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In der Februarausgabe 2011 veröffentlichte der Wirtschaftsdienst einen Beitrag von Gunther Schnabl zum Thema „Strukturelle Verzerrungen im Währungskrieg“. Georg Quaas setzt sich kritisch mit diesem Beitrag auseinander.

Gunther Schnabl hat sich in der Februar-Ausgabe des Wirtschaftsdienst mit der chinesischen Währungspolitik befasst.1 Nach Schnabl war „ein wesentlicher Faktor für die rasche konjunkturelle Erholung“ Deutschlands von den Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise „die robuste Nachfrage aus Ostasien, insbesondere aus China“. Deshalb seien die wirtschaftliche Entwicklung Chinas und die damit zusammenhängenden Fragen, wie die Dollarbindung des chinesischen Yuan, auch für die deutschen Konjunkturaussichten zu beachten.2

Zwar stand China neben Indien und anderen Staaten an der Spitze der Volkswirtschaften, die sich schnell von der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise erholt haben, aber mit Blick auf die chinesische Nachfrage nach deutschen Produkten lehren die Fakten etwas anderes. 2010 hat die jährliche Ausfuhr Deutschlands nach China einen Wert von 53,6 Mrd. Euro erreicht. Trotz der exzeptionellen Steigerung von 43,9% im Vergleich zum Vorjahr sind das nicht einmal 5,6% des gesamten deutschen Exports im Umfang von 959,5 Mrd. Euro.3 Der Zuwachs von 16,6 Mrd. Euro der Ausfuhr nach China im Vergleich zu der von 2009 macht damit ca. 1,7% des gesamten deutschen Exports aus. Ökonometrischen Schätzungen zufolge4 ist damit das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands um knapp 0,6 Prozentpunkte gesteigert worden. Angesichts eines wirtschaftlichen Einbruchs von 4,7% wäre das ein Effekt gewesen, der kaum einen Unterschied macht. Hinzu kommt, dass dieser Pull aus China erst 2010 kam. Als der Exporteinbruch am größten war, nämlich 2009, konnte man eine Steigerung der Ausfuhren nach China von 9,4% (Vorjahresvergleich) – 3,2 Mrd. Euro in absoluten Zahlen – verzeichnen. Bezogen auf die Größenordnung des deutschen Exports kann sicherlich nicht behauptet werden, dass damit der deutschen Volkswirtschaft in bemerkenswertem Umfang geholfen worden ist.

Der chinesische Markt mag für einige Unternehmen in Deutschland von hoher Bedeutung sein. Als „Wachstumslokomotive“ für die deutsche Konjunktur spielt er (noch) keine Rolle.5 Allerdings steht das Schnabl eigentlich interessierende Problem der Dollarbindung des chinesischen Yuan in einem ganz anderen weltwirtschaftlichen Zusammenhang, der auch für Deutschland von Bedeutung ist, nämlich dem der globalen Asymmetrien der Leistungsbilanzen. Sollte es zu einem Handelskrieg zwischen den USA und China kommen, wäre Deutschland sehr wohl betroffen, wenn auch nicht unbedingt in negativer Weise. Letzteres wäre aber beispielsweise der Fall, wenn es zu schockartigen Anpassungsreaktionen kommen sollte oder wenn der Handelskrieg auch auf andere Länder ausgedehnt würde, die ebenfalls Handelsbilanzüberschüsse mit den USA aufzuweisen haben. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass zwar die Asymmetrie der Leistungsbilanz zwischen den USA und China thematisiert, aber Deutschlands Beitrag zu den globalen Ungleichgewichten stillschweigend übergangen wird.

Aus der Sicht Schnabls sind die globalen Ungleichgewichte gefährlich für die deutsche Wirtschaft, weil sie zu „Blasen“ führen, deren Platzen dann auch in Deutschland – wie man erst kürzlich erfahren konnte – Exporteinbrüche zur Folge haben, durch die die ganze Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird. Schnabls Sorge gilt speziell der „Exportblase“ Chinas, womit er den nach seiner Meinung überdimensionierten Exportsektor und die damit erwirtschafteten Leistungsbilanzüberschüsse Chinas meint, die – das ist sein Vorschlag – durch eine konzertierte Aktion der Amerikaner und der Chinesen zurückgeführt werden sollten.6

Hat Schnabls wirtschaftspolitischer Vorschlag eine Chance?

Richten wir also für einen Moment den Blick auf das Problem der Dollarbindung des Yuan! Es ist sicher richtig, wenn Schnabl an anderer Stelle ausführt, dass diese geldpolitische Maßnahme nach der Öffnung des chinesischen Marktes Anfang der 90er Jahre einen wesentlichen Beitrag zur Eindämmung der Inflation in China geleistet hat, die bei Wachstumsraten einer Volkswirtschaft, die in den zweistelligen Bereich hineinreichen, immer zu befürchten ist und die Mitte der 90er Jahre einen Höhepunkt erreichte.7 Unbestritten ist auch, dass der Renminbi (Yuan) inzwischen ein wichtiges Element der währungspolitischen Stabilität Asiens geworden ist.8

Aber abgesehen von diesen positiven Seiten, gibt es wohl nur sehr wenige Ökonomen außerhalb Chinas, die ernsthaft bestreiten, dass die Bindung an den Dollar inzwischen zu einer Unterbewertung des Yuan geführt hat und die chinesische Währung deshalb (stärker) aufgewertet werden müsste. Gemessen an den enormen Leistungsbilanzüberschüssen, die China Jahr für Jahr erwirtschaftet und die sich auch in der Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten Jahre nur kurzzeitig verringert haben, kann man zu keinem anderen Schluss kommen. Darum ist es auch verständlich, wenn Ökonomen9 und US-amerikanische Politiker seit geraumer Zeit beklagen, dass die chinesische Währungspolitik den Wettbewerb zwischen den beiden Ländern verzerrt und die USA Jobs kostet. Als wichtigste korrigierende Maßnahmen wird eine Anpassung des Yuan-Dollar-Kurses gefordert. Schnabl gehört mit seinem Lehrer McKinnon zu den wenigen Volkswirten, die der chinesischen Regierung raten, genau das nicht zu tun.10

In seinen letzten Arbeiten hat Schnabl verstärkt herauszuarbeiten versucht, auf welche Weise das globale Ungleichgewicht zwischen dem Leistungsbilanzdefizit der USA und dem Leistungsbilanzüberschuss Chinas abgebaut werden soll. Während er im Falle Japans angesichts einer seit dem Zweiten Weltkrieg kaum variierenden Sparquote resigniert die Untauglichkeit aller wirtschaftspolitischen Maßnahmen konstatiert hat,11 wird im Falle des viel größeren Chinas eine „koordinierte Rückführung der Ungleichgewichte auf der Grundlage einer fortbestehenden nominalen Yuan-Dollar-Bindung“ empfohlen.12 Die Amerikaner sollen – natürlich schrittweise – ihre Niedrigzinspolitik aufgeben und die Chinesen parallel dazu ihre Industriepolitik ändern. Letzteres verlangt vor allem, versteckte Subventionen für die Exportindustrie zurückzufahren und ein wesentlich höheres Maß an Inflation zuzulassen.13 Da aber sowohl die Amerikaner als auch die Chinesen gute Gründe haben, genau das nicht zu tun, jedenfalls nicht in Form eines gemeinsamen koordinierten Vorgehens mit dem Ziel, die gegenseitigen Handelsbilanzen in Ordnung zu bringen, ist kaum anzunehmen, dass jener Ratschlag Gehör finden wird. Natürlich ist nicht ausgeschlossen, ja sogar als wahrscheinlich anzunehmen, dass die Federal Reserve in den kommenden Jahren ihre expansive Geldpolitik schrittweise zurücknehmen wird, aber das hat dann wohl weniger etwas mit China als mit einer anziehenden Konjunktur im eigenen Lande zu tun.

Die Auffassung der chinesischen Führung

Für völlig ausgeschlossen halte ich, dass die chinesische Führung bereit sein wird, die kaum kontrollierbare Inflation im eigenen Lande noch weiter ausufern zu lassen. Dem steht nicht nur die Gefahr einer galoppierenden Inflation entgegen, sondern die Tatsache, dass die Inflation vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen trifft, die kaum etwas zu verlieren haben und darum die politische Stabilität Chinas jederzeit in Frage stellen können. Hu Xiaolian, Direktoriumsmitglied der People’s Bank of China (PBC), stellt dazu fest: „Historical experiences from many countries show that inflation and inflation management is not only an important topic in the study of economics, but also a key issue that affects social and political stability. Inflation, as put by Milton Friedman, the Nobel laureate in economics, is a dangerous disease that can be fatal and destroy the whole society if unchecked. In China, it is the low-income groups, especially over 40 million urban low-income groups and nearly 100 million migrant workers that will be hit the hardest by inflation. Any mismanagement in this issue would undermine social justice and stability. For the central bank, this means it should take preserving the value of domestic currency as the primary responsibility and prevent risks of high inflation.“14

Die Empfehlung, den Yuan weiter an den US-Dollar zu binden, wird nun ausgerechnet in einer Situation gegeben, in der führende Leute der PBC selbst zu der Einsicht gelangen, dass in punkto Wechselkurs etwas geschehen muss: „At present, a more flexible exchange rate regime will help curb inflation and asset bubbles. When domestic inflationary pressures are heightened, a stronger domestic currency will help bring down the price of imports. The role played by exchange rate in easing imported inflationary pressures is particularly important for a country like China that has a robust demand to import primary products due to unfavourable resource endowment.“15

Schnabls Empfehlung widerspricht also nicht nur amerikanischen Interessen, sondern zunehmend auch dem währungspolitischen Interesse der PBC, die Inflation im eigenen Land unter Kontrolle zu halten. Die Sterilisation des Zuflusses fremder Währungen durch Offenmarktoperationen, die Erhöhung des Mindestreservesatzes oder die Ausgabe von chinesischen Staatspapieren stößt langsam an die Grenzen des Möglichen und erzeugt Kosten, die gegenüber denen einer Aufwertung des Yuan abgewogen werden können. Deshalb räumt inzwischen die PBC ein, dass ein flexiblerer Wechselkurs helfen würde, die Inflationsgefahr zu verringern. Dass sie sich auf die Notwendigkeit einer Inflationsbekämpfung bezieht, unterstreicht noch einmal, wie wenig Chancen der Vorschlag Schnabls, in China eine höhere Inflation zuzulassen, hat, in diesem Lande auch nur diskutiert zu werden.

Ist der Vorschlag theoretisch begründet?

Abgesehen von der mangelhaften Einordnung jener Empfehlung in die ökonomische, politische und historische Situation Chinas, ist auch die theoretische Grundlegung nicht frei von Mängeln. Ausgangspunkt Schnabls ist der Fakt, dass die chinesische Volkswirtschaft enorme Überschüsse in ihrer Leistungsbilanz erwirtschaftet, die in Form von ausländischen Währungen – vor allem US-Dollar – in das „Mutterland“ fließen und aufgrund des weitgehend festen Wechselkurses dort für einen Zuwachs der Geldmenge (Renminbi) sorgen. Unbestritten ist, dass dieser Gang der Dinge der PBC Sorgen bereitet, so dass sie sich gezwungen sieht, die von Schnabl beschriebenen Sterilisierungsoperationen durchzuführen. Eben das kritisiert der Autor als eine nicht marktkonforme Maßnahme.16 Anstatt aber die der Situation durchaus entsprechende, marktkonforme und sicher auch wirkungsvolle Aufwertung des Yuan zu empfehlen, favorisiert er aus den genannten Gründen die in keiner Weise marktwirtschaftlich begründbare Fixierung des nominalen Wechselkurses. Statt einer Aufwertung des Yuan soll die PBC die Inflation im Inland ansteigen lassen, weil auf diese Weise dann zwar nicht der nominale, aber der reale Wechselkurs zu einem Gleichgewicht führen würde.17

Diese Überlegungen sind mit der modernen makroökonomischen Theorie nicht besonders gut unter einen Hut zu bringen. Anstelle des AS-AD-Modells zieht Schnabl altehrwürdige Theorien von Wicksell, Schumpeter und Hayek zu Rate.18 So genial diese Theorien auch zu ihrer Zeit gewesen sein mögen, erlauben sie leider nur eine sehr beschränkte, einseitige Sicht auf die Dinge. Darüber hinaus fehlt ihnen jede Vorstellung von den quantitativen Relationen der einzelnen Determinanten. Jahrzehnte vor Phillips, Friedman, Phelps und Lucas fehlte beispielsweise die Einsicht in die Rolle der Inflationserwartungen im Prozess der Preisbildung und eine entsprechende Verankerung in der makroökonomischen Theorie. Konkret: Eine Korrektur der Leistungsbilanz zwischen zwei Ländern bei einem festen nominalen Wechselkurs vermittels der Inflation in einer der beteiligten Volkswirtschaften würde zunächst den Geldmarkt betreffen und erst nach einem gewissen Zeitraum zu spürbaren Korrekturen in der Realwirtschaft führen. Natürlich kann den Wirtschaftsakteuren eine solche Geldpolitik, sofern sie nachhaltig ist, nicht verborgen bleiben. Sie würden eine wesentlich höhere und schließlich auch eine ständig steigende Inflationsrate erwarten und Löhne und Preise entsprechend anpassen. Wenn bei einem Wirtschaftswachstum von ca. 10% eine Inflationsrate von 4 oder 5% zwar für normal, aber schon bekämpfenswert gehalten wird, so dürfte bei der von Schnabl empfohlenen Geldpolitik leicht die Grenze erreicht werden, ab der eine Hyperinflation einsetzt. Man kann aber ziemlich sicher davon ausgehen, dass die chinesische Elite inzwischen nicht nur ihre Mao-Fibel kennt, sondern auch die makroökonomischen Lehrbücher. Sie weiß, dass sie bereits jetzt am Rande einer unkontrollierbaren Inflationsspirale steht.

Ist das ausländische Kapital am Leistungsbilanzüberschuss Chinas schuld?

Eine Korrektur des Wechselkurses hält auch Schnabl für notwendig, wenngleich er dabei nicht den (nominalen) Yuan-Dollar-Kurs im Blick hat. Diese Korrektur ist aus seiner Sicht nicht so sehr wegen der Handelsbilanzüberschüsse erforderlich, sondern soll dazu dienen, das ausländische Kapital von China abzuschrecken bzw. nicht noch mehr anzulocken. Diese Empfehlung beruht auf der wiederum nur von wenigen Ökonomen vertretenen Theorie, dass die Kapitalbilanz die treibende Kraft hinter der Handelsbilanz ist, und nicht umgekehrt. Genauer gesagt ist es nach Schnabl ein Teil der Kapitalbilanz, nämlich das ausländische Kapital, das die Asymmetrien verursacht: „In den USA haben die Niedrigzinspolitiken unter den Zentralbankpräsidenten Greenspan und Bernanke den Finanzsektor weit über ein nachhaltiges Niveau aufgebläht. Niedrige Zinsen in den USA begünstigen zudem Kapitalzuflüsse nach China, die – getragen von der geldpolitischen Reaktion der Zentralbank – die Wirtschaftsstruktur zugunsten des Exportsektors verzerren.“19

Doch ist es wirklich das ausländische Kapital, das sich angeblich durch die Niedrigzinspolitik der Federal Reserve nach China getrieben fühlt und dort nicht nur die Dollarreserven der PBC, sondern auch die Exportindustrie so sehr aufbläht, dass man von einer „Exportblase“ reden kann? Die PBC sagt mit Blick auf ihre Bilanzen „nein“, das ausländische Kapital steht erst an zweiter Stelle der Devisenschwemme: „In the first half of 2010, the major sources of net inflows were trade in goods, foreign direct investment, overseas listings by Chinese enterprises, and personal fund transfers.“20

Die Probleme der PBC beim Umgang mit dem Zufluss ausländischen Kapitals müssen jedoch von ihren realwirtschaftlichen Wirkungen unterschieden werden. Ein Blick auf die (allerdings nicht sehr aktuellen!) Zahlen des chinesischen Statistischen Amtes zeigt, dass die ausländischen Investitionen in China 2008 nur ca. 5% der Bruttoinvestitionen ausmachen. So wichtig diese Investitionen in technologischer Hinsicht auch sein mögen, als wesentliche Triebkraft der chinesischen Wirtschaftsentwicklung kommen sie schon aufgrund der Größenordnung nicht in Betracht. Dem Kapitalfluss von 95,3 Mrd. US-$ (Foreign Investment) steht ein Außenbeitrag Chinas von 298 Mrd. US-$ gegenüber.21 Aber auch der Export ist – nach Einschätzung Bernankes – nicht die entscheidende Triebkraft auf dem Weg aus der Krise gewesen, sondern das Wachstum der inländischen Nachfrage, stimuliert durch ein kräftiges Konjunkturprogramm.22

Unter dem Gesichtspunkt der Identität von Leistungsbilanz und negativer Kapitalbilanz bedeuten jene Zahlen: China exportiert bedeutend mehr Kapital als es importiert, wobei ein großer Teil der erwirtschafteten Devisen gleich in den USA verbleibt. Damit steht China allerdings nicht allein auf der Welt. Angesichts der aktuellen globalen Flucht in den US-Dollar und in amerikanische Staatspapiere nimmt sich die These des Autors, dass China von einem Kapital-Tsunami bedroht wird,23 recht merkwürdig aus. In währungstechnischer Hinsicht wird dabei unterstellt, dass China nicht in der Lage wäre, ein solche „Welle“ durch seine Kapitalkontrollmechanismen zu stoppen. Auf diese Möglichkeit wird jedoch ausdrücklich auf der Webseite der PBC hingewiesen: „Temporary control on capital inflow and outflow may also be introduced if circumstances warrant, as what has been done recently by a number of emerging market economies.“24

Abgesehen von ökonometrischen Analysen, die bislang die These von den nach China umgelenkten Kapitalströmen (weg von den USA) jedenfalls nicht bestätigen konnten,25 muss man fragen: Wenn die von Schnabl vertretene Theorie, dass Kapitalzuflüsse die Ursache für einen überdimensionierten Exportsektor sind, stimmen würde, warum führt dann der Kapitalexport in die USA nicht zu dem selben Effekt? Ist es nicht vielmehr so, dass der Erfolg der chinesischen Exportindustrie und die günstigen Bedingungen, unter denen sie operiert (billige Arbeitskräfte, ein unterbewerteter Yuan, staatliche Förderung), das ausländische Kapital wie einen Magnet anziehen?26 Bislang jedenfalls blieb der Autor eine Antwort auf diesbezügliche Fragen und Kritiken schuldig27 – was ihn nicht daran hindert, weiterhin die Fiktion eines durch die Niedrigzinspolitik der Amerikaner begünstigten, nach China umgelenkten Kapitalstroms und neuerdings einer drohenden Großinvasion des Kapitals zu verbreiten. Wenn tatsächlich noch mehr Kapital dorthin fließen würde als das sowieso schon der Fall ist, kann man wohl ziemlich sicher sein, dass die Chinesen es willkommen heißen werden.

Welche Konsequenzen hat die deutsche Volkswirtschaft zu erwarten?

Egal, ob die Chinesen dem Druck der Amerikaner nachgeben und ihren nominalen Wechselkurs marktkonform anheben oder ob sie dem Vorschlag Schnabls folgen, und eine höhere Inflationsrate zulassen, um den realen Wechselkurs anzupassen, das Ziel wäre in beiden Fällen eine Redimensionierung der chinesischen Exportindustrie. Für die deutschen Maschinenbauer, die sich nach Schnabl an einer verzerrten Wirtschaftsstruktur ausgerichtet haben,28 würde diese „Konsolidierung“ schmerzliche Konsequenzen haben. Man darf aber Zweifel daran haben, dass China eine solche Wirtschaftspolitik überhaupt zulassen kann, ohne seine politische Stabilität zu gefährden. Chinas Exportindustrie hat strategisch vor allem die Funktion, das durch die Industrialisierung und die Marktöffnung freigesetzte Arbeitspotenzial aufzufangen. Momentan ist die Binnennachfrage noch zu wenig entwickelt, um die Industrie auf den privaten Konsum auszurichten. Man wird also warten müssen, bis die jetzt schon rasant ansteigenden Löhne sich in einer stetig wachsenden Konsumnachfrage niederschlagen. Das wird es der chinesischen Führung ermöglichen, die Industriestruktur schrittweise zu korrigieren – aber wohl kaum durch die Redimensionierung der Exportindustrie, sondern durch die Ergänzung mit einer stärker auf die Binnennachfrage gerichteten Waren- und Dienstleistungsindustrie – einschließlich eines stärkeren Importes von Konsum- und Investitionsgütern. Langfristig gesehen könnte China so doch noch werden, was es momentan noch nicht ist, nämlich eine Konjunkturlokomotive für Deutschland.

  • 1 G. Schnabl: Strukturelle Verzerrungen im Währungskrieg, in: Wirtschaftsdienst, 91. Jg. (2011), H. 2, S. 102-106.
  • 2 Ebenda, S. 102.
  • 3 Statistisches Bundesamt: Zusammenfassende Übersichten für den Außenhandel, Fachserie 7, Reihe 1, Dezember 2010, Tabelle 2.2.1.
  • 4 G. Quaas, M. Klein: Struktureller Wandel und Krisenbewältigung der deutschen Volkswirtschaft: eine ökonometrische Analyse, in: Wirtschaftsdienst, 91. Jg. (2011), H. 3, S. 186-193.
  • 5 Vgl. G. Schnabl: Strukturelle Verzerrungen, a.a.O., S. 104.
  • 6 Vgl. ebenda, S. 102.
  • 7 Vgl. u.a. G. Schnabl, S. Freitag: An Asymmetry Matrix in Global Current Accounts, Working Paper Nr. 76, University of Leipzig, Faculty of Economics and Business Administration, 2009.
  • 8 Vgl. G. Schnabl: The Role of the Chinese Dollar Peg for Macroeconomic Stability in China and the World Economy, Working Papers on Global Financial Markets, Nr. 13, Jena/Halle 2010.
  • 9 Vgl. u.a. M. P. Dooley, D. Folkerts-Landau, P. Garber: An Essay on the Revived Bretton Woods System, NBER Working Paper Series, 2003, Nr. 9971.
  • 10 Vgl. R. McKinnon, G. Schnabl: China’s financial conundrum and global imbalances, BIS Working Papers, 2009, Nr. 277.
  • 11 G. Schnabl: Leistungsbilanz und Wirtschaftspolitik – das Beispiel Japan 1980-1996. Eine theoretisch-empirische Analyse, Baden-Baden 1999, S. 219 ff.
  • 12 G. Schnabl: Strukturelle Verzerrungen im Währungskrieg, a.a.O., S. 102.
  • 13 G. Schnabl: The Role of the Chinese Dollar Peg for Macroeconomic Stability in China and the World Economy, a.a.O., S. 28 f.
  • 14 Hu Xiaolian: Exchange Rate Regime Reform and Monetary Policy Effectiveness, 2010, http://www.pbc.gov.cn, abgerufen am 16.3.2011, Abschnitt I.
  • 15 Ebenda, Abschnitt III.
  • 16 Vgl. G. Schnabl, S. Freitag: An Asymmetrie Matrix in Global Current Accounts, a.a.O., S. 15-17.
  • 17 Vgl. G. Schnabl: Strukturelle Verzerrungen im Währungskrieg, a.a.O., S. 106.
  • 18 G. Schnabl, A. Hoffmann: Geldpolitik, vagabundierende Liquidität und platzende Blasen in neuen und aufstrebenden Märkten, in: Wirtschaftsdienst, 87. Jg. (2007), H. 4, S. 222-224.
  • 19 G. Schnabl: Strukturelle Verzerrungen im Währungskrieg, a.a.O., S. 104.
  • 20 PBC: China Monetary Policy Report Quarter Two, 2010, S. 46.
  • 21 National Bureau of Statistics of China: China Statistical Yearbook 2009, Foreign Trade and Economic Cooperation, Tabellen 17-1, 17-3, http://www.stats.gov.cn/tjsj/ndsj/2009/indexee.htm.
  • 22 Vgl. B. Bernanke: Asia and the Global Financial Crisis, Speech at the Federal Reserve Bank of San Francisco’s Conference on Asia and the Global Financial Crisis, Santa Barbara, California, 19. 10.2009, http://www.federalreserve.gov/newsevents/speech/bernanke20091019a.htm, Download 25.3.2011.
  • 23 G. Schnabl: Kapital-Tsunami und Exportblase, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14.2.2011, Nr. 37, S. 12.
  • 24 H. Xiaolian: Three Characteristics of the Managed Floating Exchange Rate Regime, 2010, http://www.pbc.gov.cn, abgerufen am 16.3.2011.
  • 25 G. Quaas: Was the Worldwide Asymmetry in Current Accounts Caused by the Macroeconomic Policy of the Global Economy’s Leader?, in: Journal of Applied Economic Science, 5. Jg., Nr. 2 (12), Sommer 2010, S. 139-147.
  • 26 Für eine detaillierte Untersuchung der Determinanten internationaler Kapitalströme vgl. IMF: World Economic Outlook, April 2011, Kapitel 4, http://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2011/01/pdf/text.pdf, abgerufen am 16.4.2011.
  • 27 Der Senior Official des IMF M. Mussa kritisiert die These von der Wirkungslosigkeit des Wechselkurses auf die Leistungsbilanz und charakterisiert die Empfehlung, den Yuan noch fester an den Dollar zu binden, so: „I disagree fundamentally with their basic conclusion and would characterise it as economic nonsense.“ M. Mussa: Massive and persistent resistance to substantial and necessary appreciation of the renminbi by the Chinese authorities: a comment on McKinnon and Schnabl, in: R. McKinnon, G. Schnabl: China’s financial conundrum and global imbalances, BIS Working Papers, Nr. 277 (2009), S. 37-49. Von den in diesem Zusammenhang diskutierten Möglichkeiten, den realen Wechselkurs konstant zu halten, nämlich (i) über den nominalen Wechselkurs und (ii) über die Inflation, empfiehlt Schnabl ausgerechnet die für China am wenigsten realisierbare Variante.
  • 28 G. Schnabl: Strukturelle Verzerrungen im Währungskrieg, a.a.O., S. 106.

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DOI: 10.1007/s10273-011-1230-x