Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Die Passivität der deutschen Handelsbilanz erreichte nach den monatlichen Ausweisen des Statistischen Reichsamtes für den auswärtigen Handel für das erste Halbjahr 1924 die Höhe von rund 1,6 Milliarden G.M. So prozentual gering der Anteil der Luxus- und Genußmitteleinfuhr an diesem Ergebnis auch ist, so lässt sich doch eine Steigerung gegenüber der Vorkriegszeit nicht verkennen, und sie darf angesichts der äußersten Sparsamkeit, die für die deutsche Wirtschaft geboten ist, in ihrer Wirkung nicht außer Acht gelassen werden. Bei der Rohtabakeinfuhr lässt sich eine Verdoppelung des prozentualen Anteils an der Gesamteinfuhr von 1,3 % 1913 auf 2,7 % im ersten Halbjahr 1924 feststellen. Sie betrug im ersten Halbjahr 1924: 119,8 Mill. G.M. für Rohtabak – die Werte für Zigarren, Zigaretten und einige andere Tabakerzeugnisse, bzw. die Werte für die Rohtabakausfuhr können zunächst als sehr geringfügig unberücksichtigt bleiben –; es ergibt sich demnach, daß die Einfuhr in sechs Monaten bereits die entsprechende Einfuhr für das vergangene Jahr (118,7 Mill. G.M.) um 1,1 Mill. G.M. übersteigt und hinter der Jahreseinfuhr von 1913 (134,3 Mill. G.M.) nur um 10 % zurückbleibt. Im Jahre 1913 stellte dieser Wert der Rohtabakeinfuhr etwa 50 % des Wertes der Ausfuhr an elektrotechnischen Artikeln dar, 1924 dagegen 96 %. Allerdings muß die allgemeine Preissteigerung für Tabak beachtet werden, die für gute Sorten das Zwei- bis Dreifache der Friedenspreise betrug. Daher bleibt die mengenmäßige Einfuhr für die ersten sechs Monate 1924 doch immerhin um rund 30 % hinter der Jahreseinfuhr von 1913 zurück. Auch dies bedeutet jedoch noch eine außerordentlich starke Zunahme, die sich nur zum Teil aus der bereits vor dem Kriege ersichtlichen und in der Folgezeit noch besonders erhöhten Tendenz zur Steigerung des Tabakkonsums bzw. aus der Abnahme der inländischen Tabakproduktion erklären lässt.

Figure 1

Da indessen sowohl für die Anbau- als auch für die Einfuhrstatistik infolge der mangelhaften bzw. völlig fehlenden Berichterstattung aus den westlichen Gebieten nur unvollständige Angaben zu erhalten sind, dürfte das tatsächliche Bild noch in manchen Zügen abweichen. Diesem Umstand ist vermutlich auch ein Teil des, selbst nach Berücksichtigung des verringerten Gebietsumfangs, auffallenden Rückgangs der Anbaufläche zuzuschreiben, demzufolge sich trotz der erheblichen Ertragssteigerung je Hektar die Inlandsproduktion in der Nachkriegszeit so stark vermindert hat. Die Jahre 1910/12 zeigten ein ungewöhnlich gutes Verhältnis der deutschen Ernte zur Einfuhr, das jedoch nur eine Folge der vorübergehenden Einfuhrverminderung nach der Einführung der im Rahmen der Reichs­finanzreform erlassenen Tabakzoll- und -steuergesetzgebung war. Das Normale war etwa ein Verhältnis von 33 %. So günstig konnte das Verhältnis von einheimischer Produktion zur Einfuhr allerdings nicht wieder gestaltet werden; es ist eher anzunehmen, daß für 1923 in Anbetracht der stark verringerten Anbaufläche, sowohl absolut wie relativ, eine weitere Verschlechterung zu verzeichnen sein wird. Eine gewisse Einfuhrzunahme könnte man daher als Ausgleich für diesen Produktionsrückgang auffassen. Wie bedenklich indessen die Einfuhrsteigerung, besonders in den ersten Monaten dieses Jahres, ist, zeigt ein Vergleich mit der Zusammen­schrumpfung der Gesamteinfuhr.

Figure 2

Wenn man auch selbstverständlich nicht erwarten kann, daß das Volumen der einzelnen Einfuhrartikel sich im selben Verhältnis wie das der Gesamteinfuhr vermindert, so ist hier das Mißverhältnis denn doch so groß, daß es beachtet werden muß. Die monatliche Tabakeinfuhr für das erste Halbjahr 1924 erreicht damit fast wieder die Rekordziffern des Jahres 1921. Verfolgt man die monatliche Statistik für das letzte Inflationsjahr und das erste Halbjahr 1924, so zeigen sich außerordentlich große Schwankungen, die auf die Bewegungen am Devisenmarkt zurückzuführen sind und nicht mehr mit normalen Saisonschwankungen zusammenhängen.

Figure 3

Während der Stabilitätsepoche im ersten Vierteljahr 1923 – der Dollar blieb von Mitte Februar bis Mitte April auf ungefähr gleicher Höhe – war die Einfuhr nur gering, stieg mit der fortschreitenden Entwertung und zunehmenden Flucht vor der Mark im Sommer stark an und ging im September/Oktober zur Zeit der heftigsten Kursstürze und der erschwerten Devisenbeschaffung scharf zurück. Die Sommerziffern wurden auch zunächst in den ersten Monaten der jetzigen Stabilisierung nicht wieder erreicht, bis der Februar d. J. eine plötzliche Steigerung um mehr als das Doppelte gegenüber dem Vormonat brachte. Die im April einsetzende Geldknappheit wirkte sich erst im Juni in bemerkenswerter Weise aus, obwohl man bereits im Mai vielfach Klagen von Seiten des Tabakhandels vernehmen konnte. Ob und inwieweit es sich bei diesen großen Tabakkäufen etwa um Spekulationskäufe in Anbetracht einer bevorstehenden Änderung der Tabaksteuergesetzgebung handelt, lässt sich nicht feststellen.

Wenden wir uns nunmehr der Ein- bzw. Ausfuhr von Tabakerzeugnissen zu, so ist zunächst festzustellen, daß nach den Aufstellungen des „Statistischen Jahrbuchs für das Deutsche Reich“ nur Zigarren und Zigaretten aufgeführt werden, während die monatlichen Nachweise auch die allerdings kaum nennenswerten Mengen und Werte anderer Tabakerzeugnisse, nämlich bearbeitete Tabakblätter, Tabakrippen und -stengel, Tabaklaugen, Schnupf-, Rauch- und Kautabak, verzeichnen. Die diesbezüglichen Mengen bzw. Werte für das erste Halbjahr 1924 sind (in 1000 dz) 49,5 bzw. (in 1000 G.M.) 0,3. Erheblich höhere Werte stellen dagegen die eingeführten Zigarren und Zigaretten dar. Der Wert der Zigarreneinfuhr im ersten Halbjahr 1924 beträgt 466.000 G.M.; dem steht eine Ausfuhr im Werte von 4.554.000 G.M. gegenüber. Ein Vergleich der Werte mit 1923 ist kaum angängig, da für dieses Jahr die Werte der Einfuhr nicht angegeben werden konnten. Ein Vergleich der Werte der Ausfuhr zeigt keine besondere Veränderung (in 1000 G.M.): 1923 Jahresausfuhr 10.654; 1924 Halbjahrausfuhr 4.554. Beachtenswert ist, daß, obgleich die Einfuhr an Zigarren mengenmäßig nur rund 2,6 v. H. der Ausfuhr des ersten Halbjahrs beträgt, der Wert der Einfuhr rund 10 v. H. des Wertes der Ausfuhr ausmacht, da es sich demnach bei der Zigarreneinfuhr nur um sehr hochwertige Qualitäten handelt. Auch bei der Zigaretteneinfuhr ist die Einfuhr wertmäßig relativ erheblich höher als die Ausfuhr; da die Einfuhrmenge der der Ausfuhr fast gleichkommt, ergibt sich hier nur ein geringer Ausfuhrüberschuss von 23.000 G.M. für das erste Halbjahr 1924. Daß indessen der Außenhandel mit Zigarren und Zigaretten in den letzten Jahren stark aktiv geworden ist, zeigt folgende Tabelle (eine wertmäßige Aufstellung ist mangels der erforderlichen Unterlagen nicht zu geben):

Figure 4

Allerdings ist anzunehmen, daß die durch das „Loch im Westen“ eingeführten, nicht erfaßten Mengen das Verhältnis noch einigermaßen verschieben dürften, da erst die nächsten Monate eine Vollständigkeit der Handelsstatistik ermöglichen werden. Die Beteiligung der Tabakexportländer an unserer Einfuhr ist ziemlich gleich geblieben.

Figure 5

Die starke Zunahme der Einfuhr aus Griechenland ist dem Anschluß von Kreta an Griechenland zuzuschreiben. Eine bedeutende Erhöhung ist für die Einfuhr aus den Vereinigten Staaten zu verzeichnen. Dagegen zeigt sich in der Richtung des Zigarren- bzw. Zigarettenhandels eine recht erhebliche Verschiebung, soweit die wenig ausführlichen Angaben des Statistischen Reichsamtes ein klares Bild ermöglichen.

Figure 6

Eine Spezifizierung nach Einfuhrländern wird in den monatlichen Nachweisen seit diesem Jahr überhaupt nicht mehr gegeben.

Abgesehen von der Ausfuhr nach den durch den Friedensvertrag abgetrennten Gebieten ist besonders auffallend der starke Anteil Spaniens an der Ausfuhr sowohl von Zigarren wie auch Zigaretten. Nach den Berichten des letzten Jahres, für Zigaretteneinfuhr noch nicht selbständig angeführt, sondern unter „übrige Länder“ ausgewiesen, steht es im ersten Halbjahr 1924 an erster Stelle nach dem Saargebiet. Noch überraschender ist die Zunahme des Zigarrenexports nach Spanien, der fast 75 % der gesamten Zigarrenausfuhr der ersten sechs Monate dieses Jahres beträgt [Gesamtausfuhr (in 1000 dz): 8,8; Ausfuhr nach Spanien: 6,6] und damit weitaus an erster Stelle steht, während im Jahre 1913 ein nennenswerter Export nach Spanien überhaupt nicht stattgefunden hatte. Diese starke Steigerung des Exports datiert insbesondere vom vergangenen Jahr her, in dem der spanische Anteil bereits etwas über die Hälfte des gesamten Exports ausmachte, nachdem es vorher noch an fünfter Stelle gestanden hatte.

Einen starken Rückgang erfuhr dagegen die Zigarrenausfuhr nach den nordischen Ländern; prozentualer Anteil an der Ausfuhr: 1913: 43 %; 1920: 48 %; 1922: 20 %; 1923: 13 %. Die Ausweise von 1924 führen diese Staaten nicht mehr gesondert auf.

Auf der Einfuhrseite fällt vor allem das fast völlige Ausscheiden der ägyptischen Zigaretteneinfuhr auf, die noch im Jahre 1913 rd. 10 % der Gesamteinfuhr ausgemacht hatte. Allenfalls könnte in der vermehrten Rohtabakeinfuhr aus der Türkei eine indirekte ägyptische Einfuhr verborgen sein – Zigaretteneinfuhr aus der Türkei ist in den Berichten des Statistischen Reichsamtes ebenfalls nicht zu finden. Die übermäßig gestiegenen Einfuhrziffern für Belgien und Großbritannien sind nur das Spiegelbild der schnell vorübergehenden Scheinkonjunktur von 1920 gewesen. Wie weit diese Länder jetzt noch an der Einfuhr beteiligt sind, ist aus den „Monatlichen Nachweisen“ nicht ersichtlich.

Beitrag als PDF


DOI: 10.2478/wd-1924-1453

Fachinformationen über EconBiz

EconBiz unterstützt Sie bei der Recherche wirtschaftswissenschaftlicher Fachinformationen.