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Wie der Herterbericht sagt, hat es Demokratie noch in keinem Land gegeben, dessen wirtschaftliche Entfaltung verhindert wurde. Da von freier Entfaltung der westdeutschen Wirtschaft vorerst nicht die Rede ist, wird gefragt, ob nicht die westdeutsche Staatsgründung verfrüht sei, ob ihr nicht die Gewährung der wirtschaftlichen Souveränität vorhergehen müsse?

Das Programm der USA für die besetzten deutschen Gebiete, wie es sich 1942/43 herausbildete, sah vor: anfänglich nur lokale Selbstverwaltung, später in dem Maße, wie sich die Elemente einer deutschen Demokratie bilden, Fortschritt zu regionaler und nationaler Selbstregierung. Obwohl diese Entwicklung durch die Morgenthaupolitik in Frage gestellt war, setzte sie sich durch. Bonner Verfassung und Besatzungsstatut sind in dieser Entwicklung eine Stufe, nicht der Abschluss. Nach dem Stand der Auseinandersetzung zwischen den Westmächten ist die Übertragung der wirtschaftlichen Souveränität in deutsche Hände noch nicht zu erwarten, die Besatzungsmächte behalten sie sich vielmehr in dehnbaren, weitgefassten Bestimmungen vor. Andererseits wird eine Bühne geschaffen, auf der Westdeutschland erst zum Bewusstsein seiner Wirtschaftsnotwendigkeiten gelangen und den Kampf um sie aufnehmen kann. Damit wird auch der Kampf um die Europaplanung erst auf eine nicht mehr unwirkliche und widerspruchsvolle Grundlage gestellt.

Denn Westdeutschland ist das wichtigste europäische Industriegebiet, bei dessen fortgesetzter Verkümmerung der europäische Wirtschaftsaufbau zum Scheitern verurteilt ist. Die niederländischen Häfen und Wasserstraßen, die niederländische und italienische Obst- und Gemüsezucht, der griechisch-türkische Tabak- und Rosinenbau sind auf ungehemmte Entfaltung der deutschen Kaufkraft angewiesen, und wie der Harriman-Bericht nachgewiesen hat, ist es eine Utopie, die Belieferung dieser Länder mit Stahl und Stahlerzeugnissen in der Hauptsache aus anderen Quellen zu erwarten als der westdeutschen Schwer- und Maschinenindustrie. Um aber innerhalb der OEEC, der Ruhrbehörde und der anderen europäischen Wirtschaftsgremien diesen europäischen Standpunkt durchzusetzen, muss Westdeutschland in ihnen durch deutsche Vertreter, nicht durch Abgeordnete der Militärregierungen vertreten sein. Dies wird durch die Bonner Verfassung und das Besatzungsstatut herbeigeführt.

Die spätere Wiedervereinigung mit der sowjetischen Zone kann durch Herstellung klarer Verhältnisse in Westdeutschland nur erleichtert werden. Nicht weniger wichtig ist jedoch die enge wirtschaftliche Vereinigung mit den Marshallplanländern, in dem Bonner Verfassungswerk untermauert durch den Vorbehalt, dass Souveränitätsrechte auf übernationale Stellen — etwa eine europäische Wirtschaftsunion — übertragen werden können.

Die Gefahr des wirtschaftlichen Separatismus

Wenn auch die Bildung einer westdeutschen Regierung vom politischen Standpunkt unzweifelhaft Vorteile bringen mag, so darf diese Frage doch nicht allein politisch beurteilt werden. Die Frage der Regierungsbildung hat neben anderen auch eine wirtschaftliche Seite. Trotz aller erregten Diskussionen um das Bonner Verfassungswerk in der deutschen Öffentlichkeit ist m. E. dieser Seite zu wenig Beachtung geschenkt worden. Regieren heißt gestalten. Haben wir aber die Möglichkeit, wirtschaftlich etwas zu gestalten, so lange wir nicht die wirtschaftliche Souveränität über das ganze Wirtschaftsgebiet besitzen? Bis dahin können wir nur die wirtschaftlichen Teile, die uns aus dem Zusammenbruch verblieben sind, verwalten, um sie in ihrem Bestand und ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, bis wir diese Teile wieder zu einem organischen Ganzen zusammenfügen können. Das können wir heute noch nicht.

Nur bei rationeller Ausnützung und bei organischem Einbau aller uns verbliebenen wirtschaftlichen Kräfte und Mittel in eine den gegenwärtigen Verhältnissen entsprechende Wirtschaftsstruktur wird es möglich sein, für das deutsche Volk einen Lebensstandard zu erhalten, der es nicht auf eine Stufe geringerer Leistungsfähigkeit herabstößt. Die Wirtschaftsstruktur wird anders aussehen als früher, sie lässt sich aber nur planvoll aufbauen auf den Kräften und Mitteln des ganzen Wirtschaftsgebietes.

Es liegt in der Bildung einer Teilregierung die Gefahr, dass die einzelnen Teile auch wirtschaftlich als Ganzheiten genommen werden und dass man aus diesen Teilen kraft der neugewonnenen Regierungsgewalt kleine Organismen schafft, die später nicht mehr zusammenpassen wollen. Wir können kein westliches und kein östliches Wirtschaftsgebiet gebrauchen, das jedes nach eigenen Gesetzen lebt. Ebenso wie die deutsche Wirtschaftsstruktur anders aussehen wird als die westdeutsche oder ostdeutsche Teilstruktur, wird sich auch die deutsche Wirtschaftsverfassung von den in beiden Teilgebieten jetzt gültigen Wirtschaftsverfassungen unterscheiden müssen. Die Einzelteile werden bei einer Wiedervereinigung des deutschen Wirtschaftsgebietes und bei einer Wiedererlangung der wirtschaftlichen Souveränität zu einem organischen Wirtschaftskörper zusammenwachsen müssen. Es stimmt bedenklich, wenn man bereits jetzt auf beiden Seiten die Forderung hört, dass ihre Wirtschaftsverfassung für das Gesamtgebiet Gültigkeit erlangen müsse — ganz abgesehen davon, dass es taktisch unklug ist, es auszusprechen. Die Bildung von Teilregierungen unterstützt die Gefahr der wirtschaftlichen Isolation und des wirtschaftlichen Separatismus.

Führt Rationalisierung zur Arbeitslosigkeit?

Die Wirtschaftsstruktur muss verändert werden

Es ist keine Frage, das deutsche Produktionsergebnis entspricht nicht dem Kräfteeinsatz und dem Arbeitspotential. Das heißt, dass die deutsche Wirtschaft unwirtschaftlich arbeitet. Diese Unwirtschaftlichkeit wirkt sich darin aus, dass weder der Inlandsmarkt seinen großen Bedürfnissen entsprechend mit Gebrauchsgütern, die auf einem der beschränkten Kaufkraft angemessenen Preisniveau stehen, ausreichend versorgt werden kann, noch auf dem Auslandsmarkt konkurrenzfähig angeboten werden kann. Also Rationalisierung?

Sowohl im Produktionssektor als auch ganz besonders im Verteilungssektor besteht eine Übersetzung an Arbeitskräften. Rationalisieren verlangt also Freisetzen von Arbeitskräften. Oder mit anderen Worten: Unsere Unwirtschaftlichkeit stellt eine indirekte soziale Hilfe dar, in unserem hohen Preisniveau bezahlen wir die Unterstützung für eine verschleierte Arbeitslosigkeit. Sollen wir die Unwirtschaftlichkeit beseitigen und Arbeitslosigkeit dafür eintauschen?

Das ganze Gebäude unserer Wirtschaftseinrichtungen ist überdimensioniert, wir halten eine Wirtschaftsstruktur aufrecht, die nicht mehr den volkswirtschaftlichen Gegebenheiten der Gegenwart und der nächsten Zukunft entspricht. Nur eine Rationalisierung, die Hand in Hand mit einer Anpassung der Wirtschaftsstruktur an die volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten geht, kann Arbeitslosigkeit vermeiden und Wirtschaftlichkeit wieder herstellen. An welche Wirtschaftszweige kann der industriell-kommerzielle Sektor seinen Arbeitskraftüberschuss abgeben? Vielleicht bietet die Intensivierung des feldgärtnerischen Anbaues dafür Möglichkeiten. Sie würde die Ernährungsbasis unserer raumbeengten Volkswirtschaft verbreitern. Sie würde ermöglichen, die Einfuhr von Lebensmitteln zugunsten einer dringend notwendigen Rohstoffeinfuhr zu vermindern. Vielleicht bietet aber auch der Ausbau arbeitsintensiver Spezialgewerbe für den Export dafür Möglichkeiten. Denn unsere Exportförderung wird sich auf diese stützen müssen. Unsere kapitalintensiven Industrien werden langehin nicht mit denen des Auslandes konkurrieren können. Und wenn sie es könnten, würden wir uns nur zu leicht dem Vorwurf des Dumpings aussetzen. Die Chance des Exports liegt für uns mehr im Aufspüren von Lücken als in der Konkurrenzfähigkeit.

Um die großen Bedürfnisse unserer Bevölkerung zu einem Bedarf auf dem Inlandsmarkt werden zu lassen, müssen unsere Gebrauchsgüterindustrien auf rationellste Weise standardisierte Massengüter zu niedrigsten Preisen herstellen. Wir treiben jetzt Verschwendung, und wir schaffen dadurch soziale Kluften.

Arbeitswissenschaftliche Methoden und Preissenkung

Zu diesem Gespräch sandte der Landesminister für Arbeit, Wirtschaft und Verkehr, Prof. Dr. Ludwig Preller, Kiel, uns folgende Stellungnahme:

Es ist kein Zweifel, dass die deutsche Wirtschaft betriebswirtschaftlich sehr viel nachholen muss, da ihre Abschließung und Gängelung durch die Nationalsozialisten ihre Kenntnis der ausländischen Fertigungsmethoden stark unterbunden haben. Wenn die Industrie in einen echten Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt eintreten muss, wird sie den betriebswirtschaftlichen Vorsprung, insbesondere der amerikanischen Betriebe, zu spüren bekommen. Hierbei handelt es sich nicht allein um rationelle Produktionsmethoden in maschineller und mechanischer Hinsicht, sondern insbesondere auch um Anwendung arbeitswissenschaftlicher Methoden, wie sie insbesondere auch in Deutschland früher erarbeitet worden sind und jetzt im Ausland und vor allem in USA sehr stark zur Anwendung kommen. Werden diese Methoden einwandfrei verwertet, so ist eine Leistungssteigerung ohne Mehrbeanspruchung der Arbeitskraft, ja, unter Schonung der Arbeitskraft, möglich. Um dies zu erreichen, müssen allerdings auch die Arbeitnehmer selbst, vor allem durch ihre Gewerkschaften, an der Durchführung dieser Methoden beteiligt werden.

Der deutsche Inlandsmarkt bietet das Absatzvolumen für eine durch Rationalisierung gesteigerte Produktion, sofern die Rationalisierung im Sinne einer Preissenkung, das heißt einer Mengenproduktion angewendet wird, also anders als während der deutschen Rationalisierung von 1925 bis 1928. Eine Freisetzung von Arbeitskräften durch Maßnahmen der Rationalisierung braucht dann nicht gefürchtet zu werden, wenn sie in der erwähnten Weise mit billiger Massenfertigung verbunden wird. Dagegen kann man annehmen, dass in späterer Zeit gerade durch die Rationalisierung eine kürzere Arbeitszeit bei durchaus ausreichenden Löhnen in Betracht gezogen werden kann, wie dies in USA schon heute der Fall ist. Es ist meiner Meinung nach nicht erforderlich, dass allein die Exportindustrie rationalisiert wird, sondern das gleiche Problem besteht auch für das für den Binnenmarkt arbeitende Gewerbe, da auch der Binnenmarkt, und gerade dieser, darauf angewiesen ist, billige, aber qualitätsmäßig hochstehende Güter zu erhalten.

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