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Ronald H. Coase zählt zu den bekanntesten und bedeutendsten Ökonomen. In seinen Werken hat er den Grundstein für die Neue Institutionenökonomie gelegt und die Theorie der Verfügungsrechte entwickelt. Die Arbeiten von Coase finden über die Wirtschaftswissenschaften hinaus weitreichende Beachtung. Die Autoren würdigen das Lebenswerk von Coase in diesem Beitrag.

Ronald Harry Coase zählt nicht nur zu den bekanntesten noch lebenden Ökonomen, er gehört auch zu den bedeutendsten Ökonomen überhaupt, da er der Begründer zweier wichtiger Theorien ist. Hierbei handelt es sich erstens um die Grundsteinlegung dessen, was im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts zur Neuen Institutionenökonomik1 ausgebaut wurde, und zweitens um die Theorie der Verfügungsrechte (Property Rights Theory).

Dies allein bietet ausreichend gute Gründe, sich mit seinen Werken und seinem Wirken zu befassen. Darüber hinaus gibt es in diesem Jahr dafür auch andere Anlässe: Am 29. Dezember dieses Jahres feiert Coase seinen 100. Geburtstag. Zudem veröffentlichte er vor 50 Jahren den Artikel The Problem of Social Costs2, der die Grundlage des sogenannten „Coase-Theorems“ darstellt. Nicht ganz in diese Reihe der runden Jubiläen fügt sich die Verleihung des Nobelpreises ein, die sich zum 19. mal jährt und den er „for his discovery and clarification of the significance of transaction costs and property rights for the institutional structure and functioning of the economy“3 und damit für beide der in diesem Beitrag betrachteten Werke und den in ihnen zum Ausdruck gebrachten Überlegungen zuerkannt bekam. In seiner Rede auf dem Nobelpreis-Bankett im Dezember 1991 sagte Coase: „If we economists succeed in our task, let us hope that the rest of society will take advantage of the opportunities thus afforded and that a civilised life will be achieved in all countries of the world.“4

Die große Bedeutung der Arbeiten von Coase nicht nur für die Ökonomik zeigt sich daran, dass seine Erkenntnisse auch in anderen Disziplinen – namentlich den Rechtswissenschaften, der Soziologie und den Politikwissenschaften – breite Beachtung gefunden haben.

Eine kurze Biographie

Coase wurde am 29. Dezember 1910 in Willesden – einem Vorort von London – geboren. Weder sein Vater noch seine Mutter haben eine höhere schulische Ausbildung erfahren; beide haben die Schule im Alter von zwölf Jahren verlassen. Dennoch – und die Bedingungen dürften zu Beginn des letzten Jahrhunderts um einiges schwieriger gewesen sein als heute – ist es ihm gelungen, aus einer bildungsfernen Schicht der Gesellschaft heraus zu einem der bedeutendsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts zu werden.

Das Leben verläuft in den wenigsten Fällen in geraden Bahnen, es wird häufig von Schlüsselereignissen in die eine oder andere Richtung gelenkt. So ist allein die Tatsache, dass sich Coase dem Studium der Wirtschaft – wenn anfangs auch mehr mit betriebswirtschaftlicher Ausrichtung – widmete, dem Umstand geschuldet, dass ihm das zunächst eingeschlagene Studium der Chemie als zu formal missfiel und er sich für eine Alternative entscheiden musste. Im Rahmen des Studiums an der London School of Economics kam es zu einem erneuten Schlüsselereignis, als er in einer Vorlesung von Arnold Plant von der Funktionsweise marktlichen Wettbewerbs und der Koordinierung der wirtschaftlichen Einzelpläne über den Preismechanismus erfährt – ein Mechanismus der auf Adam Smith5 zurückgeht. Dies war der Punkt in seinem Studium, an dem sich sein Interesse von Commerce und Business Administration hin zu Economics verlagerte. Es ist wohl auch dem Einfluss von Plant zu verdanken, dass Coase im weiteren Verlauf seines Studiums ein für sein künftiges Wirken wichtiges Stipendium erhielt, das ihm in den Jahren 1931 und 1932 einen Aufenthalt in den USA ermöglichte. Dort besuchte er verschiedene Unternehmen und untersuchte ihre jeweilige Organisationsstruktur. Auf den Ergebnissen basiert sein Konzept der Analyse von Transaktionskosten sowie deren Einfluss auf die Existenz von Unternehmen. Somit ist dieser Aufenthalt prägend für seine weiteren Arbeiten, die 1937 in The Nature of the Firm6 münden.

Nachdem der weitere berufliche Werdegang durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen wurde, kehrte Coase in die USA zurück, wo er sich mit Public Utilities (Post und Rundfunk) befasste. Dieses Interesse – insbesondere am Rundfunksektor – führt später zu The Problem of Social Costs7. Dabei stellte Coase sich die Frage, wie die Rundfunkfrequenzen „verteilt“ – er sprach sich für eine Versteigerung aus – und mit welchen Rechten die Frequenzinhaber ausgestattet werden sollten. Diese Erkenntnisse publizierte er 1959 in einem Beitrag8, der von einigen Professoren der University of Chicago – u.a. Milton Friedman und George Stigler – in Teilen als fehlerhaft betrachtet wurde. Die sich anschließende Diskussion führte zu einer Klarstellung seiner Aussagen in The Problem of Social Costs9 und ist ein gutes Beispiel dafür, wie Wissenschaft von einem kritischen Dialog befruchtet wird.

Dogmenhistorisch ist Coase somit in der zweiten Phase der von Frank H. Knight und Jacob Viner geprägten Chicago School der anglo-amerikanischen Neoklassik zu verorten, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg – insbesondere zwischen 1960 und 1970 – entwickelt hat. Das bisherige Lebenswerk von Coase umfasst rund 100 Veröffentlichungen, wobei sein erster Artikel The Problem of Duopoly Reconsidered10 aus dem Jahr 1935 stammt.11

1937 – The Nature of the Firm

Die Frage, die Coase im Rahmen seines ersten Aufenthaltes in den USA beschäftigte, war, warum verschiedene Branchen unterschiedlich strukturiert und organisiert sind. Die in zahlreichen empirischen Untersuchungen in der US-Wirtschaft gewonnenen Erkenntnisse – u.a. für Ford und General Motors – waren zwar bei weitem noch keine in sich geschlossene Theorie, sie bildeten aber die Grundlage für die Einführung eines neuen Konzepts in die ökonomische Theorie – und zugleich eine Begründung dafür, warum Unternehmen überhaupt existieren: Transaktionskosten.

Der auf diesen Untersuchungen basierende Artikel erschien 1937 unter dem Titel The Nature of the Firm12. In diesem Beitrag geht er dezidiert der Frage nach, warum in einer Marktwirtschaft Unternehmen existieren und wirtschaftliche Aktivitäten nicht ausschließlich über Märkte, sondern auch innerhalb von Unternehmen abgewickelt werden. Die Existenz von Unternehmen begründet Coase damit, dass mit der Nutzung von Märkten Kosten verbunden sind und die Organisationsform einer Unternehmung dazu beitragen kann, diese „costs of using the price mechanism“13 einzusparen. Coase erkennt allerdings, dass auch die unternehmensinterne Koordination mit Kosten verbunden ist, womit sich Märkte und Unternehmen nunmehr als unterschiedliche Koordinationsmechanismen gegenüberstehen. Die Entscheidung Markt versus Unternehmung wird von einem rational handelnden Unternehmer folglich solange für eine unternehmensinterne Abwicklung ausfallen, bis die damit verbundenen Kosten höher sind als die einer entsprechenden Abwicklung über Märkte.

Dieser Ansatz wurde jedoch beispielsweise von Alchian und Demsetz als inhaltsleer und tautologisch kritisiert, da Coase nicht systematisch dargelegt hatte, was er unter Transaktionen und Transaktionskosten versteht und von welchen Determinanten marktliche sowie unternehmensinterne Transaktionskosten abhängen.14 Aufbauend auf Coase wurde dieser Erklärungsansatz zunächst von Oliver E. Williamson ausgearbeitet, der zugleich versuchte, die Vielfalt der in der Realität vorkommenden Organisationsformen zu erklären. Somit markiert The Nature of the Firm15 auch den Ausgangspunkt der in ihren Grundlagen maßgeblich durch die Arbeiten des 2009 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichneten Oliver E. Williamson geprägten Transaktionskostenökonomik, die sich bis heute zu den einflussreichsten Forschungsansätzen der Ökonomik entwickelt hat.16

1960 – The Problem of Social Costs

In einer scheinbaren Kehrtwendung zu The Nature of the Firm17 konstruiert Coase in dem 1960 erschienen Beitrag The Problem of Social Costs18 zunächst eine imaginäre Welt ohne Transaktionskosten, in der jeder über alles sofort und vollkommen informiert ist und alle Transaktionen ohne Verursachung von Transaktionskosten vonstattengehen.

Als Ausgangspunkt seiner Argumentation weist Coase auf die bis dato fehlende Berücksichtigung der Reziprozität von Externalitäten hin: „The traditional approach has tended to obscure the nature of the choice that has to be made. The question is commonly thought of one in which A inflicts harm on B and what has to be decided is: how should we restrain A? But this is wrong. We are dealing with the problem of a reciprocal nature. The real question that has to be decided is: should A be allowed to harm B or should B be allowed to harm A?“19 Zur Verdeutlichung dieses Ansatzes wählt
Coase u.a. das Beispiel von Kühen, die das benachbarte Grundstück beschädigen.

„It is necessary to know whether the damaging business is liable or not for damage caused since without the establishment of this initial delimitation of rights there can be no market transactions to transfer and recombine them.“20 Dies besagt, dass unabhängig von der ursprünglichen Ausstattung von Verfügungsrechten das Externalitäten-Problem durch die privaten Akteure im Zuge von Verhandlungen gelöst werden kann und ein pareto-effizientes Ergebnis erzielt wird: „[In] a world without transaction costs, it does not matter what the law is, since people can always negotiate without cost to acquire, subdivide and combine rights whenever this would increase the value of production.“21 Damit einhergehende Wohlfahrtseffekte sind nicht Teil der Analyse von Coase, denn er beschränkt sich bewusst auf die Frage einer effizienten Ressourcenallokation. Coase zeigt, dass es in der zugrunde gelegten Welt keine pareto-relevanten externen Effekte geben kann, da sich die Akteure angesichts fehlender Transaktionskosten spontan und augenblicklich auf einen pareto-optimalen Zustand verständigen werden. Paradoxerweise ging das nur in dieser imaginären Welt gültige – und von Coase selbst nie so bezeichnete – „Coase-Theorem“ insbesondere in die deutschsprachige umweltökonomische Literatur unmittelbar als Verhandlungslösung ein.22

Es wurde gefolgert, dass staatliche Eingriffe zur Lösung des Externalitäten-Problems nicht notwendig und entsprechende Institutionen irrelevant seien. Vor dem Hintergrund seiner praktischen Relevanz kann das „Coase-Theorem“ insbesondere dahingehend kritisiert werden, dass eine derartige Verhandlungslösung in der Realität angesichts hoher Transaktionskosten in vielen Fällen nicht zustande kommen würde. Zudem wurde Coase Inkonsistenz dahin gehend vorgeworfen, dass er im krassen Gegensatz zu seiner Arbeit von 1937 Transaktionskosten nun gänzlich ignorieren würde.23 Coase hatte jedoch das genaue Gegenteil von dem gezeigt, was weithin als Verhandlungslösung bekannt geworden ist. In der von Coase geschilderten Welt kann es keine pareto-relevanten externen Effekte geben. Daraus kann gefolgert werden, dass tatsächlich beobachtete pareto-relevante Externalitäten in der Existenz von Transaktionskosten begründet sind und die Betrachtung von externen Effekten somit eine detaillierte Untersuchung des Einflusses von Transaktionskosten auf eine spontane Internalisierung erfordert. Die Arbeit von Coase muss demzufolge vielmehr so interpretiert werden, dass sie deutlich macht, wie grundlegend der tatsächliche Einfluss von Transaktionskosten und damit verbunden der maßgeblichen Institutionen im hier betrachteten Kontext ist: „Economic policy involves a choice among alternative social institutions, and these are created by the law or are depend on it.“24 Somit hat Coase die Bedeutung von Transaktionskosten für die Analyse von Verfügungsrechten aufgezeigt und herausgearbeitet, dass sich Marktversagen nunmehr auf Transaktionskosten zurückführen lässt.

The Problem of Social Costs25 ist somit auch intellektueller Ausgangspunkt für die Entwicklung der Property-Rights-Theorie; seine Überlegungen wurden von verschiedenen namhaften Ökonomen aufgegriffen und weiterentwickelt. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Arbeiten von Demsetz26, Pejovich27, Alchian28 und Furubotn29, die sich den Auswirkungen der durch die Verteilung und Ausgestaltung von Verfügungsrechten induzierten Anreizen, ihrem Einfluss auf das menschliche Verhalten sowie den wirtschaftlichen Ergebnissen dieses Handelns zugewendet haben.

Coase und Pigou

Ein Missverständnis im Zusammenhang mit bzw. resultierend aus The Problem of Social Costs30 ist die Kontrastierung mit seinem vermeintlichen Antagonisten Arthur Cecil Pigou. Vielerorts hat sich die Ansicht etabliert, Pigou stünde prototypisch für die Internalisierung externer Effekte über Steuern und Coase – als Gegenpol dazu – wäre ein strikter Befürworter einer marktlichen Verhandlungslösung. Diese Ansicht wird den tatsächlichen Ansichten beider Ökonomen aber nicht gerecht.

So lehnt Coase staatliche Regulierung nicht in jedem Fall ab, sondern ist lediglich der Auffassung, dass diese oftmals im Vergleich zu marktlichen Lösungen inferior sei. Dazu schreibt Coase: „[…] there is no reason why, on occasion, such governmental administrative regulation should not lead to an improvement in economic efficiency. This would seem particularly likely when, as is normally the case with the smoke nuisance, a large number of people are involved and in which therefore the costs of handling the problem through the market or firm may be high.“31

Auf der anderen Seite ist Pigous Behandlung des Problems der sozialen Kosten der von Coase nicht unähnlich. Ausgehend von Fällen, in denen die Anzahl der beteiligten Parteien gering ist – d.h. in der Terminologie von Coase: die Transaktionskosten niedrig sind –, diskutiert Pigou die Internalisierung von Externalitäten mit Hilfe von Kontrakten. Dabei untersucht er anhand der Analyse des Verhältnisses zwischen einem Pächter und einem Landeigentümer die Anreizbedingungen in einer klassischen Principal-Agent-Beziehung und schlägt zur Lösung des Problems der Landvernutzung durch den Nicht-Eigentümer ebenfalls eine kontraktuelle – und nicht etwa eine fiskalische – Lösung vor.32

Lediglich in der Auffassung über das Potential staatlichen Handelns weichen Pigou und Coase fundamental voneinander ab. Pigou konzediert zwar, dass hoheitliche Aktivität und ihre Voraussetzungen abwägend zu prüfen seien, sieht darin jedoch generell keinen Grund für administrative Inaktivität. Hoheitliche Eingriffe lassen sich zudem in einer Argumentation mit dem von Pigou verwendeten und breiter angelegten Wohlfahrtsbegriff – dieser bezieht beispielsweise Gerechtigkeitsmotive mit ein – besser begründen, als dies bei dem sehr stark an Effizienz orientierten Verständnis von Coase der Fall ist. So wird nachvollziehbar, dass Coase grundsätzlich dem Markt vertraut – eine Prägung, die wohl auch auf den Einfluss seines früheren Lehrers Plant zurückzuführen ist.

Coase in der Praxis

Die Überlegungen von Coase sind nicht ausschließlich akademischer Natur, sondern durch eine große Praxisnähe gekennzeichnet. Praktische Anwendungsgebiete der Property-Rights-Theorie sind vor allem die ökonomische Analyse des Rechts, der Wirtschaftsgeschichte, der Entstehung und Veränderung von Institutionen und der Beurteilung staatlicher Maßnahmen im Bereich der externen Effekte und öffentlicher Güter.

So lässt sich trotz der zuvor angedeuteten Kritik an der Verhandlungslösung – die Coase selbst nur in engen Grenzen als praktikabel ansieht – das wohl bedeutendste Instrument der praktischen Umweltpolitik auf den Property-Rights-Ansatz zurückführen: der Handel mit Emissionszertifikaten. In diesem System wird für ein vormals öffentliches Gut – Luft als Deponie für CO2 – ein wettbewerblich organisierter Markt geschaffen. Die Summe der zur Verfügung stehenden Zertifikate bildet die politisch determinierte Obergrenze der Luftnutzung in einem endlichen Zeitraum. Unternehmen, die die Luft im oben genannten Sinne nutzen möchten, müssen hierfür Nutzungs- bzw. Verfügungsrechte erwerben. Jedes Unternehmen wird nun in einer wirtschaftlichen Analyse prüfen, ob es günstiger ist, CO2 beispielsweise durch die technologische Steigerung der Energieeffizienz zu reduzieren oder aber ein Verfügungsrecht zu erwerben.

Bei dieser Analyse werden sich die Unternehmen an ihren Grenzvermeidungskosten orientieren. Dies führt dazu, dass Unternehmen mit hohen Grenzvermeidungskosten die relativ günstigeren Zertifikate erwerben, wohingegen Unternehmen mit geringen Grenzvermeidungskosten eher bestrebt sein werden, die Emissionen technologisch zu reduzieren. Auf diese Weise wird das politisch determinierte Ziel auf volkswirtschaftlich effiziente Weise erreicht. Der bei Coase zugrunde liegende Verhandlungsprozess erfolgt heute allerdings nicht in bilateralen Verhandlungen zwischen Schädiger und Geschädigtem, sondern über organisierte Plattformen wie der Energiebörse European Energy Exchange in Leipzig. Auf diese Weise werden die Transaktionskosten für die Marktteilnehmer reduziert, die bei direkten Verhandlungen zwischen den Teilnehmern ansonsten prohibitiv hoch sein können und keinen effizienten Tausch der Verfügungsrechte zulassen.

1991 – Die Verleihung des Nobelpreises

Insgesamt ist Coase ein „ungewöhnlicher“ Nobelpreisträger für das 20. Jahrhundert, da er im Vergleich zu anderen Honoratioren eine relativ geringe Zahl bedeutender Beiträge in seiner 60-jährigen Karriere veröffentlicht und in diesen zudem weitestgehend auf eine übermäßige mathematische Formalisierung verzichtet hat. Hier schließt sich auch der Kreis zu dem aus seiner Sicht zu mathematisch ausgerichteten Chemiestudium, dass er eben aus diesem Grund beendet hat. Seine Artikel sind allerdings äußerst pointiert und die Erkenntnisse bzw. die verwendeten Ansätze nicht nur für die eigene Disziplin von großer Bedeutung. So sei z.B. auf einen Beitrag von Schmid verwiesen, in dem Coase’ Einfluss als Sozialtheoretiker an der Schnittstelle von Theoriebildung und Realismus beleuchtet wird.33

Wichtiger aber noch als seine Rezeption in den Sozialwissenschaften kann die Diffusion insbesondere von The Problem of Social Costs34 in die Rechtswissenschaften betrachtet werden. Dies mag zum einen daran liegen, dass der Beitrag durch die Publikation im Journal of Law and Economics für Juristen sehr gut zugänglich war,35 zum anderen war der analytische und methodische Ansatz dem der Rechtswissenschaften durchaus ähnlich.

Neben diesen akademischen Gründen – der Weiterentwicklung der eigenen Forschungsdisziplin sowie dem Einfluss auf und die Rezeption in angrenzenden Disziplinen – haben insbesondere die beiden hier betrachteten Werke zudem einen signifikanten Einfluss auf die politische Praxis. Aus umweltökonomischer und -politischer Sicht ist der Artikel The Problem of Social Costs36 hervorzuheben, der bis heute zu einem Klassiker der Umweltökonomik geworden ist.37

  • 1 Vgl. E. G. Furubotn, R. Richter: The New Institutional Economics: An Assessment, in: E. G. Furubotn, R. Richter (Hrsg.): The New Institutional Economics, Texas 1991, S. 1-32. Einen umfassenden Überblick zur Neuen Institutionenökonomik geben R. Richter, E. G. Furubotn: Neue Institutionenökonomik, Tübingen 2003.
  • 2 Vgl. R. H. Coase: The Problem of Social Costs, in: Journal of Law and Economics, Vol. 3, 1960, S. 1-44.
  • 3 Vgl. The Royal Swedish Academy of Sciences: Autobiographien, Reden etc. von Ronald H. Coase, online abrufbar unter http://nobelprize.org (10.8.2010).
  • 4 Vgl. http://nobelprize.org/nobel_prizes/economics/laureates/1991/coase.html.
  • 5 Vgl. A. Smith: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations. Edwin Cannan’s annotated Edition, 1776/1904.
  • 6 Vgl. R. H. Coase: The Nature of the Firm, in: Economica, Vol. 4, 1937, S. 386-405.
  • 7 Vgl. R. H. Coase: The Problem of Social Costs, a.a.O.
  • 8 Vgl. R. H. Coase: The Federal Communications Commission, in: Journal of Law and Economics, Vol. 2, 1959, S. 1-40.
  • 9 Vgl. R. H. Coase: The Problem of Social Costs, a.a.O.
  • 10 Vgl. R. H. Coase: The Problem of Duopoly Reconsidered, in: Review of Economic Studies, Vol. 2, 1935, S. 137-143.
  • 11 Vgl. D. R. Henderson: Ronald H. Coase, in: The Concise Encyclopedia of Economics, 2010, online abrufbar unter http://www.econlib.org/library/Enc/bios/Coase.html (10.8.2010). Weitere biographische Details sowie ein umfassendes Publikationsverzeichnis finden sich auf der Homepage des Ronald Coase Institute: http://www.coase.org/aboutronaldcoase.htm (10.8.2010).
  • 12 Vgl. R. H. Coase: The Nature of the Firm, a.a.O.
  • 13 Vgl. ebenda, S. 390.
  • 14 Vgl. A. A. Alchian, H. Demsetz: Production, Information Costs and Economic Organisation, in: American Economic Review, Vol. 62, 1972, S. 777-795.
  • 15 Vgl. R. H. Coase: The Nature of the Firm, a.a.O.
  • 16 Vgl. M. Groth: Transaktionskosten und die Gestaltung ökonomischer Austauschbeziehungen – Zum Nobelpreis an Oliver E. Williamson, in: Wirtschaftsdienst, 89. Jg. (2009), H. 11, S. 771-776. Eine ausführliche Diskussion der Entwicklung der Transaktionskostenökonomik aus dogmenhistorischer Perspektive findet sich in M. Groth: Oliver E. Williamsons Transaktionskostenökonomik – Entwicklung und Grundlagen, München 2007.
  • 17 Vgl. R. H. Coase: The Nature of the Firm, a.a.O.
  • 18 Vgl. R. H. Coase: The Problem of Social Costs, a.a.O.
  • 19 Vgl. ebenda, S. 2.
  • 20 Vgl. ebenda, S. 8.
  • 21 Vgl. ebenda, S. 14.
  • 22 Vgl. exemplarisch H. Siebert: Ökonomische Theorie der Umwelt, Tübingen 1978; und J. Weimann: Wirtschaftspolitik – Allokation und kollektive Entscheidung, Berlin 1996.
  • 23 Vgl. exemplarisch E. Streissler: Das Problem der Internalisierung, in: H. König (Hrsg.): Umweltverträgliches Wirtschaften als Problem von Wissenschaft und Politik. Schriften des Vereins für Socialpolitik. N.F. Berlin 1993, S. 87-110.
  • 24 Vgl. R. H. Coase: The Problem of Social Costs, a.a.O., S. 28.
  • 25 Vgl. ebenda, S. 1-44.
  • 26 Vgl. H. Demsetz: Toward a Theory of Property Rights, in: American Economic Review, Vol. 57, 1967, S. 347-359.
  • 27 Vgl. S. Pejovich: Toward a General Theory of Property Rights, in: Zeitschrift für Nationalökonomie , Vol. 31, 1971, S. 141-155.
  • 28 Vgl. A. A. Alchian, H. Demsetz: Production, Information Costs and Economic Organisation, a.a.O.; A. A. Alchian, H. Demsetz: The Property Right Paradigm, in: Journal of Economic History, Vol. 33, 1973, S. 16-27.
  • 29 Vgl. E. G. Furubotn, S. Pejovich: The Economics of Property Rights, Cambridge 1974.
  • 30 Vgl. R. H. Coase: The Problem of Social Costs, a.a.O.
  • 31 Vgl. ebenda, S. 18.
  • 32 Vgl. A. C. Pigou: The Economics of Welfare, London 1921, S. 155 ff.
  • 33 Vgl. M. Schmid: Theoriebildung, Realismus und Handlungstheorie – Ronald H. Coase als Sozialtheoretiker, in: I. Pies, M. Leschke (Hrsg.): Ronald Coase’s Transaktionskosten-Ansatz, Tübingen 2000, S. 231-252.
  • 34 Vgl. R. H. Coase: The Problem of Social Costs, a.a.O.
  • 35 Vgl. exemplarisch W. Denkhaus: Die neue Institutionenökonomik und das Governancekonzept: Zum Wandel der ökonomischen Theorie und ihren Implikationen für die Verwaltungsrechtswissenschaft, in: M. Bungenberg et al. (Hrsg.): Recht und Ökonomik, München 2004, S. 33-60; und M. Englerth: Behavioral Law and Economics – eine kritische Einführung, Bonn 2004.
  • 36 Vgl. ebenda.
  • 37 Eine umfassende dogmenhistorische Einordnung aus umweltökonomischer Sicht findet sich in J. Cortekar, J. Jasper, T. Sundmacher: Die Umwelt in der Geschichte des ökonomischen Denkens, Marburg 2006.

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DOI: 10.1007/s10273-010-1158-6