Die Förderung von Existenzgründungen aus der Arbeitslosigkeit hat Tradition: Bis in die Zeit der Weimarer Republik reichen ihre Wurzeln. Heute spielt die Gründungsförderung eine wichtige Rolle in der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Schon seit langem sind die diversen Förderprogramme auch immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Evaluation. Von Kaiser/Otto beispielsweise wurden bereits 1990 erste Untersuchungen zur Wirksamkeit des Überbrückungsgeldes vorgelegt.1 Und auch nachfolgende Untersuchungen2 bis hin zur „Hartz-Evaluation“3, der bisher größten zusammenhängenden wissenschaftlichen Untersuchung arbeitsmarktpolitischer Programme, haben bis zum heutigen Tage immer wieder nachgewiesen, dass die Gründungsförderung die Wahrscheinlichkeit der Teilnehmer, zu einem späteren Zeitpunkt wieder arbeitslos zu werden, nachhaltig reduziert.
Während sich die Förderkonditionen im Laufe der Zeit gewandelt haben, blieb die Grundidee stets dieselbe: Mit dem Schritt in die Selbständigkeit beenden die Geförderten die Arbeitslosigkeit und damit auch den Bezug von Arbeitslosengeld. Im Erfolgsfall entstehen außerdem fiskalische und parafiskalische Rückflüsse. Schaffen die Jungunternehmer noch weitere Arbeitsplätze, werden zusätzlich Beiträge an die Sozialversicherung abgeführt. Im günstigsten Fall ist ein solches Förderprogramm kostenneutral oder trägt sogar noch zur Einsparung von Beitragsmitteln bei.
In den letzten beiden Jahrzehnten wurde die Gründungsförderung immer mehr zu einem anerkannten Mittel im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. In den Jahren 2003 bis 2006 existierten sogar zwei Förderprogramme gleichzeitig. Die Gründungsinteressierten mussten sich zu jener Zeit zwischen dem etablierten Überbrückungsgeld und dem neuen Existenzgründungszuschuss, besser bekannt als „Ich-AG“ entscheiden.4 Zum 1.8.2006 schließlich wurden diese beiden Programme durch den Gründungszuschuss (§§ 57, 58 SGB III) ersetzt.
Entgegen allen Erwartungen kam es zwischen der „Ich-AG“ und dem Überbrückungsgeld nicht zu einer Substitutionsbeziehung. Im Gegenteil, die „Ich-AG“ sprach vielmehr neue Personengruppen an, die zuvor im Gründungsgeschehen kaum vertreten waren, so dass im Jahr 2004 schließlich ein Teilnehmerrekord von insgesamt über 350 000 Geförderten verzeichnet wurde (vgl. Abbildung 1). Allein in jenem Jahr beliefen sich die Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit für die beiden Förderprogramme auf mehr als 3,3 Mrd. Euro. Nach der Gesetzesänderung im Jahr 2006 war ein deutlicher Teilnehmerrückgang zu beobachten, doch stiegen auch beim neuen Gründungszuschuss die Fördereintritte seither wieder kontinuierlich an.
Abbildung 1
Eintritte in die Gründungsförderung, 2000 bis 2010
Quelle: Data Warehouse der Statistik der Bundesagentur für Arbeit, 2011.
Evaluation der Förderung
Die beachtlichen Teilnehmerzahlen und die ebenso beachtlichen Budgets machen die Förderprogramme immer wieder zum Gegenstand intensiver Evaluationsforschung. Gerade bei der „Ich-AG“ war anfangs die Skepsis groß, während das schon länger existierende Überbrückungsgeld allgemein als recht erfolgreich galt. Selbst Optimisten erwarteten kaum nennenswerte Effekte. Doch schon bald belehrten die empirischen Befunde aus der Hartz-Evaluation alle Kritiker eines Besseren: Denn die „Ich-AG“ war ebenso erfolgreich wie das Überbrückungsgeld. 28 Monate nach der Gründung waren hier durchschnittlich sogar noch 74% der ursprünglich Geförderten als Selbständige am Markt, während es bei den Überbrückungsgeld-Gründern im Schnitt 71% waren (vgl. Abbildung 2). Allerdings konnte der Existenzgründungszuschuss für bis zu drei Jahre gewährt werden, so dass sich zum damaligen Erhebungszeitpunkt ein Teil der Untersuchungspersonen noch immer in der laufenden Förderung befand.5 Besonders überraschend war jedoch der Befund, dass gerade Frauen, die sich für die „Ich-AG“ entschieden hatten, von allen Geförderten die höchsten „Überlebensquoten“ aufwiesen. Gerade bei ihnen hatte man die meisten Probleme erwartet. Denn zum einen haben Männer gewöhnlich einen leichteren Zugang zu Startkapital,6 zum anderen hatten Überbrückungsgeld-Gründer tendenziell ein höheres Qualifikationsniveau, weniger gesundheitliche Einschränkungen, waren vor der Gründung kürzer arbeitslos und verfügten auch über eine bessere Ressourcenausstattung als die „Ich-AG“-Gründer.
Abbildung 2
Verbleib in Selbständigkeit, 28 Monate nach der Gründung
Quelle: Befragungsdaten aus der Hartz-Evaluation (n = 4848); eigene Berechnungen.
Viel Erfolg und wenig Geld
Freilich ist der Fortbestand einer Unternehmung am Markt ein zentrales Erfolgsmaß, doch kann dessen Robustheit auch den Blick auf wichtige Details verschleiern. Denn das reine Überleben sagt wenig über den wirtschaftlichen Erfolg der Gründung aus. Wer beispielsweise finanzielle Freiheiten hat, kann es sich leisten, ein Unternehmen wenigstens vorübergehend auch bei geringen Umsätzen fortzuführen. Ebenso kann der Mangel an Erwerbsalternativen einen Gründer zwingen, die selbstständige Tätigkeit trotz schlechter Ertragslage bis auf Weiteres fortzusetzen. Die Lebensumstände der Geförderten und insbesondere deren wirtschaftliche Situation im Haushaltskontext sind mithin weitere wichtige Größen für eine umfassende Erfolgsbewertung der Förderung.
Und tatsächlich zeigen sich zwischen den Teilnehmern der beiden Förderprogramme erhebliche Unterschiede beim Erwerbseinkommen aus selbständiger Tätigkeit bzw. bei den Privatentnahmen, also dem Betrag, den die Selbständigen für private Zwecke aus dem Unternehmen ziehen: Während die Überbrückungsgeld-Gründer ein Jahreseinkommen von durchschnittlich 28 416 Euro berichteten, betrug dieses bei den „Ich-AG“ mit 14 338 Euro im Jahr gerade die Hälfte. Ähnlich waren auch die Einkommensrelationen zwischen den Geschlechtern: Männer erzielten mit ihren Unternehmungen im Durchschnitt 24 903 Euro, Frauen dagegen nur 14 786 Euro. Die geringste Privatentnahme berichteten „Ich-AG“-Gründerinnen mit 11 312 Euro im Jahr.
Derart geringe Einkünfte führen rasch zur altbekannten Diskussion um „Kümmerexistenzen“. Diese seien wirtschaftlich nicht tragfähig, kaum nachhaltig und deshalb auch nicht förderwürdig, so die wirtschaftspolitische Kritik. Als wesentliche Fördervoraussetzung soll die Selbständigkeit grundsätzlich existenzsichernd sein. Bei Einkommen dieser Größenordnung ist dies aber fraglich, ganz abgesehen von einer angemessenen Vorsorge für das Alter oder gegen Sozialrisiken wie Krankheiten.
Die Rolle des Haushalts
Tiefergehende Analysen zeigen, dass der Haushaltskontext zumindest indirekt eine wichtige Rolle bei der Einschätzung des Gründungserfolgs spielt.7 Denn je nach Haushaltskonstellation fallen die Beiträge der Geförderten zum Haushaltsgesamteinkommen sehr unterschiedlich aus. In der Untersuchung tragen drei Viertel der „Ich-AG“-Gründerinnen und zwei Drittel der Überbrückungsgeld-Gründerinnen regelmäßig weniger als die Hälfte zum verfügbaren Haushaltseinkommen bei. Bei Männern ist das Verhältnis in etwa ausgeglichen. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern kristallisieren sich mit zunehmender Haushaltsgröße immer deutlicher heraus. Hat ein Haushalt mindestens drei Personen, so tragen nur noch 14% der „Ich-AG“-Gründerinnen und 22% der Überbrückungsgeld-Empfängerinnen mehr als die Hälfte zum verfügbaren Einkommen des Haushalts bei. „Ich-AG“ von Männern erwirtschaften hingegen in zwei von fünf beobachteten Fällen mehr als die Hälfte des Haushaltseinkommens, und bei Überbrückungsgeld-Empfängern steuert mehr als jeder Zweite mindestens die Hälfte des Haushaltseinkommens bei.
Geht man davon aus, dass es sich bei den Mehr-Personen-Haushalten überwiegend um Familien mit Kindern oder gegebenenfalls auch pflegebedürftigen Angehörigen handelt, so dominiert wohl bei Männern die traditionelle Ernährerrolle, während bei Frauen in einer vergleichbaren Haushaltssituation die berufliche Selbstständigkeit oftmals eher als Zuverdienst ausgeübt wird. Dies gilt vor allem für Haushalte mit einem überdurchschnittlichen Gesamteinkommen.
Fazit
Die traditionellen Evaluationskriterien orientieren sich noch immer stark an einem männlichen Unternehmerbild, das nur begrenzt auf Gründerinnen übertragbar ist. Gängige Zielgrößen wie „Überleben am Markt“ und „Einkommen“ werden teilweise relativiert durch familiale Verpflichtungen, wirtschaftliche Zwänge und finanzielle Freiheiten der Gründerinnen, die sich insbesondere aus dem Haushaltskontext ergeben. Dies schließt natürlich umgekehrt nicht aus, dass Gründerinnen ebenso wie Gründer aus ihrer selbständigen Tätigkeit ein individuell Existenz sicherndes Einkommen erzielen wollen.
Die Beendigung von Arbeitslosigkeit ist wünschenswert, aber nicht um jeden Preis. Wo nur niedrige Einkommen realisiert werden, besteht zumindest grundsätzlich Armutsgefahr – ganz gleich, ob dies am Unternehmensgegenstand, dem Arbeitseinsatz, dem unternehmerischen Geschick oder an persönlichen Präferenzen liegt. Dies gilt aber nicht nur für selbständige Tätigkeiten, sondern auch für verschiedene Formen abhängiger Beschäftigung.
Gerade kleine und kleinste Gründungen haben oft weniger einen ausgeprägt unternehmerischen Charakter, sondern dienen vorrangig der Sicherung des Lebensunterhaltes, manchmal auch nur der zusätzlichen Einkommensgenerierung. Die Selbständigkeit stellt dann eine Alternative zu abhängigen Erwerbsformen und insbesondere zu Mini- und Midi-Jobs dar, die ebenfalls häufig zur Aufstockung des Haushaltseinkommens genutzt werden.
Selbständigkeit – vor allem in kleinem Umfang – muss man sich leisten können. Bei einer Bewertung, inwieweit die Förderziele damit erreicht werden, wird von der Evaluationsforschung Scharfblick gefordert. Eine umfassende Evaluation muss mehr als die „klassischen“ Standardkriterien berücksichtigen. Nur so kann solide und zuverlässige Politikberatung geleistet werden. Allerdings bleibt dabei auch die Politik in der Pflicht: Denn die Frage etwa nach einer „Untergrenze“ für die Förderwürdigkeit eines Gründungsvorhabens kann nicht wissenschaftlich, sondern nur politisch beantwortet werden. Aufgabe der Wissenschaft ist es allerdings, Fakten vorzulegen und so zu einer Versachlichung der politischen Diskussion beizutragen.
- 1 M. Kaiser, M. Otto: Übergang von Arbeitslosigkeit in berufliche Selbständigkeit. Erste Ergebnisse aus IAB-Verlaufserhebungen bei Überbrückungsgeld-Empfängern nach § 55a AFG der Jahre 1986-1988, Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, H. 2, 1990, S. 284-299.
- 2 Siehe ausführlich F. Wießner: Arbeitslose werden Unternehmer, Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nr. 241, Nürnberg 2001.
- 3 Der Abschlussbericht des Moduls 1e „Existenzgründungen“ der Hartz-Evaluation ist nachzulesen unter IAB, DIW, SINUS, GfA, infas: Evaluation der Maßnahmen zur Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kommission, Arbeitspaket 1: Wirksamkeit der Instrumente, Modul 1e: Existenzgründungen, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bericht Juni 2006, Berlin, Download unter www.bmas.de.
- 4 Siehe hierzu S. Koch, F. Wießner: Ich-AG oder Überbrückungsgeld?: Wer die Wahl hat, hat die Qual, IAB-Kurzbericht, 02/2003.
- 5 Im dritten Förderjahr betrug der Existenzgründungszuschuss allerdings nur noch 240 Euro pro Monat.
- 6 Wie andere Studien auch zeigte die Hartz-Evaluation zu den Existenzgründungen, dass Frauen mit einem geringeren Einsatz von Fremdkapital gründen. Dieses Muster könnte strukturellen Hemmnissen geschuldet sein: Frauen sind zum Beispiel mit ihren kleineren Gründungsvorhaben – zumal oft im kleinen Dienstleistungsbereich – für Banken eher unattraktive Kundinnen. Eventuell spielen auch geschlechtsspezifische Benachteiligungen eine Rolle. Für eine tiefere Diskussion siehe M. Lauxen-Ulbrich, R. Leicht: Wie Frauen gründen und was sie unternehmen: Nationaler Report Deutschland. Teilprojekt Statistiken über Gründerinnen und selbstständige Frauen i. R. der EQUAL-Entwicklungspartnerschaft „Women Way of Entrepreneurship“, Institut für Mittelstandsforschung an der Universität Mannheim, 2005.
- 7 Überprüft wurde dies mittels einer semi-logarithmischen OLS-Regression, mit der wir eine modifizierte Einkommensfunktion nach Mincer schätzen; Details hierzu werden voraussichtlich im Herbst 2011 in der Zeitschrift „Sozialer Fortschritt“ veröffentlicht.