Die hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen spiegelt sich nach wie vor nicht in einer Gleichverteilung der Geschlechter in den Führungsetagen wider. Dies betrifft sowohl die Leitungsebene in der Privatwirtschaft als auch die Zusammensetzung von Aufsichtsräten und Vorstandspositionen.1 Daher werden die Forderungen nach gesetzlichen Grundlagen lauter, die Frauen den Zutritt zu Führungszirkeln erleichtern sollen. Beispielsweise hat Norwegen eine Frauenquote für alle staatlich kontrollierten und börsennotierten Unternehmen gesetzlich verankert. Spanien folgte diesem Beispiel im Jahr 2007, jedoch – im Gegensatz zu Norwegen – ohne Sanktionsmöglichkeit bei einer Verletzung der Regeln.
Die deutsche Bundesregierung setzt auf Freiwilligkeit: Im Jahr 2001 traf sie mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft eine Vereinbarung zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft. Auch im Koalitionsvertrag der im Herbst 2009 neu formierten Bundesregierung wurde das Thema aufgegriffen. Demzufolge soll der Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst maßgeblich gesteigert werden. Dazu soll ein Stufenplan zur Erhöhung des Frauenanteils in Vorständen und Aufsichtsräten vorgelegt werden. Der Stufenplan setzt zwar auf verbindliche Berichtspflichten und transparente Selbstverpflichtung, seine Einhaltung ist jedoch nicht verpflichtend und hat wiederum lediglich freiwilligen, appellativen Charakter.
In Deutschland haben Frauen wesentlich seltener Führungspositionen in Betrieben inne als Männer. Daran hat sich auch in den letzten Jahren nichts geändert. Im IAB-Betriebspanel, einer jährlich durchgeführten repräsentativen Arbeitgeberbefragung2 wurde im Jahr 2008 zum zweiten Mal danach gefragt, wie viele Frauen in der ersten und zweiten Führungsebene in deutschen Betrieben zu finden sind. Nach wie vor sind die Zahlen ernüchternd: 71% aller Betriebe der Privatwirtschaft werden von Männern geleitet; Frauen findet man in diesen Betrieben weder als einzige Führungsperson noch als Mitglied in der Führungsriege.
Während 42% der Beschäftigten in privatwirtschaftlichen Betrieben weiblich sind, ist lediglich knapp jede vierte Spitzenposition mit einer Frau besetzt (vgl. Tabelle). In der Ebene unter der Geschäftsleitung sind Frauen häufiger zu finden; in der zweiten Führungsebene sind sie mit einem Anteil von 35% vertreten. Seit 2004 – der erstmaligen Erhebung dieser Information – hat sich die Verteilung weder für die erste (24%) noch für die zweite Führungsebene (33%) wesentlich verändert.
Frauenanteil an allen Beschäftigten und in Führungspositionen 2008
Frauenanteil in %… | |||
---|---|---|---|
...an allen Beschäftigten | ...in der 1. Führungsebene | ...in der 2. Führungsebene | |
Bergbau/ Energie/ Wasserversorgung | 20 | 8 | 9 |
Verbrauchsgüter | 44 | 19 | 30 |
Produktionsgüter | 21 | 19 | 14 |
Investitionsgüter | 21 | 12 | 12 |
Baugewerbe | 15 | 9 | 15 |
Handel | 49 | 27 | 40 |
Verkehr/ Nachrichtenübermittlung | 23 | 20 | 24 |
Kredit/ Versicherung | 53 | 8 | 23 |
Unternehmensbezogene Dienste | 42 | 20 | 30 |
Sonstige Dienste | 70 | 40 | 62 |
Insgesamt | 42 | 25 | 35 |
Quelle: IAB-Betriebspanel 2008.
In größeren Betrieben stehen Frauen seltener an der Spitze
Mit steigender Betriebsgröße sinkt nicht nur der Frauenanteil an allen Beschäftigten. Auch der Anteil weiblicher Führungskräfte nimmt mit zunehmender Beschäftigtenzahl ab und zwar überproportional. In Kleinstbetrieben (ein bis neun Beschäftigte) ist mehr als jede vierte Spitzenposition mit einer Frau besetzt. In Großbetrieben (ab 500 Beschäftigten) beträgt der Anteil von Frauen in der obersten Führungsebene nur 9%. Immerhin sind aber Zuwächse zu verzeichnen: Vier Jahre zuvor betrug der Wert erst 6%.3
Der höhere Anteil von Frauen in der zweiten Führungsebene gilt für alle Betriebsgrößenklassen. In jeder der untersuchten Betriebgrößenklassen sind Frauen hier häufiger zu finden – was jedoch angesichts der geringen Anzahl von Betrieben mit einer zweiten Ebene (22%) und der geringeren Führungsverantwortung auf dieser Ebene an Bedeutung verliert.
In den Führungsetagen kleiner Betriebe sind Frauen zwar besser vertreten. Dort sind aber den Führungskräften weit weniger Personen unterstellt.4 Diese Betriebe bieten zudem weniger Arbeitsplatzsicherheit und weniger berufliche Förderung von Führungskräften. Führung in kleinen Betrieben ist also nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ von derjenigen in großen Betrieben zu unterscheiden. Deutlich wird, dass der Anteil weiblicher Führungskräfte in allen Größenklassen geringer ist als ihr entsprechender Beschäftigtenanteil.
Höchste Frauenquote in Betrieben der „Sonstigen Dienstleistungen“
Weit überdurchschnittliche Frauenanteile sind in den Sonstigen Dienstleistungen zu beobachten – und zwar auf allen Ebenen. 40% der Positionen auf der ersten Führungsebene und 62% auf der zweiten sind mit Frauen besetzt (vgl. Tabelle). Letzteres entspricht fast dem ebenfalls sehr hohen Frauenanteil an allen Beschäftigten in diesem Sektor (70%). Verantwortlich für diese hohen Werte sind sicherlich die Wirtschaftszweige Erziehung und Unterricht, Gaststätten und Beherbergung, sowie andere kleine Dienstleistungsbetriebe, wie Wäschereien, Reinigung, Friseure, Kosmetik usw., in denen vorwiegend Frauen arbeiten.
Ebenso findet man Frauen überdurchschnittlich häufig im Sektor Handel und Reparatur, sowohl insgesamt (49%), als auch in der Leitung (1. Führungsebene: 27%; 2. Führungsebene: 40%). Jedoch sind auch hier Frauen nicht entsprechend ihrem Anteil an den Beschäftigten vertreten.
In den Betrieben des Finanzsektors stellen Frauen zwar über die Hälfte der Beschäftigten, in der Führungsetage sind sie jedoch selten zu finden: Nicht einmal jede zehnte Führungskraft auf der ersten Ebene ist weiblich. Auf der zweiten Ebene ist der Frauenanteil zwar höher (23%), liegt aber dennoch deutlich unter dem Durchschnittswert. Die Tatsache, dass sich der Frauenanteil im Spitzenmanagement des Finanzsektors auf verschwindend geringem Niveau befindet, wird auch von anderen Studien – bezogen auf Vorstandsposten – bestätigt.5 Besonders dort, wo es um „wirtschaftliche Macht“ geht, sind Frauen wenig vertreten.
Managerstellen werden selten von Frauen besetzt
Dieser Eindruck wird auch bestätigt, wenn die Führungsstruktur der Betriebe genauer betrachtet wird. Ein Betrieb kann zum einen vom Eigentümer oder von Mitgliedern der Eigentümerfamilie geleitet werden. Zum anderen kann die Führung vor allem in größeren Betrieben in der Hand eines Managers oder Managementteams liegen. Auch die Kombination beider Formen der Leitung ist – insbesondere in mittelständischen Betrieben – denkbar.
Im Vergleich zu eigentümergeleiteten Betrieben „führen“ Frauen seltener in managergeleiteten Betrieben. Der Frauenanteil auf beiden Führungsebenen liegt in ausschließlich managergeleiteten Betrieben weit unter dem Durchschnitt aller Betriebe. Hingegen haben eigentümergeleitete Betriebe häufiger Frauen in Leitungspositionen bzw. Frauen sind selbst die Eigentümerinnen des Betriebs.
Der Einfluss der Führungsstruktur ist für alle Betriebsgrößen gleich. Die Unterschiede sind damit auch ein Indiz für ungleiche Zugangschancen zu Managementpositionen. Diese werden meist kompetitiv besetzt, d.h. männliche und weibliche Bewerber stehen in direkter Konkurrenz zueinander. Männer bilden eher einflussreiche Netzwerke in Vorständen und Aufsichtsräten, in die Frauen als Außenseiterinnen kaum vordringen.6 Die bessere Vernetzung der männlichen Bewerber könnte sich als Vorteil erweisen.
Was hält Frauen von den Chefetagen fern?
Aus anderen wissenschaftlichen Untersuchungen lassen sich verschiedene Gründe ableiten, die Frauen den Aufstieg an die Spitze erschweren: Die Ausfallzeiten von Frauen während der Familienbildungsphase überschneiden sich zeitlich oft mit der wichtigen Phase der Karrierebildung. Dies wirkt sich nachteilig auf den Karrierestart, aber auch auf die spätere Karriere von Frauen aus. In dieser Zeit festigen sich zudem häufig traditionelle arbeitsteilige Strukturen in den Familien, was im Umkehrschluss die Zeitsouveränität der Frauen stärker einschränkt als die der Männer. Die Chancen der Frauen auf eine Führungsposition verringern sich auch deshalb, weil familienbedingte Ausfallzeiten später meist nicht mehr aufgeholt werden können.7 Aber selbst Frauen, die sich für ein Lebensmodell ohne Kinder entscheiden, müssen sich mit Karrierehindernissen auseinandersetzen, denn auch sie werden oft von Personalverantwortlichen als „potenzielle“ Mütter eingestuft. So ist es nicht verwunderlich, dass Frauen in Führungspositionen vergleichsweise seltener verheiratet sind und häufiger ohne Kinder im Haushalt leben als Männer in Führungspositionen.8 Zudem fehlen bislang meist die weiblichen Vorbilder, also Frauen, die Spitzenpositionen innehaben, an denen sich Frauen bei ihrer Karriereplanung orientieren können.
Auch Unterschiede in der Berufswahl von Frauen und Männern sind mitverantwortlich für unterschiedliche Aufstiegs- und Verdienstmöglichkeiten. Frauen ergreifen häufiger als Männer Berufe mit strukturellen Nachteilen (horizontale Segregation); diese bieten weniger Möglichkeiten in eine Führungsposition zu gelangen. Die beruflichen Tätigkeitsfelder von Frauen ordnen sich häufiger dem Dienstleistungsbereich zu, der im Gegensatz zum produzierenden Gewerbe traditionell – nicht nur, aber auch aufgrund der geringeren Größe der Betriebe dieses Sektors – mit Nachteilen behaftet ist. Beispielsweise wird der Beruf der Zahnarzthelferin fast ausschließlich (2007: 99%) von Frauen ausgeübt,9 ein Beruf, der weder Aufstiegschancen noch attraktive Verdienstmöglichkeiten bietet.
Fazit
Frauen sind in den Chefetagen der Privatwirtschaft nach wie vor seltener vertreten, als es ihrem Anteil an den Beschäftigten entsprechen würde. Vor allem in Großbetrieben – also den Schaltstellen wirtschaftlicher Macht – sind Frauen kaum zu finden. In Betrieben mit 500 und mehr Beschäftigten beträgt ihr Anteil auf der ersten Führungsebene nur 9%. Allerdings ist in diesen Betrieben seit 2004 ein leichter Anstieg zu beobachten. Auf der zweiten Leitungsebene haben immerhin 35% der Frauen eine Führungsposition inne.
Auch die Branche hat einen wichtigen Einfluss darauf, wie die Spitzenpositionen besetzt sind: Frauen leiten eher Betriebe im Dienstleistungsbereich, Männer eher im verarbeitenden Gewerbe. Hohe Frauenanteile unter den Beschäftigten einer Branche führen aber nicht immer dazu, dass ihr Anteil auch in Führungspositionen steigt. Speziell im Finanz- und Versicherungssektor mit einem überdurchschnittlich hohen Frauenanteil sind Frauen in Führungspositionen eine Seltenheit.
Die Ergebnisse des IAB-Betriebspanels zeigen zudem, dass sich in den letzten vier Jahren auf diesem Feld wenig geändert hat. Ob der Stufenplan der Koalition – der weiterhin auf Freiwilligkeit setzt – hier etwas bewegen wird, muss die Zukunft zeigen. Der sich abzeichnende demographische Wandel mit dem voraussichtlichen Mangel an Fachkräften könnte auch dazu führen, dass auf qualifizierte Frauen in Führungspositionen immer weniger verzichtet werden kann. Erste Unternehmen haben die Zeichen der Zeit erkannt und setzen seit kurzem auf Quoten bei der Besetzung der Führungspositionen. Es ist zu wünschen, dass für die jüngeren Generationen weibliche Vorgesetzte nichts Ungewöhnliches mehr sein werden.
- 1 Vgl. E. Holst, A. Wiemer: Frauen in Spitzengremien großer Unternehmen weiterhin massiv unterrepräsentiert, in: Wochenbericht des DIW, 2010, Nr. 4; M. Weckes: Die „Gläserne Decke“ durchbrechen – Für eine Quotenregelung in Aufsichtsräten und Vorständen der Privatwirtschaft, in: Femina Politica, 2009, Nr. 2, S. 112-116.
- 2 Vgl. http://www.iab.de/de/erhebungen/iab-betriebspanel.aspx/.
- 3 S. Kohaut, I. Möller: Frauen kommen auf den Chefetagen nicht voran, in: IAB-Kurzbericht, 2010, Nr. 6.
- 4 Im Schnitt sind Frauen in Führungspositionen weit weniger Personen unterstellt. Männer haben durchschnittlich 41 Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen, bei den Frauen sind es nur 18. Vgl. E. Holst: Führungskräftemonitor 2001-2006, Forschungsreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Bd. 7, Baden-Baden 2009.
- 5 Vgl. E. Holst, A. Wiemer, a.a.O.
- 6 Ebenda.
- 7 Vgl. E. Holst, a.a.O.; F. Schulz, H.-P. Blossfeld: Wie verändert sich die häusliche Arbeitsteilung im Eheverlauf? Eine Längsschnittstudie der ersten 14 Ehejahre in Westdeutschland, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 58 (2006), Nr. 1, S. 23-49.
- 8 Vgl. E. Holst, a.a.O.; C. Kleinert: Karriere mit Hindernissen, in: IAB-Kurzbericht, 2006, Nr. 9.
- 9 Vgl. E. Holst, a.a.O.