Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Es wäre eigenartig, wenn die so ungünstige Konjunktur der letzten Jahre die Struktur des deutschen Hypothekenbankwesens nicht wesentlich beeinflusst hätte. Tatsächlich ist denn auch von der dem deutschen Hypothekenbankwesen eigentümlichen starken Dezentralisation ein guter Teil verloren gegangen. Das wird schon erklärlich, wenn man berücksichtigt, daß die Dezentralisation vor allem im Aktivgeschäft begründet liegt, das alte Aktivgeschäft aber stärkstens beeinträchtigt war. Aber dieses mehr oder minder starke „Ruhen“ der auf eine Dezentralisation drängenden Faktoren ist nicht der Hauptgrund für die wirklich vorangegangene Konzentration; diese liegt vielmehr in der durch die Inflation bewirkten Zerstörung des alten Hypothekenbestandes begründet, die dann ihrerseits aus den eben dargelegten privatwirtschaftlichen Gründen zu „stärkster Ersparnis“ zwang. Die auf ein großes Geschäft und einen erheblichen Bestand alter Hypotheken eingestellte Organisation war unrentabel geworden und drohte, auch in absehbarer Zukunft so zu bleiben.

Ich habe in der Zukunft auch wesentliche Veränderungen und die Folge der Verarmung unserer wirtschaftlichen Pfandbriefdurchlässigkeit bewirkt, die die Notwendigkeit einer Betrachtung auf das Passivgeschäft wird überhaupt in der Zukunft eine wesentlich größere Bedeutung haben als in der Vorkriegszeit, somit auch aus diesem Grunde die Konzentrationstendenz beträchtlich sein müssen. Dazu kommt, daß die an die einzelnen Institute gestellten Kapitalanforderungen bei dem Schwund des eigenen Kapitals und dem erhöhten Risiko auf Aufteilung der im einzelnen Falle verlangten Beträge drängen, ein Umstand, der sich schon in den letzten Jahren geltend machte und dahin führte, daß die Beleihung von großen Neubauten durch mehrere Institute gemeinsam durchgeführt wurde. So wird man denn in erster Linie nach den privatwirtschaftlichen Motiven suchen müssen, wenn man im letzten Geschäftsbericht der Gemeinschaftsgruppe im Zusammenhang mit der Begründung der Konzentrationsbewegung den wohlgemeinten Hinweis findet auf „das Interesse der deutschen Volkswirtschaft, das die Zusammenfassung aller Kräfte erheischt, wenn anders die gewaltigen Aufgaben erfüllt werden sollen, an deren Lösung die Hypothekenbanken an hervorragender Stelle mitzuarbeiten berufen sind“.

Der Zusammenschlussbewegung im Hypothekenbankwesen standen insofern Hemmnisse gegenüber, als die Form der Fusion aus rechtlichen Gründen nicht in Frage kam, obwohl sie wirtschaftlich die nächstliegende gewesen wäre. Die durch das Hypothekenbankgesetz verlangte spezielle Verpfändung der hypothekarischen und kommunalen Darlehen für die daraufhin ausgegebenen Obligationen jedes einzelnen Instituts bot Schwierigkeiten, die vorab auch den Vorteil einer Konzentration auf dem Gebiet des Passivgeschäfts, ein vereinheitlichtes Papier, nicht erreichen ließen. Daher vollzog sich der Zusammenschluss in anderer Weise, z. B. im Wege der Beteiligung des einen Instituts am anderen. So erhöhte 1923 die Deutsche Hypothekenbank ihr Aktienkapital zwecks Erwerb von Aktien der Westdeutschen Bodenkreditanstalt und der Norddeutschen BodenCredit-Bank im Austauschwege. Außerdem benutzte sie aus dem Verkauf ihres Meininger Hauses verfügbare weitere Gelder zum Ankauf von Aktien der genannten Institute, so daß sie Ende 1923 von den 43,8 Mill. DM Aktien des westdeutschen Instituts rund 18 Mill. und von den 33 Mill. DM Aktien der Norddeutschen BodenCredit-Bank rund 12 Mill. DM in Händen hatte.

Mehr Interesse als diese Art der Gruppenbildung im Hypothekenbankwesen hat eine andere: „An Stelle der Fusion, die aus rechtlichen Gründen sehr schwierig durchzuführen gewesen wäre, ist die Interessengemeinschaft gewählt worden.“ Bezweckt wird: „die Vereinfachung des Betriebes und der Organisation zur Ersparung von Arbeitskräften und Ausgaben für Geschäftskosten und ferner die gegenseitige Förderung bei Geschäftsabschlüssen sowie die Verwendung der vorhandenen Mittel und Einrichtungen zu gemeinsamen Zwecken.“ (W. Erichsen zur Bildung der „Gemeinschaftsgruppe“ im „Deutschen Ökonomist“, vom 22. April 1922.)

Infolge dieser rechtlichen Hemmnisse für eine Fusion verlangte schon 1922 die Süddeutsche BodenCreditbank in ihrem entsprechenden Jahresbericht „Bestimmungen, welche den Anschluss der Hypothekenbanken unter sich erleichtern“. Der Abschluss von Interessengemeinschaften oder reinen Arbeitsgemeinschaften schafft wohl eine breite Grundlage für gemeinsame große Geschäfte und ist aus diesem Grunde schon zu begrüßen; ob er für die Dauer ausreicht, muss erst die Zukunft zeigen.

Drei Gruppen der in Rede stehenden Art sind hier zu nennen: die 1921 ins Leben gerufene, gegenwärtig sieben Institute in sich schließende „Gemeinschaftsgruppe Deutscher Hypothekenbanken“. Mit ihr steht in freundschaftlichen Beziehungen (ohne vertraglich gebunden zu sein und mit dem Zwecke, „größere Geschäfte gemeinschaftlich abzuschließen, um dadurch mit verstärkten Mitteln gerüstet zu sein, die den Hypothekenbanken bei dem allmählichen Wiederaufbau des Wirtschaftslebens zufallenden Aufgaben zu erfüllen“ - Frankfurter Hypothekenbank, Geschäftsbericht 1923) die „Arbeitsgemeinschaft Süddeutscher Hypothekenbanken“, der heute sechs Institute angehören. Schließlich die unter Führung der Preußischen Central-Bodenkredit Aktiengesellschaft ins Leben gerufene, vier Institute umfassende, „Deutsche Central-BodenKredit-Vereinigung“.

Über das Stärkeverhältnis dieser drei Gruppen gibt folgende Zusammenstellung des Aktienkapitals und des Pfandbriefumlaufs für das Jahr 1913 einigen Anhalt:

Tabelle 1
Aktienkapital und Pfandbriefumlauf

Die verhältnismäßige Bedeutung der Zusammenschlussbewegung wird deutlich, wenn man berücksichtigt, daß die 40 deutschen Hypothekenbanken, welche in die Statistik des Deutschen Ökonomisten aufgenommen waren, Ende 1913 ein Aktienkapital von zusammen 890,8 Millionen DM und einen Pfandbriefumlauf von insgesamt 11,0 Milliarden DM auszuweisen hatten. Der Anteil der drei vorgenannten Gruppen wäre somit – unter Zugrundelegung der Ziffern von 1913 – am Gesamtbetrag des Aktienkapitals 15,3 % bzw. 19,6 % bzw. 10,3 %, zusammen somit 45,2 %, und am Gesamtumlauf an Hypothekenbankpfandbriefen 19,8 % bzw. 33,6 % bzw. 14,5 %, zusammen 67,9 %. Da der Pfandbriefumlauf für die Bedeutung des Hypothekengeschäftes entscheidend ist, kann man feststellen, daß die drei Gruppen rund ¾ des gesamten Geschäftes in Händen haben. Die miteinander in Beziehung stehenden beiden ersten Gruppen hatten 1913 allein über die Hälfte des Geschäftes bei sich konzentriert. Daß diese durch die wirtschaftliche Not herbeigeführte starke Konzentration dann auch bedenkliche Seiten haben kann, wenn in Zukunft die Konkurrenz der Sparkassen und Versicherungsunternehmen wegfallen oder doch relativ erheblich geringer sein würde als vor dem Kriege, sei nur nebenher vermerkt. Vorab ist noch damit zu rechnen, daß die organisatorische. Vorab ist noch damit zu rechnen, daß die organisatorische Umgestaltung durch ein Wiederaufleben des Hypothekengeschäfts ebenso gestärkt wie gemindert werden kann. Viel wird dabei auf die Entwicklung des Emissionsgeschäfts ankommen. Im Übrigen ist für die gegenwärtige Betrachtung der Dinge nicht unwesentlich, daß die Konzentration ihre Wirkungen auf das laufende Geschäft nur unter ganz abnormen Verhältnissen geltend machen konnte; daß ferner „die Formen der Zusammenarbeit nur langsam gefunden werden konnten“ (Bericht 1923 der Centralvereinigung); weiter, daß die in einer gleichen Gruppe befindlichen Institute in der Vorkriegszeit keineswegs eine völlig gleichartige Geschäftspolitik verfolgten; schließlich, daß die Bindung bei den drei Gruppen eine verschieden starke ist.

Besondere Maßnahmen zur Festigung des Zusammenschlusses sind in der Gemeinschaftsgruppe getroffen worden. Die in ihr zusammen­geschlossen­en Institute gründeten um die Wende des letzten Jahres die Treuhandvereinigung für Hypothekenbankwerte G. m. b. H. in Berlin, deren Zweck es ist, zu verhindern, daß eine dem Interesse der Einzelbank fremde oder feindliche Person oder Personen mehrheitlich überragenden Einfluss in der Generalversammlung erlangen kann, und dabei gleichzeitig den bestehenden Zusammenschluss zu festigen. Die einem festen Zusammenhalt und einer einheitlichen Geschäftspolitik besonders förderliche Gemeinschaftsdirektion ist keine Besonderheit dieser Gruppe, sondern findet sich auch in der Central-Boden-Credit-Vereinigung. Am lockersten ist, zumindest formal, der Zusammenschluss in der Süddeutschen Arbeitsgemeinschaft. Die ihr angehörende Frankfurter Hypothekenbank betont in ihrem Bericht für 1923 ausdrücklich, daß die rechtliche und wirtschaftliche Selbständigkeit der einzelnen Institute durch die gemeinsame Organisation in keiner Weise berührt sei.

Die Gemeinschaftsgruppe selbst begründet die Schaffung der Treuhandvereinigung wie folgt: Zwecks Ausdehnung des Pfandbriefumlaufs sei die Erhöhung des Aktienkapitals gesetlich notwendig gewesen. Für die Art der Durchführung aber sei die Erwägung maßgebend gewesen, „daß bei dem rapiden Verfall der Mark und der Unmöglichkeit, den bei der Ausgabe der jungen Aktien erzielten Erlös wertbeständig anzulegen, auch die Begebung der Aktien mit nominell hohem Agio ein Verlustgeschäft für die Bank bedeutet haben würde. Wir zogen es deshalb im Interesse unserer Aktionäre vor, die auszugebenden Aktien mit der Auflage zu begeben, daß der Übernehmende sie jederzeit gegen Erstattung des gezahlten Übernahmepreises zur Verfügung der Bank zu stellen hat. Sie bleiben somit jederzeit greifbar und können im Interesse der betreffenden Bank verwertet werden; ein bei einer solchen Begebung erzieltes Agio fließt ihr restlos zu. Solange die Aktien auf diese Weise begeben sind, wirken sie zugleich als Schutz gegen Überfremdung“, der bei den Hypothekenbanken besonders geboten ist. „Annähernd die Hälfte“ des Aktienkapitals der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Institute befindet sich im Besitze der Treuhandvereinigung.

Um einer Überfremdung vorzubeugen, wurde auch im Hypothekenbankwesen das Mittel der mehrstimmigen Vorzugsaktie angewandt. Fünf der in der Gemeinschaftsgruppe und drei der in der Centralvereinigung befindlichen Institute haben derartige Vorzugsaktien geschaffen. Die Berechtigung eines solchen Vorgehens zeigt eine andere für das ganze Hypothekenbankwesen wichtige Erscheinung: der Aufkauf von Hypothekenbanken durch außenstehende Konzerne. Die Aktienmehrheit von zwei Hypothekenbanken hatte zurzeit die Commerz- und Privat-Bank erworben. Sie veräußerte ihren Besitz an Aktien der Preußischen Hypothekenbank an die Barmat-Gruppe und denjenigen an Anteilen der Mitteldeutschen Boden-Creditanstalt an den Michael-Konzern. Die Firma Michael beherrscht außerdem die inzwischen von Hildesheim nach Berlin, dem Sitz der genannten Firma, übergesiedelte Hannoversche Bodencreditbank. Wenn diese drei Institute 1913 auch nur rund 4 % des Gesamtumlaufs an Hypothekenpfandbriefen als ihre Emission bezeichnen konnten, so ist die wirkliche Bedeutung dieses Übergangs der Verfügungsgewalt insbesondere auch deswegen viel größer, weil die Gefahr einer Ausnutzung des Kredits der Hypothekenbanken und ihrer Obligationen besteht, die für das eigene und eigentliche Geschäft der Institute von Nachteil sein muss.

Von der eben gewürdigten Konzentrationsbewegung im Hypothekenbankwesen kann man im kurzen Rückblick auf diese Untersuchung ausgehen. Die Zusammenfassung der Kräfte bietet an sich fraglos gesteigerte Wirkungsmöglichkeiten. Nur wird man sich davor hüten müssen, den Kraftzuwachs im Einzelnen einfach aus der Addition der bisherigen Kapital- und Umsatz-Einziffern herauslesen zu wollen. Mindestens ebenso sehr wie auf die äußere Zusammenfassung kommt es auf die innere Stabilisierung an, die sich noch erst durchsetzen muss.

Das gilt umso mehr, als das Akthgeschäft der Institute eine so starke Wandlung aufzuweisen hat, daß man bei manchen Instituten von einer völligen Änderung des Gegenstandes des Unternehmens sprechen muss. Nicht nach dem in der Konjunkturgestaltung gegebenen Weshalb dieser Umstellung ist heute in erster Linie noch zu fragen, sondern nach dem Wohin. Wollen die Hypothekenbanken, wenn nicht auch dem Wortlaut, so doch zumindest dem Sinne des Hypothekenbankgesetzes entsprechend, allgemein wieder „reine“ Hypothekenbanken werden und nicht mehr und mehr den Charakter von Finanzierungsinstituten bekommen, so ist Selbstbesinnung am gegenwärtigen Wendepunkt unerlässlich.

Man muss es nicht nur im Interesse der Weiterentwicklung im Hypothekenbankwesen, sondern mehr in demjenigen des städtischen Realkredits bedauern, daß unter den verschiedenen Gruppen so starke Meinungsverschiedenheiten über die zweckmäßigste Orientierung der gesamten Geschäftspolitik herrschen. Würde man in erster Linie von dem gemeinsamen Interesse an der Aufrechterhaltung des Vertrauens zu dem in der Vergangenheit so beliebten Pfandbrief sich leiten lassen, auch nicht vergessen, daß die nicht „überfremdeten“ Institute sehr bald gezwungen sein könnten, gemeinsam gegen möglicherweise ganz anders interessierte aufgekaufte Unternehmen Stellung zu nehmen, so müsste eine grundsätzliche Einigung über die zu verfolgende Strategie der Geschäftspolitik erzielt werden. Sollte freilich bei einem Teil der Institute gar nicht die Absicht bestehen, sich so bald als möglich auf das eigentliche Pfandbriefgeschäft als Hauptgeschäft einzustellen, so liegt volle Klarheit darüber im Interesse der Gemeinschaft.

Beitrag als PDF


DOI: 10.2478/wd-1924-1287

Fachinformationen über EconBiz

EconBiz unterstützt Sie bei der Recherche wirtschaftswissenschaftlicher Fachinformationen.