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Für die deutsche Wirtschaft war das Jahr 1951 ein recht problematisches Jahr. Die Engpässe in den Grundstoffindustrien sind in dieser Zeit bedrohlich geworden, und ihre Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft waren tiefgreifend und zunehmend fühlbar, so dass es einer klaren Konzeption bedarf, um ihnen wirksam zu Leibe rücken zu können.

Hamburgs Wirtschaft, die besonders revierfern gelegen ist, hat in diesem Jahr die Auswirkungen der Engpassprobleme deutlich spüren müssen. Die Kohlenversorgungslage ist ein Damoklesschwert, das solange noch über unserer industriellen Produktion schweben wird, wie nicht die Gefahren des Winters gebannt sind. Die Eisen- und Stahlversorgung ist zum Kernproblem auch der hamburgischen Wirtschaft geworden. Nicht nur die Schiffbauindustrie — aber sie in besonderem Maße — hat die Folgen einer bis in den Herbst hinein steuerlosen Produktions- und Distributionspolitik am eigenen Leibe erfahren müssen. So ist auch unser Kaischuppenbau durch lange Lieferfristen bei Stahlerzeugnissen und durch Beschaffungsschwierigkeiten bei Holz und den von der Kohle abhängigen Baustoffen stark behindert. Wir hoffen daher stark, dass die endlich erlassene Senkungsverordnung für Eisen und Stahl mit einem gerechten und zweckmäßigen Schlüssel angewendet wird. Ich habe oft gesagt, dass die Bedeutung des deutschen Schiffbaues und die devisen- und außenhandelsmäßige Bedeutung einer deutschen Handelsflotte unsere Interpretation des Gerechtigkeits- und Zweckmäßigkeitsbegriffs des Verdachtes enthebt, bloße hamburgische oder Küstenländer-Interessentenpolitik zu sein, sondern Gültigkeit für die Wirtschaftspolitik des gesamten Bundesgebietes hat und haben muss.

Nicht nur in der Materialversorgung sind wir der allgemeinen Probleme des Jahres 1951 teilhaftig geworden. Auch die Produktions- und Beschäftigungslage hat sich, wie es bei der besonderen Wirtschaftsstruktur unseres Stadtstaates nicht anders zu erwarten war, unter dem Vorzeichen der allgemeinen Stagnation kaum sehr günstig entwickelt. Der sommerliche Slowdown der industriellen Produktion hat einen weiteren Beschäftigungsanstieg während des Jahres 1951 verhindert. Noch heute liegen wir um rund 35 Indexpunkte unter dem Bundesdurchschnitt. Die Beschäftigtenzunahme betrug in Hamburg nur knapp 14.000 oder 2,3 % der Beschäftigtenzunahme im Bundesgebiet, während der hamburgische Anteil an den beschäftigten Personen im Bund mehr als 4 % ausmacht.

Die Arbeitslosigkeit hielt sich bei uns während des ganzen Jahres auf einem Durchschnitt von etwa 95.000 und hat gegenwärtig die Zahl von 105.000 überschritten. Hamburgs Arbeitslosenbelastung ist mit rund 13,7 % annähernd die gleiche wie die des Flüchtlingslandes Niedersachsen und wird nur noch von Schleswig-Holstein übertroffen. So langsam wird wohl allen klar, was ich immer und immer wieder sage: Das Gebiet der strukturellen Arbeitslosigkeit ist nicht auf die drei Flüchtlingsländer beschränkt; auch Hamburg stellt mit seiner neuen „Königsberglage“ eine Region struktureller Beschäftigungslosigkeit dar.

Zu den Material- und Beschäftigungsengpässen tritt der nun schon chronische Kapitalengpass, der sich für Hafen und Schifffahrt seit 1950 in einer besonders hemmenden Weise bemerkbar macht. Die angespannte Haushaltslage gestattet es uns nicht, die für den Hafenwiederaufbau erforderlichen Investitionen in vollem Umfang durchzuführen.

Der zweite Wiederaufbauplan (1950/52) des Hamburger Hafens zeigt, dass wir bei dem Ausmaß der Zerstörung unseres Hafens und seiner Fazilitäten durch Kriegs- und Nachkriegsereignisse gar nicht anders konnten, als planmäßig zu Werke zu gehen. Wir hatten bereits bei der ersten Planung im Jahre 1946 schonungslos bilanziert und unserem Aufbau Grenzen gesetzt, die erreichbar sind.

Vergegenwärtigen wir uns einmal das Ausmaß der Schäden im Hafen, die u. a. die Zerstörung von rd. 654.000 qm Kaischuppenfläche = 90,2 % umfassten, dann wird es klar, dass Ehrlichkeit ein notwendiger Teil unserer Planung sein musste, die dahin ging, zunächst 70 % der Umschlagskapazität von 1936 wieder zu erreichen, also etwa 50 % der Kriegsschäden zu beseitigen. Wir waren uns darüber klar, dass ein voller Wiederaufbau unter den gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen Utopie bleiben musste. Wir wussten, dass nur ein schwerpunktmäßiger Einsatz unter Berücksichtigung aller in der Zwischenzeit gesammelten technischen und wirtschaftlichen Erfahrungen den Aufwand von bisher 176,5 Millionen RM/DM Hamburger Haushaltsmittel rechtfertigen konnte. Die Vorschätzungen unseres zweiten Wiederaufbauplanes sind in Bezug auf den Güterumschlag des Hafens übertroffen worden. Noch das Timm-Gutachten vom September 1949 hat mit einer Umschlagsmenge von 13,5 Millionen Tonnen in den Jahren 1952/53 gerechnet; wir können heute feststellen, dass bereits in diesem Jahr der Gesamtumschlag mindestens 14,2 Millionen Tonnen betragen wird. Damit sind unsere Erwartungen für 1952 schon jetzt, also ein ganzes Jahr früher, überschritten. In der Zusammensetzung des Umschlags nach Ein- und Ausfuhr und nach Massen- bzw. Stück- und Sackgütern haben wir aber noch nicht alles erreicht, was uns vorschwebt und was wir uns mit Beendigung des zweiten Wiederaufbauplanes — für 1952 — zum Ziel gesetzt haben.

Der Anteil der Ausfuhr am Gesamtumschlag des Hafens Hamburg ist gegenüber dem Vorjahr geringfügig von 32,5 % auf 30,5 % zurückgegangen. Auch der Anteil der Stück- und Sackgüter, den wir der Struktur unseres Hafens entsprechend auf 40 % des Gesamtumschlages bringen wollen, hat heute mit 36,4 % noch nicht alle unsere Erwartungen erfüllt. Der Anteil der Stück- und Sackgüter an der Ausfuhr hat mit mehr als 59 % jedoch eine auch in Vorkriegszeiten nicht erzielte Höhe erreicht.

Dem gesteigerten Verkehr hätte nun der Zuwachs an Kaischuppenfläche entsprechen müssen. Leider aber stand das Jahr 1951 in dieser Hinsicht unter einem ungünstigen Stern. Die Haushaltslage der Hansestadt bewirkte schon im Vorjahr die Sperrung von 19 Millionen DM, die für den Hafenaufbau vorgesehen waren. Auch im laufenden Haushaltsjahr entsprach die bewilligte Summe von 22,8 Millionen DM nicht unseren Wünschen und den Erfordernissen des Hafens. Erstmalig hat nun der Bund einen, wenn auch bescheidenen Kredit in Höhe von 7,5 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Unter Einschluss dieses Betrages machen die mit Ablauf des Haushaltsjahres 1951 im Hafen investierten öffentlichen Mittel die beträchtliche Summe von rund 184 Millionen RM/DM aus.

Bei einem vorkriegsmäßigen Ausnutzungsgrad der Schuppenfläche brauchen wir, um das gesteckte Ziel von 5,6 Millionen Tonnen Stückgutumschlag, davon die Hälfte Kaigut, jährlich reibungslos bewältigen zu können, in der zweiten Etappe des Hafenaufbaues (1950—1952) einen Kaischuppenzuwachs von 150.000 qm, einen jährlichen Zuwachs also von 50.000 qm. 1950 haben wir diese Zuwachsrate fast erreicht, im Kalenderjahr 1951 sind nur knapp 12.000 qm fertiggestellt worden. Auch mit der Fertigstellung aller jetzigen Bauvorhaben mit insgesamt 55.000 qm werden bis zum Jahresende 1952 noch 37.000 qm Fläche an der erforderlichen Zuwachsrate fehlen. Dabei ist die Erstellung von Kaischuppen das Kernstück des Hafenausbaues.

Während der ersten fünf Monate des Jahres 1951 konnten noch immer durchschnittlich 12,4 % der Linienfahrer nicht ordnungsgemäß abgefertigt werden. Diese Quote ist nun erfreulicherweise im zweiten Halbjahr auf 7 % gesunken und würde noch niedriger liegen, wenn nicht im Oktober vorübergehende Unruhe in einige Teile des Hafens getragen worden wäre. Die Umschlagsergebnisse der letzten beiden Monate mit mehr als 1,4 bzw. mehr als 1,3 Millionen Tonnen sprechen für sich. Der Arbeitswille und unermüdliche Fleiß unserer Hafenarbeiter, die fortschreitende Modernisierung und Rationalisierung des Umschlags haben den Umschlagskoeffizienten pro Beschäftigten im Hafen von 870 Tonnen im Jahre 1949 auf 1.050 Tonnen im Jahre 1951 anwachsen lassen.

Während 1949 9.763 Schiffe, im Jahr 1950 11.454 Schiffe den Hafen anliefen, ist 1951 die Zahl 13.000 überschritten worden. Die deutsche Flagge liegt mit 17,2 % der gesamten Nettotonnage wieder an zweiter Stelle; legt man den Güterumschlag zugrunde, dann steht die junge deutsche Flotte mit einer Beförderungsleistung von 4,5 Millionen Tonnen, davon 3,0 Millionen Tonnen im Auslandsverkehr, bei weitem an der Spitze. Auch in der Linienschifffahrt hat sich Deutschland — dessen Flotte zu rund 60 % in Hamburg beheimatet ist — verstärkt eingeschaltet. Von den 186 regelmäßigen Linien des Hamburger Hafens werden 60 Dienste mit 206 monatlichen Abfahrten von deutschen Reedereien gestellt. Unsere Seeschiffswerften haben seit Beginn des Jahres 1951 mit 79.800 BRT mehr als das Doppelte an Schiffstonnage abgeliefert als im Jahre 1950. Der Gesamtwert der von den Hamburger Werften 1951 fertiggestellten Schiffbauten liegt bei 172 Millionen DM. Die Neubauten mit 105 Millionen DM stiegen um das Doppelte, die Reparaturen mit 67,5 Millionen DM um fast drei Fünftel gegenüber 1950; die Reparaturen für ausländische Rechnung machten mit 33,3 Millionen DM etwa die Hälfte des gesamten Reparaturgeschäftes aus.

Im Konzert aller im Hafen spielenden Kräfte müssen auch die Leistungen der Deutschen Bundesbahn, ihr Beitrag zum Versand und Empfang der umgeschlagenen Güter hervorgehoben werden. Der Anteil der Bahn an der Anlieferung der Ausfuhren hat sich gegenüber dem Vorjahr um ein Viertel auf fast zwei Drittel der Gesamtausfuhren gesteigert. Auch am Empfang der Einfuhren hat die Bahn in diesem Jahr ihren Anteil steigern und sich an die Spitze aller Verkehrsträger schieben können. Wie sehr Hamburg auf die Bundesbahn rechnet, zeigt die bauliche Anlage aller seiner Schuppen.

So arbeiten im Hamburger Hafen viele Faktoren in Wettbewerb und Planung zusammen. Das Zusammenwirken aller dieser Kräfte hat uns im Jahre 1951 ein gutes Stück vorwärts gebracht. Selbstverständlich bleiben noch viele Schwierigkeiten zu überwinden. Es muss sichergestellt werden, dass das Kaischuppenprogramm auch im Jahre 1952 durchgeführt werden kann; die Ausnutzungsquote der Fläche beträgt heute jahresdurchschnittlich 8,9 Tonnen je Quadratmeter gegenüber dem Vorkriegsstand von etwa 7,2 Tonnen je Quadratmeter. Neben der Sorge um die Erstellung der nötigen Kaischuppen werden wir uns im nächsten Jahr verstärkt um den kostspieligen und technisch schwierigen Bau von Kaimauern kümmern müssen. Die Zeit der Wiederherstellung solcher Bauten, bei denen noch genügend brauchbare Substanz erhalten blieb, ist vorbei. Ab 1952 werden also umfangreiche Kaimauer-Neubauten erforderlich. Der Bau von 100 laufenden Metern Kaimauer erfordert einen Kapitaleinsatz von etwa 1 Million DM. Der Investitionsbedarf des Hafens liegt auch in den nächsten Jahren noch bei 40—50 Millionen DM; aber auch der Nachholbedarf an rückständiger Unterhaltung und Erneuerung mit etwa 35 Millionen DM darf nicht mehr wie bisher so weit hinter den Wiederaufbau und die Neuinvestition zurücktreten.

Daraus lassen sich die Sorgen ermessen, mit denen wir in das Jahr 1952 gehen. Die Finanzlage unserer Hansestadt lässt keine Zeichen der Entspannung erkennen. Wir brauchen also, soll der Hafen seiner Bedeutung für die Bundesrepublik und die Beziehungen Deutschlands zu Übersee entsprechend weiter entwickelt und planvoll ausgebaut werden, Bundeskredite (oder einen allgemeinen Kapitalmarkt) in weit größerem Umfange als im Jahre 1951.

* Dieser Beitrag fußt auf Gedanken, die der Präses der Behörde für Wirtschaft und Verkehr der Hansestadt Hamburg, Senator Prof. Dr. Schiller, in seiner Ansprache zur Richtfeier für die Schuppen 55/56 im Rahmen des Großbauvorhabens am Togo-Afrika­ Kai am 14.12.1951 vor namhaften Persönlichkeiten des Hamburger Wirtschaftslebens zum Ausdruck gebracht hat.

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