Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

„Niedriger, einfacher, gerechter“ – unter diesen drei Schlagworten wird in der Politik eine grundlegende Reform des deutschen Steuersystems diskutiert. Die Forderung nach niedrigeren Steuern wird im Allgemeinen damit begründe Internationale Vergleiche können diesen Befund sowohl bestätigen als auch widerlegen – je nachdem, wie die Belastung berechnet wird. Im vorliegenden Beitrag werden drei häufig verwendete Messkonzepte vorgestellt und diskutiert.

Die Belastung mit Zwangsabgaben – also mit Steuern und Sozialabgaben – wird allgemein über eine Quote gemessen, die die Summe der Abgaben in Relation zur Wirtschaftsleistung (Bezugsgröße) setzt. Die Wirtschaftsleistung eines Landes lässt sich über verschiedene Größen ausdrücken. Meistens, jedoch nicht immer, wird hierzu das Bruttoinlandsprodukt verwendet. Der Hauptunterschied zwischen verschiedenen Konzepten zur Messung der Abgabenbelastung liegt darin, dass unterschiedliche Bezugsgrößen für die Berechnung der Belastungsquote herangezogen werden. Daneben gibt es auch Abgrenzungsunterschiede bezüglich der Steuern und Sozialabgaben; die Größen, die in den Zähler der Quote einfließen, hängen also ebenfalls vom verwendeten Messkonzept ab. In der öffentlichen Diskussion werden vor allem drei Belastungsquoten immer wieder herangezogen: die Abgabenquote der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), die Einkommensbelastungsquote des Bundes der Steuerzahler sowie Berechnungen der OECD zur Belastung von Arbeitnehmerhaushalten.

Bevor die zugrundeliegenden Messkonzepte erläutert werden, sollen zunächst einige grundsätzliche Probleme angesprochen werden, die mit der Bildung und Interpretation von Belastungsquoten verbunden sind. Diese Probleme betreffen im Wesentlichen zwei Fragestellungen:

  • Sind Belastungsquoten ein geeigneter Maßstab für den staatlichen Einfluss auf private Akteure?
  • Wie lassen sich die von privaten Wirtschaftssubjekten entrichteten Abgaben korrekt messen?

Belastungsquoten = Staatseinfluss?

Mehrere Argumente sprechen dagegen, aus Belastungsquoten auf die Höhe des Staatseinflusses in einem Land zu schließen.1 So spiegeln sich in einer Belastungsquote nur diejenigen staatlichen Einflüsse wider, die einen Zahlungsstrom an den Staat zur Folge haben. Staatliche Einflüsse außerhalb derartiger Zahlungsströme bleiben dagegen unberücksichtigt. Derartige Einflüsse werden vor allem über die beiden folgenden Kanäle wirksam:

  • Das Wirken des Staates beschränkt sich nicht nur auf die Generierung von Einnahmen und die Verwendung der eingenommenen Gelder. Der Staat übt in vielen Fällen erheblichen Einfluss auf private Wirtschaftssubjekte aus, ohne dass hierbei in nennenswertem Umfang Abgaben erhoben werden müssen. So können Rechtsvorschriften privates Handeln stark einschränken, obwohl deren Erlass und Durchsetzung relativ geringe staatliche Finanzmittel erfordern. Beispiele sind staatlich festgesetzte Mindestlöhne, gewerberechtliche Vorgaben oder Bauvorschriften.
  • Das Gesamtvolumen der Abgaben spiegelt den staatlichen Einfluss, den diese Abgaben ausüben, nicht vollständig wider, sondern unterzeichnet ihn. Dies liegt daran, dass die Erhebung von Abgaben in aller Regel mit einem „Excess burden“ verbunden ist: Private Wirtschaftssubjekte reagieren auf die Abgabenerhebung mit einer Einschränkung oder gar Einstellung des Verhaltens, auf das Abgaben erhoben werden. Diese Verhaltensänderung belastet die privaten Wirtschaftssubjekte über den Zahlbetrag der Abgaben hinaus (Nutzeneinbuße). Bei der Erhebung der Einkommensteuer besteht diese Belastung beispielsweise darin, dass einige Wirtschaftssubjekte aufgrund der Steuererhebung von der Arbeitsaufnahme abgehalten werden.2

Selbst bei einer Beschränkung auf Staatseinflüsse, die mit Zahlungsströmen von privaten Akteuren an den Staat verbunden sind, bilden Belastungsquoten staatliche Einflüsse nicht immer korrekt ab. Auch bei einer geringen Belastungsquote können diese Einflüsse bedeutsam sein; nämlich dann, wenn der Staat seine Ausgaben nicht über die Erhebung von Abgaben, sondern über Kredite finanziert. Falls die Bürger antizipieren, dass Kredite zu einem späteren Zeitpunkt aus Steuergeldern zurückgezahlt werden müssen, werden sie auch die Kreditaufnahme des Staates als Belastung wahrnehmen.3

Die bisher angeführten Argumente legen nahe, dass Belastungsquoten die Belastung der privaten Wirtschaftssubjekte unterzeichnen. Allerdings sprechen auch mehrere Gründe dafür, dass Belastungsquoten die negativen Folgen staatlichen Wirkens überzeichnen. So sind Staatseinflüsse nicht per se negativ zu bewerten: Der Staat verwendet die eingenommenen Gelder (zumindest teilweise) nutzensteigernd, indem er beispielsweise öffentliche Güter bereitstellt oder die Bürger gegen existenzielle Risiken wie Arbeitslosigkeit oder Krankheit versichert. Den erhobenen Abgaben stehen also Gegenleistungen gegenüber; diese Gegenleistungen und deren Umfang spiegeln sich in Belastungsquoten jedoch überhaupt nicht wider. Ein Teil der staatlichen Einnahmen wird zudem über Transferzahlungen direkt an private Wirtschaftssubjekte zurückgegeben. Die Entscheidung über die Verwendung dieser Transferzahlungen treffen die Transferempfänger, nicht der Staat. Letztendlich wird die Wirtschaftsleistung also nicht vom Staat „beansprucht“, sondern nur umverteilt. Den Belastungen einiger Bürger stehen Entlastungen anderer Bürger in gleichem Umfang gegenüber. Diese bleiben bei Belastungsquoten unberücksichtigt.

Belastungsquoten werden in der Regel als Maßstab für die durchschnittliche Abgabenbelastung der Bürger interpretiert. Dies ist allerdings problematisch: Belastungsquoten geben meistens Auskunft über die durchschnittliche Belastung der erwirtschafteten Einkommen – die ermittelten Werte weichen bei einem progressiven Tarif von der durchschnittlichen Belastung der Bürger und bei einer nicht-linearen Steigerung der prozentualen Durchschnittsbelastung auch von der Belastung des Durchschnittsverdieners ab.

Folgendes Zahlenbeispiel verdeutlicht dies: Angenommen, die Abgaben werden gemäß einem progressiven Stufentarif erhoben. Bürger mit einem Einkommen zwischen 0 und 150 Geldeinheiten (GE) müssen 10% ihres Einkommens abführen, zwischen 150 und 500 GE beträgt der Abgabensatz 20% und für Einkommen über 500 GE beträgt die Belastung 50%. In der Gesellschaft leben insgesamt 10 Bürger, neun davon erzielen ein Einkommen von jeweils 100 GE, ein Bürger hat ein Einkommen von 1100 GE. Mit Hilfe von Tabelle 1 lässt sich die Höhe der verschiedenen Belastungsquoten ermitteln.

Tabelle 1
Durchschnittliche Abgabenlast: Zahlenbeispiel
Anzahl Bürger Einkommen (in Geldeinheiten) Abgabenlast (in %) Abgabenlast (in Geldeinheiten)
9 100 10 10
1 1100 50 550
Durchschnitt 200 14 64
  • Durchschnittlich erzielen die Bürger ein Einkommen von 200 GE und müssen 64 GE an Abgaben entrichten. Damit liegt die durchschnittliche Belastung der Einkommen bei 32%.
  • Neun Bürger haben eine Abgabenbelastung von 10%, während der reichste Bürger 50% seines Einkommens an den Staat abführen muss. Damit liegt die durchschnittliche Abgabenbelastung der Bürger bei 14%.
  • Das Durchschnittseinkommen liegt bei 200 GE. Gemäß dem oben unterstellten Abgabentarif wären von diesem Einkommen 20% an den Staat abzuführen.

Um die Abgabenlast eines typischen Bürgers abzubilden, könnte man ebenso die Belastung der Person, die über das Medianeinkommen verfügt, berechnen – also die Belastung desjenigen Bürgers, der genau in der Mitte der Einkommensverteilung steht. In unserem Zahlenbeispiel wäre dies ein Bürger mit einem Einkommen von 100 GE, auf das Abgaben in Höhe von 10% erhoben werden. Da fast alle Länder eine rechtsschiefe Einkommensverteilung4 und ein progressives Steuersystem aufweisen, fällt die Belastung des Medianeinkommens in der Regel geringer aus als die Belastung des Durchschnittseinkommens. Die Abbildung verdeutlicht dies: Die durchgezogene Kurve bildet die Häufigkeit (Dichte) der verschiedenen Einkommen ab, während die gestrichelte Kurve die durchschnittliche Abgabenbelastung in Abhängigkeit vom Einkommen wiedergibt.5 Wie aus der Abbildung ersichtlich, ist die prozentuale Abgabenbelastung des Medianeinkommens (BQM) geringer als die entsprechende Belastung des Durchschnittseinkommens (BQD).

Vergleich der Abgabenbelastung von Median- und Durchschnittseinkommen

missing image file

Messprobleme

Das Gesamtvolumen der erhobenen Abgaben scheint eine eindeutig definierte Größe zu sein. Dies ist jedoch nicht der Fall: So lassen sich staatliche Leistungen, die die Steuerschuld der betroffenen Bürger mindern (z.B. das Kindergeld) auf zwei verschiedene Arten interpretieren: entweder als Transferzahlung, die aus einem hypothetischen Steueraufkommen finanziert wird, oder als Steuerbefreiung. Ökonomisch macht es keinen Unterschied, welche Interpretation gewählt wird – die Konsummöglichkeiten aller Haushalte sind in beiden Fällen identisch. Die Abgabenquote ist jedoch aufgrund des höheren (hypothetischen) Steueraufkommens im ersten Fall höher als im zweiten. Darüber hinaus können bei weiteren Abgabenpositionen unterschiedliche Abgrenzungen vorgenommen werden.6 Damit können für ein und dasselbe Land unterschiedliche Belastungsquoten berechnet werden.

Selbst bei eindeutigen Abgrenzungskriterien können Belastungsquoten bei einer vergleichbaren Belastung – d.h. bei einer vergleichbaren Einschränkung privater Konsummöglichkeiten – unterschiedliche Werte annehmen. Dies liegt daran, dass es Steuerzahlern in unterschiedlichem Maße gelingen kann, einen Teil ihrer Steuerlast auf andere Wirtschaftssubjekte zu überwälzen.7 Das Ausmaß dieser Überwälzung beeinflusst die Höhe von Belastungsquoten, wie das folgende Beispiel zeigt: Angenommen, für eine Belastungsquote wird das BIP als Bezugsgröße gewählt. In der Ausgangssituation betrage das BIP 1000 GE und der Staat erhebe keinerlei Abgaben. Dann erlegt der Staat den Unternehmen eine indirekte (Mengen-)Steuer im Gesamtumfang von 250 GE auf. Die formale Steuerinzidenz liegt also bei den Unternehmen; unter Umständen gelingt es diesen jedoch, die Steuerlast ganz oder teilweise auf die Konsumenten zu überwälzen. Das Ausmaß der Überwälzung beeinflusst die Höhe der Belastungsquote, obwohl die durchschnittliche Belastung der Bürger hiervon unabhängig ist. Dies wird deutlich, wenn man die beiden Extremfälle – keine Überwälzung bzw. vollständige Überwälzung – betrachtet (vgl. Tabelle 2).

Tabelle 2
Überwälzungseffekte: Zahlenbeispiel
  Keine Überwälzung Vollständige Überwälzung
Indirekte Steuern (T) 250 GE 250 GE
BIP (nach Steuererhebung) 1000 GE 1250 GE
Volkseinkommen 750 GE 1000 GE
Belastungsquote in %: (T/BIP) ∙ 100 25 20
  • Gelingt es den Unternehmen nicht, die Steuerlast auf die Konsumenten zu überwälzen, so verändern sich die Verkaufspreise der Güter und damit das BIP nicht. Die Nettoerlöse der Unternehmen und damit die Einkommen der Faktoreigner (das Volkseinkommen) sinken jedoch um das Volumen der indirekten Steuern, also auf 750 GE. Da sich die Verkaufspreise der Güter nicht verändert haben, folgt daraus, dass sich die Konsummöglichkeiten der Bürger um 25% verringert haben. Die Belastungsquote beträgt ebenfalls 25%, spiegelt also die Belastung durch die Steuern korrekt wider.
  • Können die Unternehmen die Steuerlast dagegen vollständig auf die Konsumenten überwälzen, steigen die Verkaufspreise der Güter um die darauf erhobenen Steuern. Das BIP erhöht sich um das gesamte Steuervolumen auf 1250 GE. Da die gesamte Steuerlast auf die Konsumenten überwälzt wurde, verändern sich die Einkommen der Faktoreigner (das Volkseinkommen) nicht; diese können nach wie vor Konsumausgaben im Umfang von 1000 GE tätigen. Nach Einführung der Steuer erhalten sie für diesen Geldbetrag jedoch weniger Güter als zuvor: Die Verkaufspreise haben sich um die indirekten Steuern erhöht. Von den 1000 GE, die für Konsumausgaben verwendet werden, fließen 250 GE an den Staat; netto betragen die Konsumausgaben 750 GE. Das heißt, auch in diesem Fall haben sich die Konsummöglichkeiten der Bürger um 25% verringert. Die Belastungsquote beträgt jedoch nur 20%, unterzeichnet also die tatsächliche Belastung.

In der Realität werden mit Steuern und Sozialabgaben nicht nur Bürger belastet, die Faktoreinkommen am Markt beziehen, sondern ebenso Bürger, die staatliche Transferzahlungen erhalten. So zahlen z.B. Rentner oder Empfänger von Arbeitslosengeld mit ihren Konsumausgaben indirekte Steuern (z.B. Mehrwertsteuer oder Mineralölsteuer). Rentenbezüge sind – zumindest teilweise – einkommensteuerpflichtig, außerdem müssen hieraus Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bestritten werden. Um die Belastung der am Markt erzielten Einkommen adäquat darzustellen, müsste das Abgabenaufkommen um diese Beträge bereinigt werden. Hierfür fehlen jedoch die erforderlichen Daten.8

Nicht nur Bürger, die Transferzahlungen erhalten, tragen zu den Staatseinnahmen bei, sondern auch der Staat selbst, wenn auf seine Konsumausgaben indirekte Steuern erhoben werden. So zahlt der Staat beispielsweise Mehrwertsteuer und Mineralölsteuer, wenn er Treibstoff für seinen Fuhrpark bezieht. Ein anderes Beispiel sind die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung für Arzneimittel – da diese der Mehrwertsteuer unterliegen, fließt ein Teil dieser Ausgaben wieder dem Staat zu. Auch um diese Beträge müsste das Steueraufkommen bereinigt werden; die hierfür erforderlichen Daten fehlen jedoch ebenfalls.9

Alle bisher aufgeführten Punkte weisen darauf hin, dass Belastungsquoten – wie auch immer sie im Einzelnen gebildet werden – kein exaktes Maß für den staatlichen Einfluss auf private Wirtschaftssubjekte sind. Belastungsquoten sollten daher vorsichtig interpretiert werden – sowohl hinsichtlich ihrer absoluten Höhe als auch im Vergleich zu entsprechenden Quoten anderer Länder. Hinter zwei identischen Abgabenquoten können sich sehr unterschiedliche Muster staatlicher Aktivität verbergen. Zusätzlich zu diesen allgemeinen Problemen sind bei einzelnen Belastungsquoten spezifische Besonderheiten zu beachten. Drei häufig verwendete Quoten werden im Folgenden analysiert.

Abgabenquote der OECD

Die OECD, der 31 entwickelte Länder angehören, ermittelt alljährlich für jeden Mitgliedstaat eine Abgabenquote nach einheitlichen Kriterien. Als Maß für die Wirtschaftsleistung wird das BIP herangezogen. Die Abgabenquote der OECD berechnet sich also folgendermaßen:

Im Jahr 2007 betrug die deutsche Abgabenquote 36,2%.10 Damit lag Deutschland geringfügig über dem Durchschnittswert aller OECD-Länder von 35,8%. Vergleiche der deutschen Abgabenquote mit dem OECD-Durchschnitt werden in der öffentlichen Diskussion häufig herangezogen, sind aber aus mehreren Gründen problematisch.

So berücksichtigt die OECD bei ihren Abgabenquoten nur solche obligatorischen Sozialabgaben, die an öffentliche Institutionen abzuführen sind. Obligatorische Sozialabgaben, die an private Organisationen gezahlt werden, fließen nicht in die Abgabenquote ein.11 In der Schweiz beispielsweise sind obligatorische Beiträge an private Krankenversicherungen, private Einrichtungen der Beruflichen Vorsorge und private Unfallversicherungen abzuführen. Bei Berücksichtigung dieser Zwangsabgaben würde die Abgabenquote erheblich ansteigen: Während die Abgabenquote der OECD im Jahr 2007 lediglich 28,9% betrug, würde eine erweiterte Zwangsabgabenquote für das gleiche Jahr bei ca. 41% liegen.12 Die Abgabenquote der OECD enthält also nicht alle Zwangsabgaben. Aus Sicht der Bürger ist jedoch der Zwangscharakter einer Abgabe das entscheidende Kriterium für monetäre Belastungen durch staatliche Entscheidungen, die Rechtsform des Empfängers dürfte für die empfundene Belastung so gut wie keine Rolle spielen. Die Mitgliedstaaten der OECD erlegen ihren Bürgern in sehr unterschiedlichem Maß Zwangsabgaben an private Organisationen auf.13

Der OECD gehören zwar hauptsächlich Länder mit hohem Pro-Kopf-Einkommen an, jedoch nicht ausschließlich. Mit Polen, Mexiko, der Türkei und – seit Anfang 2010 – Chile sind in der OECD auch vier Staaten vertreten, die die Weltbank der Gruppe der Länder mit mittlerem Einkommen zuordnet.14 Dies wirft die Frage auf, wie aussagekräftig ein Vergleich der Abgabenquoten aller OECD-Länder ist. Der kürzlich erfolgte OECD-Beitritt Chiles verdeutlicht noch ein weiteres Problem: Die deutsche Abgabenquote wird in der Regel in Bezug zur durchschnittlichen Abgabenquote aller OECD-Länder gesetzt. Die Grundgesamtheit, die diesem Durchschnittswert zugrundeliegt, ist jedoch nicht stabil. Tritt ein Land mit niedriger Abgabenquote der OECD bei, sinkt der Durchschnittswert. Es wäre falsch, hieraus auf eine verschlechterte Position der alten OECD-Mitglieder im internationalen Standortwettbewerb zu schließen.

Einkommensbelastungsquote des Bundes der Steuerzahler

Während bei der Abgabenquote der OECD das BIP die Bezugsgröße für das Ausmaß der Belastung ist, werden bei der Einkommensbelastungsquote des Bundes der Steuerzahler die Abgaben in Relation zum Volkseinkommen gesetzt. Die Einkommensbelastungsquote (EBQ) berechnet sich damit folgendermaßen:

Im Jahr 2007 lag die Einkommensbelastungsquote bei 53% und damit deutlich über der Abgabenquote der OECD. Der Bund der Steuerzahler verwendet die Einkommensbelastungsquote u.a. dazu, den „Steuerzahlergedenktag“ zu berechnen. Das ist der Tag des Jahres, bis zu dem die Bürger rechnerisch nur für die Erwirtschaftung der Abgabenlast arbeiten. Im Jahr 2007 fiel der Steuerzahlergedenktag auf den 13. Juli.

Während das BIP ein Maß für den Wert aller im Inland produzierten Güter und Dienstleistungen ist, gibt das Volkseinkommen an, welches Einkommen die Eigentümer von Produktionsfaktoren (z.B. Arbeitnehmer, Unternehmer) erzielen. Das Volkseinkommen ergibt sich aus dem BIP in drei Schritten:

  • Einkommen, die Ausländer im Inland erzielen, werden vom BIP subtrahiert; entsprechend werden Einkommen, die Inländer im Ausland erzielen, addiert.
  • Ferner werden Abschreibungen der Unternehmen auf ihr Vermögen abgezogen.
  • Produktions- und Importabgaben (z.B. Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer, Einfuhrzölle) an den Staat werden subtrahiert, Subventionen vom Staat addiert.

Das Volkseinkommen macht in Deutschland ca. 75% des BIP aus. Damit gilt folgender Zusammenhang zwischen Einkommensbelastungsquote (EBQ) und Abgabenquote:

Dies bedeutet, dass die Einkommensbelastungsquote bei identischer Abgrenzung von Steuern und Sozialabgaben um ca. ein Drittel über der Abgabenquote liegt.15

Der Bund der Steuerzahler begründet die Verwendung der Einkommensbelastungsquote folgendermaßen: Aus der Abgabenquote der OECD (oder jeder anderen Abgabenquote, die als Bezugsgröße das BIP verwendet) könne nicht auf die durchschnittliche Abgabenbelastung der erzielten Einkommen geschlossen werden, weil das BIP nicht nur die Summe der gesamtwirtschaftlich erzielten Einkommen umfasse. Das BIP müsse zum einen um die Abschreibungen korrigiert werden, da der „Teil der Wertschöpfung, der zum Ersatz des verschlissenen Anlagevermögens benötigt“ werde, „kein Einkommen (im Sinne von Vermögensmehrung)“ darstelle.16 Zum anderen müsse das BIP um die indirekten Steuern bereinigt werden, weil sich der Staat über diese Steuern einen Teil des Produktionswerts aneigne, der folglich nicht mehr den Eigentümern der Produktionsfaktoren zur Verfügung stehe.

Während die Bereinigung des BIP um die Abschreibungen nachvollziehbar ist, wirft die Verminderung um die indirekten Steuern folgendes Problem auf: Die Gütersteuern verschwinden aus dem Nenner der Einkommensbelastungsquote, der Zähler enthält jedoch nach wie vor die Summe aus dem gesamten Steueraufkommen und den Sozialabgaben. Bei der Einkommensbelastungsquote handelt es sich somit um eine „unechte“ Quote.17

Die Kritik, dass die Einkommensbelastungsquote eine unechte Quote darstellt, ist technischer Natur. Inhaltlich erscheint das Vorgehen des Bundes der Steuerzahler auf den ersten Blick plausibel: Ein Unternehmen kann an die Eigentümer der eingesetzten Produktionsfaktoren nur seine Nettoerlöse ausschütten, da die indirekten Steuern an den Staat abzuführen sind. Jeder Anbieter von Produktionsfaktoren bestreitet aus seiner Faktorentlohnung direkte Steuern, Sozialbeiträge und Konsumausgaben, diese enthalten indirekte Steuern. Insofern fallen bei der Verwendung von Nettoerlösen sowohl direkte als auch indirekte Abgaben an. Aus Sicht eines einzelnen Faktoranbieters wäre es also rational, seine Abgabenbelastung zu berechnen, indem er von seinem Anteil an den Nettoerlösen des Unternehmens (d.h. seinem Bruttoeinkommen inklusive der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung) ausgeht und bestimmt, welcher Anteil hieran an direkten und indirekten Steuern sowie Sozialabgaben abzuführen ist.

Die Einkommensbelastungsquote des Bundes der Steuerzahler enthält in ihrem Zähler allerdings nicht nur Abgaben der Faktoreigner, sondern alle Abgaben, die in Deutschland erhoben werden – also auch Steuern und Sozialabgaben, die auf Konsumausgaben des Staates bzw. Transfereinkommen erhoben werden. Dadurch wird – ebenso wie bei der Abgabenquote – die Belastung der Bürger überzeichnet.18 Hierzu würde es nicht kommen, wenn das gesamte Steuer- und Abgabenaufkommen um die entsprechenden Beträge bereinigt werden könnte. Aber auch dann wäre die Einkommensbelastungsquote nicht in allen Fällen ein geeigneter Maßstab für die Belastung der Bürger mit Zwangsabgaben. Wie die Abgabenquote auch, würde die Einkommensbelastungsquote mit dem Ausmaß der Überwälzung von Abgaben variieren. Wenn man die Einkommensbelastungsquote für das Zahlenbeispiel (vgl. Tabelle 2) berechnet, erhält man für den Fall ohne Überwälzung eine Quote von 33,3%, was die Belastung überzeichnet. Bei vollständiger Überwälzung beträgt die Einkommensbelastungsquote hingegen 25% und ist ein korrekter Maßstab für die Belastung der Bürger, während die Abgabenquote (20%) diese unterzeichnet. Für den realistischen Fall einer teilweisen Überwälzung der Steuerlast bedeutet dies, dass keine der beiden Quoten die Belastung der Bürger adäquat darstellt: Während die Abgabenquote eine zu geringe Belastung ausweist, wird diese mit der Einkommensbelastungsquote zu hoch angesetzt. Zu beachten ist allerdings, dass nicht nur indirekte Steuern, sondern auch direkte Steuern und Sozialabgaben auf andere Wirtschaftssubjekte überwälzt werden können. Das BIP und das Volkseinkommen unterscheiden sich jedoch nur um das Aufkommen aus indirekten Steuern, nicht aber um das Aufkommen aus direkten Steuern und Sozialabgaben. Aus diesem Grund ist die Einkommensbelastungsquote nicht generell geeignet, um eine Bereinigung um Überwälzungseffekte vorzunehmen.

Die Tatsache, dass sich das Volkseinkommen vom BIP zwar um den Betrag der indirekten Steuern, nicht jedoch um die direkten Steuern und Sozialabgaben unterscheidet, bedingt einen erheblichen Nachteil der Einkommensbelastungsquote gegenüber der Abgabenquote: Bei vergleichbaren Überwälzungseffekten ist die Höhe der Abgabenquote unabhängig von der Art der erhobenen Abgaben. Die Einkommensbelastungsquote ist bei einem bestimmten Abgabenvolumen hingegen umso höher, je größer der Anteil der indirekten Steuern ist. Das bedeutet, dass die Einkommensbelastungsquote nicht nur von der Höhe der Belastung, sondern auch von deren Struktur abhängt und somit keine verlässlichen Informationen über die Belastungshöhe liefern kann.

Belastung von Arbeitnehmern gemäß OECD

Unter dem Titel „Taxing Wages“ veröffentlicht die OECD alljährlich Berechnungen zur Abgabenbelastung verschiedener Haushaltstypen. Dabei wird jedoch nur die Belastung mit direkten Steuern und Sozialabgaben, die auf das Arbeitseinkommen abhängig Beschäftigter erhoben werden, berücksichtigt. Die Belastungsquoten bei „Taxing Wages“ (BQTW) werden also wie folgt berechnet:

Die OECD berechnet Belastungsquoten für acht verschiedene Haushaltstypen, die durch die drei Kriterien Familienstand, Anzahl der Kinder und Arbeitseinkommen gekennzeichnet sind. Das Arbeitseinkommen wird hierbei nicht absolut, sondern in Prozent des länderspezifischen Durchschnittswerts für Vollzeiterwerbstätige in bestimmten Sektoren angegeben. Einer dieser Haushaltstypen ist beispielsweise ein Singlehaushalt ohne Kinder mit einem Arbeitseinkommen in Höhe von zwei Dritteln (gerundet 67%) dieses Durchschnittswerts, ein anderer Haushaltstyp ein Ehepaar mit zwei Kindern, wobei der eine Ehepartner 100%, der andere ein Drittel (gerundet 33%) des Durchschnittseinkommens verdient.

Für Deutschland und das Jahr 2007 liegt die Abgabenbelastung bei allen Haushaltstypen deutlich über den entsprechenden OECD-Durchschnittswerten. Je nach Haushaltstyp werden die Einkommen in Deutschland mit Abgaben zwischen 34,5% und 53,1% belastet.19 Die Zahlen der OECD enthalten nicht die Belastung mit indirekten Steuern; die Gesamtbelastung der Haushalte liegt also noch höher. Dies wirft die Frage auf, wie sich diese relativ hohen Quoten vor dem Hintergrund einer Abgabenquote von lediglich 36,2% erklären lassen. Für diese Differenz sind mehrere Faktoren relevant.

  • Bei der Abgabenquote werden die Abgaben in Relation zum BIP gesetzt; Bezugsgröße bei „Taxing Wages“ sind die Arbeitseinkommen von Arbeitnehmern. Dieses Vorgehen ähnelt in gewisser Hinsicht der Berechnung der Einkommensbelastungsquote, in beiden Fällen fließen Abschreibungen und indirekte Steuern nicht in die Bezugsgröße der Quote ein. Die kleinere Bezugsgröße treibt die Quote nach oben. Während in der Bezugsgröße der Einkommensbelastungsquote sämtliche Faktoreinkommen enthalten sind, finden bei „Taxing Wages“ nur die Arbeitseinkommen der abhängig Beschäftigten Berücksichtigung. Die Belastung, die bei der Verausgabung dieser Einkommen durch indirekte Steuern entsteht, wird – im Gegensatz zur Einkommensbelastungsquote – überhaupt nicht abgebildet.20
  • Ein weiterer Unterschied zwischen dem Vorgehen der OECD bei „Taxing Wages“ und der Berechnung der Abgabenquote besteht darin, dass für „Taxing Wages“ (unter anderem) die Abgabenbelastung eines Durchschnittseinkommens berechnet wird, während die Abgabenquote die durchschnittliche Belastung der Einkommen erfasst. Bereits oben wurde darauf hingewiesen, dass diese beiden Werte bei einer nicht-linearen Steigerung der prozentualen Durchschnittsbelastung auseinanderfallen. Bezüglich der Einkommensteuer verläuft die Kurve der prozentualen Durchschnittsbelastung in Deutschland über weite Bereiche konkav,21 so dass die Abgabenbelastung des Durchschnittseinkommens über der durchschnittlichen Belastung der Einkommen liegt. In „Taxing Wages“ ist das Referenzeinkommen allerdings nicht das durchschnittliche Brutto-Arbeitseinkommen aller Arbeitnehmer, sondern das eines Vollzeiterwerbstätigen in bestimmten Sektoren. Teilzeiterwerbstätige und geringfügig Beschäftigte werden zur Berechnung des Durchschnitts nicht herangezogen. Im Jahr 2007 betrug das von der OECD auf diese Weise berechnete Durchschnittseinkommen 42 949 Euro, während das Durchschnittseinkommen aller Arbeitnehmer in Deutschland im gleichen Jahr bei 27 161 Euro lag.22
  • Ein weiterer Grund für die vergleichsweise hohen Belastungswerte bei „Taxing Wages“ liegt darin, dass Sozialabgaben nur auf Arbeitseinkommen erhoben werden, der Faktor Arbeit also stärker belastet ist als andere Produktionsfaktoren. Einkunftsarten, auf die keine Sozialabgaben zu entrichten sind – wie Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder aus Kapitalvermögen – werden bei „Taxing Wages“ nicht berücksichtigt, wohl aber bei der Berechnung der Abgabenquote und der Einkommensbelastungsquote.
  • Abgabenquote und Einkommensbelastungsquote beruhen auf einer Ex-post-Betrachtung, in die die tatsächlich gezahlten Steuern und Sozialabgaben einfließen. Den Berechnungen in „Taxing Wages“ liegt hingegen ein Ex-ante-Ansatz zugrunde, bei dem untersucht wird, welche Abgaben ein bestimmter Haushalt nach der geltenden Rechtslage zu entrichten hätte. Dabei können individuelle Tatbestände, die die Abgabenlast senken (z.B. hohe Werbungskosten, außergewöhnliche Belastungen durch die Pflege von Familienangehörigen) nicht berücksichtigt werden. Lediglich allgemeine Erleichterungen, die alle Haushalte des jeweiligen Typs in Anspruch nehmen können, fließen in die Berechnungen ein. Dies ist im Falle Deutschlands beispielsweise der Pauschbetrag für Werbungskosten, der das zu versteuernde Einkommen senkt. Da ein Teil der Haushalte in der Einkommensteuererklärung darüber hinaus individuelle Tatbestände geltend machen kann, die die Steuerlast reduzieren, überzeichnet das Vorgehen der OECD die tatsächliche Belastung.
  • Schließlich liegt den Berechnungen in „Taxing Wages“ die Annahme zugrunde, dass alle betrachteten Haushalte (bzw. die Erwerbstätigen in diesen Haushalten) in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert sind; die unterstellten Beiträge zur GKV fließen in die Berechnung der Abgabenbelastung ein.23 Bei einem Teil der betrachteten Haushaltstypen erzielt allerdings ein Haushaltsmitglied Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze, kann sich also entweder privat oder freiwillig in der GKV versichern.24 Im Falle einer freiwilligen Versicherung in der GKV lassen sich die entsprechenden Beiträge nicht als Zwangsabgabe interpretieren. Insofern überzeichnet der Ansatz der OECD, von einer generellen Mitgliedschaft in der GKV auszugehen und alle GKV-Beiträge in die Berechnung der Abgabenlast einzubeziehen, die tatsächliche Zwangsabgabenbelastung bei den betroffenen Haushaltstypen. In die Berechnung der gesamtwirtschaftlichen Abgabenquote fließen hingegen freiwillige Sozialbeiträge nicht ein. Hier liegt ein weiterer Grund dafür, dass die Abgabenlast in „Taxing Wages“ im Vergleich zur Abgabenquote sehr hoch ausfällt.

Fazit

Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass alle vorgestellten Methoden zur Berechnung der Abgabenlast mit Mängeln und Problemen behaftet sind. Keine Berechnungsmethode spiegelt die tatsächliche Belastung der Bürger korrekt wider. Einige der geschilderten Schwierigkeiten sind zudem allgemeiner Natur – jede Belastungsquote würde die dargestellten Probleme aufweisen, unabhängig davon, wie sie gebildet wird. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob es überhaupt möglich ist, die Abgabenbelastung der Bürger exakt zu ermitteln.

Einheitlich gebildete Belastungsquoten können daher allenfalls Indizien zur relativen Höhe der Abgabenlast im internationalen Vergleich liefern. Die Einkommensbelastungsquote des Bundes der Steuerzahler scheidet – unabhängig von sonstigen Einwänden – hierfür aus, weil keine Daten zur Höhe dieser Quote in anderen Ländern vorliegen.25 Für Vergleichszwecke sind daher lediglich die Berechnungen der OECD (Abgabenquote bzw. „Taxing Wages“) geeignet. Allerdings lassen sich selbst mit Hilfe der OECD-Zahlen nur eingeschränkt internationale Vergleiche vornehmen – dies verdeutlicht beispielsweise die Diskussion zum unterschiedlichen Stellenwert von Zwangsabgaben an private Einrichtungen, die in die Abgabenquote der OECD wie auch in die Berechnungen bei „Taxing Wages“ nicht einfließen.

Bei internationalen Vergleichen sollte zudem die Zusammensetzung der Länder, die miteinander verglichen werden, beachtet werden. Ein Vergleich der deutschen Abgabenquote mit dem OECD-Durchschnitt krankt daran, dass in diesen Durchschnitt auch die Abgabenquoten deutlich ärmerer Länder einfließen. Sinnvoller erscheint es, die Abgabenbelastung in Deutschland mit der Abgabenbelastung in anderen europäischen Ländern zu vergleichen. So hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresgutachten 2005/06 die deutsche Steuer- bzw. Abgabenquote mit den entsprechenden Quoten in den alten EU-Staaten und in der EU insgesamt (damals noch ohne Bulgarien und Rumänien) verglichen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die deutsche Steuerquote26 vergleichsweise niedrig ist, während die Abgabenquote im europäischen Mittelfeld liegt.27 Der Sachverständigenrat hat daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass in Deutschland nicht die Notwendigkeit genereller Steuersenkungen bestehe. Problematisch sei vielmehr die Struktur der Abgabenbelastung. In Deutschland wird ein erheblicher Teil der Abgaben in Form von Sozialabgaben erhoben, die vor allem Arbeitseinkommen belasten. Steuern, die an allen Einkommensarten gleichermaßen ansetzen, spielen hingegen eine relativ geringe Rolle. Dieser Befund deckt sich mit der Tatsache, dass die Belastung von idealtypischen Arbeitnehmerhaushalten, die die OECD in „Taxing Wages“ ausweist, im internationalen Vergleich sehr hoch ausfällt, obwohl die gesamtwirtschaftliche Abgabenquote im Mittelfeld liegt.

Die hohe Belastung von Arbeitseinkommen im Vergleich zu anderen Einkunftsarten ist problematisch, da sie die Attraktivität sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer senkt. Dies erhöht ceteris paribus die Arbeitslosigkeit, was wiederum die Finanzierungsprobleme der Sozialversicherungen verschärft. „Es kommt zu einem Teufelskreis, der die Stabilität der Sozialversicherungssysteme zunehmend gefährdet.“28

  • 1 Vgl. hierzu auch Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen: Gutachten zur Aussagefähigkeit staatswirtschaftlicher Quoten, in: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung: Bulletin, Bd. 90 (1976), S. 849-862.
  • 2 Vgl. zur Theorie des „Excess burden“ S. Homburg: Allgemeine Steuerlehre, 6. Aufl., München 2010, Kapitel 5.
  • 3 In welchem Maße zukünftige Belastungen aus einer heutigen staatlichen Kreditaufnahme von den Bürgern antizipiert werden, ist umstritten. Im Ricardianischen Paradigma werden die Belastungen in vollem Umfang antizipiert – vgl. beispielsweise R. Barro: The Ricardian Approach to Budget Deficits, in: Journal of Economic Perspectives, Vol. 3 (1989), Nr. 2, S. 37-54.
  • 4 Bei einer rechtsschiefen Verteilung ist der Median kleiner als der Mittelwert.
  • 5 Der deutsche Einkommensteuertarif führt zu einer Belastungskurve der dargestellten Form. Zu beachten ist dabei, dass es sich bei der Einkommensteuer nur um eine von mehreren Abgabenarten handelt.
  • 6 Vgl. V. Stern: Problematische Abgabenquoten – die Einkommensbelastung wird unterschätzt, in: Wirtschaftsdienst, 80. Jg. (2000), H. 8, S. 511-516.
  • 7 Vgl. zur Theorie der Steuerüberwälzung S. Homburg, a.a.O., Kapitel 4.
  • 8 Vgl. zu dieser Problematik OECD: Revenue Statistics 1965/1998, Paris 1999, S. 29 f.
  • 9 Lediglich für die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer gibt es eine derartige Schätzung. Laut Auskunft des Bundesministeriums der Finanzen sind Mehrwertsteuereinnahmen von ca. 25 bis 30 Mrd. Euro auf staatliche Konsumausgaben zurückzuführen.
  • 10 Vgl. OECD: Revenue Statistics 1965/2008, a.a.O., S. 75. Das Jahr 2007 ist das letzte Jahr, für das die OECD bislang abschließende Berechnungen vorgenommen hat; für das Jahr 2008 liegen nur vorläufige Werte vor, für das Jahr 2009 wurden noch keine Werte veröffentlicht. Zu beachten ist, dass in der Zwischenzeit mehrere Abgabenentlastungen in Kraft getreten sind (z.B. Erhöhung des Grundfreibetrags, Anhebung der Einkommensgrenzen, ab denen ein bestimmter Grenzsteuersatz zu zahlen ist). Neben der OECD berechnen auch die Bundesbank und das Bundesministerium der Finanzen Abgabenquoten für Deutschland. Diese Quoten weichen aufgrund von Abgrenzungsunterschieden (siehe oben) erheblich vom Wert der OECD ab, sie liegen für das Jahr 2007 bei 40,8% (vgl. Deutsche Bundesbank: Monatsbericht Oktober 2008, S. 37) bzw. bei 40,3% (vgl. Bundesministerium der Finanzen: Monatsbericht Mai 2009, S. 95). Für internationale Vergleiche ist nur die Quote der OECD geeignet, weil hier das Berechnungsverfahren für alle Länder übereinstimmt.
  • 11 Vgl. OECD: Revenue Statistics 1965/2008, a.a.O., Annex A, Ziffern 3, 7, 8, 35 und 38.
  • 12 Auskunft des Eidgenössischen Finanzdepartements am 10.2.2010.
  • 13 Eine größere Rolle spielen derartige Abgaben in Dänemark, Island, Mexiko, den Niederlanden und der Schweiz. In diesen Ländern werden mehr als 20% der sozialen Leistungen über Pflichtbeiträge an private Organisationen finanziert – vgl. OECD: Revenue Statistics 1965/2008, a.a.O., S. 207 ff.
  • 14 Informationen zur Länderklassifikation der Weltbank finden sich unter: www.worldbank.org.
  • 15 Tatsächlich lag die Einkommensbelastungsquote im Jahr 2007 um 46% über der Abgabenquote der OECD. Dies erklärt sich daraus, dass der Bund der Steuerzahler Steuern und Sozialabgaben weiter abgrenzt als die OECD – vgl. V. Stern, a.a.O.
  • 16 Ebenda, S. 514.
  • 17 Von einer unechten Quote wird dann gesprochen, wenn der Zähler der Quote keine Teilmenge des Nenners ist – vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen: Gutachten zur Aussagefähigkeit staatswirtschaftlicher Quoten, in: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung: Bulletin, Bd. 90 (1976), S. 849 f.
  • 18 Der Bund der Steuerzahler ist sich bewusst, dass die Einkommensbelastungsquote die tatsächliche Einkommensbelastung des privaten Sektors überzeichnet und beziffert die Überzeichnung mit ca. einem Prozentpunkt – vgl. V. Stern, a.a.O., S. 515. Allerdings weist Stern in diesem Zusammenhang nur auf Sozialversicherungsbeiträge, die der Staat für Empfänger sozialer Leistungen zahlt, und die indirekten Steuern auf den Staatsverbrauch hin. Abgaben, die von privaten Akteuren aus Transfereinkommen gezahlt werden, finden keine Erwähnung.
  • 19 Vgl. OECD: Taxing Wages 2006-2007, Paris 2008, S. 64.
  • 20 Das Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler hat vor kurzem Berechnungen vorgestellt, die die Belastungsquoten der OECD um die Belastung mit Mehrwertsteuerzahlungen ergänzen. Dabei werden nur solche Steuerlasten berücksichtigt, die sich aus dem Konsum von Gütern ergeben, die dem Normalsteuersatz von 19% unterliegen. Steuerbelastungen aus dem Konsum von Gütern, auf die nur der ermäßigte Steuersatz von 7% erhoben wird (z.B. Lebensmittel), werden ebenso wenig berücksichtigt wie die Belastung mit spezifischen Verbrauchsteuern (z.B. Mineralölsteuer). Bei den beiden vom Karl-Bräuer-Institut betrachteten Haushaltstypen erhöht sich die Belastungsquote gegenüber den entsprechenden OECD-Werten um 3,6 bzw. 4,4 Prozentpunkte. Vgl. Karl-Bräuer-Institut: Steuer- und Abgabenbelastung weiter angespannt, Sonderinformation 61, Berlin 2010.
  • 21 Die Durchschnittsbelastung steigt zunächst stark an, mit zunehmendem Einkommen verlangsamt sich der Anstieg jedoch, vgl. auch die Abbildung.
  • 22 Vgl. BMF: Datensammlung zur Steuerpolitik – Ausgabe 2008, Berlin 2009, S. 10.
  • 23 Vgl. OECD: Taxing Wages 2006-2007, a.a.O., S. 230.
  • 24 So ist einer der betrachteten Haushaltstypen ein Singlehaushalt mit einem Brutto-Jahresarbeitseinkommen in Höhe von 167% des Durchschnittswerts. Der Durchschnittswert lag im Jahr 2007 bei 42 949 Euro, fünf Drittel dieses Wertes – gerundet 167% – entsprechen 71 582 Euro. Die allgemeine Versicherungspflichtgrenze lag in jenem Jahr bei 47 700 Euro. Für einige Arbeitnehmer gilt die besondere Versicherungspflichtgrenze, die 2007 mit 42 750 Euro unter dem Durchschnittseinkommen lag. Das bedeutet, dass selbst für einen Teil der Beschäftigten mit einem durchschnittlichen Einkommen keine Versicherungspflicht in der GKV besteht.
  • 25 Zwar gibt es auch in anderen Ländern Verbände der Steuerzahler, die Berechnungen zur Abgabenbelastung durchführen, allerdings unterscheidet sich die Methodik der Berechnung von Land zu Land.
  • 26 Im Gegensatz zur Abgabenquote werden hier nur die Steuereinnahmen, nicht jedoch die Sozialabgaben, in Beziehung zum BIP gesetzt.
  • 27 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Jahresgutachten 2005/06, S. 263.
  • 28 Vgl. ebenda, S. 342.


DOI: 10.1007/s10273-010-1087-4