider, Carl v. Tyszka. Hamburg 1998 (= Diskussionsschriften aus dem Institut für Finanzwissenschaft der Universität Hamburg, Nr. 60), S. 32-43; Rainer Nicolaysen, Eduard Rosenbaum. In: Hamburgische Biografie. Personenlexikon. Hg. v. Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke, Bd. 3. Göttingen 2006, S. 319 f. und Maike Baltzer, Zur deutschsprachigen akademischen Emigration nach Großbritannien während des „Dritten Reiches“ am Beispiel Eduard Rosenbaums. Magisterarbeit (geb. Manuskript). Hamburg 2001.
  • 2 Vgl. Scheer. In: Spätes Gedenken, S. 141-144.
  • 3 Handschriftliche Zusammenstellung, o.D. Staatsarchiv Hamburg, 622-1/143 Eduard Rosenbaum, 7/1: Redaktionsführung, Organisation, Personalangelegenheiten, Werbung.
  • 4 Denkschrift über die Entstehung, Aufgaben und Führung des „Wirtschaftsdienst“, Entwurf [April 1931], S. 7. Staatsarchiv Hamburg, 364-8 Weltwirtschaftsarchiv, C III 20.
  • 5 Vgl. Entwurf einer am 10.7.[1928] in der Redaktionskonferenz besprochenen und gebilligten Arbeitsordnung für die Redaktion des „Wirtschaftsdienst“. Staatsarchiv Hamburg, 622-1/143 Eduard Rosenbaum, 7/1.
  • 6 Eduard Rosenbaum an Prof. Fritz Terhalle vom 19.5.1931. Staatsarchiv Hamburg, 622-1/143 Eduard Rosenbaum, 7/1. Vgl. dort auch die Mitteilungen Rosenbaums an Terhalle vom 21.5.1930 u. 20.10.1930.
  • 7 Entwurf „Über die Redaktionsführung des ‚Wirtschaftsdienst‘, Fritz Terhalle übersandt von Eduard Rosenbaum am 11.4.1931. Staatsarchiv Hamburg, 622-1/143 Eduard Rosenbaum, 7/1.
  • 8 Vgl. Hans Bielfeldt, Vom Werden Groß-Hamburgs. Citykammer, Gauwirtschaftskammer, Handelskammer. Politik und Personalia im Dritten Reich. Hamburg 1980 (= Staat und Wirtschaft. Beiträge zur Geschichte der Handelskammer Hamburg, Bd. I), S. 157 f.
  • 9 Rücktrittsschreiben von Eduard Rosenbaum an Prof. Dr. Fritz Terhalle vom 7.4.1933. Staatsarchiv Hamburg, C III 15: Wirtschaftsdienst - Zusammensetzung des Verwaltungsrates 1930-1934. Zum Einfluss von Gustav Schlotterer siehe dort den Bericht von Direktor Stichel an Hans Wedekind vom 28. August 1933 „Betrifft die Wirtschaftsdienst G.m.b.H.“.
  • 10 Vgl. Baltzer, S. 33, Anm. 139. Die hier angeführten Daten der Briefe (Rosenbaum an Keynes vom 10.5.1933 und Keynes an Rosenbaum vom 23.4.1933) sind vermutlich vertauscht worden.
  • 11 Brief Eduard Rosenbaums an den Journalisten und Schriftsteller Alfons Paquet vom 29.5.1933. Zit. nach Baltzer, S. 19.
  • 12 Schreiben des Präses der Handelskammer Nottebohm und des Syndikus Dr. E. Schwencke an den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg vom 25. April 1933. Archiv der Handelskammer Hamburg, Personalakte Dr. Eduard Rosenbaum. Auch bei Bielfeldt, S. 165.
  • 13 Vgl. Baltzer, S. 33 f. und Anm. 142.
  • 14 Vgl. ebenda, S. 34 f.
  • 15 Vgl. ebenda, S. 39 f. u. 65 f. sowie den entsprechenden Briefwechsel mit der Handelskammer Hamburg. Archiv der Handelskammer Hamburg, Personalakte Dr. Eduard Rosenbaum.
  • 16 Vgl. Schriftverkehr in der sog. Auswandererakte Eduard Rosenbaums. Staatsarchiv Hamburg, 314-15 Oberfinanzpräsident F 2018; Eidesstattliche Erklärung Eduard Rosenbaums vom 16.12.1956 im Rahmen des sog. Wiedergutmachungsverfahrens von Magdalena Schoch. Staatsarchiv Hamburg, 351-11 Amt für Wiedergutmachung 19647; Baltzer, S. 78.