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Bei den an der Börse unter dem Marktgebiet der „nach Sachwert verzinslichen Pfandbriefe und Schuldverschreibungen“ gehandelten Werten hat sich im Laufe des Jahres 1924 eine grundsätzliche Wandlung vollzogen. Während Ende 1923 an der Berliner Börse wertmäßig die auf Kohle ausgestellten Werte etwa 20 %, die auf Roggen lautenden Papiere etwa 35 %, die Goldwertpapiere etwa 45 % aller Werte ausmachten, entfielen bei den im Laufe des Jahres 1924 eingeführten Werten, die z. T. jedoch noch im Jahre 1923 begeben worden waren, 56 % auf Goldwerte, 43 % auf Roggenwerte (1 Zentner Roggen zu 12 M gerechnet), nur 1 % auf Kohlenwerte (nach dem jetzigen Kohlenpreis). Die Kohlenwerte und ebenso die auf Kali, Holz, Flachs usw. lautenden Werte haben sich als nur bei schwankendem Geldwert gedeihende Emissionen erwiesen. Bedeutsam ist es demgegenüber, dass die Ausgabe der auf Roggenwert ausgestellten Papiere, einer vor dem Krieg unbekannten Gruppe, auch bei stabiler Währung eine breite Ausdehnung fand. Für den Landwirt, dessen Kaufkraft im Wesentlichen in Roggen „erwächst“ und sich bemisst, bedeutet eine Verschuldung wie eine Anlage in Roggenpapieren eine ungefährliche Kalkulationsgrundlage, wie auch grundsätzlich die Roggenwährung für einen reinen Agrarstaat mit Roggenkultur sehr wohl möglich ist. Und allgemein hat sich der Wert des Roggens in langen Zeiträumen ebenso stabil erwiesen wie der Wert des Goldes. Für das Gold spricht aber, dass in kurzen Zeitspannen, zumal bei ausgeglichener Weltwirtschaft, die Wertschwankungen geringer sind. Die auf Roggen lautenden Werte werden, wenn ihre Ausgabe überhaupt weiter erfolgt, immer ein Spezialpapier der Landwirtschaft bleiben. Neuerdings sind die landwirtschaftlichen Institute auch schon mehr und mehr zur Ausgabe von Goldwerten übergegangen, wohl deshalb, weil der allgemeine Kapitalmarkt bei den großen Schwankungen des Roggenpreises und angesichts des stark spekulativen Charakters des internationalen Getreidemarktes für Roggenwerte nur geringe Aufnahmeneigung zeigte.

Die Goldwerte, vor allem die Goldpfandbriefe, die gegenüber der früher angewandten Fundierung auf Dollar, Gramm Feingold, heute durchweg auf runde Summen Goldmark (1 Goldmark = 0,35842 g Feingold) lauten, treten auf dem Markt der festverzinslichen Werte mehr und mehr in den Vordergrund. Damit ist die Anknüpfung an den Fondsmarkt der Vorkriegszeit vollzogen. Bei den auf runde Summen Goldmark lautenden Werten wäre auch die Stückzinsenverrechnung ohne Schwierigkeit wieder einzuführen. Zugleich wäre die in der Überschrift angedeutete Aufteilung dieses Marktgebietes zu empfehlen, in die in ihrer Wertgrundlage schwankenden Sachwertpapiere, vor allem Roggen- und Kohlenwerte, und in die an der Reichswährung gemessenen stabilen festverzinslichen Goldwerte.

Die Stellung dieses Marktgebietes gewinnt insgesamt mehr und mehr an Bedeutung. Der Nennwert der an der Berliner Börse gehandelten Werte ist auf 700 Mill. M zu schätzen, nicht eingerechnet die Umlaufsummen der Landschaften, die vom Prospektzwang und von der Bekanntgabe der zur Börseneinführung gebrachten Umlaufsmengen befreit sind. Im Jahre 1924 wurden insgesamt rund 400 Mill. M neue Werte eingeführt. Im laufenden Jahr ist die Emissionstätigkeit weiter angewachsen. Die Ausgabe an festverzinslichen Werten betrug nach der „Frankfurter Zeitung“ im Januar 49,92 Mill. M. Den Hauptteil davon bestreiten die Goldpfandbriefe der Hypothekenbanken, Landschaften und Bodenkreditinstitute. Als Kreditnehmer sind hier in erster Linie die gewerbetreibenden Grundstücksbesitzer und landwirtschaftlichen Kreise zu nennen. Zu den Goldpfandbriefen treten in geringem Umfange Kommunalobligationen. Die Ausgabe von Schuldverschreibungen industrieller Werke auf dem Inlandsmarkt ist sehr gering. Zum Vergleich sei noch angeführt, dass im Jahre 1913 an der Berliner Börse 378 Mill. M Pfandbriefe von Landschaften und Hypothekenbanken zugelassen wurden.

In den letzten Monaten war auf dem Markt der „wertbeständigen Anleihen“ eine rege Nachfrage und eine beträchtliche Aufbesserung des Kursstandes zu verzeichnen, wie es aus der nachfolgenden Tabelle zu ersehen ist. Der Hauptgrund dafür liegt in dem Rückgang der Zinssätze am Geldmarkt. Die hohe Effektivverzinsung der Festwertpapiere musste daher die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Mit dem Steigen der Kurse erfuhr dann die Effektivverzinsung der Anleihen eine entsprechende Senkung. Dieselbe Erscheinung war auch bei Neuemissionen zu verzeichnen. 10 %ige Pfandbriefe wurden Ende August zu 85, Ende September zu 92, Ende Oktober zu 95, Ende Januar zu 98 % emittiert. Nach und nach ging man über den 9 %igen zum 8 %igen Typ über. 8 %ige Pfandbriefe wurden Anfang Dezember mit 85, Anfang Januar mit 87 ½, Ende Januar mit 94 % ausgegeben. Die letztgenannte, mit 94 % begebene 8 %ige Anleihe der Landesbank der Rheinprovinz fand in Höhe von 6 Mill. M einen schnellen Absatz. Sie bedingt eine Effektivverzinsung von 8,5 %, während, was vergleichsweise angeführt sei, die mit 93¾ % aufgelegte 7 %ige Anleihe der A. E. G. in Amerika sich auf eine Effektivverzinsung von 7,5 % stellt. Erwähnt sei auch noch, dass die von amerikanischen Banken übernommene, mit 92 % begebene 7 %ige Anleihe der Sächsischen Werke zum Teil auch auf dem deutschen Markt aufgelegt wurde, wo ihr allerdings kaum ein Erfolg beschieden war. Außer wegen des Anreizes, der allgemein in der Erleichterung des Geldmarktes gegeben war, nahm das Interesse für die Sachwertanleihen noch deswegen zu, weil eine weitere Entspannung des Geldmarktes Kursgewinnmöglichkeiten bietet. Ferner gewähren diese Werte an sich im Gegensatz zu den Aktien schon jetzt eine feste, hohe Verzinsung. Die hohe Verzinsung fällt auch besonders ins Gewicht gegenüber den niedrigen Habenzinssätzen der Banken und Sparkassen.

Die Hauptkäuferschichten für die Festwertanleihen stellt das breite Publikum, während die Börsenspekulation demgegenüber zurücktritt. So wurden auch die Kurse der Anleihen von der Abschwächung der Börse in den letzten Wochen kaum betroffen. Die Spargelder scheinen mehr den neuen festverzinslichen Werten zuzufließen als den Banken und Sparkassen. Neben der Zinspolitik der Kreditinstitute spielt dabei vielleicht auch die Erwägung mit, dass die Pfandbriefe usw. auf Goldmark lauten, während von der Reichsbank und damit auch von den Banken im Kreditverkehr die Goldklausel fallen gelassen wurde. Wegen ihrer Goldklausel bieten die Festwertanleihen auch ein geeignetes Anlagepapier für die Versicherungen, die auch meist ihre Versicherungen nach Goldwert oder Devisen abschließen. Neuerdings zeigte sich einem Bericht der Amsterdamschen Kreditmaatschappij zufolge auch in Holland ein wachsendes Interesse für Goldpfandbriefe deutscher Hypothekenbanken. Desgleichen konnten in Amerika und England Goldpfandbriefe in größeren Posten zu günstigen Bedingungen abgesetzt werden.

Einer näheren Betrachtung bedarf noch die Kursgestaltung der Roggenwerte. Sie sind seit Ende Oktober um ca. 10 % gestiegen, sind aber damit noch hinter der inzwischen eingetretenen Roggenpreiserhöhung zurückgeblieben. Darin kommt die Zurückhaltung der Börse gegenüber den starken Preisschwankungen und dem hohen Preisstand des Roggens zum Ausdruck. Die 5 %igen Roggenpapiere erreichen nur ca. 50 % ihrer Wertgrundlage und bieten damit eine Effektivverzinsung von 10 %, die also bedeutend höher ist als die der 5 %igen Goldpapiere mit 7 %. Noch größer ist der Unterschied bei den 10 %igen Roggen- und Goldpapieren mit 14,4 % bzw. 10 %. Die Effektivverzinsung der Kohlenanleihen stellt sich ähnlich der der Goldanleihen dar. Einige Kohlenanleihen sind, wie es in den Satzungen vorgesehen war, nach Einführung der neuen Währung auf Goldwert umgestellt worden.

Bei Betrachtung der nachfolgenden Tabelle ist festzustellen, dass die 5 %igen Werte eine niedrigere Effektivverzinsung aufweisen als die höher verzinslichen Papiere. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich für die nominell niedrig verzinslichen Werte eine zusätzliche Verzinsung daraus errechnen lässt, dass zwischen ihrem jetzigen Kurs und der Pari-Rückzahlung eine größere Gewinnspanne liegt. Dieser Umstand lässt besonders solche Werte begehrenswert erscheinen, die schon bald getilgt und zurückgezahlt werden. Die Erscheinung, dass die Pfandbriefe der Landschaften niedriger notieren als die der Hypothekenbanken, erklärt sich aus technischen Gründen. Die Landschaften – sie sind vom Prospektzwang befreit – führen je nach dem eintretenden Bedarf weitere Papiere an der Börse ein und drücken damit auf den Kurs, während die Hypothekenbanken zur geeigneten Zeit größere Posten emittieren und auch sonst die Kurse ihrer Werte zu regulieren und zu stützen suchen.

Abbildung 1
Der Markt der Sachwert- und Goldwertanleihen
Der Markt der Sachwert- und Goldwertanleihen


DOI: 10.2478/wd-1925-0287

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