Die beträchtlichen Preissteigerungen für Mineralölprodukte ließen in der Öffentlichkeit den Ruf nach einer staatlichen Kontrolle des Ölmarktes laut werden. Soll der Ölmarkt kontrolliert werden?
Plädoyer für eine marktwirtschaftliche Lösung
Die drastischen Preiserhöhungen vor allem bei leichtem Heizöl in der ersten Hälfte dieses Jahres haben viele Emotionen geweckt und immer wieder den Ruf nach „mehr Staat” laut werden lassen. Vor allem die unverbesserlichen Interventionisten sahen ihre Chance. Das war nicht überraschend. Erstaunlich ist nur, wie schnell auch andere bereit waren, ihre ökonomische Vernunft über Bord zu werfen und stattdessen auf die angebliche Heilwirkung staatlicher Eingriffe zu bauen. Dabei gibt es genügend Beispiele für schlechte Erfahrungen mit Interventionen des Staates in das Marktgeschehen.
Dirigistische Eingriffe auf dem Ölmarkt - zum Beispiel durch staatlich verordnete Höchstpreise oder durch Zuteilungssysteme - würden zu Umlenkungen auf andere, nicht kontrollierte Märkte, zu Hamsterkäufen und zur Bildung von schwarzen Märkten führen. Das aber hätte zur Folge: Unsere Ölversorgung würde nicht besser, sondern schlechter und noch teurer. Nur in einer wirklichen Krisensituation - und die liegt nicht vor - kann und muss der Staat über Zuteilung die notwendige Versorgung sichern.
Man kann eigentlich nur immer wieder darauf hinweisen, dass Marktwirtschaft keine Schönwetter-Veranstaltung ist, sondern sich gerade in Schlechtwetterlagen bewährt. Eine Wirtschafts- und Energiepolitik, die ihre Aufgabe nur in der Verwaltung und Zuteilung knapper Güter sieht, begibt sich ins Abseits. Die Wirtschaft braucht gerade in schwierigen Situationen die Aktivität und den Ideenreichtum der Marktteilnehmer.
Freie Preise haben in einer Marktwirtschaft eine zentrale Lenkungsfunktion, und ich messe diesem Gesichtspunkt bei der Energieversorgung hohe Bedeutung bei. Denn hohe Energiepreise veranlassen die Verbraucher, sparsamer mit Energie umzugehen. Darüber hinaus sind sie ein Anreiz für Investitionen in andere Energiearten. Steigende Ölpreise machen alternative Energieformen erst rentabel. Der Staat kann zwar Investitionsanreize gewähren für die Erforschung und Marktanbietung alternativer Energien, nichts aber wird die Entwicklung und das Angebot solcher Energien so beschleunigen wie die Aussicht auf Rentabilität.
Auf der anderen Seite sind staatliche Spar- und Förderanreize und in einigen Fällen auch Normen nach wie vor nötig. Ich verweise auf das 4,35 Mrd.-DM-Programm der Bundesregierung zur Förderung des Heizenergiesparens in Gebäuden und Investitionszulagen für Unternehmen nach § 4 a des Investitionszulagengesetzes für energiesparende Investitionen und den Einsatz alternativer Energien. In diesen Kontext gehören aber eben auch Verordnungen über Wärmeschutz, Anlage und Betrieb von Heizungen und verbrauchsabhängige Abrechnung von Heizkosten.
Der Bundeswirtschaftsminister vertraut also keineswegs blind auf die Wirkung des Preismechanismus, wie so oft behauptet wird. Ich plädiere nur für eine marktwirtschaftliche Lösung auch unserer Energieprobleme und kämpfe damit nicht gegen, sondern für ökonomische Vernunft.
Dabei wird es in verstärktem Maße nötig sein, immer wieder die Öffentlichkeit von der Richtigkeit dieses marktwirtschaftlichen Weges zu überzeugen. Eine verstärkte Aufklärung hilft mit, der Bevölkerung die Probleme der Energieversorgung, die Knappheit des Öls und die Notwendigkeit zur Energieeinsparung zu verdeutlichen. Das Bundeswirtschaftsministerium unternimmt große Anstrengungen, durch seine Aufklärungsarbeit alle Gruppen von Energieverbrauchern anzusprechen.
Verbesserung der Missbrauchsaufsicht
Die Betonung der marktwirtschaftlichen Wege in der Energieversorgung und der Bedeutung von Aufklärungsaktionen heißt allerdings nicht, dass der Verbraucher nun den Problemen - vor allem der Preisgestaltung der Mineralölindustrie - völlig schutzlos ausgeliefert wäre.
Die Wettbewerbsgesetzgebung verfügt in der Missbrauchskontrolle und dem Diskriminierungs- und Behinderungsverbot über Instrumente, mit denen einem Machtmissbrauch bei der Preisgestaltung auf den Mineralölmärkten entgegengewirkt werden kann. Wie sich allerdings bei Untersuchungen des Bundeskartellamtes gezeigt hat, müssen diese Instrumente verbessert werden. Die dem Deutschen Bundestag vorliegende Kartellgesetznovelle sieht unter anderem eine Verbesserung der Missbrauchsaufsicht vor. Die in der Praxis erkennbar gewordenen Sanktionslücken im Kartellgesetz sollen durch eine neue Schadensersatz- und Abschöpfungsregelung für missbräuchlich erlangte Mehrerlöse geschlossen werden. Ich halte es für erforderlich, dass die Abschöpfung solcher Mehrerlöse möglich wird. Voraussetzung einer solchen Abschöpfung bleibt allerdings, dass es sich um feststellbare Preismissbräuche handelt, die von der Kartellbehörde im Einzelfall nachgewiesen werden müssen.
Ich hielte es aber für völlig falsch, das Bundeskartellamt darüber hinaus zu einer allgemeinen Preisprüfungs- und Genehmigungsbehörde machen zu wollen. Dem Amt würden „produzierte” Kosten vorgelegt, und das Ergebnis wäre - abgesehen von einer schlechteren Versorgung - nicht ein niedrigerer Preis, sondern ein „abgestimmter” Preis, der wegen fehlender Markteinflüsse in der Tendenz wohl eher höher ausfiele. Außerdem würde der Staat in die Mitverantwortung für Preiserhöhungen gezogen, da nun die behördlich geprüften Preise auch noch das „staatliche Gütesiegel” erhielten.
Die Alternative sollte vielmehr in einer Politik der „gläsernen Taschen” bestehen, das heißt eine Offenlegung der Kosten- und Erlösentwicklung durch die Mineralölindustrie. Das Bundeswirtschaftsministerium erhält aufgrund eines mit der Mineralölindustrie vereinbarten Informationssystems seit 1974 vierteljährlich die wesentlichen Kosten- und Ertragsdaten wie Rohöl- und Produktenimportmengen und -preise, Verarbeitungs- und Vertriebskosten sowie Erlöse der Hauptprodukte.
Die vorgelegten Werte - deren Richtigkeit ich aufgrund von Vergleichsdaten nicht bezweifle - zeigen, dass die Mineralölverarbeitung seit 1974 in der Bundesrepublik Deutschland mit erheblichen Verlusten verbunden war. Wenn jetzt die Gesellschaften wieder in die Gewinnzone fahren, sollte man nicht gleich in Wehklagen ausbrechen. Denn angemessene Erträge sind Voraussetzung für die Existenzfähigkeit von Unternehmen und zusätzliche Investitionen im Energiebereich. Ich habe allerdings an die Mineralölindustrie appelliert, für mehr Transparenz auch in der Öffentlichkeit über die Preisgestaltung der Ölfirmen zu sorgen. Ich gehe davon aus, dass dies in Zukunft geschehen wird.
Internationale Anstrengungen
Aber nicht nur die Kosten- und Ertragssituation der Mineralölindustrie soll transparenter werden. Beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der sieben großen westlichen Industrieländer Ende Juni 1979 in Tokio ist man auch übereingekommen, Maßnahmen zu ergreifen, um das Funktionieren der Ölmärkte transparent zu machen. Dazu soll weltweit ein Register für internationale Ölgeschäfte eingerichtet werden. Die Beratungen dazu sind im Gange. Im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft war diese Maßnahme bereits vor Tokio auf dem Straßburger Gipfeltreffen beschlossen worden.
Eine erste Verordnung zur Einführung einer Registrierung der Einfuhren von Rohöl und Mineralölerzeugnissen in der Gemeinschaft ist bereits verabschiedet worden. Eine zweite ergänzende Verordnung, die die Regeln der Registrierung bestimmt, soll im September erlassen werden. Die EG-Kommission wird dann nach einer Anhörung der Mitgliedstaaten ihre Durchführungsbestimmungen zu den genannten Verordnungen festlegen.
Dies alles muss allerdings in weltweitem Gleichtakt geschehen; d. h. nicht nur in Rotterdam, sondern gleichzeitig auch zum Beispiel in Singapur und in der Karibik. EG-Verordnungen und Registrierungen in anderen Ländern müssen am gleichen Strang ziehen, damit die Lasten nicht einseitig verteilt werden. Denn sonst würden einige Mengen auf die jeweils nicht der Registrierung unterliegenden Spot-Märkte ausweichen, in denen eine freie Preisbildung noch möglich ist. Diese Mengen stünden dann für unsere Versorgung nicht mehr zur Verfügung.
Das würde uns vor allem bei den Mineralölprodukten treffen. Wir sind nämlich im Vergleich zu anderen Verbraucherländern stärker von Mineralölprodukteinfuhren abhängig; bei leichtem Heizöl im Jahre 1978 zu immerhin rund 40 %. Eine wesentliche Änderung dieser Versorgungsstruktur ist auch bei einer Steigerung des Rohöldurchsatzes der inländischen Raffinerien in diesem Jahr nicht möglich. Man muss allerdings auch sehen, dass diese Versorgungsstruktur aufgrund des weltweiten Überangebots in den letzten Jahren unserem Land über preisgünstige Produkteeinfuhren eine im internationalen Vergleich kostengünstige Versorgung ermöglicht hat. Nach den Preisanstiegen in Rotterdam ermöglicht uns diese Struktur zwar nur eine teurere, aber immer noch mengenmäßig ausreichende Versorgung.
Weitergehende Maßnahmen am Ölmarkt wird es nicht geben; es sei denn, die Situation würde sich drastisch verschärfen. Die Bundesrepublik hat am Funktionieren der internationalen Ölmärkte ein essentielles Interesse. Das Ziel aller dieser Maßnahmen darf also nicht Kontrolle im Sinne von Beschränkungen und Eingriffen sein, sondern nur Kontrolle im Sinne von mehr Transparenz über Mengen und Preise.
Soziale Flankierung
Über eines müssen wir uns aber alle klar sein: Die drastische und voraussichtlich auch ausdauernde Ölpreisverteuerung bedeutet einen realen Einkommenstransfer in die ölproduzierenden Länder. Dieses Einkommen kann im Inland nicht noch einmal verteilt werden. Es gibt keine ökonomischen Tricks, sich dieser bitteren Konsequenz zu entziehen. Lediglich einkommensschwache Verbrauchergruppen, die der Preissprung beim lebensnotwendigen Ölverbrauch besonders hart trifft, werden mit staatlicher Unterstützung in Form einmaliger direkter Einkommensbeihilfen rechnen können. Ich habe sehr früh bereits auf die Notwendigkeit einer solchen sozialen Flankierung aufmerksam gemacht.
Marktwirtschaftliche Lösungen von Problemen sind bekanntermaßen nicht immer die populärsten. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass unser Land auf Dauer von marktwirtschaftlichen Lösungen auch der Energieprobleme den größten Nutzen hat.