Im Streite um die Lockerung der Zwangswirtschaft auf dem Gebiete des Wohnungswesens spielt der Hinweis darauf eine nicht unerhebliche Rolle, daß eine Belebung des Wohnungsbaues schon an dem unsere Volkswirtschaft erdrückenden allgemeinen Kapitalmangel scheitern müsse. In der Tat wird man auch vorab den Mangel an Betriebskapital als die schlimmste Seite unserer Kapitalnot bezeichnen und demgemäß die Aussichten für eine ausreichende Finanzierung des Wohnungsbaues (auch unter der Herrschaft einer sogen. freien Wirtschaft) als wenig günstig bezeichnen müssen. Die auf der deutschen Volkswirtschaft ruhende Reparationlast wird es auch voraussichtlich kaum möglich machen, daß sehr schnell eine wesentliche Besserung eintritt.
Neben dieser die gesamte Volkswirtschaft unmittelbar berührenden Frage des künftigen Kapitalangebotes besteht eine spezielle für das Gebiet des städtischen Wohnungswesens, die ihrerseits wieder geteilt ist: in ihrem ersten Teile ist sie in der Fähigkeit gegeben, „zeitgemäße“ Mieten zwecks Sicherung einer „angemessenen“ Verzinsung zu zahlen - hängt damit also besonders eng mit der gesamten volkswirtschaftlichen Entwicklung zusammen -; im zweiten ist sie eine solche der Organisation, der besten Vermittlung zwischen Kapitalangebot und -nachfrage. Es kann wohl nur mit der fast völligen Vernichtung des Rentenkapitals durch die Inflation zusammenhängen, daß dieser außerordentlich wichtigen Zukunftsfrage während der letzten Jahre so erstaunlich wenig Beachtung geschenkt ist, obwohl sich auf diesem Gebiete eine Entwicklung vollzieht, an der man nicht achtlos vorbeigehen kann.
Man würde irren, wenn man die Bedeutung des städtischen Realkredits für die nächste Zukunft in erster Linie in seiner Unentbehrlichkeit für die Finanzierung des Wohnungsneubaues erblicken würde, die dringend notwendige und immer größere Kapitalaufwendungen bedingende Wiederinstandsetzung der Wohnhäuser ist ebenfalls zum erheblichen Teile erst durch eine ausreichende Kreditzufuhr gesichert. Dazu kommt, daß die Abbürdung der „aufgewerteten“ Hypotheken, so gering sie prozentual auch scheinen mag, einen für die heutigen Verhältnisse erheblichen Kreditbedarf zur Folge haben wird. Schließlich verlangt der wirtschaftlich notwendige Umsatz von Wohnhausgrundstücken, einerlei, ob er zwecks Erbteilung oder aus anderen Gründen erfolgt, in der gegenwärtigen Zeit der Verarmung noch mehr eine Kredithilfe als das schon in der besseren Vorkriegszeit der Fall war. Nur wer nicht sieht oder doch nicht genügend würdigt, daß die (infolge der Zwangswirtschaft im Wohnungswesen sicherlich nicht vermehrte) an sich schon recht geringe Neigung zum „Vermietungsgewerbe“ bei einer Erschwerung des Umsatzes in Immobilien noch mehr beeinträchtigt werden muß, kann die Berechtigung eines lediglich der Finanzierung des Umsatzes dienenden Realkredits leugnen. Jeder andere muß sie gerade im Interesse der Mieterschaft unterstreichen. So kann man denn auch für das städtische Wohnungswesen, und zwar hier in noch weit stärkerem Maße als z. B. für die Landwirtschaft, feststellen, daß trotz weitgehender Entschuldung ein absolut und relativ starkes Kreditbedürfnis vorliegt, an dessen Befriedigung ein dringliches volkswirtschaftliches Interesse besteht.
Für die Befriedigung eines derartigen Kreditbedürfnisses kamen in der Vorkriegszeit vor allem auch die deutschen Hypothekenbanken in Frage. Zwar waren sie nicht die einzigen Realkreditinstitute; insbesondere die letzten Vorkriegsjahre mit ihrem einigermaßen schweren Pfandbriefabsatz brachten dem laufenden Hypothekengeschäft der Sparkassen und der Versicherungsunternehmungen einen relativen Vorsprung. Aber die rund 11 ½ Milliarden: Goldmark Hypotheken, die von den damals statistisch erfaßten 40 deutschen Hypothekenbanken vorzugsweise auf städtische Wohnhausgrundstücke ausgeliehen waren, stellten doch den wichtigsten Posten dar. Die offenkundige Tendenz in der Anlagepolitik der Sparkassen, ihre und der Versicherungsunternehmen stark beeinträchtigte Vermögenslage werden voraussichtlich dahin wirken, daß die Bedeutung der Hypothekenbanken für die Kreditzufuhr zum städtischen Wohnhausbau und -besitz gegenüber der Vorkriegszeit wenn auch nicht absolut, so doch relativ steigen wird. Um so wichtiger ist deswegen die Frage nach der künftigen Leistungsfähigkeit dieser Institute. Sie kann nur beantwortet werden durch einen Hinweis auf die Rückwirkungen des Krieges und der Nachkriegszeit auf das deutsche Hypothekenbankwesen. Nacheinander müssen dabei das Aktivgeschäft, das Passivgeschäft und die Wandlungen in der ganzen Struktur der Unternehmen für die letzten Jahre gewürdigt werden, ohne daß dabei die zwischen diesen Dingen bestehenden organischen Zusammenhänge vernachlässigt werden.
I.
Zieht man das Fazit in Bezug auf das Aktivgeschäft, so wird man unwillkürlich an eine Art Gewissensfrage erinnert, die zu Beginn dieses Jahres Geheimrat Bastian (Art. Hypothekenbankfragen in der „Frankfurter Zeitung“ Nr. 32 vom 12. Januar 1924) stellte: „Nach jahrelangem Lavieren werden die Hypothekenbanken sich zweimal fragen müssen, ob sie als solche eine Daseinsberechtigung haben.“ Wenn Bastian auch meinte, dass die zurzeit herrschende Nachfrage nach organisiertem Hypothekarkredit die Antwort nicht schwer mache, so musste er doch feststellen: „Wie so oft in diesen langen Jahren stünden wir vor der Notwendigkeit, weiter abzuwarten, ohne zu wissen, wann für die Hypothekenbanken die Zeiten kommen, in denen sie auf ihrem alten Gebiete ein unentbehrliches Glied der Geldwirtschaft sind.“
Auf dem „alten“ Gebiete waren ehedem vor allem zwei Aufgaben zu erfüllen: Prolongation fällig gewordener Hypotheken und Neuausleihungen. Da die meisten Hypotheken auf zehn Jahre fest gewährt wurden, kann man bei einem jährlichen Zuwachs von durchschnittlich 1/3 bis ¾ Milliarden Goldmark sagen, dass im großen und ganzen die kleinere Hälfte des Geschäfts in Neubeleihungen, die größere in (eigener oder fremder) Verlängerung bestehender Hypotheken bestand. Infolge des fast gänzlichen Darniederliegens des Bauens seit dem Kriegsbeginn blieb somit zunächst im Wesentlichen nur die Hypothekenverlängerung als Geschäft übrig, die ihrerseits teils infolge freiwilliger, teils mehr oder minder erzwungener Betätigung der Institute unter Bedingungen erfolgte, welche der für die Gläubiger wesentlich geänderten Situation nicht entsprechend Rechnung trugen.
Wer sich der Stimmung erinnerte, die seinerzeit herrschte, wird sich der Klagen der Bankleitungen in ihren Geschäftsberichten nicht unberechtigt finden, dass die durch die mehr und mehr fortschreitende Inflation so begünstigten, freilich auch durch die Mietgesetzgebung nicht weniger eingeengten Schuldner wenig oder gar kein Verständnis gezeigt hätten für eine in der Steigerung der Geschäftskosten wohlbegründete mäßige Erhöhung der laufenden Kosten der Hypothek. Die fortschreitende Verschlechterung unserer Währung brachte dazu ständig wachsende Tilgung von alten, fällig werdenden Darlehen, damit indirekt eine Beeinträchtigung des Hypothekengeschäftes. War auch wiederholt die Aussicht für den Pfandbriefabsatz recht gut, so waren doch insbesondere seit 1920/21 gute Hypotheken nur schwer zu erlangen. Zwar waren die Gesuche um Erhöhung schon bestehender Hypotheken häufig, aber sie reichten nicht aus, einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu ermöglichen.
Wie wenig befriedigend das „alte“ Aktivgeschäft sich gestaltete, geht aus folgenden Zahlen hervor. Es betrug am Ende der nachgenannten Jahre
Tabelle 1
Mit diesen für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung ausreichenden Ziffern ist auch schon eine Erklärung dafür gegeben, dass man seitens der Hypothekenbanken sich anschickte, „Notstandsarbeiten“ zu suchen, die schließlich ihrerseits dahin führten, dass bei den Instituten „eine ganz andere wirtschaftliche Funktion als sie ursprünglich obwaltete“ (Frankfurter Zeitung Nr. 389 vom 25. Mai 1924) zu verzeichnen war. Von einer völligen Freiheit in der Art der Umstellung des Geschäftsbetriebes konnte freilich nicht die Rede sein, ihr stand der namentlich den Schutz der Pfandbriefgläubiger bezweckende § 5 des Hypothekenbankgesetzes entgegen, der den Kreis der Hypothekenbankgeschäfte stark begrenzt. Er hatte freilich auch zur Folge, dass im Zeichen der immer katastrophaler werdenden Inflation für die Hypothekenbanken „nicht die Wahrung der Substanz, sondern schlechterdings die Aufrechterhaltung der Existenz überhaupt“ das Ziel der Geschäftspolitik sein musste, wie es im Geschäftsbericht der „Gemeinschaftsgruppe“ für das Jahr 1923 heißt, in dem weiterhin geklagt wird, dass „in keinem Wirtschaftszweig die Vorbedingungen für die Erhaltung der Vermögenssubstanz und die Anpassung der geschäftlichen Maßnahmen an eine täglich veränderte Sachlage so schwierig war wie bei den Hypothekenbanken“.
Als Notstandsarbeit der gekennzeichneten Art muss man schon die starke Ausdehnung des kommunalen Darlehnsgeschäftes während der letzten Jahre ansprechen. Zwar war die im genannten § 5 des Hypothekenbankgesetzes ausdrücklich erlaubte „Gewährung nichthypothekarischer Darlehen an inländische Körperschaften des öffentlichen Rechts oder gegen Übernahme der vollen Gewährleistung durch eine solche Körperschaft und die Ausgabe von Schuldverschreibungen auf Grund der so erworbenen Forderungen“ auch in der Vorkriegszeit durchgeführt, aber die Kommunaldarlehen der deutschen Hypothekenbanken machten Ende 1913 doch nur 571 Millionen Goldmark aus gegenüber 11,6 Milliarden Goldmark Hypotheken, d.h. noch nicht 5 % des letztgenannten Betrages. Seit Ende des Krieges wurde das wesentlich anders, wie folgende Ziffern dartun. Während der Nominalbetrag der Hypotheken kaum eine wesentliche Änderung erfuhr, machten die kommunalen Darlehen der Hypothekenbanken am Ende der folgenden Jahre in Millionen Goldmark aus: 1918: 571, 1919: 737, 1920: 883, 1921: 1016.
Zur Kennzeichnung der jüngsten Entwicklung soll der Bestand an Papiermark- und Sachwertanleihen der beiden in Frage kommenden Arten dienen, wie er sich auf Grund der Bilanzziffern 1923 für die sieben Banken umfassende Gemeinschaftsgruppe Deutscher Hypothekenbanken und die vier Institute umschließende Deutsche Central-Bodenkredit-Vereinigung aus den Einzelbilanzen errechnen lässt. Dabei ist ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, dass infolge der sich überstürzenden Inflation während des Jahres 1923 die Papiermarkziffern hüben und drüben nur wenig Anhalt bieten können, dass man mithin auf die verhältnismäßig dürftigen Goldmarkziffern angewiesen ist. Es waren emittiert von der Gruppe:
Tabelle 2
Die in diesen Zahlen zum Ausdruck kommende verstärkte Pflege des kommunalen Darlehnsgeschäftes böte dann noch weniger Anlass zu einer kritischen Würdigung, wenn es sich lediglich um eine quantitative Verschiebung handeln würde. Immerhin ist es bei der heutigen Lage der Dinge doch auch insoweit bei den Hypothekenbanken schon so, dass „der Gegenstand des Unternehmens in der hypothekarischen Beleihung von Grundstücken und der Ausgabe von Schuldverschreibungen auf Grund der erworbenen Hypotheken“ (§ 1 des Hypothekenbankgesetzes) nicht mehr überwiegend besteht. Allerdings darf man nicht verkennen, dass die hier in Rede stehende Umstellung wenigstens den Vorteil eines fortdauernden Anschlusses an den durch Obligationsausgabe in Anspruch zu nehmenden Kapitalmarkt, mithin eine gewisse Kontinuität des Passivgeschäftes mit sich bringt.
Wesentlicher als die quantitative ist die qualitative Verschiebung. Das kommunale Darlehnsgeschäft der Vorkriegszeit hatte deswegen eine nahe Verwandtschaft mit dem Pfandbriefgeschäft, weil auch hier die nicht vertretbare individuelle Forderung durch das Dazwischentreten der Bank vertretbar gemacht werden sollte. Es waren in erster Linie kleine Kommunen, die die Kredithilfe der Hypothekenbanken für sich in Anspruch nahmen. Heute dagegen handelt es sich überwiegend nicht mehr um die bloße „Vertretbarmachung“ einer Darlehnsschuld, sondern um den Ersatz oder die Ergänzung des Kredits großer öffentlich-rechtlicher Körperschaften durch den Kredit der Hypothekenbanken, und zwar nicht nur derjenigen, die dieses Geschäft betreiben, sondern auch derjenigen, die überhaupt dazu geholfen haben, für den Pfandbrief und die Kommunalobligationen der Hypothekenbanken die guten Absatzmöglichkeiten zu schaffen. Anders ausgedrückt: da die direkte Emission von kommunalen oder ähnlichen Obligationen in der Gegenwart entweder überhaupt nicht, oder doch nur zu wesentlich ungünstigeren Bedingungen als bei den Hypothekenbankobligationen möglich ist, wird eine indirekte, unter Ausnutzung des besseren Kredits der Hypothekenbanken durchgeführt. Wer von diesen Instituten nicht mitmacht, insbesondere vielleicht auch, weil er ungünstige Rückwirkungen für das künftige Pfandbriefgeschäft fürchtet, hat das Nachsehen, während der weniger Vorsichtige für die Aufgabe künftiger Chancen in der schlechten Gegenwart wenigstens einen mehr oder minder großen Profit erhält. Wird der den Kommunen gewährte Kredit demselben Zwecke nutzbar gemacht, dem die Hypothekenbanken vorzugsweise dienen wollen, der Finanzierung des Wohnungsbaues, so wird man damit noch einverstanden sein können. Tatsächlich aber rühmen sich die auf diesem Gebiete tätigen Institute, zu ganz anderen Zwecken Hilfe geleistet zu haben, vor allem beim Ausbau öffentlicher Betriebe. Auch darüber kann man eigentlich nicht hinwegsehen, dass der Grundsatz einer möglichst breiten Risikoverteilung, der früher gerade auch im Aktivgeschäft der Hypothekenbanken eine so große Rolle spielte, mit der Umstellung des Aktivgeschäftes ungleich weniger als früher wirksam wird.
Über die Zweckmäßigkeit einer derartigen Wandlung in der Verwendung der auf dem Markte aufgenommenen Kapitalien scheinen denn auch in der Praxis die Meinungen sehr wesentlich auseinanderzugehen. Das zeigt wohl schon ein Vergleich der letztjährigen Geschäftsberichte der Gemeinschaftsgruppe einerseits und der Central-Bodenkredit-Vereinigung andererseits. Was soll es anders bedeuten, wenn im Bericht der letztgenannten Vereinigung es als wesentlich für die bestmögliche Lösung der den Instituten obliegenden Zukunftsaufgaben bezeichnet wird, „wenn wir uns unter Beobachtung der alten soliden Grundsätze unserer Aufgabe widmen, um dem Pfandbrief, dessen Sicherheit in der gesetzlichen und statutarischen Beschränkung1 einer Hypothekenbank gegeben ist, wieder das Ansehen im In- und Auslande zu gewinnen, das er sich vor dem Kriege mit Recht erworben hatte“?
Kennzeichnend für die Gestaltung des Aktivgeschäftes eines beträchtlichen Teiles der Hypothekenbanken ist auch das 100-Millionen-Geschäft der „Gemeinschaftsgruppe“ mit dem Eisenbahnfiskus. In ihm kommt besonders zum Ausdruck, dass es sich nicht mehr um eine „Vertretbarmachung“ an sich erstklassiger Forderungen, sondern um eine Schuldnersubstitution handelt. Wesentliche Bestimmungen des Vertrages vom 8. Januar 1924 zeigen das:
Das in den neuen wertbeständigen 6%igen „Goldschuldverschreibungen“ der Gemeinschaftsbanken zu gewährende Darlehen wird in Pfandbriefen gegeben, deren „Verwertung dem Fiskus überlassen bleibt“. Die Banken erklären sich lediglich bereit, „auf Verlangen des Reichsfiskus den Vertrieb der Pfandbriefe gegen eine Absatzprovision von 3 % zu vollziehen, wogegen sich der Reichsfiskus verpflichtet, den Absatz der Goldpfandbriefe auf alle Weise zu fördern, insbesondere laufend an geeigneten Stationskassen zu verkaufen, auch fällige Zinsscheine an den Stationskassen in Zahlung zu nehmen und das Publikum durch Aushänge in den Eisenbahnpersonenwagen und an den Fahrkartenschaltern in angemessener Form auf diese Goldpfandbriefe der Gemeinschaftsgruppe aufmerksam zu machen.“
Handelte es sich nicht um eine bloße Schuldnersubstitution, so würde man insbesondere von seiten des Reichsfiskus größeren Wert auf die Ausnutzung der alten Pfandbriefabsatzorganisation gelegt haben. Soweit aber ein Auslandsabsatz angestrebt wurde, ist der wahre Charakter des Geschäftes wohl noch weniger fraglich. Durch die 7 % ige Abschlussprovision, die zur Hälfte sofort, zur anderen Hälfte bei Abruf jedes Teilbetrages der Pfandbriefe fällig war, und den jährlichen „Verwaltungskostenbeitrag“ von 1 % wird das nicht widerlegt, ebenso wenig wie durch die vertraglich vorgesehene Entschädigung von 5 (fünf) Prozent des nicht abgerufenen Darlehensbetrages für den Fall, dass der Fiskus von dem ihm nach sechs Monaten zustehenden Rücktrittsrechte Gebrauch machen sollte. Die Tatsache, dass das Darlehen durch Hypotheken an reichseigenen Wohnhäusern und solchen Dienstgebäuden gesichert werden soll, die sich zur Verwendung als Bürohäuser eignen, bringt ebenfalls das Eigentümliche dieses Vertrages, das eine Pfandbriefausgabe ermöglichen soll, zum Ausdruck. Dass auch vom Standpunkte der Finanzwirtschaft aus ein derartiges Geschäft recht sehr der Rechtfertigung bedarf, kann in diesem Zusammenhange nicht im einzelnen begründet werden.
Schon aus den bisherigen Ausführungen geht einigermaßen hervor, dass trotz der Allgemeingültigkeit des § 5 des Hypothekenbankgesetzes die einzelnen Institute in ganz verschiedenem Umfange von den dort zugestandenen materiellen und formalen Geschäftsmöglichkeiten Gebrauch gemacht haben. Dasselbe zeigt sich aber auch bei den sonstigen Notstandsarbeiten der Institute. Während die vier der Central-Bodenkredit-Vereinigung angehörenden Unternehmen starke Zurückhaltung übten, teils, weil eine Umstellung der Verwaltung nicht lohnend schien (so beim Effektenkommissionsgeschäft), teils weil dieses „eine Hypothekenbank von ihrer eigentlichen Aufgabe abzuziehen geeignet erscheint“ (so beim Depositengeschäft), glaubten insbesondere die in der Gemeinschaftsgruppe zusammengefassten Institute zwecks Herauswirtschaftung der Verwaltungskosten anders verfahren zu sollen. Von dieser Seite her wurde auch mit besonderem Nachdruck darauf verwiesen, dass „den Kreis der Geschäfte eng begrenzende gesetzliche Vorschriften, die für normale Zeiten berechnet sind, es unmöglich machten, rechtzeitig die Maßnahmen zu treffen, die angesichts des jähen Wechsels der Wirtschaft jeweils erforderlich waren“.
Über die Bedeutung der „aufgezwungenen“ Geschäftszweige im schlimmsten Inflationsjahr geben die Ziffern der Gewinn- und Verlustrechnung für 1923 wenigstens einigen Anhalt. Während man in der Rechnung des führenden Instituts der Central-Bodenkredit-Vereinigung, der Preußischen Central-Bodenkredit-A.-G., dem Posten „Zinsen und Provisionen im Bankgeschäft“ nicht begegnet, macht er in der Zusammenfassung der Gewinn- und Verlustrechnungen für die Gemeinschaftsgruppe fast die Hälfte aller Einnahmen aus. Bei der Frankfurter Hypothekenbank sind die entsprechenden Beträge offenbar unter „sonstige Einnahmen“ verbucht, die ihrerseits nominell nicht weniger als 40 % aller Einkünfte des Jahres 1923 darstellen. Die Pflege des Depositengeschäfts, die auch als Hilfsmittel in der Not in Frage kam, hatte anscheinend 1923 schon keine wesentliche Bedeutung mehr, was sich ja leicht daraus erklärt, dass die Unterhaltung von Bankguthaben im Zeitalter der schlimmsten Inflation das denkbar ungünstigste Geschäft war.
Die Aufnahme eines größeren, früher von den „reinen“ Hypothekenbanken nur nebenher in geringem Ausmaß betriebenen Effektenkommissionsgeschäftes bedeutete ein Eindringen in den Geschäftsbereich der sogen. Kreditbanken. Da diese aber infolge des riesigen Ansturms derjenigen, die am Aktienmarkt Inflationsgewinne oder Schutz gegen Währungsverluste suchten, die ihnen zuströmenden Aufträge häufig genug nicht bewältigen konnten, somit über „befreundete“ Helfer froh waren, empfanden sie dieses Eindringen kaum als lästige Konkurrenz. Nach Beendigung des Börsentaumels ist die Situation freilich wesentlich anders. Schon aus diesem Grunde war das Effektenkommissionsgeschäft für die Hypothekenbanken ein Eintagsgeschäft. Dasselbe gilt, weil bei uns in Deutschland eine enge Verbindung zwischen Emissionsgeschäft und Kommissionshandel in Effekten besteht, welche die Hypothekenbanken von vornherein weniger konkurrenzfähig als die Kreditbanken erscheinen lassen muss. Schließlich wird auch deswegen der vorübergehend einbringliche Geschäftszweig dauernd keine Bedeutung haben, weil man für den Pfandbriefabsatz auf die Kreditbanken angewiesen ist, die vor allem deswegen ja auch im Aufsichtsrat der Bodenkreditinstitute vertreten sind.
Ein „Zurückfinden“ zur alten Aufgabe, der ausgiebigen Pflege des Hypothekenbankpfandbriefgeschäftes, wird da unter Umständen nicht wenig gefährdet sein, wo die Institute sich auf lange Fristen in bisher mehr oder minder fremden Geschäften festgelegt, oder wo sie sich auf Geschäfte eingelassen haben, die Finanzierung von Unternehmungen bedeuten, somit in der Regel einen Abbruch nicht ohne weiteres zulassen. Eine einigermaßen interessante Gründung aus dem Jahre 1923 legt doch die Vermutung nahe, dass es angebracht wäre, wenn die beteiligten Institute sich restlos Rechenschaft über die Folge ihres Handelns geben würden, sich auch die Öffentlichkeit mehr als bislang um die Dinge kümmern und nicht sich mit den offiziellen Kommuniques über Vollzogenes begnügen würde. Es handelt sich um die Bank für Goldkredit A.-G. in Weimar, deren Anteile zu 51 % im Besitz der Thüringischen Staatsbank und zu 49 % in demjenigen der Gemeinschaftsgruppe Deutscher Hypothekenbanken sich befinden. Als Gegenstand des Unternehmens wird in einem Prospekt der Bank von dieser selbst entsprechend der Satzung angegeben: „1. die Gewährung langfristigen Kredits, insbesondere in Form wertbeständiger Darlehen zum Zwecke der Hebung der landwirtschaftlichen Produktion und der Förderung von Siedelungen sowie ferner zum Zwecke der Unterstützung industrieller und handelswirtschaftlicher Unternehmungen; 2. die Beschaffung der Mittel durch Ausgabe festverzinslicher Schuldverschreibungen; 3. der Betrieb von Bankgeschäften aller Art, insbesondere von Hilfsgeschäften, die sich aus Ziffer 1 und 2 ergeben, jedoch mit Ausnahme von reinen Personalkredit- und Spekulationsgeschäften.“ Die Landesregierung Thüringen übernimmt die Bürgschaft für die von der Gesellschaft auszugebenden Schuldverschreibungen, und zwar zunächst bis zur Höhe von 10 Millionen Goldmark.
Diese Gründung bietet offenbar für die Hypothekenbanken Möglichkeiten, die im Hypothekenbankgesetz nicht gegeben sind. Durch den „Umweg“ über die Goldkreditbank kann man Finanzgeschäfte betreiben, die sicher nicht zum zulässigen Geschäftskreis einer Hypothekenbank gehören, auch wenn man den Begriff der zulässigen Geschäfte so weitherzig als irgend möglich fasst. Der von beteiligter Seite möglicherweise zu erwartende Einwand, dass die Aktivgeschäfte ja in den Händen einer selbständigen Anstalt lägen, in der Generalversammlung überdies die Thüringische Staatsbank die Mehrheit der Stimmen habe, mag formal berechtigt sein, trifft aber materiell kaum zu. Allein der Vergleich der in den betreffenden beiden Instituten entscheidenden Persönlichkeiten zeigt das. Sollte er dennoch im Ernst erhoben werden, so wäre damit die Notwendigkeit eines Selbstbesinnens auf Seiten der Gemeinschaftsbanken erst recht dargetan.
Auch im Geschäftsbericht 1923 der Gemeinschaftsgruppe findet man Ausführungen, die eine nicht unbedenkliche Entfremdung mancher Institute gegenüber ihrem eigentlichen Arbeitsgebiet für die Zukunft befürchten lassen: Aus der Fülle der Darlehensanträge - so heißt es dort - habe man diejenigen ausgewählt, die nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten als berechtigt und zugleich als unbedingt sicher erschienen seien. Auf diese Weise habe man sowohl den Ausbau großer, für die Gemeinwirtschaft bedeutungsvoller Anlagen und Werke öffentlich-rechtlicher Verbände, insbesondere auf dem Gebiete der Elektrizitätswirtschaft ermöglicht, „als auch einzelnen Industrieunternehmungen zur Förderung produktiver Zwecke seinen Kredit zur Verfügung gestellt“. Will man diesen Auslassungen gegenüber nicht mehr von reiner Geschäftspolitik, sondern nur noch von volkswirtschaftlich verantwortlichem Handeln reden, so liegt es aber doch nahe, zu fragen, ob nicht die Berücksichtigung spezifisch hypothekenbankpolitischer Ziele gerade im Interesse einer weitschauenden Politik geschäftlich wichtiger und auch der Allgemeinheit zuträglicher wäre als diejenige, doch immerhin recht umstrittener volkswirtschaftlicher Ideale. Das Nächstliegende sollte man über dem Entfernten nicht vergessen.
II.
Auch auf dem Gebiete des Passivgeschäftes zeigt sich die Ungunst des Schicksals der Hypothekenbanken, bietet die Zukunft der wichtigsten städtischen Realkreditinstitute mancherlei ungelöste Probleme. Das scheint auf den ersten Blick eigenartig, wenn man daran denkt, dass selbst in den für die Hypothekenbanken so schlechten letzten Jahren der Pfandbriefabsatz häufig genug leicht und der Kursstand dieser Papiere besonders günstig war, nachdem die im Interesse der Unterbringung von Kriegsanleihen verhängte Sperre des Kapitalmarktes aufgehoben war. Immerhin mussten mit der stets schlimmer werdenden Währungslage die mehr und mehr aufkommenden sogenannten Sachwertanleihen den Absatz von Pfandbriefen, die auf Papiermark lauteten, erheblich beeinträchtigen. Die Ausnutzung der so glänzenden Konjunktur für die Sachwertanleihen war aber den Hypothekenbanken erst möglich, nachdem insbesondere auf ihr Drängen hin im Gesetz betreffend die wertbeständigen Hypotheken vom 23. Juni 1923 die Möglichkeit dazu gegeben, und durch eine Verordnung vom 30. September desselben Jahres die Frage gelöst war, wie bei den Sachwertanleihen die im Hypothekenbankgesetz vorgesehene Begrenzung des Umlaufs durchzuführen sei. Schon vorher hatte man freilich vereinzelt versucht, ohne Rücksicht auf die gesetzlichen Hemmnisse wertbeständige Papiere zu emittieren, und zwar auf indirektem Wege. So gründeten die in der Süddeutschen Arbeitsgemeinschaft zusammengefassten Institute die Süddeutsche Festwertbank in Stuttgart, welche die auf sie gesetzten Erwartungen nach Bekanntgabe der beteiligten Institute erfüllt haben soll. In Bezug auf die Ausgabe von Papiermarkanleihen war in dieser letzten Zeit der Emissionsmöglichkeit die Politik der einzelnen Institute bzw. Gruppen (in Bezug auf Pfandbriefe, nicht dagegen in Bezug auf Kommunalobligationen), verschieden. Die Gemeinschaftsgruppe gab noch im Juni 1923 einen neuen Typ 12 %iger Pfandbriefe heraus und setzte davon nach ihrem Geschäftsberichte „im Verlaufe mehrerer Monate“ rund 900 Milliarden Papiermark ab, wogegen drei der Central-Bodenkredit-Vereinigung angehörenden Institute das Emissionsgeschäft in Papiermarkpfandbriefen einstellten, so dass dort über einen 4%igen Nominalzinssatz der Pfandbriefe nur einmal hinausgegangen ist (seitens der Deutschen Grundcredit-Bank, die 610 Millionen Papiermark 6%ige Pfandbriefe ausgab). Die Vereinigung begründet diese Politik damit, dass „einerseits die Belastung in Papiermark bei einer Besserung der Verhältnisse für den normalen, d. h. privatwirtschaftlichen Schuldner, und damit auch für die Bank, gefahrdrohend werden musste, andererseits die Ausgabe von Pfandbriefen großen Stils, wenn auch mit Rücksicht auf das hohe Agio für die Bank verlockend, doch nur auf Kosten des Pfandbriefkäufers stattfinden konnte“. Man sei der Ansicht gewesen, dass eine Pfandbriefpolitik, die weniger das wirtschaftliche Bedürfnis als den Drang nach Verdienst in den Vordergrund stelle, dem Ansehen unserer Pfandbriefe im In- und Auslande nur schaden könne (Bericht 1923). Eine ausgesprochene Rücksichtnahme auf künftige Emissionsmöglichkeiten findet man insbesondere bei der Stellungnahme zur sogenannten Aufwertungsfrage. Ziemlich einmütig wird das Festhalten an dem Satze Mark = Mark wie das Hin und Her in der Stellungnahme der Regierung verurteilt, aber ebenso einmütig ist man auch der Meinung, dass die nunmehr gefallene Entscheidung im Interesse der Sicherheit des Verkehrs beibehalten werden müsse. Der ruhige Beobachter der Dinge hat den Eindruck, als ob die Bedeutung der Aufwertung für die künftigen Emissionsmöglichkeiten allgemein überschätzt würde. Die starke Entwertung des Aktienbesitzes und die fürwahr nicht glänzenden Dividendenaussichten der kommenden Jahre sind einer künftigen Emission ebenso günstig wie die bekannte verhältnismäßig starke Vergesslichkeit des effektenkaufenden Publikums. Dazu kommt, dass künftige Interessenten, und gegenwärtige und frühere Besitzer von Pfandbriefen, stark auseinanderfallen dürften.
Unabhängig von der Frage der Rückwirkung der Aufwertung auf die Emissionsaussichten ist diejenige, inwieweit die Aufwertung die Jahresrechnung der Hypothekenbanken berührt. Gewiss sind die Institute nur Vermittlungsstellen von Kapital, aber zunächst bringt die Aufwertung an sich schon einen Bedarf nach Neubeleihungen mit sich, der überdies in vielen Fällen zugleich mit einem anderen, insbesondere einem solchen zur Beschaffung der Wiederinstandsetzungskosten oder auch zur vollen „Ausnutzung“ der ersten Stelle Befriedigung verlangt. Hinzu kommt, dass die Beteiligung der Bank an den vom Hypothekenschuldner zu zahlenden Beträgen, wie sie in der „Dritten Verordnung zur Durchführung des Artikels I der dritten Steuernotverordnung“ vom 16. August 1924 in Höhe von 20 % aller in die „Tilgungsmasse“ fließenden Eingänge vorgesehen ist, einen nicht zu verachtenden Beitrag zu den Kosten des Geschäftsbetriebes der kommenden Jahre des allmählichen Wiederaufbaues darstellt. Stünden den Hypothekenbanken noch 1 Milliarde Goldmark Vorkriegshypotheken zur Verfügung, das ist 1/11 bis 1/12 des früheren Bestandes – was wohl kaum als günstige Veranschlagung für die Institute angesprochen werden kann –, so würden sie für die Geschäftsjahre 1925 bis 1932 600.000 bis 1,5 Millionen Goldmark (letzteres ab 1928) als Anteil an den vom Schuldner zu zahlenden Zinsen und spätestens 1932 eine Kapitalbeteiligung von 30 Millionen verzeichnen können.
Für die Geschäftsaussichten bzw. die Aussicht, die Verwaltungskosten wieder aus dem alten Geschäft hereinholen zu können, ist weiterhin der Betrag an den 1923 emittierten Festwertanleihen zu berücksichtigen. Da dieser auf etwa 70 Millionen zu veranschlagen ist, so dürfte mit Einschluss des noch nicht verrechneten Restes der auf diese Darlehen eingekommenen Abschlussprovisionen wohl kaum mehr als 1 Million Goldmark daraus für die Habenseite der jährlichen Gewinn- und Verlustrechnung zu erwarten sein. Berücksichtigt man demgegenüber, dass in der Vorkriegszeit aus dem alten Hypothekenbestand den Instituten wenigstens 25 Millionen Goldmark jährlich zuflossen, so zeigt sich auch hier, welche privatwirtschaftlichen Hemmnisse dem Zurückfinden zum alleinigen „reinen“ Hypothekenbankgeschäft gegenüberstehen.
- 1 Im Original nicht gesperrt.