Hamburg ist eine Handels- und Industriestadt. Trotz der großen Veränderungen, die seit der Aufrüstung, seit dem Kriege und seit dem Zusammenbruch der Wirtschaft eingetreten sind, hat sich das kommerzielle Gefüge der hansestädtischen Wirtschaft erstaunlich zäh gehalten. Man muß dabei bedenken, daß in den anderthalb Jahrzehnten des Autarkiestrebens gerade diejenigen Branchen, die in Hamburg die wichtigsten Bereiche der Erwerbstätigkeit und Quellen der Einkommensbildung sind, systematisch durch die Reichspolitik in den Hintergrund gedrängt wurden. Noch heute — nach den letzten Erhebungen von 1948/49 — ist die Beschäftigungsstruktur Hamburgs betont die eines merkantilen Zentrums. Der Anteil der in Handel und Verkehr Beschäftigten beträgt in Hamburg 34 % der Gesamtzahl der Erwerbspersonen. Damit ist diese Quote auch heute noch doppelt so groß wie der entsprechende durchschnittliche Anteil im gesamten Westdeutschland. Und innerhalb dieser Gruppe nimmt der Ein- und Ausfuhrhandel eine beherrschende Stellung ein. Der Anteil der in Industrie und Handwerk Beschäftigten liegt dagegen in Hamburg (40 %) um ein Geringes unter dem Durchschnitt des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (42 %).
Auch von anderer Seite kann dieses Gewicht des kommerziellen Sektors beleuchtet werden: Untersucht man die Einkommensbildung unter Heranziehung der Umsatzsteuerergebnisse, dann erhält man das bedeutsame Ergebnis, daß von den Gesamtumsätzen in der britischen Zone im letzten Jahr 47 % auf die Gruppe Industrie und Handwerk, in Hamburg dagegen nur 30 % entfielen; dagegen hatte die Gruppe Handel und Verkehr an den Gesamtumsätzen in der britischen Zone einen Anteil von 33 %, in Hamburg aber einen Anteil von 56 %.
Kommerzielle Konjunktur
Aus dieser Unterschiedlichkeit zwischen dem hamburgischen und dem westdeutschen Wirtschaftsgefüge lassen sich konjunkturelle Folgerungen für die Entwicklung Hamburgs seit der Währungsreform ableiten. Im ersten halben Jahr nach der Währungsreform schuf die Konstruktion des Reformplanes und die von den zentralen Frankfurter Stellen betriebene Politik einen eigenartigen Boom, der etwa ein halbes Jahr andauerte und im Wesentlichen aus den Gewinnen des Handels und des Gewerbes gespeist wurde, wobei jedoch wohl die Profite des Verteilungsapparates im weitesten Sinne den Ausschlag gaben. Die mit diesem Boom verknüpfte Preissteigerung trat an gewissen Brennpunkten in Westdeutschland besonders in Erscheinung. Die größten Preissteigerungen zeigten sich in den Großstädten. Gerade Hamburg als größte Stadt Westdeutschlands mit den höchsten Umsätzen pro Kopf der Wohnbevölkerung und einer hohen Fremdenverkehrsbewegung bildete aus den durch die relativ höheren Preislagen erzielten Gewinnen einen beträchtlichen Teil neuer Kaufkraft, die die Tendenz zur Preissteigerung noch verstärkte. Der quasi-inflatorische Zirkel war hier besonders markant.
Währungsgewinne
In den ersten Wochen nach der Währungsreform ergaben sich außerdem in Hamburg wie in anderen Hafenstädten zusätzliche Gewinne, die die Importeure aus Einfuhren mit reichsmarkkreditierten Warenposten realisieren konnten, eine hier besonders massierte Sonderform der bekannten Hortungsgewinne. Für die kommerzielle Betriebsamkeit und die konjunkturelle Aktivität der Hansestadt hat diese Gewinnhausse im ersten halben Jahr eine eigenartige, fast hektisch-belebende Bedeutung gehabt. Aber sie hat auch manche Erscheinungen von Fehldisposition und Fehlanlage gezeitigt, und vor allem hat die breite Masse der hamburgischen Konsumenten in dieser Zeit durch die Preissteigerungen die schärfste Senkung ihres Reallohnes erdulden müssen. So ist denn auch der Lebenshaltungskostenindex in Hamburg relativ am stärksten gestiegen.
Industrialisierungsprozeß
Seit Jahrzehnten beobachten wir in Hamburg einen Industrialisierungsprozeß, der durch die Maßnahmen vor dem Kriege und selbstverständlich auch im Kriege gefördert worden ist. Dieser Prozeß war die zwangsläufige Folge jener hinter uns liegenden Autarkiebewegung, die nach dem Kriege insofern fortgesetzt wurde, als wir die ersten Jahre auf der Basis caritativer Lebensmitteleinfuhren und pflichtmäßiger Rohstoffausfuhren in einer neuen Form von Zwangsautarkie leben mußten. Zwar ist dadurch der Anteil der Industrie im Verhältnis zu den kommerziellen Zweigen weiter gestiegen, das Gefüge der hamburgischen Gesamtwirtschaft hat jedoch keinen entscheidenden Bruch erfahren.
Unter dem Gesichtswinkel der hamburgischen Wirtschaft gliedert sich die hier ansässige Industrie — abgesehen von den typischen Großstadt- und Verbrauchsgüterindustrien — in drei Gruppen: Die erste Gruppe wird gebildet von Industriebetrieben, die von dem Hafen, der Schifffahrt, Ex- und Import unmittelbar abhängig sind. In den mit dem Außenverkehr direkt verbundenen Industriebetrieben werden zurzeit 36 % der in der Hamburger Industrie tätigen Erwerbspersonen beschäftigt. Zählt man die von diesen mittelbar abhängigen Industriebetriebe wie etwa die Zulieferbetriebe der Werftindustrie noch hinzu, dann erhält man sogar einen Anteil von 50 %. Man kann also sagen, daß der Hafen für die Hälfte der Hamburger Industrie standortbildend gewesen ist.
Eine besondere Gruppe, die für Hamburg charakteristisch ist und mit der ersten Gruppe in innigem Zusammenhang steht, bildet die Import-Veredelungsindustrie. Auch sie findet ihren Platz naturgemäß im Hafen und in seiner Nähe. Zu ihr gehört insbesondere die Nahrungs- und Genußmittelindustrie und die Zigarettenindustrie. Auch die in Hamburg stark vertretene Mineralölindustrie, die auf der gleichen ökonomischen Basis arbeitet, muß hier erwähnt werden.
Die dritte Gruppe wird von der allgemeinen Verarbeitungsindustrie gebildet, von der die zweite Gruppe zwar nur eine Unterabteilung darstellt, die aber unter dem spezifischen Gesichtswinkel der Hamburger Wirtschaftsstruktur von dieser gesondert betrachtet werden muß. Auch diese dritte Gruppe besitzt in Hamburg ein relativ größeres Gewicht als in Westdeutschland. In Hamburg zeichnet sich darin die chemische Industrie, die Kautschuk- und Asbest-Industrie, die elektrotechnische Industrie und in bestimmten Zweigen auch der Maschinenbau besonders aus.
In der hamburgischen Gesamtindustrie kommt der Veredelungswirtschaft im Verhältnis zur Basisindustrie eine größere Bedeutung als im industriellen Gefüge der ganzen Volkswirtschaft zu. Es fehlt hier die Grundstoff- oder Schwerindustrie fast völlig. In ihr sind nur 2 % der in der Industrie Beschäftigten tätig, während der Anteil in den Westzonen bei 20 % liegt. Der Beschäftigtenanteil der Schwerindustrie in Hamburg erfährt allerdings eine Erhöhung, wenn man auch die Werftindustrie hierin einbezieht, die heute noch 6,6 % aller Industriebeschäftigten Arbeit gibt.
Industrielle Konjunktur
Bei einem Vergleich der hamburgischen mit der gesamten westdeutschen Industrieproduktion durch Gegenüberstellung der industriellen Produktionsindices beider Gebiete muß man diese besondere Industriestruktur Hamburgs im Auge behalten. Denn sehr leicht können mengenmäßige Divergenzen nicht auf relative Mehr- oder Minderleistung, sondern auf eine qualitativ verschiedene Zusammensetzung der Produktionsbündel zurückzuführen sein. Am Tage der Währungsreform standen der Produktionsindex in Hamburg und der des Vereinigten Wirtschaftsgebietes etwa auf gleicher Höhe. Der Index der Bizone ist seit dieser Zeit erheblich angestiegen. Seit einigen Monaten stagniert er allerdings und weist in der letzten Zeit sogar gewisse Unstetigkeiten auf. Erstaunlich für Hamburg ist die Tatsache, daß seit der Währungsreform der Index der Industrieproduktion zwar auch emporgeklettert ist, aber beträchtlich hinter dem der Westzone zurückblieb. Nach der offiziellen Statistik liegt der bizonale Produktionsindex in dem letzten vergleichbaren Zeitpunkt (30.7.1949) bei 83 % (1936 = 100) in Hamburg nur bei 59,7 %.1
Man könnte meinen, die Steigerung der Produktionsindices seit der Währungsreform beruhe auf einem statistischen Fehler, weil das Produktionsniveau vor der Währungsreform aus bekannten Gründen statistisch zu niedrig angesetzt gewesen, nach der Währungsreform also in erheblichem Maße nach oben gedrückt worden sei, und daß dieser Fehler des bizonalen Produktionsindex in der hamburgischen Wirtschaft nicht im gleichen Maße mitgemacht worden sei. Der Grad der statistischen Ehrlichkeit oder Unehrlichkeit dürfte aber wohl in Hamburg und in Gesamtwestdeutschland der gleiche gewesen sein. Schon das annähernd gleiche Niveau zum Zeitpunkt der Währungsreform spricht dafür. Es dürften also andere Ursachen für das unterschiedliche Ansteigen der Produktionsindices verantwortlich zu machen sein. Unter diesen Ursachen erscheinen die folgenden von besonderem Gewicht.
Ausgenutzte Kapazitäten
Das Tempo der Produktionssteigerung in der Bizone ist weitgehend darauf zurückzuführen, dass in der gesamten westdeutschen Industriewirtschaft am Tage der Währungsreform ein großer Teil der Produktionskapazitäten nicht ausgenutzt war, der verhältnismäßig rasch durch die steigenden Rohstoffimporte (oder auch durch Warenenthortung) in den Produktionsprozess einbezogen werden konnte. Die Differenz im Produktionsanstieg zwischen der Bizone und Hamburg wird also darauf beruhen, dass das Volumen der unausgenutzten Kapazität dort größer war als hier. Wenn seit einiger Zeit im Produktionsanstieg eine gewisse Stagnation festzustellen ist, so kann das, zum Teil jedenfalls, damit begründet werden, dass in vielen Industriezweigen die vorhandenen Kapazitäten nun ausgelastet sind, dass jetzt der Augenblick gekommen ist, in dem man Kapital bilden, d. h. die Kapazitäten erweitern muss. In diesem kritischen Punkt befindet sich Westdeutschland. Die Aufgabe der Kapitalbeschaffung und der Investitionslenkung ist damit zum wirtschaftspolitischen Primat geworden. In Hamburg nun ist diese Schwelle, an der die vorhandenen Kapazitäten ausgenutzt sind, bereits in vielen Branchen schon auf einem niedrigeren Niveau erreicht worden. Nach Schätzungen machten die erhalten gebliebenen Industriekapazitäten in Hamburg im Jahre 1947 nur 75 % der Kapazitäten der Vorkriegszeit aus. Andererseits geht aber der bizonale Longtermplan davon aus, dass in Westdeutschland 90 % der Vorkriegskapazität vorhanden sind. Hamburg als Verkehrszentrum ersten Ranges ist zweifellos mit seinem Produktionsapparat durch die Bombenangriffe stärker zusammengeschlagen worden als der Durchschnitt aller westdeutschen Industriebezirke, verteilt sich doch die westdeutsche Industrie in breiter Streuung auch über verhältnismäßig verschont gebliebene Regionen. Ein Beispiel, in welch hohem Maße die Industrie in Hamburg den Zerstörungen des Krieges ausgesetzt war, bietet die Mineralölindustrie. Sie war bei Ausgang des Krieges bis auf 21 % ihrer Friedenskapazität vernichtet worden, und zwar wesentlich deshalb, weil sie am Hafen lag, der selbstverständlich im Mittelpunkt der Zielkarten stand.
Auch die Schiffbauindustrie ist mit einer unterdurchschnittlichen Kapazität aus diesem Kriege hervorgegangen; hier traten allerdings noch zusätzlich Sprengungen und Demontagen nach dem Kriege hinzu. So stand nach Beendigung des Krieges die Werftindustrie nur mit einer Kapazität von 38 % gegenüber der Vorkriegszeit bereit. Sie ist bis heute durch Wiederherstellungsarbeiten auf knapp 50 % gebracht worden. Keinesfalls ist aber diese Kapazität voll ausgenutzt. Im Gegenteil, die Tätigkeit im Hamburger Schiffbau bewegt sich unterhalb der Hälfte der vorhandenen Restkapazität und hat heute ungefähr — Reparaturen und Neubauten zusammengefasst — erst 20 % der Friedensproduktion erreicht. Das belastet natürlich den industriellen Produktionsindex Hamburgs außerordentlich. Die noch bestehende Drosselung des Schiffbaues als der beinahe einzigen hamburgischen Schwerindustrie mit ihren Rückwirkungen auf die übrigen Industriezweige schafft die zweite Ursache, die für das Zurückbleiben der industriellen Entwicklung Hamburgs verantwortlich zu machen ist.
Die dritte Ursache liegt in der beklagenswerten Tatsache, dass Hamburg durch die Zonengrenze im Osten die Hälfte seines Hinterlandes vorläufig verloren hat. Von dem Gesamtverkehr, der früher durch Hamburg ging, entfielen fast 50 % auf das Gebiet ostwärts Lübeck. Dieses Gebiet ist aber nicht nur als Verkehrsgebiet für den Hafen, sondern auch als Absatzraum für die Hamburger Industrie verloren gegangen.
Bedenkliche Monopole
Als vierte Tatsache ist ferner zu berücksichtigen, dass gewisse Verarbeitungsindustrien, die zwar nicht für den Standort Hamburg typisch sind, aber immerhin innerhalb der Qualitätsproduktion einen besonderen Platz einnehmen (der Maschinenbau, elektrotechnische und chemische Industrie), in Hamburg mit der Entwicklung der entsprechenden Branchen in Westdeutschland nicht ganz Schritt gehalten haben. Das ist erstaunlich. Bei objektiver Betrachtung muss man sich zunächst die Frage stellen, ob in Hamburg auf dem Gebiet der Elektrotechnik, des Maschinenbaus, der Chemie usw., vielleicht weniger rationalisiert worden ist als in der westdeutschen Industrie. Man wird weiterhin das Zurückbleiben der hamburgischen Industrie in den Tagen nach der Währungsreform auch auf das besonders hohe Lohnniveau in unserer Stadt zurückführen wollen. Es kann aber auch eine bedenkliche Monopol- und Konzernpolitik im Westen Deutschlands als Grund dafür angeführt werden. Gerade in diesen Verarbeitungsindustrien klagen die Betriebe, die hier abseits der Hauptstandorte und großen Industriereviere liegen, über besonders starke Absatzschwierigkeiten, sodass der Verdacht naheliegt, dass hier gewisse repressive Manipulationen und Abreden mächtiger Einheiten eine Rolle spielen.
Verkehrsentwicklung
Schließlich darf bei der Abhängigkeit der Hamburger Industrie vom Hafen nicht außer Acht gelassen werden, dass das Umschlagsvolumen im Hafen (mit 35,2 % im 1. Vierteljahr 1949) sich weit unter dem Produktionsindex bewegt. Diese Umschlagszahl Hamburgs liegt unter dem relativen Niveau Bremens mit 63,3 %, sie ist niedriger auch als die durchschnittlichen Zahlen in den Beneluxhäfen, die im ersten Quartal 1949 ein Umschlagsvolumen von 58,5 % ihres Vorkriegsstandes erreicht haben.
Weshalb die Verkehrszunahme im Hafen so überaus langsam vor sich geht, liegt auf der Hand. Hamburg hat, wie bereits ausgeführt wurde, die Hälfte seines Verkehrshinterlandes verloren; aber auch Teile des verbliebenen Hinterlandes gingen verkehrsmäßig an den Westen verloren. Weiter ist von Bedeutung, dass die westdeutsche Ausfuhr noch stark unter dem Erzeugungsniveau der westdeutschen Industrie liegt. Dieses Hinterherhinken des Außenhandels gegenüber der inländischen Industrieentfaltung trifft natürlich die hafenwirtschaftlichen und hafenindustriellen Branchen viel unmittelbarer als die westdeutsche Gesamtindustrie.
Trotz dieser Schwierigkeiten, dem geringen Außenhandelsvolumen, der gegenwärtigen Ungunst der politisch-geographischen Lage, hat sich der Hamburger Außenhandelskaufmann erstaunlich gut behaupten können. Wenn wir den Anteil Hamburgs am bizonalen Außenhandel betrachten, kommen wir zu etwas günstigeren Relationen. Vor dem Kriege gingen von dem gesamtdeutschen Außenhandelswert 36 % über Hamburg. Wenn wir die entsprechenden Außenhandelswerte der Bizone errechnen, dann erhalten wir (nach dem 1. Halbjahr 1949) einen Anteil von 30 %, der über Hamburg umgeschlagen wurde. Also trotz der prekären Situation partizipiert Hamburg nur um 17 % weniger am westdeutschen Außenhandel als früher am gesamtdeutschen. Besonders schlecht ist es aber um den Transit bestellt. Der Transitverkehr Hamburgs ist auf 9 % (1. Vierteljahr 1949) der Vorkriegszeit herabgesunken! In dieser Zahl, zusammen mit der des totalen Hafenverkehrsvolumens, zeigt sich die Aschenbrödelrolle, in die Hamburg in der Gemeinschaft der Nordseehäfen durch die gegenwärtigen politischen Verhältnisse gedrängt worden ist. Und neben anderem erwächst auch aus diesen Zahlen das Interesse der Hansestadt an einer Lösung des internationalen Hafenproblems im Geiste einer wahren europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.
Wirtschaftspolitische Aufgaben
Aus diesen Darlegungen über die Struktur und die Lage der Hamburger Wirtschaft ergeben sich folgende wirtschaftspolitische Aufgaben:
Erstens: Größtes Interesse der Hamburger Wirtschaft und Wirtschaftspolitik an der Belebung des Interzonenhandels, der Niederreißung der Schranken zwischen Ost und West, der Lockerung der Außenhandelsbehinderungen schlechthin, der Befriedung der weltwirtschaftlichen, insbesondere weltverkehrsmäßigen Beziehungen.
Zweitens: Eine starke Abneigung gegen Monopole, Preisabreden und Wettbewerbsbehinderungen aller Art, und die Forderung, die Bekämpfung von Monopolen mit aller Kraft durchzuführen und für die Förderung des zwischenbetrieblichen und zwischengebietlichen Leistungswettbewerbs einzutreten.
Drittens: Stärkstes Interesse an der Lösung des Demontageproblems, von dem zwei Werften betroffen bzw. bedroht sind. Es liegt im Interesse der Hamburger Wirtschaft, diesen die Industrie im Westen gleichermaßen belastenden Punkt in der deutschen Wirtschaftsentwicklung möglichst schnell auszulöschen. Das wertvolle, jetzt tote Werftgelände muss mit friedlich-industriellem Leben erfüllt werden.
Viertens: Angesichts der großen Investitionsbedürfnisse in Hamburg, die wir auf die relativ starke Vernichtung von Produktions- und Verkehrskapazitäten durch die Kriegseinwirkungen und die besonderen Rationalisierungsnotwendigkeiten zurückführen, stellt sich in Hamburg auch ein hoher Bedarf nach Kapital, nach investitionsbereiten Mitteln, ein. Aus der Größe des Aufbaubedarfs und dem hohen Anteil der öffentlichen bzw. gemeinwirtschaftlichen Anlagen (Hafen, Wohnungen) in einem relativ kleinen Wirtschaftskörper ergibt sich gerade für Hamburg besonders der Zwang, eine Kapitalverwendungskontrolle und eine Investitionslenkung vorzunehmen. Damit sind auch schon wesentliche Linien der öffentlichen Etat- und Finanzpolitik in diesen Jahren vorbestimmt.
Das Märchen vom Reichtum
In kurzen Umrissen wurden hier die ökonomische Struktur und Situation des Stadtstaates und die wirtschaftspolitischen Konsequenzen, die sich aus diesen ergeben, dargelegt. Es ist dringend notwendig, „auswärtige“ Vorstellungen vom Reichtum Hamburgs zu berichtigen: Es wurde gesagt, dass bestimmte Zweige der Hamburger Wirtschaft sich nach der Währungsreform gut gehalten haben; es wurde aber außerdem mit Eindringlichkeit darauf hingewiesen, dass eine Anzahl für Hamburg besonders wichtiger Branchen und die Umsätze im Hafen selbst hinter der westdeutschen Produktions- und Verkehrsentwicklung zurückbleiben und dass hierfür in überragendem Umfang Faktoren maßgeblich sind, auf die Hamburg allein selbst keinen Einfluss hat.
* Nach einem in der 17. Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Länderrats (Wirtschaftsministerkonferenz) am 27./28. Juli 1949 im Rathaus zu Hamburg gehaltenen Vortrag
- 1 Beide ohne Nahrungs- und Genussmittelindustrie, ohne Strom- und Gaserzeugung und ohne Baugewerbe. Der Hamburger Index ist vom Handelsstatistischen Amt der Behörde für Wirtschaft und Verkehr erstellt. Der von einer Forschungsgruppe der Behörde errechnete Index liegt höher; z. B. beträgt er im I. Quartal 1949 67,5 %, während der vom Handelsstatistischen Amt für das I. Quartal 1949 bei 58,9 % liegt. Der Produktionsindex der Bizone liegt dagegen für den gleichen Zeitraum bei 80 %.