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Die Klimapolitik kann nicht mehr nur aus Klimaschutzmaßnahmen bestehen, sondern muss auch heute schon Anpassungsmaßnahmen an die Folgen des Klimawandels ergreifen. Diese Maßnahmen können einander unterstützen, aber auch gegenläufig wirken. In einer systematischen Aufstellung werden die Betroffenheit der jeweiligen Akteure erfasst und Reaktionsmöglichkeiten aufgezeigt.

Der Klimawandel lässt sich gegenwärtig nicht mehr vollständig aufhalten, auch wenn die nationalen und internationalen Verhandlungen zum Klimaschutz weiter voranschreiten und perspektivisch eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf maximal 2°C erreicht werden kann. Klimaschutz und die Anpassung an unvermeidbare Folgen des Klimawandels sind daher integrative und gesamtgesellschaftliche Aufgaben, der sich private, unternehmerische und staatliche Akteure gemeinsam annehmen müssen. Vor diesem Hintergrund wird die nationale Klimaschutzpolitik seit 2008 durch eine deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel flankiert. Bis zum Sommer 2011 soll die Anpassungsstrategie in einen deutlich überarbeiteten Aktionsplan Anpassung münden, der in Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren erarbeitet wird – dazu zählen auch deutsche Kommunen und Unternehmen, die zunehmend vom Klimawandel betroffen sind. Hierbei lassen sich verschiedene Ausprägungen bzw. Dimensionen der Betroffenheit konstatieren, da der Klimawandel nicht nur direkt, z.B. in Form stärker und häufiger auftretender Extremwettereignisse, wirkt, sondern auch indirekt insbesondere über marktliche oder regulatorische Einflüsse. Diese sind auch für Unternehmen und Kommunen, die ähnlichen klimatischen Bedingungen ausgesetzt sind, durchaus unterschiedlich und fallweise zu spezifizieren.

Vor dem Hintergrund dieser Betroffenheiten und der weiteren relevanten Einflussfaktoren ergibt sich die Notwendigkeit der Entwicklung und Implementierung geeigneter Strategien und Maßnahmen. In Abhängigkeit von der Betroffenheitssituation bieten sich verschiedene strategische Optionen und strategieadäquate Maßnahmen an, die sich in verschiedenem Maße einer Strategie des Klimaschutzes (Mitigation) oder einer Strategie der Anpassung an die Klimafolgen (Adaptation) zuordnen lassen. Gerade weil diese Zuordnung in der bisherigen Klimadebatte nicht immer trennscharf erfolgt, ist eine differenzierte Auseinandersetzung mit den verschiedenen Betroffenheiten und Strategien im Umgang mit dem Klimawandel sinnvoll und bildet eine wesentliche Grundlage für eine zielgenaue Maßnahmenplanung in der unternehmerischen und kommunalen Praxis.

Klimaschutz und Klimaanpassung: Integrative Sicht ist notwendig

Mit Blick auf den Klimawandel und dessen ökologische, ökonomische und soziale Auswirkungen kann weder auf die Mitigation noch auf die Adaptation verzichtet werden. Während unter der Mitigation alle Aktivitäten zur Vermeidung und Verminderung von Treibhausgasemissionen subsumiert werden, liegt der Fokus bei der Adaptation auf der Anpassung an die Folgen der Klimaveränderungen, z.B. an stärker und häufiger auftretende Extremwetterereignisse, wie Starkregen, Stürme oder Hitze. Die Notwendigkeit der Anpassung lässt sich vor allem damit begründen, dass es sich bei dem Klimawandel um ein langlebiges Phänomen handelt, das sich kurzfristig auch durch noch so große Anstrengungen im Bereich des Klimaschutzes nicht vermeiden lässt. Eine Umkehr des Klimawandels ist lediglich in Zeiträumen von Jahrzehnten möglich.1 Damit wird ersichtlich, dass dem Klimawandel allein mit Klimaschutz nicht begegnet werden kann. Die Verletzlichkeiten gegenüber Klimafolgen können nur selten durch Klimaschutzmaßnahmen vermieden und verringert werden; gegen Hochwasser sind Energiespar- und andere Emissionsverminderungsmaßnahmen in der Regel unwirksam. Auch eine Strategie, die ausschließlich auf Anpassung setzt, stößt langfristig an ihre Grenzen, denn es wird davon ausgegangen, dass eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf um 2°C notwendig ist, damit die Folgen des Klimawandels beherrschbar bleiben.2 Dieses Ziel hat ebenfalls Eingang in die internationalen Klimaverhandlungen der UN gefunden und wurde auf dem Klimagipfel in Cancun Ende 2010 festgeschrieben. Doch auch wenn das Ziel erreicht werden sollte, ist ohne die rechtzeitige Anpassung an erwartete Klimaveränderungen langfristig mit zusätzlichen ökonomischen und sozialen Folgekosten zu rechnen. Beide Strategien, die der Mitigation und die der Adaptation, sind daher sinnvoll und notwendig, wobei es in Einzelfällen durchaus zu Zielkonflikten, aber auch Synergien kommen kann.3

Die verschiedenen Akteure aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung erkennen und befürworten zunehmend die Notwendigkeit einer integrativen Betrachtung der Strategien des Klimaschutzes und der Klimaanpassung. Auf politischer Ebene fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) z.B. seit einiger Zeit im Rahmen von zwei Fördermaßnahmen „klimazwei – Forschung für den Klimaschutz und Schutz vor Klimawirkungen“ und „KLIMZUG – Klimawandel in Regionen zukunftsfähig gestalten“ mehrere Verbundprojekte mit dem Schwerpunkt Klimaschutz und Klimaanpassung.4 Der Themenkomplex Klimawandel erfährt auch in der Forschung eine zunehmende Aufmerksamkeit, wobei festzuhalten ist, dass es sich bei der Klimaanpassung im Unterschied zum Klimaschutz um ein junges Forschungsfeld handelt. Dennoch nehmen die theoretischen Auseinandersetzungen und empirischen Untersuchungen zur Klimaanpassung seit einiger Zeit stark zu. Trotz dieser Tendenz besteht angesichts der Komplexität und Vielfältigkeit der Thematik immer noch ein großer Nachholbedarf im Bereich der Anpassungsforschung.

Betroffenheit vom Klimawandel: ein mehrdimensionales Phänomen

Klimawandelbedingte Veränderungen und deren Folgen sind so komplex und vielfältig wie auch die Möglichkeiten und Maßnahmen diesen Veränderungen zu begegnen. Die aktuelle und erwartete Betroffenheit vom Klimawandel kann als eines der zentralen Handlungsmotive sowohl für Klimaschutz als auch für Anpassungsprozesse betrachtet werden. Bei der Klimabetroffenheit handelt es sich wie bei der „ökologischen Betroffenheit“5 um ein vielschichtiges Phänomen, dessen Beschreibung und Ermittlung eine differenzierte Analyse erfordert, die sowohl objektive als auch subjektive Einflussgrößen beinhaltet. Dabei spielen vor allem die Determinanten Zeit, Intensität, Ausdehnung und Art der Betroffenheit eine wichtige Rolle. Der Handlungsdruck wird stark beeinflusst von der Einschätzung darüber, ob bereits eine Betroffenheit vorliegt oder ob sie kurzfristig, mittelfristig oder langfristig zu erwarten ist. Die Intensität beschreibt das Ausmaß der vorliegenden und zu erwartenden Klimawirkungen in ökologischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Hinsicht, wobei auch die Ausdehnung der Klimafolgen, d.h. deren räumliche oder sektorale Wirkungsausstrahlung, das Betroffenheitskalkül bestimmt. Die Art der Betroffenheit ergibt sich primär aus den verschiedenen Ausprägungsformen der Klimafolgen, wobei zwischen einer direkten und einer indirekten Betroffenheit unterschieden wird. Direkte Betroffenheiten ergeben sich aus natürlich-physikalischen Klimafolgen, indirekte Betroffenheiten hingegen überwiegend aus marktlichen und regulatorischen Folgen des Klimawandels. Diese Aufteilung ist für eine Analyse der Betroffenheitssituation und die darauf folgende Strategie- und Maßnahmenplanung von hoher Bedeutung. In der Klimadiskussion liegt häufig die natürlich-physikalische Dimension des Klimawandels im Mittelpunkt des Interesses, die zweifelsohne in engem Zusammenhang mit den anderen genannten Dimensionen steht. Die explizite Berücksichtigung der marktbezogenen und regulatorischen Folgen ist jedoch bei einer umfassenden Betroffenheitsanalyse unabdingbar. Bei vielen deutschen Unternehmen lässt sich gegenwärtig vorwiegend eine indirekte Betroffenheit über die regulatorische und marktliche Dimension feststellen.

Klimawandel in Regionen – Bedeutung von Unternehmen und Kommunen

Eine Analyse von Betroffenheiten kann Erfordernisse und Beweggründe sowohl für Klimaschutz- als auch Klimaanpassungsaktivitäten verdeutlichen und hilft dabei Handlungserfordernisse zu priorisieren und bedarfsgerechte Maßnahmen zu identifizieren. Dabei ist ein lokalspezifischer Ansatz sinnvoll, da die Folgen des Klimawandels im Raum in heterogener Art und Ausprägung auftreten. Bei der Abgrenzung solcher Klimazonen bietet die Region einen geeigneten Bezugspunkt, da sie als räumliche Einheit anders als etwa traditionelle politische Gebietskörperschaften offener und den Erfordernissen angemessen definiert werden kann. Regionen können daher als ein Handlungsraum verstanden werden, in dem anstelle eines rein formellen Institutionsrahmens eine Art Selbststeuerung für Klimaanpassungsprozesse oder auch Klimaschutzstrategien tritt.6 Die Steuerung vollzieht sich dabei in institutionellen und gesellschaftlichen Strukturen oder Entscheidungsprozessen beziehungsweise über formelle und informelle Regelungen.7 Der Begriff der „Regional Governance“ und das dahinterstehende Konzept beschreibt solche komplexen, netzwerkartigen und in der Ausprägung stets verschiedenen Steuerungsformen und wird insbesondere in der Klimaanpassungsdiskussion häufig verwendet. Durch die weite Auslegungsmöglichkeit des Begriffes schließt regionale Steuerung im Sinne des Governance-Konzeptes die Beteiligung relevanter Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ein und ist damit ausdrücklich partizipativ. Insbesondere akteursorientierte Auffassungen8 des Governance-Begriffes gehen davon aus, dass die regionale Steuerungsform, im vorliegenden Fall Klimaanpassungs- bzw. -schutzprozesse, maßgeblich von den beteiligten Akteuren und deren Handlungslogiken abhängt.9

Diese Einbindung lokaler Akteure in klimastrategische Planungen ist von besonderer Relevanz, wenn es darum geht, die Vielzahl der Klimafolgen auf Funktionen ökologisch-biologischer und sozio-ökonomischer Systeme differenziert zu erfassen, und kann darüber hinaus die frühzeitige Identifikation potenzieller Konflikte und Synergien bei der Entwicklung einer integrierten regionalen Klimawandelstrategie ermöglichen. Im Umgang mit dem Klimawandel greifen isolierte Handlungsansätze häufig zu kurz, da sie teils externe Effekte erzeugen und zu neuen Betroffenheiten an anderer Stelle führen können. Der Umgang mit zunehmender Wasserknappheit kann z.B. nur in Abstimmung sämtlicher Nutzer geschehen, da die geeignete Lösung für einen Akteur in einer steigenden Wasserentnahme liegen kann, die das Problem für einen anderen Akteur jedoch verschärfen und Nutzungskonflikte hervorrufen würde. Mit der Betonung partizipativ und regional gesteuerter Klimaanpassungs- oder auch Klimaschutzprozesse rücken zunächst die Betroffenheit und die Handlungslogiken einzelner Akteure in den Vordergrund. Letztlich spiegelt die Betroffenheit einer Region auch alle partikularen Betroffenheiten einzelner Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wider.

Im Rahmen dieses Beitrags werden die spezifischen Betroffenheitsdimensionen von Unternehmen und von Gemeinden – als kleinste räumlich-administrative Einheit – verdeutlicht. Diese Betrachtung fügt sich auch in das Governance-Konzept ein, da sie die zwei zentralen Steuerungsformen Markt und Hierarchie, in denen sich Unternehmen und Gemeindeverwaltungen üblicherweise bewegen, verbindet.10 Gleichzeitig leisten beide Akteure einen wesentlichen Beitrag zum Wohlstand und zur Attraktivität der Region, die häufig als räumliche Wettbewerbseinheit der Zukunft gesehen wird. Diese Betrachtung ist dem Tourismusbereich entlehnt, wo die Region auch als eine abgegrenzte räumliche Einheit definiert wird, die bestimmte Produkte und Produktbündel offeriert und daher als strategische Geschäftseinheit zu führen ist.11 Mittlerweile dient die Region verstärkt der Wirtschaftsförderung insgesamt als räumlicher Bezugspunkt. Der Erhalt der Leistungsfähigkeit der regionalen Wirtschaft und der öffentlichen Daseinsvorsorge in den angehörigen Gemeinden unter den Bedingungen des Klimawandels ist dabei eine der zentralen Aufgaben. Einer Klimawandelstrategie, die lokalverwaltungsspezifische und unternehmerische Handlungslogiken der Region ausgewogen berücksichtigt, können wesentlich größere Chancen auf Bedarfsgerechtigkeit, Umsetzbarkeit und damit Erfolg eingeräumt werden.

Mehrdimensionale Betroffenheit in Unternehmen

Aufgrund der relativ guten klimatischen Bedingungen Deutschlands liegt eine direkte Betroffenheit in der Gegenwart lediglich bei wenigen Unternehmen vor. Wie aus Tabelle 1 zu entnehmen ist, gaben nur 17% der 178 befragten Umweltexperten im Rahmen einer Expertenbefragung im März 2010 an, dass ihr Unternehmen oder ihr Mitgliedsunternehmen bereits heute durch die natürlich-physikalische Dimension des Klimawandels betroffen sei. Diese Einschätzung ändert sich teilweise, wenn die Zeitachse der Betroffenheit in die Überlegungen einbezogen wird. So wird eine derartige Betroffenheit von 30% der befragten Umweltexperten in den kommenden zehn Jahren und von gut 28% in mehr als zehn Jahren erwartet. Die Betroffenen gehören überwiegend der Land- und Forstwirtschaft sowie der Energie- und Wasserwirtschaft an. Die Betroffenheitssituation ändert sich stark, wenn die indirekte Betroffenheit über die regulatorische und die marktliche Dimension des Klimawandels berücksichtigt wird. Knapp 69% der 178 befragten Umweltexperten sehen ihr Unternehmen bzw. ihre Mitgliedsunternehmen, die vorwiegend aus Wirtschaftsbereichen wie Energie, Wasser, Chemie und Pharma stammen, schon heute von den klimarelevanten Regulierungen betroffen. Eine gegenwärtige marktliche Betroffenheit wird von mehr als der Hälfte der Befragten bejaht. Die Befragten gehörten zusätzlich zu den bereits erwähnten Wirtschaftsbereichen – auch Branchen wie Feinmechanik und Elektronik sowie Kredit und Versicherung an. Bei 40% der Befragten wird eine marktinduzierte Betroffenheit erst in den nächsten zehn Jahren erwartet.

Tabelle 1
Direkte und indirekte Betroffenheit von Unternehmen in Abhängigkeit von der Zeit

Mehrfachnennungen, Angaben in %

artbezogenzeitbezogen indirekte Betroffenheit direkte Betroffenheit
regulatorische Dimension marktliche Dimension natürliche Dimension
Wir sind bereits betroffen 68,9 51,7 17,1
In den nächsten 10 Jahren 24,3 39,1 30
In mehr als 10 Jahren 3,4 6,3 28,2
Ab Mitte des Jahrhunderts 0,6 0 9,4
Keine Auswirkungen 2,8 2,9 15,3

Quelle: IW-Umweltexpertenpanel, 2, 2010, Befragung von 178 Umweltexperten der Wirtschaft im März 2010.

Bei der Analyse der Betroffenheitssituation ist noch eine weitere Differenzierung erforderlich. Hinter der jeweiligen Dimension verbergen sich sowohl Chancen als auch Risiken für die Betroffenen. Das bedeutet, dass es sich hierbei sowohl um eine positive als auch um eine negative Betroffenheit handeln kann. Während die Beeinträchtigung der Produktion durch die Betroffenheit der Lieferkette und den damit einhergehenden Versorgungsengpässen, mangelndem Kühlwasser und logistischen Problemen aufgrund der Betroffenheit des Straßen-, Schienen- und Wasserverkehrs oder die Gefährdung der nationalen und internationalen Standorte Beispiele für eine negative Betroffenheit sind, lassen sich erhöhte Nachfrage nach Klimaschutz- und Anpassungsgütern, neuen Produkt- und Marktkombinationen, erhöhte Exportchancen oder Prozessinnovationen als positive Beispiele nennen. Welches Unternehmen oder welche Wirtschaftsbranche eher vom Klimawandel profitieren oder dadurch eher verlieren könnte, lässt sich nur unter Berücksichtigung von verschiedenen unternehmensinternen (z.B. Art der Leistung, Größe, Standorte) und unternehmensexternen Einflussfaktoren (wie etwa rechtliche Rahmenbedingungen oder Marktsituation) feststellen.

Mit Blick auf die natürlich-physikalischen Klimafolgen und ihre marktlichen Auswirkungen ist eine negative Betroffenheit vor allem bei der Land- und Forstwirtschaft etwa durch die Verbreitung von Schädlingen oder durch verminderte Erträge zu vermuten. Positive Effekte können sich z.B. für den Bausektor durch den steigenden Bedarf an Verschattung und Durchlüftung von Gebäuden und den Bedarf an Investitionen im Küstenschutz oder für die Chemie- und Pharmaindustrie, etwa durch die Entwicklung von klimaangepassten Produkten und Pflanzenschutzmitteln ergeben. Die Chancen für die Energiewirtschaft sind in der zunehmenden Bedeutung von erneuerbaren Energien oder Effizienzmaßnahmen zu sehen, während zunehmende Schäden an der Infrastruktur, etwa an Strommasten oder Leitungsnetzen durch Extremwetterereignisse oder mangelndes Kühlwasser bei der Kraftwerkskühlung oder steigende Versicherungsbeiträge für gefährdete Standorte, eher für erhöhte Risiken sprechen. Die verstärkte Be- und Überlastung von Abwasser- und Kanalisationssystemen, Hochwasser oder zunehmende Schäden an der Verkehrsinfrastruktur stellen Risiken für betroffene Sektoren wie Wasserwirtschaft oder Verkehr dar. Die negative Betroffenheit des Verkehrs- und Logistiksektors könnte auch die „Just in Time“-Lieferungen und die darauf folgenden Produktionsprozesse stark beeinflussen. Eine ausgeprägte Betroffenheit zeichnet sich auch im Sektor Tourismus ab. Nach der KPMG-Studie „Climate Changes Your Business“ gehört der Tourismus unter dem Aspekt der direkten natürlich-physikalischen Betroffenheit („physical risk“) neben den Bereichen Land- und Forstwirtschaft, Gesundheit, Pharma und Versicherung zu der höchsten Risikokategorie „danger zone“.12 Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Tourismus verschiedene Bereiche wie Sommer-, Winter- und Städtetourismus umfasst. Differenzierte Analysen zeigen, dass die Klimaveränderungen nicht nur Risiken mit sich bringen, sondern sich dadurch auch vielfältige Chancen für den Sektortourismus ergeben. So könnte mit steigenden Temperaturen und abnehmenden Niederschlägen der Sommertourismus in Deutschland etwa an Nord- und Ostsee attraktiver als zuvor werden. Die extrem hohen Temperaturen in den Sommermonaten in anderen Zielgebieten insbesondere in den touristisch beliebten Mittelmeerregionen könnten sogar zu einer Verlagerung der Tourismusströme ins milde Deutschland führen.13

Mehrdimensionale Betroffenheiten in Kommunen

Kommunen nehmen eine Schlüsselrolle im Umgang mit dem Klimawandel und seinen Folgen ein. Diese und deren Wechselwirkungen können allerdings nur schwer auf einzelne kommunale Verantwortungsbereiche heruntergebrochen werden. Lokale Gebietskörperschaften, wie Landkreise, Regierungsbezirke oder Gemeinden erbringen eine Vielzahl von Aufgaben und Leistungen in Bereichen, in denen der Klimawandel und seine Folgen bereits wirksam sind oder noch sein werden. Dabei haben sie nach dem Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung weitgehende rechtliche Handlungskompetenzen, um Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion durchzuführen und notwendige Vorkehrungen zu treffen, um kommunale Belange und Vermögenswerte gegen Risiken der lokalen klimatischen Bedingungen abzusichern oder eventuell sogar daraus entstehende Vorteile zu nutzen. Insbesondere für Gemeinden als kleinste Verwaltungseinheit ergeben sich in Zusammenhang mit dem Subsidiaritätsprinzip erhebliche Spielräume bei der Auswahl und Durchführung geeigneter Klimaschutz- und ortspezifischer Klimaanpassungsmaßnahmen. Ein Blick auf den Anteil der Gemeinden an den bundesweiten Bruttoanlageinvestitionen von 54% 2009 unterstreicht ihre Bedeutung bei der Umsetzung von Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung.14

Gemeinden wie Unternehmen sind einem Wettbewerb ausgesetzt, wobei sie um Fachkräfte, Unternehmen und Einwohner konkurrieren. Damit birgt der Klimawandel auch für die kommunale Leistungserbringung Risiken und Chancen, die sich kurz- oder langfristig auf die Attraktivität der Kommune als Wohn- und Lebensraum und als Wirtschaftsstandort auswirken können. Sie kann darauf strategisch sowohl mit Klimaschutz als auch mit Anpassung an die erwarteten Folgen des Klimawandels reagieren, wobei sich Intensität und Gestaltung der Strategie maßgeblich nach der individuellen Betroffenheit einer Gemeinde richtet. Die Betroffenheit ergibt sich aus den Veränderungen des lokalen Klimas, aber auch aus einer Vielzahl lokaler Gegebenheiten oder gemeindespezifischen Eigenschaften, wie z.B. der Bevölkerungsstruktur, der Siedlungsstruktur oder der Finanzausstattung. Erst im Zusammenwirken klimatischer Prozesse mit diesen Merkmalen lassen sich die Folgen des Klimawandels auf lokaler Ebene beschreiben.

Die Folgen des Klimawandels auf kommunaler Ebene lassen sich analog zur Unternehmensbetrachtung nach natürlich-physikalischen, regulatorischen und marktlichen Folgen des Klimawandels differenzieren. Natürlich-physikalische Folgen entstehen aus den bereits eingetretenen oder erwarteten klimatischen Veränderungen und wirken direkt in den betroffenen Kommunen. Ein Beispiel sind unmittelbare Schäden durch häufiger auftretende Hochwasserereignisse, Stürme oder anhaltende Hitzeperioden. Dies kann Kommunen verstärkt zu Klimaschutzanstrengungen ermutigen, aber auch zu Anpassungsprozessen führen, die nicht auf die Begrenzung von Treibhausgasen zielen, z.B. wenn stärker als bisher in den Auf- und Ausbau des Hochwasserschutzes investiert oder aber durch Material- und raumklimatische Verbesserungen der kommunale Gebäudebestand veränderten thermischen Belastungen angepasst wird.

Neben den natürlich-physikalischen Folgen sind Kommunen mit neuen klimawandelbedingten Planungs-, Kontroll- oder Berichterstattungspflichten konfrontiert, die durch übergeordnete Instanzen festgelegt und in der Kommune koordiniert, umgesetzt oder auch finanziert werden müssen. Diese indirekten Wirkungen des Klimawandels sind wie auch die direkten Folgen budgetwirksam für Kommunen, d.h. sie haben Einfluss auf Steuereinnahmen und allgemeine, spezielle oder zweckgebundene Finanzzuweisungen. Für Gemeinden hat diese Dimension besondere Relevanz, da Länder und Bund dazu tendieren Aufgaben an die nachfolgende Ebene abzugeben, ohne zugleich deren Finanzierung sicherzustellen.15 Um dem entgegenzuwirken, ist seit 2006 in Landesverfassungen das sogenannte Konnexitätsprinzip verankert worden, das grundsätzlich Aufgabenübertragungen durch die Länder mit einer Finanzierungsregelung für die Kommune verbinden soll.16 Da dieses Prinzip bislang aber nicht konsequent umgesetzt wird, können klimaschutz- oder klimaanpassungsbezogene Aufgaben die kommunalen Haushalte über Gebühr belasten. Solche regulatorischen Folgen treten bisher vorwiegend in Form von klimaschutzbezogenen Vorgaben, wie zur energetischen Sanierung, in Erscheinung. Klimaschutzinduzierte regulatorische Folgen können aber auch Chancen für die Kommunen bergen. Beispielsweise hat sich die Teilnahme an vom Bund geförderten Klimaschutz-Wettbewerben für Kommunen als Finanzierungsquelle erwiesen, um klimaschonende und zukunftsorientierte Energieversorgungsstrukturen auf den Weg zu bringen. Auch durch die seit 2008 bestehende sogenannte Kommunalrichtlinie17 wurden ca. 970 kommunale Klimaschutzprojekte angestoßen und finanziell gefördert.18 Regulatorische Betroffenheiten können perspektivisch zunehmend aus Vorgaben erwachsen, die explizit auf vermutlich nicht abwendbare klimatische Veränderungen zielen, wie etwa durch klimabedingte Verschärfungen von Rahmengesetzen zu Feinstaubbelastungen, Boden- oder Wassernutzung. Anpassungsbezogene regulatorische Folgen führen ebenso wie klimaschutzinduzierte regulatorische Folgen zu lokalen Betroffenheiten in Form von zusätzlichen Belastungen oder Chancen und stellen ein Handlungserfordernis für Kommunen dar.

Dies gilt auch für Betroffenheiten durch marktliche Folgen des Klimawandels. Marktliche Folgen ergeben sich z.B. durch eine wegen des Klimawandels veränderte Wahrnehmung der Gemeinde als attraktiven Lebensraum oder Wirtschaftsstandort oder auch aus klimaschutz- bzw. klimaanpassungsbezogenen Nachfrageänderungen. Stellen lokal ansässige Unternehmen z.B. Klimaschutztechnologien her, die verstärkt nachgefragt werden, profitiert der kommunale Haushalt in Form höherer Steuereinnahmen davon. Solche Marktveränderungen können natürlich auch in die entgegengesetzte Richtung wirken. Unabhängig von klimaschutzbezogenen Folgen können marktliche Veränderungen auch infolge von erwarteten oder bereits eingetretenen klimatischen Veränderungen entstehen. Sinkt z.B. der klimatische Komfort in dicht bebauten Gebieten und damit die Lebensqualität in Städten, können anpassungsinduzierte marktliche Folgen in Form von Abwanderung auftreten. Klimatische Veränderungen wirken aber auch über andere Faktoren, wie Kühlwasserverfügbarkeiten oder Gewässerqualitäten, auf die Standortattraktivität oder die Erholungsqualität in einer Gemeinde, so dass sie klimabedingt an Wettbewerbsfähigkeit verlieren oder auch gewinnen kann.

Städte und Gemeinden haben sich in jüngster Zeit verstärkt dem Klimaschutz zugewandt, wohingegen die Auseinandersetzung mit Anpassung erst langsam erfolgt. Seit Anfang 2011 ist die novellierte Fassung der Kommunalrichtlinie gültig, nach der erstmalig auch Vorhaben zur „Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ in Kommunen durch den Bund gefördert werden. In Anbetracht der großen Resonanz, die diese Förderrichtlinie bisher in den Kommunen erfuhr, kann dies als bedeutender Schritt gesehen werden. Häufig besteht Nachholbedarf, insbesondere wenn es darum geht, die anpassungsbezogenen Chancen und Risiken in den unterschiedlichen Aufgabenfeldern kommunaler Belange überhaupt erst zu identifizieren, da Klimafolgen meist über Umweltmedien wie Luft, Wasser oder den Boden wirksam werden, die wiederum als Produktions- oder Konsumgüter ganz unterschiedlichen Verwendungen zukommen. Damit wirken klimatische Veränderungen und deren Folgen in viele und teilweise voneinander unabhängige kommunale Zuständigkeitsbereiche hinein. Entlang dieser Zuständigkeitsbereiche können sich bei der Reaktion auf diese Betroffenheiten sowohl Konflikte als auch Synergien ergeben, die allerdings bei einer isoliert ressortorientierten Betrachtung unentdeckt und ungenutzt zu bleiben drohen. Eine Analyse von Betroffenheiten, die kommunale Handlungsfelder der Klimaanpassung ausschließlich entlang von Verantwortungsbereichen zu identifizieren versucht, greift daher zu kurz. Zudem variieren die Verwaltungsstrukturen von Gemeinde zu Gemeinde sehr, so dass dieses Vorgehen keinen einheitlichen systematischen Ansatz liefern kann.

Im Sinne der ansässigen Bürger und der Wirtschaft kann vielmehr danach gefragt werden, wo eine Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen und Daseinsvorsorge infolge direkter und indirekter Wirkungen des Klimawandels gefährdet sein könnte oder auch inwieweit aus diesen Veränderungen Vorteile entstehen. Diese produktorientierte Betrachtung folgt im Grundsatz dem Neuen Steuerungsmodell (NSM) zur Verwaltungsorganisation, wonach die kommunale Fach- und Ressourcenplanung anhand von Vorgaben zur effizienten Erbringung kommunaler „Produkte“ organisiert und gesteuert wird. Die Betrachtung erlaubt es der einzelnen Kommune, ihre Leistungen vor dem Hintergrund klimatischer Veränderungen zu überprüfen und Betroffenheiten systematisch zu erfassen. Entsprechend der vorhandenen Kompetenzen zur Bewältigung der Klimafolgen können die Maßnahmenplanungen den verschiedenen Zuständigkeitsbereichen zugeordnet werden. Eine produktorientierte Analyse von Betroffenheiten kann besonders betroffene Leistungen offenlegen, in denen zum Erhalt der Handlungsfähigkeit die Umstrukturierung von Teilen der bisherigen Verwaltungsorganisation erforderlich ist. Auch eine klimaschutzinduzierte Betroffenheitsanalyse kann entlang kommunaler Produkte erfolgen, wobei einige kommunale Produkte bzw. Produktgruppen, wie Bauen und Wohnen oder auch Verkehrsflächen und öffentlicher Personennahverkehr, eine Schlüsselrolle sowohl im kommunalen Klimaschutz spielen, als auch erheblich von klimatischen Veränderungen betroffen sein werden und insoweit als Handlungsfeld der Klimaanpassung zu sehen sind. Ein strategischer Dualismus besteht im Bereich der Energieversorgung19, der großes Potenzial zur CO2-effizienten Bereitstellung bietet, aber gleichermaßen gegen natürlich-physikalische Risiken der Bereitstellung abzusichern ist, z.B. durch die Sicherung freistehender Anlagen bei Extremwettern oder der Kühlwasserverfügbarkeit für Erzeugungsanlagen bei Hitze. Einen Musterkatalog zu Produktbildungen stellt die kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) zur Verfügung.

Handlungsbedarf und Reaktionsmöglichkeiten

Ausgehend von den skizzierten direkten natürlich-physikalischen Folgewirkungen sowie den klimaschutz- und klimaanpassungsbezogenen Folgen, von denen Kommunen und Unternehmen indirekt betroffen sein können, sind zielorientierte Strategien und Maßnahmen zu entwickeln und zu implementieren. Diese können sowohl auf die Vermeidung und Verminderung von Risiken als auch die Nutzung von Chancen zielen. Der Klimaschutz und die Klimaanpassung markieren zwei strategische Handlungsoptionen, die integrativ zu betrachten sind. Mit Blick auf die Mehrdimensionalität der Betroffenheitssituation ist es zweckmäßig, auch die Handlungsoptionen stärker zu differenzieren. Dadurch ist es einerseits möglich, die Beziehung der Handlungsoptionen zu den unterschiedlichen Betroffenheiten sichtbar zu machen und andererseits die Komplexität der Beziehungen zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung zu systematisieren, auch wenn angesichts des engen Zusammenhangs zwischen den beiden Strategien Überschneidungen nicht immer zu vermeiden sind. Gerade diese Beziehungsverflechtungen führen dazu, dass in der Unternehmenspraxis und in der kommunalen Verwaltung häufig keine trennscharfe Abgrenzung von Klimaschutz und Klimaanpassung vorgenommen wird, selbst wenn die dahinterstehenden Absichten auf der einen wie auf der anderen Seite verstanden werden.

Ausgehend von den direkten und indirekten Betroffenheiten durch den Klimawandel lassen sich vier Handlungsoptionen zur Risikobewältigung bzw. zur Nutzung von daraus resultierenden Chancen identifizieren, die in unterschiedlichem Ausmaß der Strategie des Klimaschutzes oder der Klimaanpassung zugeordnet werden können (vgl. Tabelle 2):

Tabelle 2
Klimastrategien in Abhängigkeit von Betroffenheiten
Strategische Reaktionen Natürlich-physikalische Betroffenheit Regulatorische Betroffenheit Marktliche Betroffenheit
  klimaschutz­bezogen anpassungs­bezogen klimaschutz­bezogen anpassungs­bezogen
Anpassung ohne Klimaschutz I Anpassung im engeren Sinne   II Anpassung im engeren Sinne   III Anpassung im engeren Sinne
mit Klimaschutz     IV Anpassungs­induzierter Klimaschutz   V Anpassungs­induzierter Klimaschutz
Klimaschutz ohne Anpassung VI Klimaschutz im engeren Sinne VII Klimaschutz im engeren Sinne   VIII Klimaschutz im engeren Sinne  
mit Anpassung   IX Klimaschutz­induzierte Anpassung   X Klimaschutz­induzierte Anpassung  

Eigene Darstellung.

Anpassung im engeren Sinne

Im Vordergrund stehen ausschließlich Anpassungshandlungen, die grundsätzlich frei von Überschneidungen mit klimaschutzbezogenen Handlungen sind (Anpassung ohne Klimaschutz). Es sind folgende Fälle zu unterscheiden:

I. Die Anpassungshandlung bezieht sich auf eine direkte Betroffenheit durch natürlich-physikalische Klimafolgen, wenn z.B. infolge steigender Meeresspiegel der betriebliche oder kommunale Hochwasserschutz ausgebaut wird.

II. Die Anpassungshandlung bezieht sich auf eine anpassungsbezogene regulatorische Betroffenheit, wenn z.B. infolge einer klimawandelbedingten Verschärfung der Wasserrahmenrichtlinie kommunale oder auch betriebliche Wassermanagementpläne eingeführt werden.

III. Die Anpassungshandlung bezieht sich auf eine anpassungsbezogene marktliche Betroffenheit, wenn etwa infolge einer erhöhten Nachfrage nach witterungsbeständigen Wohnräumen, neue und witterungsbeständigere Materialien produziert werden oder der öffentliche Wohnungsbau klimaangepasst gestaltet wird. Auch können veränderte Vegetationsperioden bzw. die daraus resultierende Veränderung der Nachfrage die Entwicklung neuer Saatmethoden oder Pflanzenarten fördern.

Anpassungsinduzierter Klimaschutz

Hier stehen Anpassungshandlungen im Vordergrund, die gleichzeitig oder zeitversetzt zur Treibhausgasverminderung beitragen (Anpassung mit Klimaschutz). Die Treibhausgasverminderungen sind zwar nicht primär intendiert, können aber zusätzlich motivierend für eine Anpassungshandlung wirken. Darunter lassen sich folgende Fälle subsumieren:

IV. Eine regulatorisch bedingte Anpassungshandlung führt auch zum Klimaschutz, z.B. wenn die Wassernutzung infolge von häufigeren Dürreperioden gesetzlich stärker reglementiert wird und dies die verstärkte Nutzung erneuerbarer (kühlwasserunabhängiger) Energien bewirkt. Die damit verbundene Treibhausgasreduktion kommt erst durch eine Anpassungshandlung zustande.

V. Eine marktbedingte Anpassungshandlung führt auch zum Klimaschutz, z.B. wenn eine erhöhte Nachfrage nach leistungsstärkeren Klimaanlagen wegen der anhaltenden Hitze im öffentlichen und privaten Personenverkehr infolge heißerer Sommer gleichzeitig zum Ersatz alter, nicht energieeffizienter Fahrzeuge und damit zur Emissionsreduktion führt. Klimaschutz ist ein Zufallsprodukt oder ein Zusatzmotivator für die Anpassungshandlung.

Klimaschutz im engeren Sinne

Im Vordergrund stehen ausschließlich Klimaschutzhandlungen, d.h. Vermeidung und Verminderung von Treibhausgasemissionen, die grundsätzlich frei von Überschneidungen mit klimaanpassungsbezogenen Handlungen sind (Klimaschutz ohne Anpassung). Folgende Fälle sind zu unterscheiden:

VI. Die Klimaschutzhandlung bezieht sich auf eine direkte Betroffenheit durch natürlich-physikalische Klimafolgen, z.B. wenn erwartet wird, dass zukünftige Klimafolgen abgewendet oder gemildert werden können, indem die betriebliche Produkt- und Prozessgestaltung oder die kommunale Energieversorgung energieeffizient gestaltet wird.

VII. Die Klimaschutzhandlung bezieht sich auf eine klimaschutzbezogene regulatorische Betroffenheit, wie z.B. durch das Emissionshandelsgesetz oder das Energieeinspargesetz.

VIII. Die Klimaschutzhandlung bezieht sich auf eine klimaschutzbezogene marktliche Betroffenheit, z.B. wenn aufgrund einer steigenden Nachfrage energieeffiziente Produkte gefertigt werden oder wenn Städte sich klimaneutral präsentieren, um das gestiegene Umweltbewusstsein von Bürgern zu bedienen und Abwanderungen entgegenzuwirken.

Klimaschutzinduzierte Anpassung

Hier stehen Klimaschutzhandlungen im Vordergrund, die gleichzeitig oder zeitversetzt zur Anpassung an klimawandelbedingte Folgeschäden beitragen (Klimaschutz mit Anpassung). Anpassungsaktivitäten können die Entscheidung für eine Klimaschutzhandlung begünstigen. Folgende Fälle sind entsprechend der verschiedenen Betroffenheitsdimensionen zu unterscheiden:

IX. Eine regulatorisch bedingte Klimaschutzhandlung induziert Anpassung, z.B. wenn Kommunen dazu angehalten sind Verkehrsflächen zur CO2-Minderung zu reduzieren. Sofern die damit freiwerdenden Flächen städtischen Wärmeinseln in Hitzeperioden entgegenwirken (Frei- und Grünflächen), trägt diese Handlung gleichzeitig zur Anpassung bei.

X. Eine marktbedingte Klimaschutzhandlung führt zur Anpassung, z.B. in dem Fall, dass Kunden oder Einwohner verstärkt nach energieeffizientem Bau und Betrieb von Gebäuden verlangen und folglich Gebäude bereitgestellt und Technologien angeboten werden, die primär den energetischen Verbrauch senken. Gut isolierte Gebäude z.B. können aber auch zur Verbesserung des klimatischen Komforts bei Hitze beitragen, so dass hier die primäre Klimaschutzintention zu einer Anpassung führt.

Fazit

Es handelt sich bei der Betroffenheit vom Klimawandel auf kommunaler und einzelwirtschaftlicher Ebene um einen mehrdimensionalen Zustand. Darauf kann mit einem Bündel verschiedener eher klimaschutzorientierter oder klimaanpassungsorientierter Handlungsoptionen reagiert werden, die in der bisherigen Klimaschutz- bzw. Klimaanpassungsdebatte nicht immer trennscharf unterschieden wurden. Die hier vorgeschlagene Klassifizierung schafft die Möglichkeit einer systematischen Herangehensweise. Trotz der grundsätzlichen Unterschiede zwischen Mitigation und Adaptation ist eine integrative klimawandelspezifische Betroffenheitsanalyse und Strategieentwicklung unabdingbar. Zudem kann vor dem Hintergrund der relativ moderaten klimatischen Bedingungen in Deutschland gegenwärtig den indirekten marktlichen und regulatorischen Folgen des Klimawandels eine besondere Bedeutung zugeschrieben werden, selbst wenn Kommunen und Unternehmen zunehmend auch mit natürlich-physikalischen Folgen des Klimawandels konfrontiert sind.

Die akteursorientierte Betrachtung von Betroffenheiten verdeutlicht außerdem, dass Kommunen und Unternehmen in ähnlichen Bereichen vom Klimawandel betroffen sein können. Das gilt vor allem bei technischen Infrastrukturen, wie der Energieversorgung, der Wasserversorgung oder Verkehrsinfrastrukturen, da diese Bereiche sowohl für zentrale Unternehmensfunktionen vital sind und gleichzeitig als klassische kommunale Produktbereiche im Sinne der öffentlichen Daseinsvorsorge verstanden werden. Es kann nicht nur die Frage nach dem Initiator, Finanzierungsträger und Umsetzer von entsprechenden Maßnahmen immer eindeutig beantwortet werden, diese Bereiche erfordern oft auch einen strategischen Dualismus in Bezug auf klimaschutz- und klimaanpassungsbezogene Handlungsoptionen. Die regionale Betroffenheitsanalyse zeigt, dass die Betroffenheit eines Akteurs die Betroffenheitssituation eines anderen Akteures positiv oder negativ beeinflussen kann. Damit wird auch ersichtlich, dass sich die Strategien und Maßnahmen von Kommunen und Unternehmen im Kontext des Klimaschutzes und der Klimaanpassung gegenseitig sinnvoll ergänzen können.

Die Betroffenheiten von Kommunen und Unternehmen können auch Unterschiede aufweisen. So kommt z.B. dem „Ort der Betroffenheit“ bei der Analyse der Betroffenheitssituation von Unternehmen eine besondere Bedeutung zu. Hierbei geht es darum, zu bestimmen, wo ein Unternehmen betroffen ist, etwa an Standorten in Deutschland oder im Ausland. Dies ist für die Analyse der Betroffenheitssituation von Kommunen nicht relevant, auch wenn Betroffenheiten durchaus über die Grenzen einer Gebietskörperschaft hinaus wirken können.

  • 1 Vgl. N. Stehr, H. von Storch: Zeppelin Manifest zum Klimaschutz,
    http://coast.gkss.de/staff/storch/pdf/Zeppelin-Manifest-2008.pdf.
  • 2 Vgl. Umweltbundesamt: Klimaänderungen deren Auswirkungen und was für den Klimaschutz zu tun ist, Berlin 2007, S. 8.
  • 3 Vgl. M. Mahammadzadeh: Anpassung an den Klimawandel in der deutschen Wirtschaft – Ergebnisse aus Expertenbefragungen, in: Zeitschrift für Umweltrecht und Umweltpolitik (ZfU), 33. Jg. (2010), H. 3, S. 309-340.
  • 4 Siehe zu Einzelheiten: www.klimazwei.de und www.klimzug.de. Der Fokus der KLIMZUG-Verbundprojekte liegt auf der Anpassung an die Klimafolgen auf regionaler Ebene.
  • 5 Siehe zur „ökologischen Betroffenheit“ und deren Operationalisierung z.B. H. Meffert, M. Kirchgeorg: Marktorientiertes Umweltmanagement, 3. Aufl., Stuttgart 1998, S. 259 ff.
  • 6 Vgl. D. Fürst: Regional Governance, in: A. Benz, N. Dose (Hrsg.): Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen: Eine Einführung, 2. Aufl., Wiesbaden 2010, S. 50 ff.
  • 7 Vgl. G. Nischwitz et al.: Local and Regional Governace für eine nachhaltige Entwicklung, Sondierungsstudie im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zum Förderschwerpunkt „Sozial-ökologische Forschung“, Berlin 2001, S. 2.
  • 8 Siehe hierzu F. Raich: Governance räumlicher Wettbewerbseinheiten – ein Ansatz für die Tourismus-Destination, Wiesbaden 2006, S. 8.
  • 9 Vgl. M. Pütz: Regional Governance in der räumlichen Planung, in: R. Kleinfeld et al. (Hrsg.): Regional Governance, Band 2, Steuerung, Koordination und Kommunikation in regionalen Netzwerken als neue Formen des Regierens, Göttingen 2006, S. 43.
  • 10 Vgl. G. Nischwitz, R. Molitor: Regional Governance als Motor einer nachhaltigen Entwicklung, in: Ökologisches Wirtschaften, Nr. 3-4, 2001, S. 24.
  • 11 Siehe hierzu T. Bieger: Management von Destinationen, 9. Aufl., Oldenburg 2008, S. 56.
  • 12 Vgl. KPMG: Climate Changes Your Business, KPMG’s review of the business risk and economic impacts at sector level, KPMG International, Amstelveen, Niederlande 2008, S. 45 ff.
  • 13 Vgl. M. Zebisch, T. Grothmann, D. Schröter, C. Hasse, U. Fritsch, W. Cramer: Klimawandel in Deutschland, Vulnerabilität und Anpassungsstrategien klimasensitiver Systeme, herausgegeben vom Umweltbundesamt, Dessau 2005, S. 141; E. Heymann: Klimawandel und Branchen: Manche mögen es heiß!, Deutsche Bank Research, Aktuelle Themen 388, 4. Juni, Frankfurt am Main 2007, S. 26.
  • 14 DESTATIS – Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Beiheft Investitionen, Wiesbaden 2010.
  • 15 Vgl. D. Hille: Konkurrieren statt Privatisieren, in: Kommunale Stelle für Verwaltungsmanagement (KGSt): Kommunen im Wettbewerb – Wettbewerb gestalten, Leistung verbessern, KGSt-Materialien, Nr. 1, Köln 2003, S. 32.
  • 16 Vgl. S. Articus: Endlich Rückenwind für Konnexitätsprinzip, in: Der Städtetag, Nr. 1, 2011, S. 1.
  • 17 Richtlinie zur Förderung von Klimaschutzprojekten in sozialen, kulturellen und öffentlichen Einrichtungen.
  • 18 Projektstand März 2011.
  • 19 Vgl. K. Kern et al.: Kommunaler Klimaschutz in Deutschland – Handlungsoptionen, Entwicklung und Perspektiven, Discussion Paper SPS IV 2005-101, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung 2005, S. 13-30.


DOI: 10.1007/s10273-011-1215-9